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Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Druckversion

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Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Sprunggott - 24.05.2020

Gesundheitsrisiko Leistungssport:  Auf dem Altar der Selbstoptimierung
Ein Artikel von Markus Völker und Sportökonom Prof. Lutz Thieme heute in der "taz" 

https://taz.de/Gesundheitsrisiko-Leistungssport/!5684022/

Der Untersuchungszeitraum 1956-2016 ist natürlich geschickt gewählt, um die Studie zu untermauern. 
Was sagt das Forum dazu? Hier hibt es ja auch sehr erfahrene Teilnehmer...


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - dominikk85 - 24.05.2020

Das extreme training ist sicher nicht so gesund, aber ich glaube das verkürzte Leben hängt sehr stark mit Doping und anderen Medikamenten zusammen.

Gefühlt sind viele Sportler der 30er-50er recht alt geworden, z.b. schmeling, Fritz Walter, auch viele baseball und Tennisspieler, aber so ab den 60er-70ern nahm das mit dem frühen Tod zu und das ist ja auch Die Zeit in der Doping im großen Stil aufkam (klar, schon die Nazi Sportler 1933 haben sich teilweise pervitin geballert und Experimente mit ekligen bis gefährlichen Cocktails gemacht, a er richtig "professionell" wurde Doping erst in den 60ern als Steroide und Aufputschmittel aufkamen).


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Atanvarno - 24.05.2020

Auszuschließen ist es sicher nicht, dass viele an den Folgen von Doping verstorben sind, aber Korrelation ist eben nicht Kausalität, man müsste also auch noch andere Dinge untersuchen, um abzugrenzen, ob wirklich der Sport oder andere Faktoren ursächlich für das erhöhte Sterberisiko sind.

Vorstellen könnte ich mir beispielsweise, dass Hochleistungssportler von ihrer Persönlichkeitsstruktur her generell risikobereiter sind, auch im Berufsleben sehr ambitioniert vorgehen und sich dadurch höherem Stress aussetzen, der auch nicht lebenszeitverlängernd ist.

Auch die statistischen Grundlagen der getroffenen Aussagen wären genau zu prüfen.


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - frontrunner800 - 24.05.2020

Wer dopt und (regelmäßig) Schmerzmittel und sonstige Medikamente nimmt, darf sich nicht wundern, wenn er deutlich kürzer lebt. Ein hoher Konsum von Fleisch ist natürlich ebenso nachteilig, u.a. weil es z. B. die Knochen aufweicht (Nitrat).

Grundsätzlich gut für die Gesundheit, kehrt es sich ab einem gewissem Niveau um: Immer wieder schießt man sich im Training ab, das ist sicher nicht lebensverlängernd. Die meisten Überlastungserscheinungen am Bewegungsapparat klingen nach der Beendigung des Leistungssports wieder ab.

Auch aus meiner persönlichen Perspektive ist es ein Tanz auf dem Hochseil: Kann ich mich manchmal vor Erschöpfung kaum noch bewegen, fühle ich mich meistens im Alltag wie in meinen Zwanzigern, dabei bin ich schon ein wenig älter Smile ‌.

Interessant (natürlich nicht neu) auch der Verweis auf das ausgeprägte Doping westdeutscher Athleten.

https://www.welt.de/gesundheit/article2043678/Knochen-werden-vom-Fleischessen-bruechig.html


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - TranceNation 2k14 - 24.05.2020

(24.05.2020, 18:24)Atanvarno schrieb: Auch die statistischen Grundlagen der getroffenen Aussagen wären genau zu prüfen.

Sie statistischen Tests scheinen mir in Ordnung zu sein, allerdings bin ich kein Epidemiologe und auch kein Experte für derart unterschiedlich große Vergleichsgruppen. Spontan fallen mir beim Überfliegen der 
Studie zwei Confounder ein:

- Kontamination der ctrl Gruppe mit Hochleistungssportlern ohne Olympiateilnahme (verletzt zum falschen Zeitpunkt, unglücklicher 4., Fußballer, NBA Profi) (Gut, das würde die Schlussfolgerung im Sinne des Autors eher verbessern)
- Berufsleben/Existenzprobleme der Sportler nach der Karriere, auch erhöhter Stress durch zB die duale Karriere


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Atanvarno - 24.05.2020

Danke für den Link, schaut tatsächlich solide aus, aber auch mir bereitet der Vergleich des sehr kleinen Samples mit der Gesamtpopulation Bauchschmerzen (hab aber Statistik auch nur im Grundstudium belegt Wink ).

s. Small samples mean statistically significant results should usually be ignored

Ist jetzt die Frage, ob 6000 Athleten mit 400 Todesfällen eine kleine Stichprobe ist. Ich neige mit Blick auf die Größe der Gesamtpopulation zu ja.


