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Wissenschaft - MZPTLK - 27.11.2021 Es gibt hier ab und an - auch unausgesprochen - Dissens darüber, was Wissenschaft sei. Ein kleiner Beitrag, der etwas erhellen kann: Die Freiheit der Wissenschaft unterliegt nicht dem Vorbehalt des Art. 5,2 Grundgesetz. Der Wissenschaft/der Forschung ist das Streben nach Erkenntnis eigen. Die wiss. Tätigkeit besteht darin, den zu erkennenden Gegenstand in einen Ursachen- und Beziehungszusammenhang hineinzustellen, der eine Zurückführung auf letzte Ursachen und Gründe gestattet. Diese letzten Ursachen und Gründe sind im Rahmen der Limitierung menschlicher Erkenntnismöglichkeiten zu verstehen, sind also keineswegs absolute Kriterien per se. Die Wahrheitsfindung kann somit nur als Prozess, der sich mittels hypothetischen Konstrukte entwickelt, gelten. Das schliesst gelegentliches Dingfestmachen von Wahrheit als - angestrebtes - prospektives Ziel nicht aus. Wissenschaft und Forschung sind keineswegs völlig wertungsfrei, den Erfordernissen wissenschaftlicher Redlichkeit ist bereits genügt, wenn sich der Wissenschaftler bewusst bleibt, welche seiner Erkenntnisse er für SUBJEKTIV beweisbar hält, und welchen er Richtigkeit nur zuspricht auf der Basis einer unbeweisbaren Wertprämisse Die danach noch bestehen bleibende Antinomie von Wahrheitsorientierung und Wertbeziehung liegt im Wesen menschlicher Geisteskapazität begründet. Das ist das Hauptproblem aller Wissenschaft vor allem auch im intersubjektiven Nachvollzug. Wissenschaft und Forschung ist also nicht schlechthin WahrheitseErmittlung und -Vermittlung mit Mittel der Logik, sondern nur deren Versuch. Darum machen auch Denkfehler ein solches Unterfangen nicht automatisch unwissenschaftlich. Wichtig, bzw. entscheidend ist, dass die Methode wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Wissenschaft ist auch das vergleichende und wertende Zusammenstellen fremder Forschungsergebnisse. Jedwede Wissenschaft wäre stark behindert oder unmöglich, wenn immer - positivistisch - Verifikation verlangt würde. Ergebnisse dürfen nicht als Wahrheit interpretiert oder miossverstanden werden, sondern als Wahrheitsangebote. Unfruchtbarem Streit kann so vorgebeugt, ein konstruktiver Diskurs kann besser ins Werk gesetzt werden. Auch wo 100% Übereinstimmung besteht, kann allein dadurch kein Wahrheitsanspruch begründet werden. Besonders in den Gesellschaftswissenschaften ist man - existenziell - darauf angewiesen, angesichts meistens lückenhafter oder fehlerhafter In- bzw. Desinformationen trotzdem zu Erkenntnisgwinnen zu kommen, um Entscheidungsgrundlagen, Gründe und Werte für Handlungen zu generieren. Ohne das Primat der Politik würde man sich entmündigen und dem Diktat sogenannter 'exakter' Wissenschaftler unterwerfen, die in der Geschichte schon viel zuviel Unheil angerichtet haben. Zum Beispiel gab es lange eine fatale Tendenz bei sogenannten Wirtschaftwissenschaftlern, die Komplexität der wirklichen Welt auf operationalisierbare Modelle herunterzubrechen, wo man sich dann mathematisch austoben und 'wissenschaftlich' gerieren konnte. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn man die Modelle - bescheiden - als Modelle verkauft hätte. Man ist aber hingegangen und hat der Öffentlichkeit und der Politik einen gefährlichen Hokuspokus vorgemacht, indem man die Modelle als Abbild der komplexen Realität vorgegaukelt und daraus entsprechende Rezepturen abgeleitet hat. RE: Wissenschaft - RalfM - 28.11.2021 (27.11.2021, 23:17)MZPTLK schrieb: Zum Beispiel gab es lange eine fatale Tendenz bei sogenannten Wirtschaftwissenschaftlern,Danke für die vielen Gedanken. Ich könnte jetzt aus aktuellem Erfahren an mehreren Stellen einhaken, will aber nur anekdotisch den letzten Teil puderzuckern. In meiner Erstsemester-Übungsgruppe zur Kristallographie ist mir von Anfang an einer mit etwas wuscheligen Haaren aufgefallen, der seine Übungsblätter nicht dabeihat, aber sich dann Gedanken macht. Er macht auch Fehler, und - da wir interaktiv arbeiten - sogar vor allen an der Tafel. Der überlegt sich immer schon was: "Wie wäre es aber, wenn es noch eine Spiegelebene gäbe?" Das hält mich jung. In der fünften Übungsstunde fragte er mich, was das denn eigentlich sei, die Modelle. Das habe ich dann in meinen Worten erklärt, spontan, dass es Versuche sind, Teile der Wirklichkeit in berechenbare Formulierungen zu übertragen, an denen man die Auswirkung von Variablen testen kann. Im Anschluss kann man die Wirkungen der Modelle mit den Ergebnissen von Forschung an der Wirklichkeit vergleichen. Da könnte man glatt versucht sein, abzuleiten, die Wissenschaft bestünde darin, in ihrem elfenbeinernen Wolkenkuckucksturm selbsterschaffene Modelle immer weiter zu erforschen. Eine permanente Diskussion zwischen Modellierern und Erforschern des wirklich Existierenden ist aber der Sinn der Modelle. Die besten Modellierer, mit denen ich enger zusammen war, haben das auch immer so gesehen. Von der weniger direkt in die Forschung involvierten Bevölkerung werden Modelle überschätzt. Wie auch Animationen. Man lässt sich leicht beeindrucken. |