Nordic Hamstring Excercise - Druckversion +- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com) +-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Training im Spiegel der Sportwissenschaft (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=21) +--- Thema: Nordic Hamstring Excercise (/showthread.php?tid=5964) Seiten:
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Nordic Hamstring Excercise - aj_runner - 15.09.2024 (15.09.2024, 11:12)Chirurg schrieb: Grimm DNF in Talence, Aufgabe vor dem Weitsprung am 2. Tag; Laut Instagram Hamstring-Verletzung bei den 200m…das Thema „Beuger“-Verletzung hatten wir diese Woche schon mal Die kommen zum Beispiel zu dem Schluss, welch Positive Effekte die Nordic Hamstring Exercise: Zitat:Trainingsprogramme mit der NHE (▶Abb. 1) zeigen, dass durch deren Einsatz die Verletzungshäufigkeit von neuen und wiederkehrenden Hamstring-Verletzungen im Fußball erheblich verringert werden konnte [1][2] Der Schaden, den die anrichtet, kommt ja gerade daraus, dass sie nur über ein Gelenk ausgeführt wird. Das widerspricht doch diameteral der Beschreibungen der kinematischen Kette aus dem lombardschen Paradoxon? RE: Mehrkampfsaison 2024 - Chirurg - 15.09.2024 (15.09.2024, 13:20)aj_runner schrieb:(15.09.2024, 11:12)Chirurg schrieb: Grimm DNF in Talence, Aufgabe vor dem Weitsprung am 2. Tag; Laut Instagram Hamstring-Verletzung bei den 200m…das Thema „Beuger“-Verletzung hatten wir diese Woche schon mal Vielleicht habe ich die Frage jetzt falsch verstanden, aber das Lombardsche Paradoxon kommt nur zum Tragen als extendierende Funktion im Kniegelenk, wenn das Becken stabil und nicht nach hinten verkippt bei einer NHE-Übung, dann resultiert daraus eine Kräftigung der Hamstring-Muskulatur je nach Detailausführung der Übung (gibt ganz viele Modifikationen der NHE-Übungen, dementsprechend auch „viele falsche“ Übungen bzw. falsche Ausführungen hinsichtlich vor allem der erforderlichen Beckenstabilität); am häufigsten beschrieben mit EMG-/Isokinetik-Messungen an der Biceps femoris-Muskulatur (als „thickness“ bzw. „ lengthening“ der Muskelfaszikel in den Studien beschrieben) bei Fußballspielern…es gibt aus meiner Sicht deshalb so viele Studien zu den NHE-Übungen vor allem bei Fußballspielern, weil sie durch ein Hängenbleiben des Fußes im Rasen einer besonderen Gefahr von Hamstring-Verletzungen ausgesetzt sind, wie „nur“ durch das reine Sprinten auf einer Laufbahn. Nur nebenbei die Übung in Abb. 2 in dem Artikel wird in einer zu starken LWS-Lordose ausgeführt, zumindest betont das T-Shirt das noch soweit erkennbar…mir ging es mehr darum in dem Artikel, dass allgemein die Hamstrings, die diese Woche schon Thema im Forum waren, kurz aus funktioneller Anatomie-Sicht ohne extreme Tiefe in dem Artikel beschrieben werden. RE: Mehrkampfsaison 2024 - trackwatchnds - 15.09.2024 (15.09.2024, 13:20)aj_runner schrieb: Der Schaden, den die anrichtet, kommt ja gerade daraus, dass sie nur über ein Gelenk ausgeführt wird. Das widerspricht doch diameteral der Beschreibungen der kinematischen Kette aus dem lombardschen Paradoxon? Die Intention der NHE hat doch nichts mit der Wirkweise des Lombardschen Paradoxon zu tun? Vielmehr liegt der primäre Benefit darin, die in dem Verletzungsmechanismus Nr. 1 ("späte Schwungphase" - exzentrische Kontrolle der Kniestreckung) beschriebene Situation präventiv anzubahnen. Der Mehrwert liegt