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Treiber Testosteron - MZPTLK - 27.02.2015

In Zusammenhang mit UM kommt immer mal wieder die Substitution durch Hormone zur Sprache.
Am 'Elegantesten' scheint die Zufuhr von Androgenen zu sein,
die durch Umwandlungsprozesse als körpereigen und somit nicht dopingverdächtig gelten könnten.

Mittel wie Androstandion werden von körpereigenen Enzymen in Testosteron umgewandelt,
7-a-Methyl-19-nor Testosteron dockt an den Hormonbindestellen an, reines Testosteron als Nasenspray ist 'Anwender-freundlich' wegen der individuellen Dosierbarkeit und Absetzbarkeit.

Tierversuche und unkontrolliert hohe Dosen bei Sportlern haben u.a. Ablagerungen in Gefässen gezeigt und somit eine Erhöhung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos.
Andere Studien wollen eine Erweiterung der Herzkranzgefässe bei Männern mit hohem Testosteronspiegel festgestellt haben,
verbunden mit einem niedrigeren Risiko, eine arterielle Erkrankung zu erleiden.

Eine grosse europaweite Studie will keinen altersabhängigen Abfall der Testosteronwerte bei schlanken und fitten Männern ermittelt haben,
andere Untersuchungen gehen von einem Abfall ab 30/40 Jahren von etwa 3-8 ng/ml bis auf etwa die Hälfte bei 80jährigen aus.

Gesichert scheint hingegen, dass ein hoher Testosteronspiegel sich positiv auf die Insulinsensitivität auswirkt.
Bei Kraft, Libido, Immunsystem, Wohlbefinden ist man sich schon lange sehr sicher.

Solange die Forschung keine eindeutigen Ergebnisse über die gesundheitliche Unbedenklichkeit geliefert hat,
sollte man mMn von diesen Mitteln Abstand nehmen.

1970 erschien in der Fachzeitschrift Leichtathletik ein Artikel der Sportwissenschaftlerin und deutschen Meisterin im Sprint,
Elfgard Schittenhelm: 'Sind anabole Steroide Dopingmittel?'

Könnte man heute die gleiche Frage stellen bezogen auf körperfremdes Testosteron?


RE: Treiber Testosteron - lor-olli - 28.02.2015

Zitat:1970 erschien in der Fachzeitschrift Leichtathletik ein Artikel der Sportwissenschaftlerin und deutschen Meisterin im Sprint,
Elfgard Schittenhelm: 'Sind anabole Steroide Dopingmittel?'

Könnte man heute die gleiche Frage stellen bezogen auf körperfremdes Testosteron?
Ein sehr wichtige Frage! Wir stehen nach meiner Einschätzung an einem Wendepunkt in der medizinischen Enwicklung und damit auch des potenziellen Dopings. Ich glaube weiterhin, dass wir in naher Zukunft wohl eine neue Definition des Begriffes Dopings brauchen werden.

Bisher war Doping schlicht die Zufuhr unerlaubter Substanzen zur Leistungssteigerung - egal ob das nun den Muskelaufbau, die Sauerstoffversorgung, oder Stimulanzien betraf. Bei den Hämatokritwerten brauchen wir zur Unterstüzung der Analyse mittlerweile einen Blutpass, weil im Bezug auf Doping eben nicht mehr direkt, sondern indirekt gearbeitet wird.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob nicht irgendwo schon Experimente laufen die Genetik bereits sehr frühzeitig (Pubertät) zu verändern - und zwar dauerhaft, da nützt dann auch kein Blutpass mehr, der Athlet hätte dann eine "angeborene" Anomalie…! Es klingt grotesk, aber vielleicht werden wir tatsächlich für viele Parameter gewisse Grenzwerte festlegen, einfach weil es keine Nachweismöglichkeit gibt, oder weil die genetische Veränderung permanent ist! (Marathon in 1:59 und nebenbei ein Brötchen essen…)

Es gibt gerade mehrere Untersuchungen zur anteiligen Muskelzusammensetzung, auch der verschiedenen Fasertypen. Einige Forscher sehen einen möglichen natürlichen Übergangsmodus von einem zum anderen Fasertypus - hat man diesen Nachweis erbracht, wäre es vermutlich kein so großer Schritt hier Einfluss zu nehmen. Ob man immer eine Nachweismöglichkeit für solche Manipulationen findet? Das hängt sicher auch davon ab, wie intensiv die Unterstützung der Jäger vom Typus Simon Perikles ist.

