Leichtathletikforum.com
Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Training im Spiegel der Sportwissenschaft (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=21)
+--- Thema: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung (/showthread.php?tid=675)



RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 25.04.2015

Natürlich ist er da längst abgeklungen. Aber das Bein hat dann schon eine große Geschwindigkeit, wenn es auf den Boden auftrifft. Wir wissen ja, dass das Bein schon vor dem Bodenkontakt eine hohe negative (nach hinten gerichtete) Geschwindigkeit haben sollte, um anschließend schnell in gestreckter Haltung unter dem Körper durchgezogen zu werden (damit meine ich die Hüftstreckung, die den Oberschenkel unter dem Körper hindurch nach hinten bringt).


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 25.04.2015

Als hinreichend minderbemittelter Anfänger in diesem Forum habe ich immer noch Schwierigkeiten, mich an den (offensichtlich in nur diesem Forum gepflegten bzw. ungepflegten) Sprach- und Diskutierstil zu gewöhnen und den Sinn und Hintersinn der Ausführungen mancher Beiträge zu erschließen.
 
Ursachen des (meines) Missverstehens:
 
Kryptischer (oder flüchtiger?) Satzbau, unvollständige (oder versteckt geistreiche?) Andeutungen, unvollständige (oder Unverständnis vertuschende?) Sentenzen, comicartige Lautmalerei (oder unaufrichtige Verarschung?), Wissen oder Intellektualität vortäuschende Kürzel, großzügige (oder schlampig formulierte) Vereinfachungen.
 
Kann sich die Situation im deutschen Sprint das leisten oder ist es eher ein Ausdruck der Resignation?
 
Das frustriert und demotiviert. Da kann eine Inflation von Emoticons wenig ausbügeln.
 
Dazwischen die eine oder andere Andeutungg der Zusammenhänge:
„…Also ziehen die Ischios das Knie zurück mit gleichzeitig angespannten Antagonisten der Oberschnkenvorderseite (Qu....). Oh je! Also um nach vorne zu kommen muss die Hintere-Seite sich verkürzen und die Vordere GLEICHZEITIG UNTER SPANNUNG NACHGEBEN….“
 
... prompt gefolgt von Einschränkungen und Infragestellungen.
 
In der Tat:
 
Die Ischios ziehen während der gesamten Stützphase (beginnend kurz vor der ersten Bodenberührung) das Stützbein (mit Knie und Fuß und Laufbahn) in einer maximal-ballistischen Aktion „zurück“, nach hinten unter dem Körper hindurch. Die Reaktionskraft dazu treibt den Körper nach vorn. Die Antagonisten der Ischios (nicht diejenigen im Hüftgelenk, aber diejenigen im Kniegelenk, das ist nicht der gesamte QU…, sondern es sind nur die 3 kurzen Köpfe) verhalten sich währenddessen dosiert (nicht maximal) abfedernd (im Vorderstütz), nachgebend (im Mittelstütz) und unterstützend-abdrückend (im Hinterstütz), um für die Aktion der Ischios einen optimalen Kniewinkel und einen optimal langen Beschleunigungsweg zu garantieren.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 25.04.2015

(25.04.2015, 21:54)icheinfachma schrieb: Das stimmt nicht. Man kann auch bei gelähmtem Quadrizeps gehen und stehen. (Orthopädie, Bernhard Heimkes, Georg-Thieme-Verlag, 2003, S. 58)
Genau so ist es! Im finsteren Mittelalter hat man Strafgefangenen, die man an der Flucht hindern wollte, aus diesem Grunge nicht die Quadrizepssehne durchtrennt, sondern die Hamstringssehnen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 25.04.2015

Allerdings muss man dazu sagen, dass die EMGs sehr variieren. Manchmal hört die elektrische Aktivität der Mm. vasti schon vor dem Bodenkontakt auf, andere Male erst kurz nach dem Mittelstütz. Die Studien umfassen ja immer nur eine Handvoll Probanden, die also nicht ohne weiteres repräsentativ sind. Außerdem werden als Versuchspersonen manchmal Fußballer, Sportstudenten oder Sprinter unterschiedlicher Leistungsniveaus und Geschlechter verwendet.

