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Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Druckversion

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RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 01.04.2020

(01.04.2020, 16:52)RalfM schrieb: Man muss die Vorkommnisse auch einordnen.
Sehe ich auch so, Zahlen sollten belastbar sein, bei der Zahl der Toten liegen zumindest diese sicher - wobei es auch hier eine Dunkelziffer geben dürfte, nicht alle Verstorbenen die nicht in einem Krankenhaus oder Pflegeheim versterben dürften nachträglich getestet worden sein. Viel fischen im Trüben…

@ atanvarno,
ich bin mal ein wenig in mich gegangen und habe mich gefragt, wieso ich so vehement gegen eine Lockerung der Maßnahmen bin solange wir noch so wenig wissen:

- ich kenne wohl einfach zuviele schwer (nicht an Covid-19) Erkrankte die eher jung sind, aber trotzdem zur Risikogruppe gehören (Mukoviszidose, schweres Asthma etc.)

- ich habe die Diskussion für die medizinisch "notwendige Risikobereitschaft" einer Gesellschaft um die Wirtschaft nicht "unnötig" zu belasten schon einmal mitgemacht - GB bzw. das NHS und die Konsequenzen sind für mich das abschreckende Beispiel schlechthin.

Mein alter Herr (fast 90 aber einigermaßen fit) hat mit seinem trocknen Humor
gesagt: "Einige würden mir wohl gern die Entscheidung abnehmen ob ich qualvoll ersticke oder nicht, ich habe da aber eine eindeutige Meinung…" 
 Angel

Wir setzen wohl alle unsere Prioritäten ein wenig anders, müssen trotzdem einen Konsens finden - auch bei schwacher Faktenlage. Hinterher (wann ist das?) sind wir dann alle schlauer.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 01.04.2020

Dann auch ein paar Worte zu meiner Motivationslage (bewusst holzschnittartig formuliert):

Ich habe Angst, dass man sich im Shutdown als bequemer Lösung einrichtet und zu wenig aktiv in anderer Richtung sucht. Der Shutdown tut den Regierenden nicht weh, ganz im Gegenteil: er gibt ihnen unverhoffte Zustimmung und Macht, von der sie in ihren dunkelsten Nächten nicht geträumt hätten. Wir leben in einer Dystopie wie es Mr. Baker so treffend formuliert hat.

Mein Vater ist Diabetiker mit Bluthochdruck, meine Mutter hat einen Herzklappenfehler, die Nähe zur Risikogruppe ist also auch bei mir vorhanden. Für eine schnellstmögliche Aufhebung des Shutdown zu sein heißt doch nicht, dass ich will, dass dein alter Herr oder meine Eltern qualvoll ersticken müssen.

Ich sehe noch keine wirkliche gesamtgesellschaftliche Anstrengung, beispielsweise die Testzahl drastisch hochzufahren, mehr Masken und Handschuhe zu prodzieren, mehr Intensivbetten zu stellen, Isolationsstrategien für Risikogruppen etc. pp. Die Lösung ist aktuell immer nur Shutdown.
Da ginge überall noch ein bisschen mehr, aber lieber richten wir die Wirtschaft zugrunde (mit langfristigen Konsequenzen, die auch viele Tote bedeuten) und die Demokratie gleich mit (auf kommunaler Ebene ist die parlamentarische Entscheidungsfindung aktuell schon außer Kraft gesetzt, wann regiert uns auf Bundesebene eine Notkabinett am Parlament vorbei?)


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Jo498 - 01.04.2020

Ohne dass ich das beurteilen könnte, hat der Guardian anscheinend eine Sammlung von "dissenting experts" angelegt. Um das Stammtischniveau mal zu heben, falls das nicht schon mal verlinkt wurde:

https://off-guardian.org/2020/03/28/10-more-experts-criticising-the-coronavirus-panic/
langfristige Todesraten und Abweichungen
https://www.euromomo.eu/outputs/number.html
https://off-guardian.org/


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 01.04.2020

"Off Guardian" ist nicht der Guardian, eher im Gegenteil (aber die Euromomo-Seite hatte ich weiter oben auch schonmal verlinkt)


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - RalfM - 01.04.2020

(01.04.2020, 17:40)Atanvarno schrieb: Mein Vater ist Diabetiker mit Bluthochdruck, meine Mutter hat einen Herzklappenfehler, die Nähe zur Risikogruppe ist also auch bei mir vorhanden. Für eine schnellstmögliche Aufhebung des Shutdown zu sein heißt doch nicht, dass ich will, dass dein alter Herr oder meine Eltern qualvoll ersticken müssen.

