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W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - Druckversion

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RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - hoffnungsvoller Vater - 23.03.2016

Danke für die Rückmeldung!
Mal zur Erklärung:
Auch wir wohnen in einer Kleinstadt, die sich ca. 30 Km vom Sportgymnasium entfernt befindet. D.h. morgens und abends eine halbe Stunde Fahrt mit Bus oder Auto.In unserer Region (Mecklenburgische Seenplatte und auch in Mecklenburg) und unserer Familie (obwohl ich selbst es bis in die Oberliga geschafft habe) spielt der Fußball eine eher untergeordnete Rolle.

Die Leistungsdichte der Leichtathleten, insbesondere der Jahrgänge 2002-2004, ist enorm hoch. Selbst in den Trainingsgruppen spielt die Rivalität eine große Rolle, denn jede möchte eine Fraser-Pryce oder Schippers sein. So werden selbst die als submaximal angesetzten Läufe zu Sprint mit Vmax, wenn man nicht bremst.

Die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen für die Leichtathletik ist sicher insgesamt verbesserungswürdig, was aber auch an der Altersstruktur der Trainer liegt. Kaum junge Trainer finden den Weg nach Mecklenburg (einzig der Verein LAV Ribnitz-Damgarten bildet hier eine Ausnahme). Die älteren Trainer finden zwar den Weg zur Sichtung bei Schulwettkämpfen und sehen auch die Talente, doch wenn ein z.B 75jähriger (vielleicht kennt ja jemand Bruno B.) die Kinder ansprechen soll, so findet er immer seltener einen Draht zu ihnen und die Kinder verschwinden beim Volleyball.

In den Gesamtschulen unserer Stadt gibt es jeweils eine Sportklasse, bei der mehrere Sportarten (Handball, Volleyball, Kanu und auch Leichtathletik vorgestellt werden). Es steht und fällt auch hier mit denen, die die Sportart vorstellen.

Meine Tochter geht ab letztem Jahr in die Gruppe Sprint/Hürde. Das Weitsprungtraining erschöpft sich in der Anlaufkontrolle und gab es vorher (also im alten Verein) auch nicht. Von daher sind die 5,70 m utopisch, obwohl das Sprungvermögen gut ist.

Natürlich wissen wir, dass nur einer von Tausend oben ankommt und legen daher auch Wert auf die schulische Ausbildung. Der Trainer meiner Tochter ist auch schon kurz vor der Pensionierung, wird aber hoffentlich aufgrund der Qualität der Trainingsgruppe weitermachen. Er ist eine der wenigen Ausnahmen, die Fordern und Fördern und einen Draht zu den Kindern haben. Ein Nachfolger ist jedoch weit und breit nicht in Sicht, und das an einem Olympiastützpunkt! 

Lieber Hellmuth, natürlich läuft jetzt alles sauber beim SC Neubrandenburg und von Springstein redet niemand mehr.

Den Grundstein für Sprinter oder Läufer legen immer Talent und Training und damit sie alle als Trainer. Die Kinder brauchen Abwechslung und Wettkämpfe, bei denen die Sieger nicht schon vorher feststehen, ansonsten verlieren sie schnell die Lust am Sport.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - gera - 23.03.2016

an icheinfachma :

Du hast es nicht gemerkt,  es ging mir um einen Vergleich!


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - icheinfachma - 23.03.2016

@ gera:

Also ein Vergleich zwischen den Sprintleistungen und Weitsprungleistungen auf gleichem Niveau, um herauszustellen, dass sie im Sprint besser ist als im Sprung, weil Weitspringer vergleichbaren Niveaus 5,70m springen?

@ hoffnungsvoller Vater:

Ja, der Ehrgeiz in den TGs ist groß, nur haben wir eben in Dt. viel weniger Anreize, um überhaupt zur Leichtathletik zu kommen. Wie gesagt - in Dt. suchen sich Kindern oft Hobbys im nicht-sportlichen Bereich oder gehen zum Fußball oder hören frühzeitig mit LA auf. In meinem alten Verein traten binnen eines Sommers ALLE Mitglieder der U18 und U20 aus, darunter DM-Teilnehmer und Landeskader. Wie gesagt, auch ein Spitzen-Stabhochspringer. Die Gründe waren vielseitig: sich auf die Schule konzentrieren, das Studium, Streit mit Trainern, andere Hobbies, drei wechselten allerdings auf Sportgymnasien. In Jamaica würden talentierte Sprinter aus solch faden Gründen nicht aufhören, weil dort eben die LA nicht nur Hobby ist, sondern ein möglicher Weg aus der Armut. Es gibt dort Stipendien für die Talente, damit die nicht für ihr Studium oder die Hochschulreife den Sport aufgeben müssen. Das alles sind Dinge, die man vielleicht, wenn man in einer Sportklasse trainiert, nicht so mitbekommt.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - Hellmuth K l i m m e r - 23.03.2016

