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RE: Bilanz der WM - Atanvarno - 26.07.2022

(26.07.2022, 13:13)muffman schrieb: Ganz im Gegenteil: Meiner Erfahrung nach sind die meisten SuS sehr wohl sehr leistungsorientiert.

Kannst du mir die mal vorbeischicken. Als Azubi hat sich von denen bei uns (mittelständisches IT-Unternehmen) in den letzten fünf Jahren keiner vorgestellt Wink


RE: Bilanz der WM - Reichtathletik - 26.07.2022

(26.07.2022, 12:53)Sinafan schrieb:
(26.07.2022, 12:00)Atanvarno schrieb:
(26.07.2022, 11:04)dominikk85 schrieb: ich sehe die Möglichkeiten leichtathletik "hipp" zu machen seitens des Verbandes doch als begrenzt an. Es gibt natürlich noch Möglichkeiten mit social media kampagnen etc die man tun kann, aber insgesamt kann man die leichtathletik nicht wirklich "aufjazzen".

Da sind wir dann, auch wenn Sinafan das peinlich findet, beim gesellschaftlichen Klima. Die messbare, klar leistungsorientierte Leichtathletik wird in einer Gesellschaft, die in großen Teilen genau das nicht mehr möchte, nie mehr zu den hippen Sportarten gehören.
Unser letztes Hoch mit guten Ergebnissen war 2009-15. Erzähl mir bitte nicht, dass damals die Gesellschaft ganz anders war. 
Das ist einfach peinliches Alte-Leute-Geplärre. Früher war alles besser. Kennen wir seit der Antike. 
Das ist mit Sicherheit nicht der Grund. Ebenso wenig die angeblich sich verschärfen internationale Konkurrenzsituation.

Ich bin geneigt, beiden Seiten recht zu geben. Tatsächlich hat sich seit 2009 die Gesellschaft zumindest in dem Aspekt nicht groß geändert, wenngleich die Athleten von 2009 natürlich nochmal einige Jahre vorher "die Jugend" waren. 
Ich glaube nicht, dass Leistung an sich nicht mehr so viel geschätzt wird. Ich habe in den 90ern Schulsport und Bundesjugendspiele schon als eher Anti-Werbung für Sport empfunden. Ich glaube aber es ist mittlerweile bei den jüngeren Mitmenschen aber auch allgemein in der Gesellschaft etwas anderes, was als Leistung empfunden wird. Ob man nun 5 oder 6 Meter im Weitsprung springt ist den meisten außerhalb des Sports egal, weil man es gar nciht einschätzen kann. Mittel- und Langstreckenläufer werden regelmäßig gefragt, ob sie auch einen Marathon "schaffen", ein Titel bei den World Games wiegt genauso viel oder mehr als in der Leichtathletik. Der Nimbus der "Kernsportart" ist weg.


RE: Bilanz der WM - Reichtathletik - 26.07.2022

(26.07.2022, 12:12)cnd schrieb: Aus meiner Sicht gibt es eine ganze Reihe möglicher Erklärungsansätze für den Trend der jüngeren Vergangenheit. Ein paar Hypothesen dazu...

cnd, vieles von dem was du schreibst, möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Insbesondere die Punkte 1 und 2 sind mir dabei sehr wichtig. Deine Erfahrungen zu aufhördenden Athleten der zweiten bis dritten Reihe kann ich nur so bestätigen und ich kenne sogar Athleten, die potenziell in die erste Reihe hätten vorstoßen können, die keine Lust mehr hatten, wenn der Rest keine Lust mehr hatte. Gleiches gilt für Trainer, die das eine Talent dann lieber abgeben als alleine da zu stehen. Und dann brechen ganze Gruppen oder Vereine weg, wo potenziell Athleten aufschlagen oder Anfangen könnten. Und nicht zu vergessen: Viele, die enttäuscht die Leichtathletik verlassen kommen dann auch anders als früher nicht als Trainer, Kampfrichter oder Funktionäre wieder.

