13.12.2014, 19:37
(13.12.2014, 17:01)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Über dein verheerendes Urteil zu den Kenntnisse von Sportstudenten und tätigen Trainern (welcher Hochschule oder Uni?) wundere ich mich sehr. Ich denke, das ist eine derbe Übertreibung. Hast du das erlebt?
Mir fällt insbesondere im Sprint auf, dass viel Unwissen herrscht. Ich möchte jetzt keinesfalls die Diskussion um die Kniebeuge im Sprint anfachen, aber folgendes muss man sich mal durch den Kopf gehen lassen (ich wandele einzelne unwesentliche Fakten ab, ohne das es den Inhalt betrifft, weil ich nicht weiß, ob bestimmte Leute hier mitlesen.)
-Eine Läuferin wird bei Sprints gefilmt und im Nachhinein werden die Videos in Zeitlupe angeschaut. Bei genauem Hinsehen und auch, wenn man die Athletin bei bestimmten Lauf-ABC-Übungen betrachtet, fällt auf, dass sie sehr schnell in eine posteriore Hüftstellung verfällt. Dadurch hat sie zwar einen guten Kniehub, aber der Bodenkontakt ist nicht gut platziert. Diese Hüftposition ist nicht kräftemäßig bedingt, sondern eine Angewohnheit. Sie kann nämlich auch mit normaler Hüftstellung laufen, aber sobald sie versucht, die Knie zu heben, schiebt sie die Hüfte nach vorn (was kein ganz so untypischer Fehler ist). Hier wären dann diverse technische Korrekturen vonnöten. Ein Trainer aus einem anderen Verein, der einmal ihrem Training beigewohnt hat mit abgeschlossenem Sportstudium und Jahrzehnten Trainerdasein dazu: Die Athletin sollt Maximalkraft-Kniebeugen machen, um "solche Dinger hier" (zeigt auf die Vasti) zu bekommen wie "die Jamaikaner". Dann würde sich das in Luft auflösen, dass sie beim Sprint sitze. Quadriceps im Hinterstütz? Im Übrigen hat die Sprinterin enorme Standweitsprungwerte. An der Beinstreckkraft kann es also kaum liegen. Im Kugelstoßen hatte er aber scheinbar einiges drauf.
-Bei einem Sportwissenschaftler (Diplom), den ich persönlich kenne und der im Laufsport tätig ist (allerdings in einer anderen Sportart als Leichtathletik), scheitert schon an einfachen anatomischen Begriffen. Ein Gespräch über Lauftechnik - fehl am Platz. Er schaue immer nur, dass seine Fünfkämpfer nicht auf den Fersen landen.
-Ein Verein macht Sommerpause (so lang wie die Sommerferien), in der kein Trainings- und WEttkampfbetrieb stattfindet, außer bei denen, die an der DM teilnehmen. Die bekommen Trainingspläne und trainieren solange zu Hause. Nach der Sommerpause ist die erste Trainingseinheit im Jahr eine halbe Stunde lang eine Treppe (Beton) ein- und beidbeinig vor- und rückwärts hochzuspringen und an der Seite hinunterzulaufen. Im Nachhinein stehen noch Sprints in Spikes an. Bei der zweiten Trainingseinheit fragt der Trainer mit einem stolzen Gesicht nach, wer beim letzten Mal alles Muskelkater bekommen hat. (wtf?)
-Exemplarisch für die technischen Disziplinen sieht ein Weitsprungtraining folgendermaßen aus: Spikes an, Anläufe voller Länge und vollen Tempos, um den Anlauf auszumessen. Hinweis des Trainers:
"Spring höher" oder "einen halben Fuß zurück". Methodische Reihen und technische Übungen sind fehl am Platz.
-Sportabzeichentag: Die Disziplinen werden in folgender Reihe abgearbeitet: zuerst 3000m-Lauf, dann der Rest. Ein organisatorischer Sinn war nicht zu erkennen, zumal das Ganze nicht im großen Personenkreis stattfand.
-Manche Sportler haben Fußfehlstellungen, die eig. nicht zu übersehen sind. (Ausgeprägter Außengang, starke Überpronation oder sogar Innengang.) Da wäre es der Gesundheit der Sportler nicht ganz undienlich, das zu beheben.
-Bei einer leichten Zerrung der Oberschenkelvorderseite beim Stabhochsprungtraining wird Dehnen empfohlen. Und sich gewundert, dass es davon nicht besser wird.
-Eine Sprinttechnikeinheit gab es, die sah so aus: Zuerst ging eine Gruppe von 4 Sportlern mit dem Trainer auf die nahegelegende Asphaltstraße, weil sie dort "ihre Ruhe haben". Die anderen haben Übungen auf der Bahn weiter gemacht. Es werden 50m-Läufe gemacht im Dauerlauftempo. Der Trainer gibt Hinweise wie: Versuch mal dein Bein vor dem Körper zu strecken. (ohne Kommentar). Eine Läuferin wird gefragt, ob sie noch Lust auf 400m-Läufe habe (auf der Asphaltstraße wohlgemerkt, immer um die Häuserblocks). Heute nicht, ok. Also zurück auf die Laufbahn. Dort werden Startspiele auf 20m gemacht mit der Erklärung: So, beim submaximalen Laufen haben wir uns die richtige Technik angewöhnt und beim maximalen Sprint, also wo man seine Bewegungen nicht mehr bewusst steuern kann, überprüfen wir jetzt, ob ihr das, was wir gerade geübt haben, schon unbewusst umsetzt. (klar, das ganze ist sofort automatisiert und vor allem haben Dauerlaufgeschwindigkeiten technisch sehr viel mit Tiefstart auf 20m zu tun).
-Ein Sportstudent höheren Semesters: Schnelligkeit und Ausdauer in einer Trainingseinheit? Was ist denn das für eine Trainingsgestaltung? Entweder mach ich Sprint oder Sprung oder so, is ja eh alles das gleiche oder ich trainier Ausdauer. Weil beides zusammen geht ja gar nicht weil du ja für das eine deine Typ-1- und für Ausdauer deine Typ-2-Fasern benutzt. (ohne Kommentar, bei den Ausdauertrainingsformen ging es um kurze anaerobe Tempoläufe, die im Anschluss an eine Serie von Tiefstarts stattfanden)
Die Fälle sind aus verschiedenen Vereinen. Von den selben Vereinen und Trainern ließe sich noch viel mehr Positives als Negatives berichten, aber solche Wissenlücken oder grobe Denkfehler sind einfach unverzeihlich bei einem entsprechenden Studium oder einer Trainerausbildung und teilweise auch nicht erklärbar.