Es würde sich sicher lohnen, wenn jemand die ganzen EMGs, die von Sprintern gemacht wurden, sammeln und auswerten würde. Dann würde sich vielleicht gaußsche Glockenkurven ergeben für die Variabilität der Kontraktionen der einzelnen Muskeln.

Außerdem könnte man vielleicht so feststellen, welchen Einfluss das Training (Fußball, keines, Sprinttraining, verschiedene Formen von Krafttraining, ...) oder das Geschlecht hat. Dass das Geschlecht (oder besser der geschlechtsspezifische Körperbau) einen wesentlichen Einfluss auf die Biomechanik haben kann, zeigt sich z.B. in der Tatsache, dass die "Hüftacht", wie Fr. Schäfer sie nennt, bei allen Männern im internationalen Sprint sichtbar ist (wenn auch selten so ausgeprägt wie bei Bolt), aber bei Frauen nie sichtbar ist, oder nur sehr schwach (ich kann sie einzig bei Jeter, Ottey und Stewart leicht erkennen).


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - W. Kronhard - 25.04.2015

(25.04.2015, 21:54)icheinfachma schrieb:
(25.04.2015, 17:05)W. Kronhard schrieb: Weil bei der Ausschaltung (...) Quadriceps (...) fällt man (...) auf die (...) Schnauze. 
Also ziehen die Ischios das Knie zurück mit gleichzeitig angespannten Antagonisten der Oberschnkenvorderseite (...).
Also um nach vorne zu kommen muss die Hintere-Seite sich verkürzen und die Vordere GLEICHZEITIG UNTER SPANNUNG NACHGEBEN.

Das stimmt nicht. Man kann auch bei gelähmtem Quadrizeps gehen und stehen. (Orthopädie, Bernhard Heimkes, Georg-Thieme-Verlag, 2003, S. 58)

Jetzt aber bitte, wir reden nicht über Pathologie. Ich habe von Sprint geschrieben.

Zum zweiten Mal: Jetzt bitte sprintgerechte Übungen zum Training der Ischios präsentieren!


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

(25.04.2015, 23:01)W. Kronhard schrieb: Jetzt aber bitte, wir reden nicht über Pathologie. Ich habe von Sprint geschrieben.

Zum zweiten Mal: Jetzt bitte sprintgerechte Übungen zum Training der Ischios präsentieren!

Dass wir den Quadriceps beim Sprint brauchen, ist schon klar. Wir haben ja in den letzten Posts z.B. über die Kontraktionsdauer und die Rolle der Mm. vasti als v.a exzentrisch kontrahierende Knieamortisatoren der Landung geschrieben. Hinzu kommt der Start, der ohne Mm. vasti schwerlich möglich ist. Außerdem der M. femoris rectus, der im Sprint nicht synchron mit den Mm. vasti kontrahiert, sondern nur die Hüftbeugung bewirkt: Einmal plyometrisch, wenn er das Bein in der "residual phase" (dieser Begriff vlg. Seagrave) abbremst und weiterhin, um das Knie zu heben. In der plyometrischen Phase treten wohl die Zerrungen auf, so wie bei Jeter 2013 in Shanghai. Ich habe dort die Zeitlupen-Nahaufnahme mehrmals angeschaut und festgestellt, dass sie in genau der exzentrischen Phase den Schmerz im Rectus femoris verspürte.

Was das Übungsgut für die ischiocruralen Muskeln angeht: Wir sind ja schon dabei, es zu konstruieren. Eine erste Sache waren die von mir vorgeschlagenen Dehnübungen und die Lauf-ABC-Korrektur, um das Problem der Rotation zu bekämpfen. Weiterhin habe ich den Vorschlag gebracht, auf eine Innenrotation statt einer Außenrotation zu achten, wenn Beinbeugerübungen durchgeführt werden. Das kann bei Übungen mit dem gestreckten Bein sicher zu Knieproblemen führen, bei Beincurls eher weniger.