Der zweite Punkt ist ebenso wichtig. Es braucht in meinen Augen viel mehr Trainer, die in etwa das Niveau eines B-Trainers haben. Leider bieten kaum noch Landesverbände diese Ausbildung an und die zentrale Maßnahme des DLV findet nur alle paar Jahre statt und ist für ehrenamtliche und ehrenamtlich geführte Vereine sehr teuer. Ich glaube, wenn man richtig großen Effekt erzielen will, müsse man als DLV oder BMI mal sagen: Wir finanzieren mal Deutschlandweit 10.000 Trainerlizenzen. Voraussetzung für das "Stipendium": Bereitschaft 2-3x die Woche aufm Platz zu stehen in den nächsten 2-3 Jahren!

Der letzte Punkt lässt mich übrigens grübeln, ob man bei den Trainern schluss machen sollte oder ob uns nicht sogar noch mehr Know-How in der Fläche fehlt. Fast überall jammern Leute, das in ihrem Verein oder ihrer Abteilung etwas nicht läuft, Wissen oder Engagement fehlt oder Positionen unbesetzt sind. Eigentlich bräuchten wir auch ein Qualifizierungsprogramm für Vorstände in Sachen Kommunikation mit Trainern/Athleten, Leistunsenwicklung, Talentsichtung, Sponsoren-Akquise...


RE: Bilanz der WM - Bachmann1980 - 26.07.2022

Als ein Vereinsverantwortlicher aus dem Echten Norden erzähle ich euch gerne mal von den Sorgen und Nöten.
Es kommt teilweise kaum noch Nachwuchs nach. Die die in den Vereinen aufschlagen haben deutliche Bewegungsdefizite.
Eine Vorwärtsrolle kriegen sie gerade noch hin. Darüberhinaus wird es schon schwierig. Oftmals möchten die Kids auch gar keine Wettkämpfe mitmachen. In den Ferien sind sie dagegen fast alle durchgängig irgendwo im Urlaub. 
Übungsleiter findet man so gut wie keine und wenn dann nur für ein Mal die Woche. Bezahlen kann man praktisch auch nichts, weil es keine Förderung gibt und die Mitgliedsbeiträge der Vereine es nicht hergeben. Einen Trainer auf Teilzeit einstellen? Unmöglich.
Immer Rasenflächen von Sportplätzen werden für den Fußball in Kunstrasenplätze umgewandelt und damit praktisch nicht nutzbar. Will man da Läufe machen, muß man aufpassen keinen Fußball an den Kopf geknallt zu bekommen oder von Skatern etc. über den Haufen gefahren zu werden. Leichtathletikstadien werden hingegen immer mehr auch von Tanzgruppen, Handballern oder sogar Einradfahrern genutzt.
Im Winter Hallenzeiten in einer städtischen Halle zu kriegen, gestaltet sich schwierig. Eine wirklich vernünftige Leichtathletik-Halle gibt es in SH nicht. Mal eine 60m Sprintbahn oder Weitsprunggrube in der Halle findet man vielleicht an fünf Orten und die Hallen sind dann auch noch renovierungsbedürftig. Eine 200m Rundbahn gibt es in SH schon mal gar nicht. Man kann sich glücklich schätzen wenn man im Verein einen Kraftraum nutzen kann.
Ach ja Physio. Das geht praktisch nur auf Rezept. Für einen Verein nicht bezahlbar.
Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Anläufe in Kiel und Lübeck eine Leichtathletikhalle zu bauen, aber bis heute erfolglos. 

Das nur ein paar Dinge aus dem Norden. Da fragt man sich echt: Staffeltrainingslager hier, Staffeltrainingslager, Höhenhaus dort, noch fünf Bundestrainer mehr, gehts noch? Mal ehrlich. Fangt mal endlich an euch über die Basis Gedanken zu machen und zu unterstützen.


RE: Bilanz der WM - lor-olli - 26.07.2022

(26.07.2022, 13:48)Atanvarno schrieb:
(26.07.2022, 13:13)muffman schrieb: Ganz im Gegenteil: Meiner Erfahrung nach sind die meisten SuS sehr wohl sehr leistungsorientiert.

