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Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Druckversion

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RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - RalfM - 14.10.2020

(14.10.2020, 14:53)Drizzt schrieb: Wie können denn 4/5 der Infizierten neurologische Reaktionen zeigen,wenn,wie es heißt, so viele überhaupt keine oder kaum Symptome zeigen?  Huh

Stimmt auch nicht.
Bericht von gestern:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Okt_2020/2020-10-13-de.pdf?__blob=publicationFile

Seite 9 unten: "Seit der 17. Kalenderwoche kann für die COVID-19-Fälle auch Geruchs- und Geschmacksverlust als Symptom in einer eigenen Übermittlungskategorie angegeben werden. Von 116.894 Fällen, die neu in dieser Kategorie erfasst wurden und Angaben zur Klinik enthalten, haben 19.789 (17%) mindestens eines dieser beiden Symptome angegeben."

Wenn ich mal erkältet war, hatte ich auch schon immer Geruchs- und Geschmacksverlust, nebenbei bemerkt.



RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 14.10.2020

(14.10.2020, 15:10)RalfM schrieb: 
Stimmt auch nicht.
Ja, DEN muss ich auf meine Kappe nehmen, nicht was die Richtigkeit der Aussage betrifft, sondern die Genauigkeit des Bezuges… der Bezug lautet also, 4 von 5 der hospitalisierten Infizierten! (lor-olli hatte auch erst im Nachhinein einen Antikörpertest - positiv). Die Zahl der in der RKI Studie genannte 261.000 Fälle ist nicht die Zahl der Patienten mit Krankenhausaufenthalt, es gab in D überhaupt nur 339.000 Fälle.

Zur Erklärung: Tatsächlich wäre diese Aussage auf alle Infizierten bezogen so auch kaum seriös zu treffen, wenn nicht einmal klar ist, ob man z.B. bei der ersten Welle überhaupt alle Infizierten einigermaßen erfasst hat (meine Frau war krankgeschrieben ohne je eine Praxis aufgesucht zu haben, allein auf dringenden Verdacht) - es gab ja nicht einmal ausreichend Tests, viele wurde nach Telefonanruf krank geschrieben, der Vermerk auf dem Attest lautete dennoch Covid19 oder ähnlich (einige Ärzte formulierten vorsichtiger und schrieben Verdacht auf…)

Dazu kommt noch, dass man wohl bei den meisten mit leichten Symptomen (Kopfschmerz, geringfüge Geschmacksverluste etc.) nicht von bleibenden Schäden ausgehen kann, die Aussage bezieht sich auf die im Krankenhaus behandelten. Hier sind die Verläufe logischer Weise schwerer und auch eine Reihe der neurologischen Symptome sind hartnäckig über längere Zeiträume. Neurologische Schäden (Nervenschäden) sind oft lang- oder längerfristig.

Angesichts der aktuellen Entwicklung halte ich ein vorsichtiges administrtatives Vorgehen dennoch für angeraten, wie sprunghaft die Entwicklung sein kann zeigen Zahlen. Zahlen sollten nicht den Überblick verstellen, keine Frage, aber wenn man epidemische Entwicklung ERAHNEN kann, gilt es zu handeln, wenn man sie SEHEN kann, ist es für ein Handeln oft spät oder zu spät. Nur ein vorauschauendes Agieren hat Aussicht auf nennswerten Erfolg! (Das ist eine Lehre die man mittlerweile kennt, dass dennoch einige Staaten nicht danach handeln, ist einigen politischen Irrlichtern geschuldet. Trump und Johnson vorweg)


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 15.10.2020

(14.10.2020, 16:32)lor-olli schrieb: Ja, DEN muss ich auf meine Kappe nehmen, nicht was die Richtigkeit der Aussage betrifft, sondern die Genauigkeit des Bezuges… der Bezug lautet also, 4 von 5 der hospitalisierten Infizierten!

Ja, der Bezug ist wichtig. Die Mortalität beispielsweise mit HCov-OC43 ("Erkältung") hospitalisierter älterer Menschen ist auch überraschend hoch https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2095096/


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 15.10.2020

Mal ein Vorschlag zum Nachdenken:
Auf was sollen wir uns bei unseren Überlgungen für unser Handeln verlassen? Die reinen Zahlen können es nicht sein, sie sind (außer den Toten) keine absolut verlässlichen Zahlen. Der Bundesrepublik bescheinige ich mal ein seriöses Belegen - soweit das möglich ist - alle Menschen kann man nicht testen und die Dunkelziffer ist da, lässt sich aber nicht genau abschätzen.

Andere Länder schönen die Zahlen gezielt, GB hat laut Totenscheinen (Office for national statistics) 58000 Coronatote, laut offiziellen Meldungen aber "nur" 43000 - als Beispiel, dass sieht in anderen Ländern mit einer lockeren Handhabung der Pandemie ähnlich aus, es bringt aber überhaupt nichts so zu diskutieren, der Wunsch ist Vater des Gedanken und bestimmt häufiger als Fakten das Vorgehen.