(23.03.2016, 14:44)hoffnungsvoller Vater schrieb: Lieber Hellmuth, natürlich läuft jetzt alles sauber beim SC Neubrandenburg und von Springstein redet niemand mehr.
@ hoffnungsvoller Vater
Ich vefolgte vor Monaten interessiert die Angaben zur Leistungsentwicklung des Töchterchen.
Auch der Umzug von Ribnitz zum Leistungszentrum SC Neubrandenburg fand ich richtig. Und niemals dachte ich an vergangene Dopingzeiten und an Springstein.

Da ich oft in N.'brandenburg (Senioren-) Wettkämpfe bestritt und auch eine Sportstudentin der DHfK (eine talentierte 400-m-Sprinterin) 1989 im abschließenden Berufspraktikum betreute, kann ich deine Sorgen ums Gedeihen des Mädchens gut verstehen.
Ich denke: Vertraue auf den "alten"(?) Trainer mit dem guten Draht zu Jugendlichen. Wink

H. Klimmer / sen.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - RalfM - 25.03.2016

Hellmuths initiale Frage blieb unbeantwortet.
Ich sage: alles kann man am leichtesten als Kind lernen. Auch Ausdauer.
Für eine gewisse Zeit in meiner früheren Jugend war ich Mitglied im SSC Hanau-Rodenbach. Dass dies nur eine Zeit lang hielt hatte mit Meinungsverschiedenheiten in der Elterngeneration zu tun, die inzwischen seit vielen Jahren zu den Akten gelegt sind.
http://www.ssc-hanau-rodenbach.de/
Der SSC ist in vielerlei Hinsicht einzigartig und vorbildhaft.
Geschaffen wurde er von Harry A. Arndt. Mit seinem jüngeren Sohn Carsten bin ich seit dessen 8. Lebensjahr auf langen Strecken unterwegs gewesen. Das hat ihn nicht davon abgehalten, 10000 m in 28:xx zu laufen. Obwohl er in den Schülermannschaften des SCC seines Jahrgangs immer nur Nr. 2 oder 3 war. Die anderen haben den Sport verlassen.

Talent wie in Kenia haben wir auch.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - T-Willy - 11.07.2016

(16.03.2016, 22:11)icheinfachma schrieb: Was die Legung von Grundlagen im Kindesalter angeht, wäre noch interessant zu wissen:

-Das Gehirn hat eine große Plastizität, also Formbarkeit der neuronalen Verknüpfungen bei Kindern. Die Pubertät geht mit einem veränderten Hormonhaushalt (mehr Testosteron / Östrogen) einher und bringt eine ganze Palette von Veränderungen. Eine dieser Veränderungen ist, dass das die Plastizität des Nervensystems abnimmt. Infolge von Erfahrungen sterben außerdem schon vom ersten Lebenstag (oder schon davor?) Nervenzellen ab, das ist eine Art von Verschleiß.

-Weil sich nun weniger verbleibenden Nervenzellen ergeben, strebt das ZNS nach einer Spezialisierung. Da die Plastizität abnimmt, ist diese Spezialisierung später kaum noch änderbar. Darum hat eine Schwerpunktsetzung vor der Pubertät lebenslange Auswirkungen. Ein Umspezialisieren ab der Pubertät ist nur noch begrenzt bzw. gar nicht mehr möglich. Das stellt natürlich die allgemeine Spielleichtathletik, die bei Kindern heute oft praktiziert wird, sehr infrage. Das betrifft die Koordination und Technik, aber auch z.B. die (im Kern koordinative) Fähigkeit, beim Sprinten schnell zwischen Agonisten und Antagonisten umzuschalten. Während im Sprung nur die Schnellkraft und Technik relevant ist (ausgenommen der Anlauf), ist es beim Sprint zusätzlich zur Schnellkraft der Muskeln und auch der Sprinttechnik zusätzlich noch ebendiese Fähigkeit des Umschaltens. Sie ist der Hauptgrund, warum die Trainierbarkeit der Schnelligkeit ab der Pubertät abnimmt, aber die Schnellkraft ebenso wie beispielsweise die Maximalkraft (ich beziehe mich hier nur auf die IK-Methode), welche ja beide von neuronalen Faktoren (Muskelansteuerung) abhängen, ab der Pubertät sogar noch besser trainierbar wird, weil die Testosteronspiegel zunehmen, mehr trainiert werden kann, die in der Kindheit weichen Sehnen härter werden und so weiter.