Kannst du mir die mal vorbeischicken. Als Azubi hat sich von denen bei uns (mittelständisches IT-Unternehmen) in den letzten fünf Jahren keiner vorgestellt Wink
Differenziert betrachtet:
Die Gesellschaft wandelt sich "leise"! Es wird heute zunehmend und flächendeckend Leistung erwartet, aber gleichzeitig das Bild der "Selbstverwirklichung" hochgehalten.

Du weißt, genau wie ich, dass nirgendwo so viel gelogen wurde wie in Vorstellungsgesprächen… die meisten Jugendlichen geben sich im Vorstellungsgespräch so, wie sie später als Angestellte auch sein werden, DAS war früher definitiv anders, da wurde strikt nach Erwartungshaltung des Arbeitgebers geantwortet. (das spätere SEIN WERDEN war nie anders und galt auch früher schon)

Leistungsbereitschaft ja, aber heute zunehmend in der Erwartungshaltung der eigenen Interessen! 2 Jahre Pandemie mit teilweise chaotischen Umständen des homeoffice (meine Brüder sind als eine von sehr wenigen Lehrern regelmäßig alle Schüler zu Haus aufsuchen gefahren, zu Kontrollzwecken und zur Unterstützung bei Fragen, das wurde durchaus goutiert!).

Ich sehe aktuell, dass viele Kinder und Jugendliche geradezu darauf brennen körperlich aktiv zu werden, wenn sie nicht für die LA brennen hat dies oft Gründe, die nicht unbedingt nur an den Jugendlichen liegen. (Marode Sportstätten, fehlende Übungsleiter, fehlende Sportgeräte, wenig kreatives Training etc.)

Die Bilanz der WM zeigt aber auch deutlich: Ohne Erfolge fehlen die Vorbilder und wenn gleichzeitig die Möglichkeiten fehlen, diesen Vorbildern nachzueifern… (LA_Plätze werden zu Fußballplätzen, kleine Vereine lassen weniger frequentierte Abteilungen "sterben", Geld wird kaum noch in die Infrastruktur gesteckt, die LA konzentriert sich in immer weniger Zentren. Wer fährt sein Kind denn gern regelmäßig 20 km zum Training? Auf dem Land ist das fast Standard…)

edit: Ich habe nicht bei Bachmann 1980 abgeschrieben, ehrlich 
 Big Grin


RE: Bilanz der WM - Reichtathletik - 26.07.2022

(26.07.2022, 14:43)Bachmann1980 schrieb: Als ein Vereinsverantwortlicher aus dem Echten Norden erzähle ich euch gerne mal von den Sorgen und Nöten.
Es kommt teilweise kaum noch Nachwuchs nach. Die die in den Vereinen aufschlagen haben deutliche Bewegungsdefizite.
Eine Vorwärtsrolle kriegen sie gerade noch hin. Darüberhinaus wird es schon schwierig. Oftmals möchten die Kids auch gar keine Wettkämpfe mitmachen. In den Ferien sind sie dagegen fast alle durchgängig irgendwo im Urlaub. 
Übungsleiter findet man so gut wie keine und wenn dann nur für ein Mal die Woche. Bezahlen kann man praktisch auch nichts, weil es keine Förderung gibt und die Mitgliedsbeiträge der Vereine es nicht hergeben. Einen Trainer auf Teilzeit einstellen? Unmöglich.
Immer Rasenflächen von Sportplätzen werden für den Fußball in Kunstrasenplätze umgewandelt und damit praktisch nicht nutzbar. Will man da Läufe machen, muß man aufpassen keinen Fußball an den Kopf geknallt zu bekommen oder von Skatern etc. über den Haufen gefahren zu werden. Leichtathletikstadien werden hingegen immer mehr auch von Tanzgruppen, Handballern oder sogar Einradfahrern genutzt.
Im Winter Hallenzeiten in einer städtischen Halle zu kriegen, gestaltet sich schwierig. Eine wirklich vernünftige Leichtathletik-Halle gibt es in SH nicht. Mal eine 60m Sprintbahn oder Weitsprunggrube in der Halle findet man vielleicht an fünf Orten und die Hallen sind dann auch noch renovierungsbedürftig. Eine 200m Rundbahn gibt es in SH schon mal gar nicht. Man kann sich glücklich schätzen wenn man im Verein einen Kraftraum nutzen kann.
Ach ja Physio. Das geht praktisch nur auf Rezept. Für einen Verein nicht bezahlbar.
Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Anläufe in Kiel und Lübeck eine Leichtathletikhalle zu bauen, aber bis heute erfolglos. 

