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Stoßtechnik David Storl - Druckversion

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+--- Thema: Stoßtechnik David Storl (/showthread.php?tid=401)

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Stoßtechnik David Storl - Robb - 21.07.2014

Storl ist bei den 21.97 wieder nicht umgesprungen, ist das jetzt seine neue Technik? Irgendwo stand vor ein paar Wochen, dass er wegen Knieproblemen nicht umspringen konnte, aber scheinbar stört das nicht, oder könnte er mit umspringen noch weiter stossen? Expertenmeinung gefragt.

edit mod: abgetrennt aus "Anniversary Games, London 20.07.2014 (David Storl: 21,97m)"


RE: Ergebnisse deutscher Athleten bei kleineren Meetings 2014 (Storl 21.97m) - trackman - 21.07.2014

(21.07.2014, 09:35)Robb schrieb: Storl ist bei den 21.97 wieder nicht umgesprungen, ist das jetzt seine neue Technik? 
Evtl. reduziert das die Knieprobleme, die er ja in der Vergangenheit hatte?


RE: Ergebnisse deutscher Athleten bei kleineren Meetings 2014 (Storl 21.97m) - Gertrud - 21.07.2014

(21.07.2014, 09:35)Robb schrieb: Storl ist bei den 21.97 wieder nicht umgesprungen, ist das jetzt seine neue Technik? Irgendwo stand vor ein paar Wochen, dass er wegen Knieproblemen nicht umspringen konnte, aber scheinbar stört das nicht, oder könnte er mit umspringen noch weiter stossen? Expertenmeinung gefragt.
Das ist mir schon bei dem vorherigen guten Wettkampf aufgefallen. Sein Abtauchen im Sprung auf der linken Seite ist zudem mit Sicherheit nicht fördernd für die Weite. Ich kann nicht abschätzen, in welchem Ausmaß das linke Knie für diese technisch Unsauberkeit verantwortlich ist. Er hat zur Zeit ein Pfund drauf, wenn er das im Stütz bringt. Bei ihm kommt sicherlich der 22m-Stoß demnächst, bei Jacko Gill werden es die 21m sein. Es wird spannend bis Rio. Wink Insgesamt ist also alles eine Frage der Zeit und der Verletzungsträchtigkeit! Nerven in großen Wettkämpfen habe beide Kugelstoßer, wobei das Leistungsplateau zur Zeit für Storl spricht. Jacko Gill hat mit K. Hellier auch eine erfolgreiche Trainerin engagiert. Ob Gill die üblichen Leistungssprünge vollziehen kann, wird sich zeigen. Außerdem bringt die Drehstoßtechnik eine sehr intensive Handbelastung mit sich, die nicht ohne ist. Man weiß nicht, ob Knochen im Wachstum diesen gezeigten Belastungen im Training über Jahre standhalten, zumal manchmal sehr unsaubere Ausführungen dabei sind.

Gertrud


RE: Anniversary Games, London 20.07.2014 (David Storl: 21,97m) - Solos - 22.07.2014

Passend zum Thema Stütz- und Sprungausstoß ist gerade ein Artikel auf LA.de erschienen:klick


Die dort von Sven Lang genannten 30 cm Steigerungspotential durch einen Sprungausstoß halte ich für eine (bewusst) konservative Ansage. Gerade hochdynamische Athleten mit lang-kurz Variante wie Storl profitieren meist deutlicher von dieser Art des Ausstoßes. Allerdings steigt parallel dazu natürlich das Risiko eines ungültigen Versuches exponentiell an.
Um das volle Potential des Sprungausstoßes auszuschöpfen ist zu dem absolute "frische" der Beine erforderlich. Diese ist sicher nicht das ganze Jahr über in vollem Maße gegeben. Wir nähern uns aber dem Jahreshöhepunkt, also der Zeit, in der Storl in den letzten Jahren regelmäßig zur Höchstform aufgelaufen ist. 