auf dem Fokus von verletzungsrelevanten Gelenkwinkeln und dem Verbessern der Steifigkeit im absteigenden Ast der Kraft-Längen-Relation, damit die auftretenden Kräfte auf die Bindegewebsstrukturen übertragen werden können (ganzer Muskel-Sehnen-Komplex). Oder meintest du etwas anderes und ich habe dich falsch verstanden? Ich würde mich freuen, wenn das Thema weiter vertieft und diskutiert werden würde! RE: Mehrkampfsaison 2024 - trackwatchnds - 15.09.2024 Ein Grund für die hohe wissenschaftliche Relevanz ist vor allem auch, weil die FIFA ein komplettes Aufwärm- und Prophylaxeprogramm veröffentlich hat - FIFA 11+ - in der die NHE (S. 42) aufgegriffen wird. Das ist allerdings in Bezug auf die Übung ein klassischer Fall von "gut gedacht, schlecht gemacht". Toll ist der Gedanke, Regressionen anzubieten, da die NHE hochintensiv ist und den absoluten Großteil der Topathlet:innen massiv überfordert. Kritisch anzumerken sind mehrere Punkte: 1. Partnerassistenz: Eine Fixierung durch einen Partner kann bei adäquater Übungsausführung und der daraus resultierenden Hebelwirkung nur schwerlich ausreichend sein. Das sollte keine neue Erkenntnis darstellen, für jeden, der sich schon ernsthaft an der Übung versucht hat. Es ist auch völlig egal, wie stark der fixierende Partner ist, denn er wird einfach ausgehebelt werden, sofern er nicht etwa das Doppelte an Körpereigengewicht mitbringt. 2. Abfangen mit den Händen: Genau hier liegt die Krux. In 99% der Fälle sieht man eine Übungsausführung, bei der die Athleten initial in der Lage sind die Form (neutrale Beckenposition, gestreckte Hüfte) zu halten und ab etwa einem Winkel von 135° Ende Gelände erreicht ist. Die Folge gleicht eher einer Art reaktiver Liegestütze ohne jegliche Kontrolle der relevanten Winkelpositionen. Wo die NHE beginnt, interessant zu werden, steigen die Athleten aus. Dr. Tobias Alt hat diese Übungsausführung treffend als "Nordic Flopping" bezeichnet. Resultat ist eine enorme Tonisierung der Hamstring-Muskulatur mit hoher Ermüdung und bestenfalls Teilkräftigung in völlig irrelevanten Winkeln. Also der denkbar schlechteste Outcome. 3. Der empfohlene Wdh.-Bereich: 9-12 Wdh. sind absolut lachhaft. Bei adäquater Intensität und exzentrischer/isometrischer Kontrolle in Kniewinkeln >160° ist absolut niemand in der Lage, in die Nähe solcher Zahlen zu kommen. Tatsächlich geht das nur mit der minderwertigen Übungsausführung, die in Punkt 2 beschrieben ist. Interessant ist auch, dass die sehr löblichen Studienresultate, vornehmlich Erhöhung der Faszikellänge und Reduktion der Verletzungsinzidenzen (vgl. Quadrant of Doom der Aspetar-Forschungsgruppe), trotz der mangelhaften Durchführungen erzielt wurden. Eine generelle Verbesserung bei der Übungsausführung und -dosis sollte diese Effekte noch verstärken. Tipps zur qualitativen Übungsausführung: Der Gamechanger, diese sehr potente Übung "trainierbar" zu machen, liegt im Einsatz der Hände. Eine manuelle Assistenz ermöglicht es, den Torso bei maximaler Hamstring-Rekrutierung in offenen Kniewinkeln teilzuentladen. Dabei kann die Optimalform länger aufrechterhalten (time under tension) und die supramaximalen Anforderungen auf das individuelle Fähigkeitsniveau angepasst werden. Diese Regression öffnet also das Tor zur reizadäquatem Training und kann dann über die graduelle Reduktion oder Hebelveränderungen handhabbar gemacht werden. Aus meiner Erfahrung empfiehlt sich zum Einstieg: 1. Nordic Hamstring Plank (NHP) - Offene Kniewinkel von >160°, bei gleichzeitig hoher Entlastung des Torsogewichts (Hebel), um ein Gefühl für die Position zu bekommen und wertvolle spezifische Strukturkräftigung zunächst isometrisch anzutriggern. 