Ich bin zwar vor wenigen Jahren noch Ultramarathons gelaufen, aber "die Nähe zur Risikogruppe" ist mir selbst nahe. Trotzdem sehe ich den freiheitlichen Rechtsstaat und die Demokratie gerade viel mehr gefährdet als mich selbst. Das liegt auch daran, dass ich nicht an der Kasse sitzen muss. Aber ich benehme mich halt auch so, aus Eigenverantwortung und Gemeinschaftsgefühl, dass möglichst keine Tröpfcheninfektion übertragen wird.
Siehe Schweden.
https://polarkreisportal.de/covid-19-der-umstrittene-schwedische-sonderweg-in-der-krise
Bisher ohne lächerliche Maske.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 01.04.2020

Wir nähern uns an … Wink

- Die Lage für die Wirtschaft - insbesondere den Mittelstand - ist ernst, wann sie dramatisch wird ist auch bei Experten umstritten
- die Infektionen sind hierzulande noch nicht so ernst - das könnte trotzdem dramatisch schnell ändern wenn man ohne Netz und doppelten Boden zu früh die Maßnahmen lockert.
- die Sicht ist häufig beeinflusst je nachdem ob man unmittelbar betroffen ist (Verkäuferinnen, medizin. Personal etc. und Arbeit ohne Ende) oder ob einen Kurzarbeit mit der Aussicht auf Arbeitslosigkeit / Jobverlust oder Pleite droht.
- einige üben sich in Gleichmut (insbesondere Ältere) weil sie sich nicht betroffen fühlen, betroffen ist aber die gesamte Gesellschaft (abgesehen von einigen Superreichen, die die eine oder andere Million kaum merken würden … Big Grin ‌)

Es gilt abzuwägen, das ist derzeit aber nicht so einfach weil es ohne belastbare Zahlen eher Kaffeesatzleserei gleicht. Auch ich sehe es so, dass man mit den Maßnahmen schnell gehandelt hat (richtig), mit einer weitergreifenden Erfassung der Coronaerkrankten und der wieder Genesenen nicht (wird in D gar nicht gemacht - die Zahlen beruhen auf aus dem Krankenhaus Entlassene…) aber auch der Menschen die gar keine Symptome zeigten aber Kontakt mit dem Virus hatten und vermutlich immun sein dürften (vermutlich, weil bisher nicht untersucht wurde wie sicher dieser Schutz ist und vor allem wie lang er anhält - letzteres kann man Zeitpunkt auch nicht erkennen)

Das Problem sind aber nicht nur die Fakten, sondern auch die Menschen die hinter diesen "Fakten" stehen, Mediziner sehen ihren Standpunkt vorrangig, Wirtschaftswissenschaftler (und natürlich Unternehmer) betonen vorwiegend ihren Standpunkt und dazwischen eine Bevölkerung die mittlerweile verunsichert ist weil eben nicht neutral, faktenbasiert informiert.

Es ist möglich in diesem Durcheinander die wichtigen Punkte zu finden, aber es setzt einiges voraus, man muss die Wirtschaftsdaten verstehen können, die medizinisch-statistischen Aspekte verstehen und man muss vorausschauend antizipieren können und dies nicht aus dem Bauchgefühl heraus. Die Rechenleistung ist erheblich, das Verstehen derselben auch…

Kühler Kopf ist aber bei vielen nicht angesagt - trotzdem ist die Diziplin hierzulande groß, weil es Vertrauen in die Maßnahmen gibt. Lockern wir die Maßnahmen zu früh "um der Wirtschaft zu helfen", wird es unweigerlich deutlich ansteigende Zahlen bei Infizierten und Toten geben (wenn man denn mit dem Testen mitkommt, Laborkapazitäten sind zur Zeit am Limit), wie sieht es dann mit der Diziplin aus? Angst oder Revolte? DAS weiß niemand, der Grat ist extrem schmal.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob eine Lockerung der Maßnahmen der Wirtschaft in dieser Situation wirklich hilft, dem Export sicher nicht, dem Tourismus und den Fluglinien auch nicht (Ostern), einzig beim Handel wre es eindeutig, insbesondere für den Vor-Ort Handel. Beim Gaststättengewerbe, Kultur etc. käme es darauf an wie sehr die Menschen dem Braten schon trauen - ich plädiere dafür sich wissenschaftlich und datenbezogen abzusichern, nicht wegen der "Sicherheit" sondern um nicht die nächsten Wellen (welcher Art auch  immer) selbst zu provozieren.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 01.04.2020

@RalfM,
Norweger und Schweden mochten sich bisher auch schon nicht Blush ‌, die aktuelle Situation erzeugt für skandinavische Verhältnisse schon hitzige Debatten. Dänemark lässt keine "Privaten" mehr über die Öresundbrücke aus Schweden herein, Lastwagen only…