Was die Kniebelastung durch beide Techniken betrifft, so würde ich diese zunächst weniger von Stütz oder Sprung, sondern vielmehr vom generellen Aufsatz- und Stemmverhalten abhängig sehen. Für kollagene Bindegewebsstrukturen wie der Patellasehne wird es immer dann "haarig", wenn Kräfte quer zur Verlaufsrichtung der Kollagenfasern auftreten und/oder hohe Scherkräfte durch spitze Kniewinkel entstehen. Torsionskräfte sind ebenfalls schwer kompensierbar. Der einzelne Impact ist dabei nicht das Problem. Vielmehr ist es die Summe der Belastungen in Training und Wettkampf (StößexEinheitenxWochenxjahre), die zu einer "chronischen" Fehlbelastung und entsprechenden Problemen führen (können). 
In gewissem Maße sind diese Belastungen durch den seitlichn Fußaufsatz des Stemmbeins nicht auszuschließen. Es sollte aber ein akzentuiertes quer zur Stoßrichtung  "reinsetzen" des Fußes und/oder eine übermäßiges Durchschieben (Knie wandert in Stoßrichtung über die Fußspitze) vermieden werden. Auch das häufig zu beobachtende "Verkeilen" des Stemmbeinfußes am Stoßbalken - welches zur Folge hat, dass der Fuß nicht mit der Bewegungsrichtung arbeiten kann - wirkt Belastungspotenzierend auf das Kniegelenk.

 


RE: Anniversary Games, London 20.07.2014 (David Storl: 21,97m) - dominikk85 - 22.07.2014

30cm mehr wäre ja schon ein ziemlicher Hammer. Storl hat ja in den letzten Jahren extrem an kraft und masse zugelegt, vielleicht hat er dadurch etwas an Schnelligkeit eingebüßt.

wenn er dann wieder noch noch mehr aus den beinen rausholen kann sind sicher klar über 22m drin.

es wird ja immer darüber geredet das storl über die Dynamik kommt, aber er ist inzwischen auch ein extremer brocken (sicher an die 130 Kilo bei relativ wenig fett) und physisch mit der stärkste.

der EM titel ist ihm sicher nicht zu nehmen, aber im bezug auf Rio wären 22+ schon eine gute Absicherung weil man da wieder mit nem Ami oder vielleicht sogar schon Gill mit 22+ rechnen muss.


RE: Anniversary Games, London 20.07.2014 (David Storl: 21,97m) - Hellmuth K l i m m e r - 22.07.2014

Nie las ich eine so fachgerechte Analyse der Kugelstoßtechnik, insbes. der Unterschiede (und drohenden Probleme/Gefahren) beim Stütz- und Sprungausstoß, wie heute von Solos.Thumb_up


Ich vermute sogar medizinisches Hintergrundwissen und dass er dauernd vor Ort ist und zuschaut ... (?) Vielleicht liefen wir uns schon oft über den Weg.
(Ich wüsste schon zu gern, wer Solos und auch wer Lor-Olli ist. Wink ) 

H. Klimmer / sen.


RE: Stoßtechnik David Storl - Gertrud - 22.07.2014

(22.07.2014, 09:43)Solos schrieb: Passend zum Thema Stütz- und Sprungausstoß ist gerade ein Artikel auf LA.de erschienen:klick


Die dort von Sven Lang genannten 30 cm Steigerungspotential durch einen Sprungausstoß halte ich für eine (bewusst) konservative Ansage. Gerade hochdynamische Athleten mit lang-kurz Variante wie Storl profitieren meist deutlicher von dieser Art des Ausstoßes. Allerdings steigt parallel dazu natürlich das Risiko eines ungültigen Versuches exponentiell an.
Um das volle Potential des Sprungausstoßes auszuschöpfen ist zu dem absolute "frische" der Beine erforderlich. Diese ist sicher nicht das ganze Jahr über in vollem Maße gegeben. Wir nähern uns aber dem Jahreshöhepunkt, also der Zeit, in der Storl in den letzten Jahren regelmäßig zur Höchstform aufgelaufen ist. 