2. Nordic Hamstring Push-Up (NHPU) - Ähnliche Ausgangsposition wie beim NHP, mit Teilentlastung über eine exzentrische Liegestützbewegung. Graduell kann das Gewicht auf den Händen reduziert werden, indem z. B. von der flachen Hand auf die Fingerspitzen gesteigert und dann die Anzahl an "Stützfingern" reduziert wird. 3. Nordic Hamstrig Slide-Out (NHSO) - Die Hände auf einen Gymnastikball platzieren und diesen dann ähnlich einer Roll-Out-Bewegung nach vorne führen. Zur Progression können die Ballgröße verringert oder Slider (Möbelgleiter oder je nach Bodenbeschaffenheit auch ein Handtuch) verwendet werden. und/oder 4. Razor Curl Slide-Out (RCSO) - In der Startposition mit vertikalen Oberschenkeln (Kniewinkel ca. 90°) und stark flektierter Hüfte bei gekipptem Becken die Hände wie beim NHSO nach vorne führen und graduell Knie-/Hüftwinkel öffnen. Die Endposition ist identisch wie bei Nr. 3. Jeder Teilschritt sollte in der Regel für mehrere Wochen durchgeführt werden, bis ein Höchstmaß an qualitativem Anspruch entsprochen werden kann. Die Kontraktionszeiten sollten 3-7s bei >80% maximaler Kontraktion betragen, 2-4 Wdh. bei 2-5 Serien sind in der Regel angemessen. Umfang und Intensität sollten an den Verwendungszweck angepasst werden. Bei niedrigem Umfang (1-3x 2 Wdh.) kann die Übung sowohl als Teil eines Erwärmens oder als Prä-Aktivierung durchgeführt werden, bei mittleren Umfängen (2-4 x 2-3 Wdh.) als Potenzierung oder Teil eines Krafttraining (3-5x 2-4 Wdh.), dann allerdings nach (!) dem Sprinten oder mit ausreichend Erholungszeit vor der nächsten Sprinteinheit. Insgesamt lieber konservativ anfangen, Sehnen brauchen länger... ------------------------------------------------------- Mich würde interessieren, ob und wie ihr die Übung einsetzt und welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt! RE: Mehrkampfsaison 2024 - Diak - 16.09.2024 (15.09.2024, 23:54)trackwatchnds schrieb: Ein Grund für die hohe wissenschaftliche Relevanz ist vor allem auch, weil die FIFA ein komplettes Aufwärm- und Prophylaxeprogramm veröffentlich hat - FIFA 11+ - in der die NHE (S. 42) aufgegriffen wird. danke für den Beitrag mit viel fachlicher Substanz, Du beschreibst das Problem hervorragend, wie ich finde. Die Literatur ist voll von Studien, die NHC szper finden, weil sie fast immer mit nichts oder mit irgendeinem Krafttraining verglichen werden, aber sehr selten mit anderen, funktionaleren Übungen. Tobias Alt ist da eine sehr erfreuliche Ausnahme. Zu Deiner Frage: Ich lasse aufgrund der beschriebenen Defizite keine NHC durchführen, sondern ein ganzes Bündel von Hamstring-Übungen (in der allg. Vorbereitung 2-3 / Woche, in der spez. 1x intensiv, danach nur noch konzentrisch-reaktiv und nur noch wenig exzentrisch) Dabei verzichten wir weitgehend auf Curls und machen stattdessen möglichst durchgängig zweigelenkige Übungen: z.B. im Sling, am Pezziball, Ausfallschrittvarianten, exzentrisch-isometrische Übungen in Rücklage mit der Hacke auf einem Bosu und wechselndem Schlagen des Beins auf den Bosu, eB GoodMornings bzw. eB Romanian Split-Squats, Sumo-Squats, exzentrische