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RE: Bilanz der WM - Reichtathletik - 26.07.2022

Zitat:Und das ist in anderen europäischen Ländern nicht so? Die Leichtathletik hat natürlich einen Bedeutungsverlust zu verkraften, aber das ist doch in Frankreich, den Niederlanden oder auch Kanada nicht anders.
Das erklärt ja überhaupt nicht, wieso man im europäischen Vergleich immer weiter abrutscht.

Da ist man bei der Analyse mMn auf dem Holzweg.

Ich glaube dass es in Deutschland stärker ins Gewicht fällt, weil hier (zumindest im Westen) der Sport, auch der Leistungssport, traditionell Vereinssport und in der Basis Ehrenamtlich ist. Andere Länder haben schon viel Länger z.B. Ganztagsschulen und ein darauf aufbauendes Sportsystem oder sind im Sport stärker kommerzialisiert. 
Dein Einwand gilt freilich dennoch.


RE: Bilanz der WM - mark1967 - 26.07.2022

Ich würde mir wünschen, dass der DLV auch diesen Thread eifrig mitliest, ich finde die Aussagen von der Basis sehr hilfreich...


RE: Bilanz der WM - dominikk85 - 26.07.2022

(26.07.2022, 16:13)Clutch schrieb:
(26.07.2022, 14:02)Reichtathletik schrieb:
(26.07.2022, 12:53)Sinafan schrieb:
(26.07.2022, 12:00)Atanvarno schrieb:
(26.07.2022, 11:04)dominikk85 schrieb: ich sehe die Möglichkeiten leichtathletik "hipp" zu machen seitens des Verbandes doch als begrenzt an. Es gibt natürlich noch Möglichkeiten mit social media kampagnen etc die man tun kann, aber insgesamt kann man die leichtathletik nicht wirklich "aufjazzen".

Da sind wir dann, auch wenn Sinafan das peinlich findet, beim gesellschaftlichen Klima. Die messbare, klar leistungsorientierte Leichtathletik wird in einer Gesellschaft, die in großen Teilen genau das nicht mehr möchte, nie mehr zu den hippen Sportarten gehören.
Unser letztes Hoch mit guten Ergebnissen war 2009-15. Erzähl mir bitte nicht, dass damals die Gesellschaft ganz anders war. 
Das ist einfach peinliches Alte-Leute-Geplärre. Früher war alles besser. Kennen wir seit der Antike. 
Das ist mit Sicherheit nicht der Grund. Ebenso wenig die angeblich sich verschärfen internationale Konkurrenzsituation.

Ich bin geneigt, beiden Seiten recht zu geben. Tatsächlich hat sich seit 2009 die Gesellschaft zumindest in dem Aspekt nicht groß geändert, wenngleich die Athleten von 2009 natürlich nochmal einige Jahre vorher "die Jugend" waren. 
Ich glaube nicht, dass Leistung an sich nicht mehr so viel geschätzt wird. Ich habe in den 90ern Schulsport und Bundesjugendspiele schon als eher Anti-Werbung für Sport empfunden. Ich glaube aber es ist mittlerweile bei den jüngeren Mitmenschen aber auch allgemein in der Gesellschaft etwas anderes, was als Leistung empfunden wird. Ob man nun 5 oder 6 Meter im Weitsprung springt ist den meisten außerhalb des Sports egal, weil man es gar nciht einschätzen kann. Mittel- und Langstreckenläufer werden regelmäßig gefragt, ob sie auch einen Marathon "schaffen", ein Titel bei den World Games wiegt genauso viel oder mehr als in der Leichtathletik. Der Nimbus der "Kernsportart" ist weg.

Und das ist in anderen europäischen Ländern nicht so? Die Leichtathletik hat natürlich einen Bedeutungsverlust zu verkraften, aber das ist doch in Frankreich, den Niederlanden oder auch Kanada nicht anders.
Das erklärt ja überhaupt nicht, wieso man im europäischen Vergleich immer weiter abrutscht.

Da ist man bei der Analyse mMn auf dem Holzweg.

in kanada und den niederlanden gibt es doch nur ganz wenige leistungsträger, imo ist das eher eine zufällige goldene generation, ähnlich wie vor ein paar Jahren in polen oder anfang des Jahrtausends in Schweden.