Wir wollen schnell laufen und keine Beinbeugerzerrungen erleiden. Die Frage ist also, wie können wir beides erreichen?

Ich finde das Problem der Beinbeugerzerrungen interessant. Bekannt ist, dass die Beinbeugerzerrungen bei Personen mit stets schwächeren Beinbeugern (egal ob exzentrisch, konzentrisch, versch. Gelenkwinkel) und teilweise auch vermindert dehnfähigen oder verkürzten (bei Sitzmenschen ist beides der Fall) auftreten. (hamstring injuries in sprinters: The role of concentric and excentric hamstring muscle strength and flexibility, American journal of sports medicine, 1994). Weiterhin begünstigen Overstriding und eine zu anteriore Beckenkippung diese Verletzung.  (Quelle für letzteres finde ich grad nicht)

Wir müssten also, um Beinbeugerzerrungen zu prävenieren, ein Gesamtpaket schnüren, das auf jeden Fall aus Krafttraining für die Beinbeuger, einem Dehntraining für dieselben sowie einer Korrektur der Technikfehler übermäßige Beckenkippung (verbunden mit Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, "Entenarsch", Bildanhang) und Overstriding (oft durch Versuch, das Ausgreifen bewusst zu steuern und niedrigem Körperschwerpunkt durch starke Kniebeugung).

Wie das Krafttraining genau aussehen soll - Muskelfaserrisse und Zerrungen treten bei exzentrischen Belastungen von Muskeln auf, wobei die auf den Muskel wirkende Kraft größer ist als die Kraft, die die Z-Scheiben dem entgegensetzen können und der Muskel nicht in der Lage ist, sich schnell genug zu entspannen, um die Z-Scheiben zu entlasten. Eine Erhöhung des myofibrillären Querschnitts würde die Belastung verteilen und den Muskel reißfester machen. Das trifft auf sarkomere Hypertrophie und erhöhten intramuskulären Rekrutierungsgrad zu. Beide Anpassungen sind umso stärker, je höher wir das Gewicht wählen.

Wir haben das Problem, dass Training etwa im Einwiederholungsbereich ein höheres Verletzungsrisiko birgt, als z.B. eines im 10-Wdh.-Bereich. Dem könnten wir bei Bedarf entgegnen, indem wir z.B. im 10-Wdh.-Bereich trainieren. Auch dort sind noch Zuwächse in IK und sarkomerer Hypertrophie zu erwarten. Falls eine sarkoplasmatische Hypertrophie unerwünscht ist, die bei diesen Wiederholugnszahlen auftreten kann, kann man diese durch lange Pausen und Absetzen zwischen den Wiederholungen verhindern. (Bildanhang)

Außerdem stellt sich die Frage nach exzentrischem oder konzentrischem Krafttraining und den Gelenkwinkeln. Hinsichtlich der Hypertrophie ist das egal, sie steht uns so oder so im Sprint zur Verfügung. Die durch ein Maximalkraft- oder Hypertrophietraining höhere IK jedoch ist besonders in Winkeln, Kontrakionsgeschwindigkeiten und Kontraktionsarten (konz. / exz. / isometrisch) verfügbar, die auch im Krafttraining verwendet wurden. Die Beinbeugerzerrungen treten in der exzentrischen Phase auf, wenn große Kräfte auf diese Muskelgruppe wirken. Das ist in der Phase Hüftstreckung bei Unterschenkelauspendeln vor dem Körper der Fall (vgl. die einige Posts vorher zitierte Quelle zur Reaktivität der Ischios in dieser Phase). Also müssen wir, um dort besonders hohe IK zur Verfügung zu haben, auch die dortigen Gegebenheiten im Krafttraining umsetzen: exzentrische Muskelbelastungen und die entsprechenden Gelenkwinkel können wir bei sitzenden Beincurls realisieren, bei denen wir dem Gewicht schnell nachgeben, um es kurz vor der völligen Kniestreckung abzufangen und wieder zurückzubewegen.