Busemann-Rutsche auf dem Skateboard in der schiefen Ebene und einige mehr. Zugegeben ist das ein wenig die Gießkannenmethode: wir haben eine hohe Varianz zwischen den einzelnen Trainingsphasen und glauben so, möglichst viele relevante Anteile gut zu treffen. Die Verletzungsquote ist gering, aber nicht 0, insbesondere bei Athletinnen, die mal schwerere "Beuger"sachen hatten, treten leider weiterhin Phasen mit Verhärtungen oder leichten Zerrungen auf. RE: Nordic Hamstring Excercise - TranceNation 2k14 - 16.09.2024 Sollen 1-4 (in sich gleichwertige) Alternativen oder eine empfohlene Reihenfolge zur Steigerung sein? Letztlich sind die Razor Curls ja eine dauerhafte und bessere Alternative? RE: Nordic Hamstring Excercise - muffman - 16.09.2024 Razer Curls ist die einzige, für die LA sinnvolle Variante. Außerdem ist eine bei vielen komplett falsche Bewegungsvorstellung vom Sprint hierzulande für viele Verletzungen verantwortlich. Man muss richtig kräftigen und Vorbereiten, aber das bringt nichts bis wenig, wenn die Verletzung durch falsch gelernte Bewegunsmuster quasi forciert wird. RE: Nordic Hamstring Excercise - aj_runner - 16.09.2024 @Chirurg, trackwatchnds: Ihr habt recht, dass ich da zwei Sachen in einen Topf geworfen habe, die nicht zusammengehören. Da hätte ich weniger querlesen sollen. Meinem Verständnis und meiner Erfahrung nach, liegt das Problem der NHE darin, dass sie nur über ein Gelenk erfolgt. Deshalb kann es ja auch bis zur Verkrampfung der Muskulatur kommen. Anstatt zu stärken, wurden bei mir dann Muskeln beschädigt bzw. gezerrt. Dazu kommt, dass die Ausführung nur bedingt etwas mit der tatsächlichen Sprintbewegung zu tun, weil die über zwei Gelenke läuft. Ggf. sind die von @trackwatchnds beschriebenen Ausführungen etwas schonender. In einem Fachartikel hätte ich aber schon erwartet, dass Übungen nach allen Regeln der Kunst durchleuchtet werden. Mein Physio, der nicht aus dem Leistungssportumfeld kommt, konnte mir damals gleich erklären, wo der Hund begraben liegt. RE: Nordic Hamstring Excercise - Diak - 16.09.2024 die Eingelenkigkeit ist ein Problem der Übung, wenn zusätzliche zweigelenkige dazukommen, scheint mir das nicht zu gravierend. In der klassischen Durchführung ist die Druckbelastung auf die Patella immens, das Kernproblem aber besteht darin, dass in den entscheidenden (weiten) Gelenkwinkeln, die Kraft idR nicht mehr aufgebracht werden kann, die Übung trifft weder die richtige Ennervierung der entsprechenden Fasern noch passen die Kraftvektoren und die Gelenkwinkel. Das Problem für Studienautoren (danke, @Chirurg, ich fand den Artikel schon noch mal ganz gut) ist das Studiendesign. Du brauchst eigentlich ein größeres n als Du bekommst, um die prophylaktische Wirkung messen zu können, brauchst Du einen Haufen Zeit und Du brauchst ein intelligentes Design (ein Bein so, eines anders, z.B.), damit die Studie valide werden kann. Du brauchst sinnvolle Vergleichsparameter und eine Gruppe von Leistungssportler:innen, die bereit und in der Lage sind, ihr Training an einem so neuralgischen Punkt umzustellen. Finde die mal. Also macht man hübsche Metaanalysen von Studien, in denen irgendwelche Leute irgendwelche Übungen schlecht oder unterschiedlich oder beides ausgeführt haben... RE: Nordic Hamstring Excercise - trackwatchnds - 16.09.2024 Ich antworte einfach mal allgemein, weil ich nicht weiß, wie man mehrere Personen