RE: Bilanz der WM - Besiger - 27.07.2022

Hier ein längerer Bericht über mögliche Konsequenzen aus dem WM-Debakel, inklusive einiger Zitate von Gertrud. 

https://www.sport1.de/news/leichtathletik/wm/2022/07/nach-debakel-bei-leichtathletik-wm-deutsche-stars-um-drechsler-vetter-sprechen-klartext


RE: Bilanz der WM - Angerländer - 27.07.2022

3 Dinge, die mir auffallen.

Manch ein Kommentator führt aus, dass Deutschland in Europa hinter anderen Nationen zurückgefallen sei, und es daher nötig sei, dass sich Deutschland nun an andere europäische Nationen orientieren solle. Der Medaillenspiegel der WM in Eugene zeigt allerdings, dass Deutschland bei nur einer Goldmedaille mehr, das erfolgreichste europäische Team gewesen wäre. Die Unterschiede zwischen den Nationen sind minimal. Die Unterschiede werden durch außergewöhnliche Leistungen, außergewöhnlicher Sportler und Sportlerinnen kreiert - wie durch Malaika Mihambo aus Deutschland.
Natürlich steht Deutschland nicht da, wo es stehen könnte, keine Frage. Aber ich sehe die Schwarzmalerei als zu negativ und nicht realitätsgetreu. Berti Vogts sagte einmal, auf den internationalen Länderfußball bezogen, "Die Breite in der Spitze ist größer geworden", dafür wurde er von der Presse medial lächerlich gemacht und diffamiert. Aber er hatte einfach Recht. Wenn wir völlig vorurteilsfrei und nüchtern die internationale Leichtathletik betrachten, dann gilt die Aussage von Berti Vogts auch hier.
Es gab bei der WM 49 Disziplinen für 1900 Athleten und Athletinnen aus 190 Ländern. Aus welchem Grund müssen deutsche Athleten mehr Medaillen gewinnen, als ihnen rechnerisch zustehen? Einfach mal provokant gefragt... Wink

Das führt mich automatisch zum 2. Punkt. Jemand schrieb hier, es sollten zum nächsten internationalen Wettkampf (OS Paris 2024?) nur 50 Athleten/Athletinnen aus Deutschland gemeldet werden... Unabhängig davon, dass ich der festen Überzeugung bin, dass es uns Deutschen guttun würde, mal von unserem hohen Ross herabzusteigen, denke ich, dass wir uns nicht selber in der Anzahl der Teilnehmer*innen beschränken sollten. Jede*r der/die entsprechenden internationalen Normen erfüllt, muss auch gemeldet werden und die Chance erhalten, an internationalen Großereignissen teilzunehmen - unabhängig von irgendwelchen Erwartungen Exclamation ‌ ‌ Das ist Teil der Motivation der Sportlerinnen und Sportler.
OS, WM, EM sind die Sportereignisse der Sportler und nicht der Zuschauer oder Funktionäre. Wir dürfen uns an sportlichen Wettkämpfen erfreuen und als Event genießen. Die Hauptdarsteller sind immer noch die Sportler und Sportlerinnen. Deutschland hat überdies alle finanziellen Mittel, jederzeit allen Sportlern (die sich qualifiziert haben), die Teilnahme an den genannten Großereignissen zu ermöglichen.

Mir gefallen die persönlichen Erfahrungsberichte (danke, dass ihr diese mit uns teilt  Danke ‌ ‌). Die sich im Übrigen mit meinen bescheidenen Erfahrungen der letzten 40 Jahre decken. Wenn man diese Berichte betrachtet, dann ist es kein Wunder, dass sich die Leichtathletik in Deutschland dort befindet, wo sie aktuell steht. Das Dilemma wird mehr als deutlich beschrieben. Offensichtlich sind Gesellschaft und Politik nicht gewillt, mehr für die und in die Leichtathletik zu investieren. Das erkennen zu müssen ist schmerzhaft, aber bedeutet die Realität.

Natürlich darf und muss man analysieren und nach Lösungen suchen. Dabei darf man die Realität aber nicht aus den Augen verlieren.

Wie immer repräsentiert auch dieser Beitrag ausschließlich meine persönliche Meinung und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Jeder darf gerne eine andere Meinung vertreten. Fahne


RE: Bilanz der WM - Drizzt - 27.07.2022

Man darf aber auch gerne derselben Meinung sein.  WinkThumb_up

Und auch die Aussage von dominik85 sehe ich genauso.


RE: Bilanz der WM - Atanvarno - 27.07.2022

(27.07.2022, 11:51)Angerländer schrieb: Es gab bei der WM 49 Disziplinen für 1900 Athleten und Athletinnen aus 190 Ländern. Aus welchem Grund müssen deutsche Athleten mehr Medaillen gewinnen, als ihnen rechnerisch zustehen? Einfach mal provokant gefragt... Wink

Provokant geantwortet: Weil Deutschland pro Athlet mehr öffentliche Mittel in den Leistungssport investiert als andere Länder.