Das nur ein paar Dinge aus dem Norden. Da fragt man sich echt: Staffeltrainingslager hier, Staffeltrainingslager, Höhenhaus dort, noch fünf Bundestrainer mehr, gehts noch? Mal ehrlich. Fangt mal endlich an euch über die Basis Gedanken zu machen und zu unterstützen.

Bin räumlich nicht ganz so weit von dir weg, kenne SH daher durchaus und kann das in weiten Teilen bestätigen. Auch da wäre der DLV finde ich manchmal stärker gefragt: Bei Sportstätten. Man kann auch mal sehr plakativ und prominent das Problem der Kunstrasenplätze adressieren als Lobby.-Verband! Ich habe neulich sportartübergreifend mit Lokalpolitikern gesprochen. Da hieß es auch Kunstrasen, Kunstrasen, Kunstrasen und wenn kein Leichtathlet vor Ort ist und erzählt, dass man darauf zwar mehr spielen aber nicht mehr zB Speerwerfen kann, wird das nicht bedacht. Das ist nichtmals böse gemeint, aber man muss da das ansprechen. Oft wird dann auch nach Lösungen gesucht, aber solche Probleme sollte auch der Verband adressieren. Und er sollte sich wirklich auch Gedanken machen über die Finanzierung der Vereine in der Fläche


RE: Bilanz der WM - Keller90 - 26.07.2022

Aus Sicht der Schulen/aus Lehrerperspektive beobachte ich, dass auch hier die Leichtathletik leider an Bedeutung verliert und das in meinen Augen an einem Teufelskreislauf liegt. Zuletzt wurden die Bundesjugendspiele an unserer Schule abgeschafft. Kaum einer meiner Kollegen hat wirklich Lust Leichtathletik zu unterrichten.

Das Sportangebot und Freizeitangebot für Jugendliche/junge Erwachsene ist so vielfältig wie nie, die Folge sind die sinkenden Mitgliederzahlen in den Sportvereinen/Leichtathletikvereinen. Natürlich ist das nicht ein Problem der letzten 5-10 Jahre, sondern eher ein schleichender Prozess. Weniger Leichtathleten insgesamt bedeuten dann natürlich auch weniger Vollblutleichtathleten als Lehrer/innen. In meinen Augen gehen die mehr und mehr in den Ruhestand. Aber gerade die braucht es um Talente zu entdecken, die man in die Leichtathletikvereine schickt oder mit denen man ein Team für Jugend trainiert für Olympia aufbaut.

Auch ist es in meinen Augen immer schwerer (jüngere) Erwachsene Trainerinnen und Trainer in der Leichtathletik zu halten. Nahezu alle Vereine in meiner Umgebung suchen hängeringend qualifizierte und verlässliche TuT. Es gibt in meinen Augen kaum Trainernachwuchs ab 20 Jahren. Aber mindestens 2-3 (eher mehr) freie Nachmittage/Abende für das Vereinstraining kann sich mittlerweile auch kaum jemand ehrenamtlich erlauben, dazu die Wochenende dann auf Wettkämpfen. 

Noch 1-2 kleine bemerkenswerte Beobachtungen:
In den letzten Jahren kamen "talentierte" Diskuswerferinnen in meine Gruppe: Eine 18 Jährige hat mehr oder weniger aus dem Stand ohne voriges Diskustraining mehrfach 35 m geworfen. Körperliche Voraussetzungen waren gut. Nach Beginn mit Krafttraining und Techniktraining ist sie dann nach ein paar Wochen im Fitnessstudio gelandet. Abschließendes Zitat: Die Diskuswerferinnen sehen alle so kräftig aus, so möchte ich nicht aussehen...