in einem Beitrag zitiert. Zunächst mal vielen Dank für eure Antworten! Das Thema interessiert mich wirklich und mich beschleicht das Gefühl, dass in der Angelegenheit ein bisschen was liegen gelassen wird, auch weil die Wirkweise vielleicht nicht von allen 100% verstanden wird. Damit will ich nicht behaupten, dass ich alles komplett durchsteige und den heiligen Gral gefunden habe, aber der Eindruck nährt sich aus dem Austausch mit Fachpersonal, wissenschaftlicher Studienlage, eigenen Bewegungserfahrungen bei mehreren Athlet:innen und mir selbst (!), sowie der Beobachtung des Trainingsalltages von etlichen Kaderathlet:innen. Fest steht, dass keine einzige Übung zwingend notwendig ist, alle sind nur Mittel zum Zweck, die dem Ziel der erhöhten Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig gelebtem Präventivgedanken dienen. Daher würde ich auch niemandem seine Meinung und ggf. negativen Erfahrungen mit der "Nordic Family" absprechen wollen. Allerdings denke ich, dass sie gewisse Vorteile bieten, die in der Art und Weise keine anderen Übungen erzielen können. ----------------------------- @Diak: Mir gefallen alle deine genannten Übungen und auch der Ansatz von großer Varianz. Außerdem klingt das, als ob dadurch ggf. sogar der weiche Faktor "Spaß" (soll beim Training ja auch wichtig sein ) mit an Bord ist. Tatsächlich würde mich aber der weitestgehende Verzicht auf exzentrische Belastungen interessieren. Es wirkt, als läge euer Fokus auf der Steigerung der antriebsrelevanten Wirkweise? Dazu unten bei "Übungsauswahl und -hintergründe" mehr. @TranceNation 2k14: Die Reihenfolge war im Sinne einer Progressionskette für "Einsteiger" formuliert. An Variante Nr. 1 arbeiten, bis diese mit höchstem qualitativen Anspruch beherrscht wird und dann zu Nr. 2, usw. Einige Athlet:innen könnten unter Umständen weiter vorne in der Progression starten, allerdings empfinde ich häufig die Regressionen als besonders wertvoll, damit ein stabiles Fundament und Bewegungsverständnis/-gefühl aufgebaut werden kann. Ich denke, Razor Curls entfalten ihre volle Reizwirkung erst dann, wenn die Schritte 1-3 beherrscht werden. @Muffman: Weswegen empfindest du Razor Curls als einzig sinnvolle Variante? Ich finde sie auch super und für viele angemessener, aber sie sind - wie jede Übung - auch limitiert. Deinen Ausführung zur mangelhaften Bewegungsvorstellung beim Sprinten tendiere ich, zuzustimmen. Aber dafür kann das Übungsgut in dem Falle ja nichts, oder? @aj_runner: Genau deine Beschreibung ("anstatt zu stärken gezerrt") bildet wohl leider das generelle Stimmungsbild gegenüber der Nordic Family. Der Grad zwischen Unter- und Überforderung ist hier enorm schmal, gerade für Athlet:innen über 180cm. Ich denke, über eine sukzessive Heranführung an die Übung, z.B. über die Progressionskette, hättest du einen anderen Eindruck gewonnen. Häufig ist nicht die Übung das Problem, sondern die Art und Weise, wie diese ausgeführt bzw. gelehrt wird. ----------------------------- Übungsauswahl und -hintergründe Auffällig ist die häufige Verwendung von konzentrisch limitierenden Übungen, die primär die Hamstrings in mittlerer Muskellänge fordern und tendenziell eine parallele Sarkomeraddition (parallel hypertrophy) auslöst. Ein größerer Muskel ist ein potenziell stärkerer und leistungsfähigerer Muskel, schon klar, aber das bringt mich im verletzungspräventiven Sinne nur bedingt