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Robb - 01.04.2020

(01.04.2020, 17:40)Atanvarno schrieb: Ich sehe noch keine wirkliche gesamtgesellschaftliche Anstrengung, beispielsweise die Testzahl drastisch hochzufahren, mehr Masken und Handschuhe zu prodzieren, mehr Intensivbetten zu stellen,

Dann müßtest du aber beantworten, wie du das machen willst. Der Labornachweis dauert aktuell 4-5 Stunden, das allein limitiert die Anzahl der Tests. Solange es keinen Schnelltest gibt, gibts auch keine Massentests, weil logistisch unmöglich. Aber selbst mit dem Schnelltest, wenn man zwei Millionen Deutsche in der Woche testet, wäre man bei acht Millionen im Monat, dann würde es immer noch zehn Monate dauern, um die gesamte Bevölkerung zu testen. Für Masken und Handschuhe brauchst du Material, welches wie fast alles, aus Asien kommt, weil billiger. Wenn die Asiaten momentan nicht liefern, kann in Deutschland niemand Masken produzieren. In jedem Bericht, den ich über Krankenhäuser lese, wird von der Aufstockung der Intensivbetten geredet. Es gibt Krankenhäuser, die komplette Häuser nur für Corona-Patienten reserviert haben. Du kannst aber nicht beliebig viele Intensiv-Betten aufstellen, wenn das Personal fehlt. Schwestern auf Intensiv-Stationen haben eine spezielle Ausbildung und die Betreuung der Patienten ist harte Arbeit. Als ich auf der Intensiv lag, hatte ich mich mit der Schwester unterhalten, die hatte eigentlich zwei Patienten, um die sie sich kümmern mußte, war aber fast sieben Stunden nur mit mir beschäftigt. Du kannst nicht einfach sagen "geben wir halt jeder Schwester vier Patienten", wenn das so einfach wäre, würden es Krankenhäuser wegen Personalmangel sowieso machen.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - RalfM - 01.04.2020

(01.04.2020, 20:21)Robb schrieb: 
Dann müßtest du aber beantworten, wie du das machen willst. Der Labornachweis dauert aktuell 4-5 Stunden, das allein limitiert die Anzahl der Tests. Solange es keinen Schnelltest gibt, gibts auch keine Massentests, weil logistisch unmöglich. Aber selbst mit dem Schnelltest, wenn man zwei Millionen Deutsche in der Woche testet, wäre man bei acht Millionen im Monat, dann würde es immer noch zehn Monate dauern, um die gesamte Bevölkerung zu testen. Für Masken und Handschuhe brauchst du Material, welches wie fast alles, aus Asien kommt, weil billiger. Wenn die Asiaten momentan nicht liefern, kann in Deutschland niemand Masken produzieren. In jedem Bericht, den ich über Krankenhäuser lese, wird von der Aufstockung der Intensivbetten geredet. Es gibt Krankenhäuser, die komplette Häuser nur für Corona-Patienten reserviert haben. Du kannst aber nicht beliebig viele Intensiv-Betten aufstellen, wenn das Personal fehlt. Schwestern auf Intensiv-Stationen haben eine spezielle Ausbildung und die Betreuung der Patienten ist harte Arbeit. Als ich auf der Intensiv lag, hatte ich mich mit der Schwester unterhalten, die hatte eigentlich zwei Patienten, um die sie sich kümmern mußte, war aber fast sieben Stunden nur mit mir beschäftigt. Du kannst nicht einfach sagen "geben wir halt jeder Schwester vier Patienten", wenn das so einfach wäre, würden es Krankenhäuser wegen Personalmangel sowieso machen.

Wer dabei der Zulieferer ist, hat ausgesorgt.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 01.04.2020

(01.04.2020, 20:21)Robb schrieb: Für Masken und Handschuhe brauchst du Material, welches wie fast alles, aus Asien kommt, weil billiger. Wenn die Asiaten momentan nicht liefern, kann in Deutschland niemand Masken produzieren.

Bei den Franzosen scheint's zu gehen
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kampf-gegen-das-coronavirus-frankreich-will-millionen-masken-produzieren.1a2300e4-f452-4a61-b192-2205ca8b6c32.html

Und immer wieder: billiger ist kein Argument. Da wo die letzten 756 Mrd. herkamen ist noch mehr (und jeder Euro, den man nicht in die Verkürzung des Shutdown investiert, muss später für die Stützung der Wirtschaft ausgegeben werden)

Personal im Pflegebereich ist ein Problem. Eine Idee: Es gibt viele examinierte Pflegekräfte, die den Job aufgrund der miesen Bezahlung hingeworfen haben. Also nochmal in den großen Topf gegriffen, Gehälter mit sofortiger Wirkung verdoppeln, da kommen sicher einige zurück.

Geld ist sicher nicht alles, aber es löst verdammt viele Problem, wenn man es zielgerichtet einsetzt.