In meinen Augen wächst auch die Mobilität/Flexibiliät von/in Ausbildung/Studium immer mehr. Die Leute gehen nach dem Abitur länger verreisen, im Studium ein obligatorisches Auslandssemester, Partner/in zieht in andere Stadt -> Fernbeziehung pflegen usw.. All das sind Gründe, warum junge (talentierte) AuA aus der Leichtathletik verschwinden. Auch hier hatte ich eine Anfang 20-jährige 47 m Werferin, die aus der Leichtathletik durch die Fernbeziehung entlaufen ist.


RE: Bilanz der WM - Nanobot - 26.07.2022

Für mich wirkt es so als würden in der Diskussion oftmals zwei Dinge vermischt. Man kann darüber streiten ob sich Deutschland Leistungsport leisten muss/sollte, aber man kann (mMn) nicht ernsthaft anzweifeln, dass es für eine Gesellschaft am besten ist wenn möglichst viele Menschen regelmäßig Sport treiben. Weniger Medaillen/Vereinsmitglieder sind an sich aus meiner Sicht kein schlechtes Zeichen. Würden man aber versuchen die beiden Dinge (Spitzensport und eine möglichst gesunde Gesellschaft) zusammenbringen, dann wäre die (logische) Konsequenz wohl für viele/die meisten hier nicht besonders erstrebenswert.


RE: Bilanz der WM - cnd - 26.07.2022

(26.07.2022, 14:15)Reichtathletik schrieb:
(26.07.2022, 12:12)cnd schrieb: Aus meiner Sicht gibt es eine ganze Reihe möglicher Erklärungsansätze für den Trend der jüngeren Vergangenheit. Ein paar Hypothesen dazu...

cnd, vieles von dem was du schreibst, möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Insbesondere die Punkte 1 und 2 sind mir dabei sehr wichtig. Deine Erfahrungen zu aufhördenden Athleten der zweiten bis dritten Reihe kann ich nur so bestätigen und ich kenne sogar Athleten, die potenziell in die erste Reihe hätten vorstoßen können, die keine Lust mehr hatten, wenn der Rest keine Lust mehr hatte. Gleiches gilt für Trainer, die das eine Talent dann lieber abgeben als alleine da zu stehen. Und dann brechen ganze Gruppen oder Vereine weg, wo potenziell Athleten aufschlagen oder Anfangen könnten. Und nicht zu vergessen: Viele, die enttäuscht die Leichtathletik verlassen kommen dann auch anders als früher nicht als Trainer, Kampfrichter oder Funktionäre wieder.

Der zweite Punkt ist ebenso wichtig. Es braucht in meinen Augen viel mehr Trainer, die in etwa das Niveau eines B-Trainers haben. Leider bieten kaum noch Landesverbände diese Ausbildung an und die zentrale Maßnahme des DLV findet nur alle paar Jahre statt und ist für ehrenamtliche und ehrenamtlich geführte Vereine sehr teuer. Ich glaube, wenn man richtig großen Effekt erzielen will, müsse man als DLV oder BMI mal sagen: Wir finanzieren mal Deutschlandweit 10.000 Trainerlizenzen. Voraussetzung für das "Stipendium": Bereitschaft 2-3x die Woche aufm Platz zu stehen in den nächsten 2-3 Jahren!

Der letzte Punkt lässt mich übrigens grübeln, ob man bei den Trainern schluss machen sollte oder ob uns nicht sogar noch mehr Know-How in der Fläche fehlt. Fast überall jammern Leute, das in ihrem Verein oder ihrer Abteilung etwas nicht läuft, Wissen oder Engagement fehlt oder Positionen unbesetzt sind. Eigentlich bräuchten wir auch ein Qualifizierungsprogramm für Vorstände in Sachen Kommunikation mit Trainern/Athleten, Leistunsenwicklung, Talentsichtung, Sponsoren-Akquise...