weiter. Denn das beinhaltet quasi alle zweigelenkigen Übungen und selbst bei Varianten, in denen der muskel-mechanisch ungünstigste Bewegungsanteil limitierend wirkt (z. B. Romanian Deadlifts, Good Mornings --> große Muskellänge), wird der kurzzeitige Längengewinn durch die folgende konzentrische Aktion direkt wieder überschrieben. Das sollte man dabei nie außer Acht lassen. Curls sind daher denkbar ungünstig, da diese konzentrisch limitierend bei mittlerer bis kurzer Muskellänge arbeiten und so einen "dicken" (parallele Hypertrophie), hochtonisierten und sprintwinkelaversen Muskel bewirken. Der "Beuger" muss aus dem Übungsgut verschwinden! Ausgenommen sind die Curls der Kategorie "Zugbrücke" - am Gymnastikball, Schlingentrainer, Skateboard oder Slider, da diese wie bei Diak beschrieben zweigelenkig arbeiten. Dagegen ist nichts einzuwenden und die Hamstrings können dabei stark werden, nur eben nicht stark bei langer Muskellänge. Die klassische NHE ist von der Wirkweise übrigens auch eher zweigelenkig, über das Kniegelenk dynamisch und das Hüftgelenk isometrisch, quasi eine umgekehrte Zugbrücke mit umgekehrtem punctum fixum und mobile. Vielleicht kennt der ein oder andere das KiD Konzept von Kurt Mosetter, Kraft in der Dehnung? Hierbei geht es ganz grob darum, dass zunächst eine Dehnposition (lange Muskellänge) eingenommen wird und dort spezifisch, bei ihm isometrisch, gekräftigt wird. Die Nordic Family verfolgt einen ähnlichen Ansatz und forciert vor allem eine serielle Sarkomergenese (in-series hypertrophy) mit hohem Anspruch auf die myo-tendinösen Strukturen. Diese Anpassungen sind wichtig und für den Sprint "spezifisch", weil die hohen Kräfte in der verletzungsträchtigsten Teilbewegung (late swing phase) in das Bindegewebe überführt werden können (vgl. absteigender Ast der Kraft-Längen-Relation). Dadurch entsteht im Muskelprofil ein hohes Maß an Kraft und Beweglichkeit ohne große Dickenzunahme. In kurz: NHE bewirken eine Längenspannung-Verträglichkeit ähnlich dem Anforderungen im freien Sprint und entfalten im Verbund mit Sprinten ihre bestmögliche präventive Wirkung. Diese Kombination ist notwendig, da die Hamstrings von beiden Enden des Kraft-Geschwindigkeit-Kontinuums bearbeitet werden. Ich würde gerne mehr schreiben, fürchte aber, dass es zu unübersichtlich wird. Daher nur noch zwei Dinge: - Bei der Progressionskette habe ich eine wesentliche Sache nicht explizit benannt, hätte das aber wahrscheinlich tun sollen: Nordics machen dementsprechend nur exzentrisch und isometrisch Sinn, auf eine konzentrische Bewegungsform sollte komplett verzichtet werden (s. Überschreiben der seriellen Sarkomergenese). Nicht, dass die Konzentrik da eh schon überfordernd wäre und die Frage sich eigentlich gar nicht stellt... - Die Progressionen hören mit Nr. 3/4 natürlich nicht auf und sind nur als Einstieg zu verstehen. Der Einstieg kann wohlgemerkt mehrere Monate und nicht Wochen bedeuten. Einer meiner persönlichen Favoriten ist die NHE mit anfangs gebeugtem Kniegelenk und permanent gebeugter Hüfte. Also in der Startposition wie ein Razor Curl, dann langsam das Kniegelenk öffnen und bei gekipptem Becken "absinken" bis Kopf und Torso senkrecht nach unten zeigen. Das Set-Up ist ein bisschen tricky, weil man von einer Erhöhung bei gleichzeitiger Fersenfixierung arbeiten muss, aber die Variante ist sowas wie die Endstufe für "lang und stark" |