-Ich persönlich glaube, dass die Jamaikaner da auch einen Vorteil haben. Ich habe in mehreren Dokus und Kurzfilmen auf Youtube erfahren können, dass die Sprinter dort schon für die kleinen Kinder Idole sind. Die Kinder tragen dann spielerisch Sprintwettkämpfe auf der Straße aus. Auch ansonsten hört man immer wieder von Werfern, die sagen, sie hätten schon in der Kindheit viel und gerne geworfen (Thomas Röhler, Petra Felke).

gute Punkte....

ein Problem in unserer Zeit ist,dass durch Umwelteinflüsse und Giftstoffe in der Umwelt die Pubertät vor allem in Zivilisationsländern deutlich früher einsetzt (Melatonin(-Mangel) gesteuert!!),was das Leistungspotential im Sprint m.M.n. aus den von dir schön ausgeführten Gründen reduziert.Auch hier haben z.B. die Jamaicaner einen deutlichen Vorteil!

Bez. Hirnplastizität:
Die Produktion z.B. des BDNF lässt sich übrigends ernährungstechnisch recht gut beeinflussen bzw. verbessern.

Ich bin auch so wie du der Meinung,dass die Kinderleichtathletik so einige Sprinttalente für immer zerstören wird.
Auch  z.B. ein Charlie Francis sagt,dass es viele Sprintalente gäbe,aber ein großer Prozentsatz davon vor der Pubertät
durch falsche Prioritäten(zu viel Ausdauer bzw. längere Strecken ,zu wenig Sprint,einfach ausgedrückt)für immer ihres Potentials beraubt würden...er sieht das als einen der größten Fehler im langfristigen Aufbau eines Sprinters von Kindheit an.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - icheinfachma - 11.07.2016

Auf welche ernährungsmäßige Weise kann man denn die Ausschüttung von BDNF steigern? Nach ersten Internetrecherchen las ich von Low-Carb-Ernährung und intermittierendem Fasten, was mir aber als wenige vereinbar mit Leistungssport erscheint.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - T-Willy - 11.07.2016

@icheinfachma

Hast PM!


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - Gertrud - 12.07.2016

Die Aussagen von T Willy und einfachichma geben doch sehr zu denken und regen zum Überdenken an. Eine Frage ist erlaubt: "Sitzen bei uns die richtigen Leute an den richtigen Schaltstellen?" Alle diese Mitteilungen kratzen doch sehr an unseren Bildungssystemen hinsichtlich Neurophysiologie und Plastizität. Ich besuche sehr regelmäßig derrartige Fortbildungen, weil mich der Bereich enorm interessiert. Wenn man bedenkt, dass man später nur noch die Hälfte der Kinderneuronenanzahl besitzt, kann man sich vorstellen, dass ein großer Teil durch unsere frühkindliche Erziehung und Schul-Bildungspolitik verlorengeht, eben auch in sportlicher Richtung. 

Ich halte diesen Ausdauerfanatismus auch in den Schulen für einen wahnsinnigen Fehler vor allem auch in muskulärer Hinsicht. Ich beobachte an den Schulen die Tendenz zu unglaublichen Dysbalancen und Disharmonien. Ich beobachte vor allem in meiner LA-AG eine enorme Unfähigkeit zu bestimmten Drills, was auf eine wenig körperbetonte Kindheit mit allen möglichen Beanspruchungen hinweist. Die Ausprägungen von Schnelligkeit und spezieller Speed-Endurance-Fähigkeit wird bereits in der Kindheit angesteuert, was Prof. Mester auch in einem Artikel genannt hat.

Gertrud


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - DerC - 12.07.2016

(12.07.2016, 08:32)Gertrud schrieb: Ich halte diesen Ausdauerfanatismus auch in den Schulen für einen wahnsinnigen Fehler vor allem auch in muskulärer Hinsicht.

Der Fehler liegt womöglich darin, anzunehmen, dass so etwas wie ein "Ausdauerfanatismus" in den Schulen weit verbreitet sein könnte.

Gruß

C