Die Forschung selbst wird man nicht stoppen können und wollen, denn für Millionen MS- und andere Muskelerkrankte ist dies eine Hoffnung und eine Chance. Je maßgeschneiderter die Eingriffe in die Genetik sind, desto schwieriger wird es hier nachzuweisen und zu urteilen. Die "schöne neue Welt" der Dopingjäger sieht dann vielleicht wirklich nur noch die Möglichkeit, Grenzwerte für relevante Parameter festzulegen (wie die Grenzwerte, die man beim Blut zum Schutz der Athleten festgelgt hat).

Der Mensch wird immer "dopen", viele alltäglich übliche Mittelchen stellen ein Analogon zum Doping in der Alltagswelt dar (Psychopharmaka, Schmerzmittel, Alkohol, Aufputschmittel, illegale Drogen + Hustensaft), das treibt vermutlich auch die Haltung vieler Zuschauer ("ist doch egal"), die kein Unrecht sehen wollen, sondern ihren Alltag wiedererkennen…


RE: Treiber Testosteron - gera - 01.03.2015

vielleicht ist der Weg über Grenzwerte sogar der leichtere, um den Einfluß auf die Leistungssteigerung zu begrenzen.
Nur müssten diese nicht dann  schon jetzt festgelegt werden, bevor sie über die Genetik verschoben werden ?   


RE: Treiber Testosteron - Hellmuth K l i m m e r - 01.03.2015

(28.02.2015, 17:07)lor-olli schrieb: Die Forschung selbst wird man nicht stoppen können und wollen, denn für Millionen MS- und andere Muskelerkrankte ist dies eine Hoffnung und eine Chance.

Der Mensch wird immer "dopen", viele alltäglich übliche Mittelchen stellen ein Analogon zum Doping in der Alltagswelt dar (Psychopharmaka, Schmerzmittel, Alkohol, Aufputschmittel, illegale Drogen + Hustensaft), das ist (edit. hek!) vermutlich auch die Haltung vieler Zuschauer ("ist doch egal"), die kein Unrecht sehen wollen, sondern ihren Alltag wiedererkennen…

Meine Meinung zum 1. Zitat:
Als ich vor Jahrzehnten erstmal eine erkrankte und sehr abgemagerte Frau sah und meinen an MS erkrankten vielfachen DDR-Meister im Basketball vom SC Chemie Halle war ich entsetzt, und ich erkannte, dass es Muskel-aufbauende Präparate geben  m u s s !  Die heilende Wirkung von Anabolika für diese Kranken ist "angezeigt" (um eine geläufige Vokabel der Mediziner zu gebrauchen), und sie ist für die Betroffenen segensreich - , aber der Missbrauch der Mittel durch kraftstrotzende Sportler eben nicht zu akzeptieren.

... zum 2. Zitat:
Erstens finde ich deine Verharmlosung(?) o.g. Mittel im Alltag nicht gut, und zweitens vergleicht sich der "Alltags-Bürger" nicht mit anderen Bürgern in einem fairen sportlichen Wettkampf - , für mich nur das das Kennzeichnende für Doping.

H. Klimmer / sen.


RE: Treiber Testosteron - lor-olli - 01.03.2015

@H.Klimmer
nein, ich meine das "Alltagsdoping" durchaus nicht verharmlosend und es ist auch nicht so, dass der Normalbürger in unserer Gesellschaft nicht zum ständigen Vergleich antritt (solange er noch im Arbeitsleben steht). Der Kampf um Arbeitsplätze allein treibt schon manchmal seltsame Blüten, sei es der Investment-Banker der sich mit Kokain putscht, oder wenn das nicht reicht sogar mit Crystal-Meth (damit kann man auch schon mal 72 Stunden ohne Schlaf auskommen), oder die Angestellte die ihre Depressionen nicht behandeln lässt, sondern mit Pharmaka "zudröhnt", der Lehrer (aber nicht nur der) der sich morgens erstmal mit Alkohol beruhigen muss, bevor er auf "die Monster" losgelassen werden kann.

Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens, dass verdrängen die Betroffenen genau so wie der "sportliche" Doper. Nicht eingerechnet ist die psychische Abhängigkeit, bei der manche am Schluss selbst dann nicht mehr ohne "UM" auskommen, wenn die Schäden auch schon für Außenstehende bemerkbar sind. (gilt auch für Sportler!)