Eine Frage ist, ob die Übung Nachteile wegen ihrer Geführtheit hat. Ich kenne keine Übung, die die von mir beschriebenen Kriterien erfüllt, aber eine freie Übung (ohne Führung) ist. Die einzigen Muskeln, die das Bein in der Abwärtsbewegung stabilisieren, sind die Abduktoren Mm. glutei maximus u. minimus.

Nun wollen wir nicht nur verletzungsfrei bleiben, sondern auch schnell sein. Also trainieren wir die Ischios auch so, dass sie in der nächsten Phase, der Bodenkontaktphase eine hohe intramuskuläre Rekrutierungsrate aufweisen. Schauen wir uns diese Phase mal genauer an:

Gelenke) Wir haben es mit einer Hüftstreckung zu tun, gleichzeitig kommt es ab der Landung bis ca. in den Mittelstütz zu einer Kniebeugung um wenige Grad und anschließend bis zum Verlassen des Bodens zu einer unvollständigen Kniestreckung. Auffallend ist, dass sie Hüftamplitude dabei dei Knieamplitude deutlich übersteigt, weswegen wir von einer Hüftdominanz im maximum velocity sprinting sprechen. Wir sollten also im Krafttraining besonders die Hüftstreckung durch die Ischios berücksichtigen.

Muskeln) Obwohl die Landung mit einer Kniebeugung und exzentrischer Mm. vasti-Arbeit verbunden ist, zeigen die Ischios durch die gleichzeitige schnelel Hüftstreckung keine plyometrische Arbeit, sondern eine kontinuierliche Verkürzung (Bildanhang, bif = biceps femoris, aus: Präzisierung des lombardschen Paraxons in der Funktin der ischiocruralen Muskeln im Sprint, Wiemann 1991 in "Sportwissenschaft"). Es handelt sich um eine konzentrische Kontraktion. Wir brauchen die Kniebeugung als nicht zu berücksichtigen, sondern können uns auf die Hüftstreckung konzentrieren.

Dies gesagt, sollten wir z.B. Hüftstreckungen mit gestrecktem Bein am Kabelzug ausführen, im Englischen auch Straight leg pulleys genannt https://www.youtube.com/watch?v=x6veuyDp5yc.

Das deckt sich mit Stephen Francis Methoden: "Francis prefers weight training with mostly free weights and very little machines. That’s because he
believes the training should closely resemble the sprinting action as possible, therefore he goes with
split squats, single-leg deadlifts, lunges, steps up, one-legged squats and all that “one-legged stuff”.
There is one caveat: NO TRADITIONAL SQUATTING!
But if he is going to do squats, it will be a front squat, so the weight can be thrown forward in case of
emergency. Variations include jump squats and split jumps.
He prefers to do weights before a sprint session (i.e. see a typical Saturday workout above)
They even do lots of cleans, mostly from the hand position. They do not do the full clean and jerk nor
the snatch.
Core work is done 3 times a week with a large amount of ab work is done with a medicine ball.
He likes the bench press because it strengthens your hands and arms to hold you up in the SET position.
What is particular about the choice of weight exercises is he like sot focus on the back of the body, that
is from the heel all the way up the lumbar part of the lower back, as these are the muscles most
involved in sprinting.
He believes sprinting is very stressful on the hamstrings. Thus, he'll perform hamstring work 4-5 times a
week as he claims that area works 3 times more than the front. If you take a look at his record at MVP,
it’s rare to see an athlete get seriously injured from a hamstring pull.
Another exercise of importance is doing hip extension exercises, such as straight leg pulley hip
extension.
As you can see, he really doesn’t focus on the quads!
His take on drills is to strengthen the specific muscles, rather than to improve form by use of cues. For
example, he will use high knees and straight leg bounds for specific strength. Typical distances are high
knees for 100-150 meters to develop hip flexors.
You have to understand what the body does in sprinting and then develop those muscles." (Artikel "Insights to Jamaican sprinting success")