Die Frage die man sich in handlungsbevollmächtigter Position stellen muss: Was kann ich als kleinsten gemeinsamen Nenner als gesichert nehmen und was muss oder sollte ich gegen eine abzusehende Entwicklung (hier Anstieg, exponentieller Anstieg gegen stabile Lage) unternehmen? Bei der Betrachtung gilt es einiges mehr zu bedenken als die reinen Covid19 Fälle, denn der Bannkreis um das Virus ist erheblich! Medizinisches Personal, soziale Dienste, Polizei und Rettungsdienste, Gastronomie und weite Teile der Kultur, Produktionshemmnisse durch Krankmeldungen oder Lieferengpässe (geht der Run aufs Klopapier schon wieder los? Wink), deftige Einbrüche bei fast allem was mit Reisen zu tun hat (auch Flugverkehr z.B.), nahezu alles ist direkt oder indirekt von der Pandemie betroffen - wo ist der goldene Weg?

Als Beispiel: Hätte Deutschland so viele Infizierte wie Schweden (und dazu zählen eben auch die mit keinen oder milden Symptomen), hätte wir insgesamt eine Million Infizierte, wie viele Tage Arbeitsausfall (Quarantäne) das bedeutet darf jeder gern selbst abschätzen. Die Crux ist, dass die Fälle sich ausgerechnet in den Bereichen mit vielen Kontakten anhäufen, eigentlich logisch, aber eben auch im Medizin-, Polizei- und Verwaltungswesen ein echtes Problem. Verschobene Operationen werden gern angeführt, hat mal jemand überlegt wie viele OPs abgesagt werden, weil Ärzte und Personal infiziert sind (in der Klinik hier in der Nähe sind es aktuell 4 Ärtze und die Klinik ist klein!).

Flatten the curve galt und sie ist meiner Einschätzung und bisherigen Erfahrung nach die einzig erfolgversprechende Variante, "to flatten" bedeutet aber auch schon vor dem eigentlichen Ansatz die Bremse zu treten, nur 10 Tage später und ein viel höheres Level ist schon erreicht, irgendwann ist ein lockdown nicht mehr zu vermeiden. Alle starren auf die Zahlen in D, statt mal einen Blick über die Grenzen zu werfen, da ist die Richtung beinahe schon egal. Zur Erinnerung, "Deutschland" (also die Minderheit) ist genervt weil die Maßnahmen wirken, Italien akzeptiert meist die strikteren Maßnahmen, weil der Schock der ersten Welle und vielen Toten noch tief sitzt - Sie haben die Wahl…


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 15.10.2020

(15.10.2020, 13:34)lor-olli schrieb: Als Beispiel: Hätte Deutschland so viele Infizierte wie Schweden (und dazu zählen eben auch die mit keinen oder milden Symptomen), hätte wir insgesamt eine Million Infizierte, wie viele Tage Arbeitsausfall (Quarantäne) das bedeutet darf jeder gern selbst abschätzen.

Gibt es dazu Zahlen aus Schweden? Dann müsste man es nicht abschätzen, sondern könnte es einfach hochskalieren, so wie du das mit den Infektionszahlen getan hast. Mein Eindruck ist nach wie vor, dass das Leben in Schweden wesentlich angstfreier und unbeschränkter abläuft als bei uns und dort die Welt trotzdem nicht zusammenbricht.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 15.10.2020

Prioritäten? "Håll dig lugn" klingt bei über 7000 neu gemeldeten Infektionen in D nicht nach "Die Ruhe bewahren" als bestem Konzept…


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Drizzt - 16.10.2020

Ist das bessere Konzept "in Panik verfallen" (wie ich das in großen Teilen meines Bekanntenkreises leider feststellen muss) oder "die Panik schüren"? Hr. Lauterbach hat heut morgen im Morgenmagazin die Menschen mehr oder weniger direkt dazu aufgefordert, ihre Nachbarn zu beobachten und zu melden,wenn dort außergewöhnliche Aktivitäten vor sich gehen.


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - lor-olli - 16.10.2020

Die drei Todsünden der Pandemiebekämpfung sind die gleichen wie im April (ungeachtet, dass wir heute auf deutlich mehr Wissen aufbauen können): Panik, Ignoranz und blinder Aktionismus.

Es ist für mich kein "Panik schüren", wenn man sich auf Modellrechnungen bezieht (Meyer-Hermann) die schon im April erstaunlich genau die nächsten Wochen vorhersagten - allerdings sind dessen Modelle so komplex, dass sie nicht wirklich viele verstehen / erfassen können. Seine Vorhersagen (und daher hat Merkel die Zahl) von 19000 neuen Infektionen täglich sind eine Prognose und nicht in Stein gemeißelt, denn er definiert auch die Stellschrauben mit denen man diese Zahl klein halten kann… aber die Zusammenhänge und Interdependenzen muss man schon nachvollziehen um zu verstehen. Es gibt auch Spezialisten, die den Kameras und Mikrophonen lieber ausweichen, statt in jedes und jede zu sprechen. (Einige sind mit ihrer neuen Prominenz noch nicht so vertraut, andere drängen sich mit gewagten und viel kritisierten Thesen selbst in die erste Linie)

Denunziantentum ist auch mir zuwider aber etwas, dass vielleicht dem neuen Populismus geschuldet ist, wie wohl auch ich mich über einige vorsätzlich Ignorante durchaus ärgere (nächtliche Parties mit Hunderten ohne Maske und Abstand aber viel Alkohol sind definitiv nicht angesagt, Frust über die Situation hin oder her - man kann dann recht simpel die folgenden hotspots ausmachen).