Was die Kniebelastung durch beide Techniken betrifft, so würde ich diese zunächst weniger von Stütz oder Sprung, sondern vielmehr vom generellen Aufsatz- und Stemmverhalten abhängig sehen. Für kollagene Bindegewebsstrukturen wie der Patellasehne wird es immer dann "haarig", wenn Kräfte quer zur Verlaufsrichtung der Kollagenfasern auftreten und/oder hohe Scherkräfte durch spitze Kniewinkel entstehen. Torsionskräfte sind ebenfalls schwer kompensierbar. Der einzelne Impact ist dabei nicht das Problem. Vielmehr ist es die Summe der Belastungen in Training und Wettkampf (StößexEinheitenxWochenxjahre), die zu einer "chronischen" Fehlbelastung und entsprechenden Problemen führen (können). 
In gewissem Maße sind diese Belastungen durch den seitlichn Fußaufsatz des Stemmbeins nicht auszuschließen. Es sollte aber ein akzentuiertes quer zur Stoßrichtung  "reinsetzen" des Fußes und/oder eine übermäßiges Durchschieben (Knie wandert in Stoßrichtung über die Fußspitze) vermieden werden. Auch das häufig zu beobachtende "Verkeilen" des Stemmbeinfußes am Stoßbalken - welches zur Folge hat, dass der Fuß nicht mit der Bewegungsrichtung arbeiten kann - wirkt Belastungspotenzierend auf das Kniegelenk.

 

Spitze Kniewinkel gibt´s bei der beidbeinigen tiefen Kniebeuge. - Das Durchschieben (exzentrisch halten) gibt´s bei jedem Sprint, wenn der Körper einschließlich Knie über den Fuß nach vorne wandert. Dabei bleibt das Kniegelenk gebeugt. Nach der Aussage müsste jeder Sprint ungesund sein. Entscheidend ist nicht die Optik von Knie und Fuß, sondern die Winkelstellung des Fußes. Wird der Winkel zwischen Fuß und Unterschenkel spitz, gibt´s ein Problem in dem Bereich. 

Gertrud


RE: Stoßtechnik David Storl - Solos - 24.07.2014

(22.07.2014, 21:13)Gertrud schrieb:  
Spitze Kniewinkel gibt´s bei der beidbeinigen tiefen Kniebeuge. - Das Durchschieben (exzentrisch halten) gibt´s bei jedem Sprint, wenn der Körper einschließlich Knie über den Fuß nach vorne wandert. Dabei bleibt das Kniegelenk gebeugt. Nach der Aussage müsste jeder Sprint ungesund sein. Entscheidend ist nicht die Optik von Knie und Fuß, sondern die Winkelstellung des Fußes. Wird der Winkel zwischen Fuß und Unterschenkel spitz, gibt´s ein Problem in dem Bereich. 

Gertrud

Gertrud,

jetzt vergleichst du aber deine vielfach zitierten Äpfel mit Birnen und verdrehst meine Aussage.
Beide Bewegungen haben verschiedene Aufgaben und eine andere Mechanik. Beim Sprint arbeitet das Bein mit der Bewegungsrichtung, um in Abhängigkeit der Phase dem Körper eine möglichst hohe horizontale Geschwindigkeitsänderung zu erteilen, die erreichte Geschwindigkeit zu halten oder den Geschwindigkeitsverlust zu minimieren. Dazu wird der Fuß von vorne schräg-oben möglichst in Bewegungsrichtung weisend gesetzt.

Beim Stemmen im Kugelstoßen (Angleittechnik) geht es primär um das Abbremsen und Umlenken der Horizontalgeschwindigkeit in die vertikale, die Bildung eines Widerlagers für die Druckbeinarbeit und Rumpf-/Stoßarmbewegungen sowie die Generierung eines zusätzlichen Vertikalimpulses durch das Verrichten muskulärer Arbeit (letzteres besonders bei der Sprungvariante). Dazu arbeitet das Stemmbein schräg entgegen der Bewegungsrichtung, wobei der der Fuß je nach Athlet 45 bis 90 Grad versetzt zur Bewegungsrichtung aufsetzt wird. Bei sauberer Stemmbeinarbeit begleitet der Fuß dann auf dem Ballen die Stemmbeinarbeit in Stoßrichtung.