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 26.04.2015

Die Zahl der Kranken steigt mit der Zahl der Ärzte pro Bevölkerungseinheit. 
Die Zahl der Verletzten im Sport steigt mit der Zahl der Physio-Assistenten und Fitness-Fetischisten.
Rein statistisch. Honnie soit, wer daraus schließt:
Die Verletzungen nehmen zu mit dem Maß der trainingspraktischen Zersplitterung der Zielbewegung.
Die Naürlichkeit, Effektivität, Eleganz und Gesundheit der Zielbewegung nimmt ab mit der anatomisch-funktionalen Aufspaltung. 
Die nötige motorische Intuition wird zerstört durch eine detailversessene Instruktion. Die Wissenschaft zerstört das Genie.
Die Pädagogen verderben den Charakter. Die Lehrer vergiften den Geist. Die Kirchen versperren den Weg zu Gott. Zu oft.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 26.04.2015

Kurze Anmerkungen zu Ihrem Artikel:

1.      Residual phase: between toe off and positive tigh acceleration
2.      Von welchen Sprintern ist die EMG-Aufzeichnung mit den Sprintwinkeln? Da differieren die deutschen Sprinter bekanntlich enorm von den Weltklaseathleten.
3.      Vielleicht haben Sie die Diskussionen über die tiefe Kniebeuge im vorherigen Forum und hier mitbekommen. Man hätte mich fast gesteinigt, dass ich am Thron der beidbeinigen Kniebeuge rüttele und einigen das „Spielzeug wegnehmen“ möchte. Ich werde hier durch Sie eindeutig bestätigt!!!
4.      Was die konzentrische Arbeit der Ischios anbetrifft, wie Sie es als vorrangig betrachten, bin etwas ich anderer Meinung. Es gibt durchaus bei zweigelenkigen Muskeln den Fall, dass hier z.B. der obere Teil konzentrisch arbeitet und der untere exzentrisch. Laut Wiemann arbeiten beide Gelenkregionen der Hamstrings in der Extension. Würde der untere Teil der Schwerkraft entsprechend nachgeben, käme es wie bei den deutschen Sprintern zu kleineren Kniewinkeln. Folglich halten die Hamstrings dagegen.

Danke für Ihr Engagement und Ihre viele Arbeit!
 
Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

(26.04.2015, 04:23)Gertrud schrieb: Kurze Anmerkungen zu Ihrem Artikel:

1.      Residual phase: between toe off and positive tigh acceleration
2.      Von welchen Sprintern ist die EMG-Aufzeichnung mit den Sprintwinkeln? Da differieren die deutschen Sprinter bekanntlich enorm von den Weltklaseathleten.
3.      Vielleicht haben Sie die Diskussionen über die tiefe Kniebeuge im vorherigen Forum und hier mitbekommen. Man hätte mich fast gesteinigt, dass ich am Thron der beidbeinigen Kniebeuge rüttele und einigen das „Spielzeug wegnehmen“ möchte. Ich werde hier durch Sie eindeutig bestätigt!!!
4.      Was die konzentrische Arbeit der Ischios anbetrifft, wie Sie es als vorrangig betrachten, bin etwas ich anderer Meinung. Es gibt durchaus bei zweigelenkigen Muskeln den Fall, dass hier z.B. der obere Teil konzentrisch arbeitet und der untere exzentrisch. Laut Wiemann arbeiten beide Gelenkregionen der Hamstrings in der Extension. Würde der untere Teil der Schwerkraft entsprechend nachgeben, käme es wie bei den deutschen Sprintern zu kleineren Kniewinkeln. Folglich halten die Hamstrings dagegen.

Danke für Ihr Engagement und Ihre viele Arbeit!
 
Gertrud

1. Genau, ich entnehme den Begriff aus dem 6-Phasenmodell von Seagrave (Neuro-biomechanics of maximum velocity sprinting, Seagrave et al.)