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, jeder Mediziner und Apotheker kennt den Spruch auch aus der täglichen Praxis. Die neue Dimension die sich bei der genetischen Manipulation auftut ist ihre Irreversibilität. EPO setze ich ab, die Blutwerte normalisieren sich, Wachstumshormone greifen nicht nur ein, sie verändern die Biochemie des Körpers dauerhaft - bei Stereoiden kennen wir z.B. die langfristigen Auswirkungen des längeren Missbrauchs.

In der Krebsmedizin findet zur Zeit ein Paradigmenwechsel statt (immer noch langsam), denn es zeigt sich das der "Erfolg" einer Chemotherapie bei Kindern, die Wahrscheinlichkeit wieder an Krebs zu erkranken dramatisch erhöht (bis zum Faktor 100). Je aggressiver die Therapie, desto höher die wahrscheinlichen Spätfolgen.

Gleiches gilt für Bluttransfusionen, wo man noch vor 10 Jahren nach dem Motto verfuhr, viel hilft viel, zeigt sich, dass die Belastung des Körpers durch Fremdblut, ganz ähnlich zu denen einer Organ-Transplantation ist. (Wenn auch nach ca. 6 Monaten von diesem fremden "Organ" nichts mehr im Körper ist) Heute wird z.B. nur noch bei jeder 5.ten Herz OP eine Transfusion gemacht, dafür aber lieber viel "kritischere" Blutwerte in Kauf genommen werden.

Wieder viel Text, aber es erklärt vielleicht, weswegen ich "Grenzwerte" beim Dopingkampf erwarte. Wir brauchen Kriterien, die belastbar sind, eine vermutete Manipulation ist es nicht. Erwischt werden zur Zeit vor allem Leute, die sich "altes Zeugs" einwerfen - sind die "Sauberen" deswegen alle sauber? Es ist doch statisch auffälig wie sehr sich die Blutwerte der Radfahrer bei der Tour de France ähneln und zwar weil alle, ganz knapp unter dem Wert für eine "Schutzsperre" liegen. Die Varianz und Verteilung bei "Normalsportlern" ist dagegen sehr viel höher, allein durch Training, Höhentraining und Veranlagung lässt sich das nicht "schön rechnen".

Der Mensch hat es in der Evolution so weit gebracht, weil er im Überlebenskampf immer "abgekürzt" hat, wenn ich gegen ein Mammut nicht ankomme, brauche ich Waffen, damit ich nicht erfriere nutze ich das Feuer, mein "Territorium" verteidige ich mit ALLEN Mitteln, egal wie hinterhältig sie sind - ein solches Verhaltensmuster ist uns genetisch so zu eigen geworden, dass wir auch im Fall von Sanktionen nicht davon ablassen, sondern "Auswege" suchen. Und der Ehrenkodex allein, der uns in der Sippe schützte, aber auch die Sippe, funktioniert nur im sehr überschaubaren Bereich bis zur Hordengröße und nicht mit Fremden oder gar Konkurrenten.

Einfache Frage: wie viele Männer würden ihren Testosteronspiegel anders einstellen, wenn es zb. durch einen einfachen Schalter möglich wäre? (auch weil die meisten nicht wissen, was zuviel Testosteron mit dem Körper anrichtet) Auf die Vernunft vertrauen, auch wenn die Manipulation nicht nachweisbar wäre? Teufel


RE: Treiber Testosteron - Hellmuth K l i m m e r - 01.03.2015

(01.03.2015, 14:23)lor-olli schrieb: Wieder viel Text, aber es erklärt vielleicht, weswegen ich "Grenzwerte" beim Dopingkampf erwarte.

Der Mensch hat es in der Evolution so weit gebracht, weil er im Überlebenskampf immer "abgekürzt" hat, wenn ich gegen ein Mammut nicht ankomme, brauche ich Waffen, damit ich nicht erfriere nutze ich das Feuer, mein "Territorium" verteidige ich mit ALLEN Mitteln, egal wie hinterhältig sie sind - ein solches Verhaltensmuster ist uns genetisch so zu eigen geworden, dass wir auch im Fall von Sanktionen nicht davon ablassen, sondern "Auswege" suchen.
Im interessanten umfangreichen Text aber ein guter "Ausflug" ins Metier der Verhaltensforscher.
Es stimmt, dass "der homo oeconomicus" stets auf   s e i n e n  Vorteil orientiert ist. Er ist ein "von Selbstinteresse geleiteter Mensch, der sich rational für die Alternative mit dem größtmöglichen Nutzen entscheidet und nicht großzügig und kooperativ ist". (FAZ, 2.4.01)
EIBEL-EIBESFELDT u. a. Verhaltensforscher haben aber auch immer darauf hingewiesen, dass diese genetische Prägung/die "Verhaltensmuster" des Menschen durch die Verinnerlichung von Normen der Moral und Ethik verändert werden können (müssen!).
Zumindest in unserem kulturell und ökonomisch hoch entwickelten Land sollte es möglich sein, vulgär-materialistisches Verhalten zu zügeln.Huh

H. Klimmer / sen.


RE: Treiber Testosteron - MZPTLK - 08.11.2015

Sensation!
Revolutionäre neue Erkenntnisse!
Deutsche PädagogInnen entdecken Testosteron!