Panik ist meistens dem Nicht-Verstehen geschuldet, es ist zwar komplex, aber nicht unmöglich sich mit dem Virus und dessen Konsequenzen auseinander zu setzen und zu verstehen. Die Möglichkeiten der Vermeidung einer Infektion sollte aber auch "nicht-so-großen-Denkern" einleuchten, das Virus lauert in der Regel nicht hinter der nächsten Hausecke > Ausbrüche / hotspots sind die Hauptursache für den aktuellen Anstieg und es sind fast nur Teilnehmer solcher Treffen betroffen. (Das z.B. eine Infizierte ihre jüngere Tochter nach einer OP im Krankenhaus besucht und zu mindestens 4 Neuinfektionen beiträgt ist zum Glück nicht so häufig, betroffen ist hier aber auch aktuell ausschließlich das Personal des KH).

Eine ernste Frage die sich hier viele stellen und stellen müsssen: Wie ist mit Ignoranten umzugehen? Schulterzucken reicht aktuell wohl nicht mehr, Polizisten wurden bei einer Kneipenschließung bespuckt. (Der Wirt hatte nach mehrmaligen Ermahnungen die Lizenz gesperrt bekommen - Verfahren läuft noch) Vorschläge?


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - Atanvarno - 16.10.2020

(16.10.2020, 13:16)lor-olli schrieb: Es ist für mich kein "Panik schüren", wenn man sich auf Modellrechnungen bezieht (Meyer-Hermann) die schon im April erstaunlich genau die nächsten Wochen vorhersagten - allerdings sind dessen Modelle so komplex, dass sie nicht wirklich viele verstehen / erfassen können.

Development of the reproduction number from coronavirus SARS-CoV-2case data in Germany and implications for political measures

Es ist ein Modell. Und es kann (wie im Text selbst eingestanden), nicht mehr als ein paar Wochen vorhersagen. Die benötigten mehrere 100 000 Intensivbetten im Falle der Einstellung aller Maßnahmen dürften die gleiche Güte haben wie Neil Fergusons Horrorszenarien. Dessen Modell prognostizierte für Schweden (bei moderater Intervention) 85000 Tote.

Und kaum jemand möchte alle NPI einstellen. Es möchte allerdings auch kaum jemand eine drastische Verschärfung der Maßnahmen, vor allem wenn diese teilweise sinnlos sind (Beherbungsverbot, Sperrrstunde, Alkoholverbot).

Zitat:Eine ernste Frage die sich hier viele stellen und stellen müsssen: Wie ist mit Ignoranten umzugehen? Schulterzucken reicht aktuell wohl nicht mehr, Polizisten wurden bei einer Kneipenschließung bespuckt. (Der Wirt hatte nach mehrmaligen Ermahnungen die Lizenz gesperrt bekommen - Verfahren läuft noch) Vorschläge?

Genauso wie jede Demokratie ein paar Extremisten aushalten können muss, sollte auch jede Pandemie ungeachtet ein paar Idioten bewältigbar sein (vor allem in einem demokratischen Staat). Oder wollen einige hier doch eine chinesische Lösung?


RE: Sars-CoV-2: allgemeine Diskussion - RalfM - 16.10.2020

Die entscheidende Zeile in dem Pre-Print ist 279.

Das Modell reproduziert sehr erfolgreich den Infektionsverlauf. Dies ist nicht verwunderlich, weil es ja ex-post an den Verlauf angefittet wurde. Der entscheidende Satz für den prädiktiven Wert ist in Zeile 246.

Es hängt vom Verhalten der Menschen ab, hauptsächlich vom eigengesteuerten Verhalten, was nicht Teil des Modells ist, und nicht sein kann.

Psychologie ist deshalb ebenso wichtig wie mathematische Modellierung. Für letzteres ziehen Bundes- und im Gefolge Landespolitik Experten heran, ersteres trauen sie sich selbst zu. Nicht immer mit Fortune.

Es ist gerade in Berlin offensichtlich, dass das Infektionsgeschehen vom Verhalten einzelner Personengruppen in räumlich begrenzten Gebieten abhängt. Jegliches Gießkannen-Werkzeug ist weitgehend fehl am Platz und erzeugt mehr Kollateralschaden als Nutzen. Eine Pinzette wäre zu zaghaft. Ein Spitzmeißel ist vielleicht das passende Bild.