2. Sie ist von Marlies Göhr. vgl. hier, Bahn 5: https://www.youtube.com/watch?v=q5xo2M0Qgdg

3. Ja, ich habe diese Diskussion aufmerkam mitgelesen und ich glaube, sogar mitgemacht. Mir ist aufgefallen, dass beide Seiten zwar gute Argumente bringen konnten. Ich persönlich habe aber aus der Diskussion folgenden Schluss gezogen: klassische beidbeinige Gewichtheberübungen können den Gluteus-Vasti-Verbund gut für den Start kräftigen, nicht für die Höchtsgesschwindigkeitsphase. Da der Startabschnitt einen kleinen Teil ausmacht, würden auch streckende Kraftübungen nur einen kleinen Teil des Krafttrainings einnehmen (ähnlich Francis). Die beidbeinige Kniebeuge hat den Vorteil eines stabilen Standes, aber den Nachteil einer Nichtbeteiligung der Hüftsstabilisatoren und einem Zwang der helikoidalen Kniegelenke in die gerade Bewegung. Ich empfinde Übungen wie Kniebeugen und Beinpresse bei höheren Gewichten unangenehm für die Knie, aber nicht die einbeinigen oder in Schrittstellung. Die von Francis verwendeten Bewegungen (lunges, split squats, one-legged squats, one-legged deadlifts, step-ups, ...) zeigen genau das Gegenteil an Vor- und Nachteilen. Man müsste im Training also mindestens eine Mischung aus beiden verwenden, wenn man die einbeinigen Übungen mit Sorgfalt ausführt, kann man aber auch nur diese üben. Aber den größten Teil müsste dennoch das Training des Ischiobereiches für die Höchstgeschwindigkeitsphase ausmachen und natürlich generell das Waden- und Hüftbeugertraining. Ein Rumpf- und Armtraining versteht sich.

4. Derselbe Muskel arbeitet oben konzentrisch und unten exzentrisch? Das würde ja bedeuten, dass die Muskelfasern im oberen Teil ihre Actin-Myosin-Filamente gegeneinander verschieben, aber im unteren Teil nachgeben? Eine Muskelfaser aber nur komplett auf ganzer Länge konzentrisch oder exzentrisch arbeiten, ansonsten müsste sie zweierlei innerviert werden. Oder meinen sie damit, dass sich die Hüfte streckt bei gleichzeitiger Kniestreckung, also die reine Gelenkbewegung? Bei Powell ist z.B. eine Verkleinerung des Kniewinkels kurz vor dem Bodenkontakt zu erkennen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 26.04.2015

(26.04.2015, 07:42)icheinfachma schrieb: 4. Derselbe Muskel arbeitet oben konzentrisch und unten exzentrisch? Das würde ja bedeuten, dass die Muskelfasern im oberen Teil ihre Actin-Myosin-Filamente gegeneinander verschieben, aber im unteren Teil nachgeben? Eine Muskelfaser aber nur komplett auf ganzer Länge konzentrisch oder exzentrisch arbeiten, ansonsten müsste sie zweierlei innerviert werden. Oder meinen sie damit, dass sich die Hüfte streckt bei gleichzeitiger Kniestreckung, also die reine Gelenkbewegung? Bei Powell ist z.B. eine Verkleinerung des Kniewinkels kurz vor dem Bodenkontakt zu erkennen.

Ich hatte auch gelesen, dass die Muskeln aller drei Gelenke beim Touchdown exzentrisch arbeiten, also Ihrer Aussage vom konzentrischen Hamstring widersprechen.

Fragen Sie mich bitte nicht, wo ich folgendes gelesen habe! Es ist schon länger her. Da wurde behauptet und wahrscheinlich auch bewiesen (?), dass es recht unterschiedliche Regionen an Muskelfasern (FT und ST) innerhalb eines Muskels geben könne, so dass man bei Oberflächenbiopsien eigentlich keine richtige Fakten bekommt. Das hat mich lange wegen der Konsequenzen beschäftigt. 

Gertrud