'Frau Steiner, Sie schreiben, dass die Erziehung heute nicht mehr Jungen-gerecht ist. Warum?
- Eine junge Pädagogin brachte mich darauf.
Sie machte im Unterricht ein Wortwettspiel zwischen Jungen und Mädchen....
die Jungs hielt es nicht auf den Stühlen.
Einer kletterte auf den Tisch und engagierte sich lautstark,
einer lag bäuchlings auf dem Tisch und streckte den Arm wie einen Pfeil nach vorne...
Die Jungen wollten schneller und besser sein, wollten den Wettbewerb.'

Na sowas aber auch, Skandal!

'...Jungs wollen durch Berühren lernen, durch Technik und Handeln.
Sie erkunden ihre Umwelt mit allen Sinnen.
Das unterbinden wir in der Schule...
Das ist zum Schaden der Jungs.'

Berühren, Technik, Handeln?
Lauter Schweinkram!

'Wenn Jungen ihren Bewegungsdrang ausleben dürften, hätten wir weniger ADHS-Diagnosen.
Und physische Aktivität ist eng mit dem Lernerfolg verknüpft.'

Da tritt uraltes, jahrzehntelang verschüttetes Wissen zutage.
Aber was passiert jetzt mit den ganzen Psychos und Pharmas?
Müssen die sich neue Jobs suchen? Achottachott!
Und was ist mit den Mädchen? Haben die keinen Bewegungsdrang?
Fragen über Fragen...

'Das Testosteron hat einen starken Einfluss auf Aktivität und Verhalten, auf Wettstreitlust und Risikobereitschaft.
Es ist ein Aktivator, der die Jungs vorantreibt.
Auf dem Pausenhof haben sie ihren Freiraum, wo sie Gas geben können. Und dann tun sie es auch.
Sie laufen um die Wette, sie machen Fangspiele.'

Sehr fein beobachtet.
Aber ist das auch an allen Schulen in Deutschland so?
Zur Sicherheit müssen das erstmal 100 Professoren hochwissenschaftlichst untersuchen, das kann 20-30 Jahre dauern.
Nur keine Schnellschüsse!

(FAS 8.11.15)


RE: Treiber Testosteron - Atanvarno - 08.11.2015

Auch hier kann ich irgendwie die Querverbindung von Testosteron als Dopingmittel zu deinem Beitrag irgendwie nicht ziehen. Etwas mehr Themenrelevanz wäre wünschenswert (oder eine deutlichere Erläuterung, wo du die Querverbindung siehst, für dumme Menschen wie mich).


RE: Treiber Testosteron - MZPTLK - 08.11.2015

(08.11.2015, 15:20)Atanvarno schrieb: Auch hier kann ich irgendwie die Querverbindung von Testosteron als Dopingmittel zu deinem Beitrag irgendwie nicht ziehen. Etwas mehr Themenrelevanz wäre wünschenswert (oder eine deutlichere Erläuterung, wo du die Querverbindung siehst, für dumme Menschen wie mich).
Ata dumm? Das wüssste ich aber!

Ich habe nichts gegen eigenproduziertes Testosteron, auch wenn dadurch nicht nur Segensreiches,
sondern auch Zerstörerisches über die Menschheit gekommen ist.

Grundsätzlich besteht die Schwierigkeit der Grenzziehung,
denn durch die Trainings-, Ernährungs- und Lebensweise überhaupt kann der Spiegel exorbitant hochgepusht werden,
während 'Minderbemittelte' Fremd-Testosteron bräuchten, um auf den gleichen Level zu kommen.

Hier müssen sich Mediziner und Philosophen unterhalten,
wo die - bezogen auf den einzelnen Athleten - fragwürdigen Limits liegen sollten,
um einigermassen Gerechtigkeit herzustellen,
um nicht vom - mMn nach unerreichbaren - Anspruch der Chancengleichheit zu reden.
Besissene Situation.


RE: Treiber Testosteron - Atanvarno - 08.11.2015

Ok, danke, jetzt verstehe ich's.