 Ich stimme dir voll und ganz zu. Ich selbst bin Mitte 30 und seit nun über 15 Jahren als Trainer tätig. Zunächst im Schülerbereich, jetzt disziplinspezifisch. Als Vorstand einer Abteilung kenne ich aber die genannten Probleme zu gut. Gerade junge Nachwuchstrainer*innen rekrutieren sich immer wieder aus ehemaligen Athlet*innen. Sobald dort aber persönliche Veränderungen anstehen - Studium, Job, Familie - wird es (nachvollziehbarerweise) schwierig. Als Vorstand ist man mehr damit beschäftig sich immer wieder auftuende Lücken zu schließen als langfristig arbeiten zu können. Die abnehmende Qualifikation ist auch ein Resultat dessen. 
Ich würde mir wirklich auch ein großes übergeordnetes Talentscoutingkonzept wünschen. Wir selbst haben jahrelang in ehrenamtlicher Arbeit in diversen Schulen Talentsichtung betrieben. Das ist aber gemessen am workload ein unfassbarer Aufwand im Ehrenamt und eigentlich kaum vom ehrenamtlichen Verein noch leistbar.

An Know How fehlt es definitiv. Die zunehmende Professionalisierung in den Sportstrukturen ist ja ein seit längerem anhaltender Trend. Hier ist es die Schnittstelle zwischen der Notwendigkeit an Professianalisierung und den Möglichkeiten des Ehrenamtes das in vielen Vereinen m.E.n. zum Problem wird. Grundsätzlich wäre eine große Ehrenamtskapagne sicher hilfreich um Spezialisten in die Strukturen zu bekommen.


RE: Bilanz der WM - Clutch - 26.07.2022

(26.07.2022, 14:02)Reichtathletik schrieb:
(26.07.2022, 12:53)Sinafan schrieb:
(26.07.2022, 12:00)Atanvarno schrieb:
(26.07.2022, 11:04)dominikk85 schrieb: ich sehe die Möglichkeiten leichtathletik "hipp" zu machen seitens des Verbandes doch als begrenzt an. Es gibt natürlich noch Möglichkeiten mit social media kampagnen etc die man tun kann, aber insgesamt kann man die leichtathletik nicht wirklich "aufjazzen".

Da sind wir dann, auch wenn Sinafan das peinlich findet, beim gesellschaftlichen Klima. Die messbare, klar leistungsorientierte Leichtathletik wird in einer Gesellschaft, die in großen Teilen genau das nicht mehr möchte, nie mehr zu den hippen Sportarten gehören.
Unser letztes Hoch mit guten Ergebnissen war 2009-15. Erzähl mir bitte nicht, dass damals die Gesellschaft ganz anders war. 
Das ist einfach peinliches Alte-Leute-Geplärre. Früher war alles besser. Kennen wir seit der Antike. 
Das ist mit Sicherheit nicht der Grund. Ebenso wenig die angeblich sich verschärfen internationale Konkurrenzsituation.

Ich bin geneigt, beiden Seiten recht zu geben. Tatsächlich hat sich seit 2009 die Gesellschaft zumindest in dem Aspekt nicht groß geändert, wenngleich die Athleten von 2009 natürlich nochmal einige Jahre vorher "die Jugend" waren. 
Ich glaube nicht, dass Leistung an sich nicht mehr so viel geschätzt wird. Ich habe in den 90ern Schulsport und Bundesjugendspiele schon als eher Anti-Werbung für Sport empfunden. Ich glaube aber es ist mittlerweile bei den jüngeren Mitmenschen aber auch allgemein in der Gesellschaft etwas anderes, was als Leistung empfunden wird. Ob man nun 5 oder 6 Meter im Weitsprung springt ist den meisten außerhalb des Sports egal, weil man es gar nciht einschätzen kann. Mittel- und Langstreckenläufer werden regelmäßig gefragt, ob sie auch einen Marathon "schaffen", ein Titel bei den World Games wiegt genauso viel oder mehr als in der Leichtathletik. Der Nimbus der "Kernsportart" ist weg.

Und das ist in anderen europäischen Ländern nicht so? Die Leichtathletik hat natürlich einen Bedeutungsverlust zu verkraften, aber das ist doch in Frankreich, den Niederlanden oder auch Kanada nicht anders.
Das erklärt ja überhaupt nicht, wieso man im europäischen Vergleich immer weiter abrutscht.

Da ist man bei der Analyse mMn auf dem Holzweg.