Aus den verschiedenen Zielstellungen und Arbeitsweisen resultieren nicht vergleichbare Beanspruchungen der Gelenkstrukturen. Das Nachgeben und Halten im Kniegelenk erfolgt im Sprint unmittelbar nach dem Fußaufsatz und vermehrt in vertikaler Richtung. Die entstehende Zugspannung verläuft bei sauberem Fußaufsatz und entsprechender Gelenkausrichtung in Richtung der traktoriellen Ausrichtung der Kollagenfasern der Patellasehne (nicht nur der). Beim Stemmen hingegen treten Kräfte quer oder schräg zum Verlauf der Kollagenfasern sowie den übrigen Gelenkstrukturen auf. Wenn dazu noch durchgeschoben wird (Beugung im Knie und natürlich auch im oberen Sprunggelenk) erhöhen sich Zugspannung, auftretende Scherkräfte und inkongruenzen der Gelenkflächen. Besonders belastend ist dabei das Verkeilen des Stemmbeinfußes am Stoßbalken, da hierbei der schräg/quer stehende Fuß am Boden fixiert wird (=Torsionskräfte am Sprunggelenk, die sich fortführen), während das Kniegelenk in Stoßrichtung drängt. Meist kommt es dann im folgenden zu einer Kombination von Streck- und Rotationsbewegung im Kniegelenk. Genau dieser Mechanismus (fixierter Fuß+Kombination von Streckung und Rotation) ist beispielsweise im Fußball häufige Ursache für Kreuzband- und Meniskusschädigungen. Wenngleich er dort sicher noch ausgeprägter auftritt.

Hier ist das Beschriebene in relativ starker Ausprägung anhand von bewegten Bildern nachvollziehbar:klick

Man betrachte das quer zur Stoßrichtung erfolgende Reinsetzen des linken Fußes bei gebeugtem Bein so wie die Bewegungsbahnen von Sprung- und Kniegelenk. Das Knie drängt nach außen vorne (Rotation/Streckung), während der Fuß bis zum Lösen stationär am Stoßbalken fixiert ist.

Zu einem gewissen Maß sind diese Belastungen technikbedingt. Eine gewisse Fixierung des Fußes ist bei fast jedem Athleten zu beobachten.
Man kann die Belastungen aber durch kleine Änderungen im Bewegungsablauf und durch eine gute muskuläre Absicherung der Gelenke reduzieren.Bei den Trainingsumfängen im Spitzenbereich kann das dann schon erhebliche Auswirkungen besitzen, zumal die Strukturen weiteren Trainingsbelastungen ausgesetzt sind.



 


RE: Stoßtechnik David Storl - Hellmuth K l i m m e r - 24.07.2014

Einfach klasse!, "Biomechaniker" Solos !Thumb_up

Und dann auch noch die Technik(fehler)beschreibung anschaulich mit einem Video (Werfermeeting in Halle) belegt; das vermag kaum Eine/r ...  Wink


H. Klimmer / sen.

P.S.: Sind die "Biomechaniker" des UAC Kulmbach alle so firm?Wink


RE: Stoßtechnik David Storl - MZPTLK - 24.07.2014

Ich denke, Gertrud könnte Solos' Beschreibung zustimmen. Sicher hat sie Kirschen mit Himbeeren verwechselt.
Ich denke aber auch, dass sich viele Konfigurationen der LA-Disziplinen ähneln, schon deshalb, weil der menschliche Bewegungsapparat in gewissen Grenzen prädisponiert ist.
Eine Prädisponierung, geschweige denn Prädestinierung sehe ich allerdings nicht bei Teilbewegungen des Speerwurfs, aber das ist eine andere Baustelle.