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - lor-olli - 25.05.2020

Etwas mehr Aufschluss könnte es geben, wenn diese Studien auch die Sportart dedizierter angeben / berücksichtigen. Leistungssport als solcher ist ja nicht sehr homogen, Belastungen betreffen die Systeme (Herzkreislauf, Muskulatur, Skelett, Stoffwechsel z.B. bei Triathleten) recht unterschiedlich, auch spielt Doping eine unterschiedlich große Rolle (Turnerinnen etwa haben sicher weniger Probleme damit, als Schwimmerinnen oder Gewichtheberinnen… dafür ist die Belastung des kindlichen/jugendlichen Skeletts / Gelenke extrem).

Generell scheint es aber so zu sein, dass langlebige Menschen mit einer allzeit nur mäßigen Belastung (aber ständig leichter Bewegung!) die besten Aussichten haben, Leistungssportler neigen eher nicht dazu sich mäßig zu belasten… Wink


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Jo498 - 25.05.2020

(24.05.2020, 18:24)Atanvarno schrieb: Vorstellen könnte ich mir beispielsweise, dass Hochleistungssportler von ihrer Persönlichkeitsstruktur her generell risikobereiter sind, auch im Berufsleben sehr ambitioniert vorgehen und sich dadurch höherem Stress aussetzen, der auch nicht lebenszeitverlängernd ist.

Eben, vgl. Showbiz, wobei es dort oft an explizitem Substanzmißbrauch liegen dürfte, aber halt auch an einer "live fast, die young" Hochrisikobereitschaft. Erheblicher Substanzmißbrauch, der nicht unter Doping fällt, dürfte zumal nach Karriereende auch ein Faktor bei etlichen Sportlern gewesen sein.
"I spent a lot of money on booze, birds and fast cars. The rest I just squandered." Fußballer George Best (1946-2005. also auch unterdurchschnittlich alt geworden)


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - Jo498 - 25.05.2020

Die Hypothese, dass Leistungssportler risikoaffiner sein könnten, wird im Originalartikel im letzten Absatz der Diskussion angesprochen
Eigenartig ist, dass, wenn ich recht sehe, fast alle der nach der Sichtung der älteren Studien in anderen Ländern aufgestellten Hypothesen (T1...) nicht bestätigt werden konnten. Auch die Intuition zu Ost-West- oder Kraft-Ausdauer-Unterschieden wurde nicht bestätigt.
Ich habe es zwar teilweise nur überflogen, aber sie schreiben relativ wenig dazu, wie sich die divergierenden Ergebnisse der älteren Studien aus anderen Ländern mit ihrem Ergebnis vereinbaren ließen. Sollte die BRD ein besonders gefährliches Pflaster für Leistungssportler gewesen sein? Oder waren vielleicht die älteren Studien nicht so genau? Es könnte auch sein, dass in früheren Zeiten der Sport weniger professionalisiert und daher weniger schädlich ausgeübt wurde oder dass, zB beim Tennis, sich hier die Klassenunterschiede (Tennisspieler dürften sich nie hauptsächlich, schon gar nicht in den 1930ern, aus der Unterschicht rekrutiert haben...) weitgehend unabhängig vom Sport zeigen. Umgekehrt könnte in der DDR der Sportlerstatus so viele Vorteile ggü. dem Normalbürger gebracht haben, dass etliche der negativen Folgen kompensiert wurden. Wobei es sicher auch Sportler als "Wendeverlierer" gab, was wieder ein besonderer Risikofaktor wäre.
(Mich verwirrt eine mir neue Verwendung von "kontrafaktisch" für die kontraintuitiven oder die Ausgangshypothesen nicht bestätigenden Befunde (ich kenne "kontrafaktisch" eigentlich nur im Kontext hypothetischer Alternativszenarien).)


RE: Leistungssport- Altar der Selbstoptimierung ?! - dominikk85 - 25.05.2020

Ich vermute mal das die Sportler vor den 60ern auch nicht so viel und intensiv trainiert haben, sprich eher um die 12-15 Stunden anstatt 30+ wie die top sportler heutzutage.