RE: Bilanz der WM - Jonny - 27.07.2022

Also laut Ginas Instastory mussten bspw. für die verpflichtende Staffelmaßnahmen alle Athleten, sowohl Jugend als auch Aktive, die Spritkosten/Verpflegung vor Ort mitfinanzieren. Vom DLV wurde noch ein Teil der Kosten gezahlt und bekanntlich sind diese Staffellager Pflicht. Deshalb müssen viele Athleten nebenbei noch arbeiten und sind keine Vollprofis.
Da würde man sich vom DLV wünschen, nicht so viel Geld für die WM rauszuwerfen und lieber solche Lehrgänge für alle kostenlos zu ermöglichen, hat man sicher mehr von.


RE: Bilanz der WM - krebsan - 27.07.2022

(27.07.2022, 11:40)Besiger schrieb: Hier ein längerer Bericht über mögliche Konsequenzen aus dem WM-Debakel, inklusive einiger Zitate von Gertrud. 

https://www.sport1.de/news/leichtathletik/wm/2022/07/nach-debakel-bei-leichtathletik-wm-deutsche-stars-um-drechsler-vetter-sprechen-klartext

Danke für die sehr angeregte und doch sachliche Diskussion, die ich hier verfolgen darf. Interessant ist aber auch, dass die verschiedenen Vorschläge sich auch immer wieder widersprechen. Auf der einen Seite sollen lokale Gruppen gefördert werden, mit ihren meist ehrenamtlichen Trainern. Auf der anderen Seite wird das schwindende Ehrenamt beklagt und mehr Professionalisierung gefordert, was vermutlich nur über stärkere Fokussierung und Zentralisierung funktioniert. Ausser es findet jemand ganz viele Millionen, die er als warmen Regen über alle Regionen verteilen kann.
Dann immer der Vergleich mit andere Ländern, die gerade im Hoch sind. Wobei z.B. in der Schweiz genau die gleichen Probleme beklagt werden - zu wenig Geld, zu wenig professionelle Trainer, schwindende Leistungsbereitschaft der AuA, tiefer Stellenwert des Leistungssports (ausser Fussball) und entsprechend wenig Unterstützung von der öffentlichen Hand. Wundermittel gibt es offenbar nicht, und letztlich braucht es vor allem Geld und einen positiven Trend, der mitreisst.
Danke aber für den Link, der auch zum Interview mit Ehammer führt - Doppelgold, was für (berechtigte) Träume!


RE: Bilanz der WM - Keller90 - 27.07.2022

Ich habe mal recherchiert auf wie viele Länder sich die Top 8 Platzierungen aufteilen, weil ich der These nachgehen möchte inwiefern sich die Breite in der Spitze (siehe Zitat B.Vogts bei Angerländer) zumindest auf Länder verifizieren lässt. Dabei fällt zumindest auf, dass in Eugene mit 76 Nationen ein "neuer Rekord" aufgestellt wurde. Zuvor gab es im Vergleich zu den 90ern nur eine leicht steigende Tendenz (zuvor auf Zusammenfall UDSSR zurückzuführen). Auch habe ich überprüft auf wie viele Nationen sich die Medallien aufteilen und auch hier zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Das Fazit zumindest aus diesen Zahlen ist, dass sich (unter Berücksichtigung UDSSR) gar nicht so viel entwickelt hat, wie man bzw. ich gefühlt angenommen habe.

Ort /Top8 /Top3

Eugene 2022: 76 Nationen/45 Nationen
Doha 2019: 68 Nationen/43 Nationen
London 2017: 64 Nationen/42 Nationen
Peking 2015: 68 Nationen/43 Nationen
Moskau 2013: 60 Nationen/39 Nationen
Daegu 2011: 67 Nationen/42 Nationen
Berlin 2009: 63 Nationen/39 Nationen
Osaka 2007: 66 Nationen/46 Nationen
Helsinki 2005: 62 Nationen/40 Nationen
Paris 2003: 62 Nationen/43 Nationen
Edmonton 2001: 63 Nationen/42 Nationen
Sevilla 1999: 57 Nationen/42 Nationen
Athen 1997: 64 Nationen/41 Nationen
Göteborg 1995: 56 Nationen/42 Nationen
Stuttgart 1993: 57 Nationen/36 Nationen
Tokio 1991: 46 Nationen/29 Nationen
Rom 1987: 45 Nationen/29 Nationen
Helsinki 1983: 39 Nationen/25 Nationen