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Mindest-BMI in der Leichtathletik? - Druckversion

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RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - krebsan - 07.01.2020

(07.01.2020, 11:00)Jo498 schrieb: Ich fände es einen absurd weitreichenden Eingriff, wegen einer oder zehn Athletinnen, die vielleicht als "schlechtes Vorbild" dienen könnten, so eine Regel, für die es in der LA keine Präzedenz gibt, einzuführen. Das wäre für mich so ähnlich wie, weil viele Profis auf Strava u.ä. ihre Umfänge ölffentlich machen, hier eine Begrenzung des Wochenumfangs zu fordern. Denn es könnte ja jemand, der sich damit überlastet, meinen, er müsse trainieren wie Kipchoge.
Zumal hier bisher sehr viel spekuliert wird (und bizarrerweise anhand einer bisher weit unterdurchschnittlich oft verletzten Athletin). Wenn wir pro Saison in Deutschland ein vorzeitiges Karriereende oder Kollaps/Tod, was weiß ich, einer extrem dünnen Athletin (nationaler Spitze) hätten und das zuverlässig auf das Untergewicht rückführbar wäre, sollten wir diese Debatte führen. D.h. so etwas müsste regelmäßig vorkommen; wenn Koko nächstes Jahr "am Ende" ist (was wir nicht hoffen, was aber seit 4 Jahren immer für das jeweils nächste Jahr vorhergesagt wird, weil zu dürr) und die Karriere beenden muss und medizinisch das Untergewicht als zentrale Ursache identifiziert wird, wäre das für mich ein bedauerlicher Einzelfall. (Wie er aufgrund von zig anderen Aspekten wie Trainingsmethoden, -umfängen etc. eben im Leistungssport vorkommt.)
Und nein, das ist nicht zynisch, sondern das wären für mich Bedingungen, die in etwa erfüllt sein müssten, um so eine tiefgreifende Maßregelung zu rechtfertigen.
Es geht hier um Leistungssport, Athleten gehen gesundheitliche Risiken ein, das ist unvermeidlich und es ist m.E. einfach unehrlich, wenn man es bestreitet, bzw. naiv, wenn man meint, dass totale Kontrolle hier der Ausweg wäre. Selbst bei Karrierende 2021 könnte man der Ansicht sein, dass es sich schon für 5 Jahre an der Spitze gelohnt hat, so ein Risiko einzugehen. (Damit will ich nicht sagen, dass zB Koko bewusst ein Risiko über ein absichtlich niedriges Gewicht eingeht; sie hat nie massiv Gewicht reduziert, da ist wahrscheinlich sehr viel Veranlagung/Genetik dabei.) Aber selbst wenn sie das machen würde, wäre es ein akzeptables Risiko. Analog zu denen, die Kletterer, Skifahrer, Rennfahrer usw. auch alle eingehen.

Ich halte den Eingriff nicht für weitreichend. Natürlich abhängig davon, wo man einen allfälligen BMI-Grenzwert ansetzt. Aber z.B. 18 sollte doch innert überschaubarer Zeit über Muskelaufbau erreichbar sein. Und ja, in der Leichtathletk gibt es dafür keine Präzedenz (wie auch), gab es im Skispringen ja auch nicht. Aber genügend gute Gründe.
Und ja, die Argumentation halte ich für zynisch. Für mich reichen gesundheitliche Bedenken, z.B. zusammengefasst unter der Female Athlete Triade https://www.rosenfluh.ch/media/ernaehrungsmedizin/2006/02/Female-Athlete-Triad.pdf , also Zyklusstörungen, Osteoporose, Stressfakturen, dazu psychische Probleme, um über sinnvolle Reglementierungen nachzudenken. Und natürlich kenne ich selber mehrere Fälle, in denen eine hoffnungsvolle Karriere so frühzeitig beendet wurde. Z.B. in einem Nachbarverein, in dem sich die weibliche Läufergruppe in und nach einem gemeinsamen Trainingslager "wettkampfmässig" heruntergehungert hatte, was letztlich zur Auflösung dieser Trainingsgruppe geführt hatte. Es sind ja, unter anderem, auch Bedenken von Eltern zu beachten, die sowieso nicht immer begeistert sind von den Aussichten auf eine Leistungssportkarriere ihrer Kinder.

Ich glaube auch nicht, dass ein solches Reglement zu Klagen führen würde, oder zu Karriereenden oder letztlich finanziellen Einbussen. Ist mir so auch aus dem Skispringen nicht bekannt. Der Attraktivität der Sportlerinnen (z.B. für die Werbeindustrie) würde es letztlich sicher auch nicht schaden.


Ach ja, noch der Link zur Modebranche. Dort tönt es ähnlich: https://www.bento.de/style/magermodels-verbot-diese-ausreden-kommen-von-einer-agenturchefin-a-00000000-0003-0001-0000-000000214859


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - Jo498 - 07.01.2020

Skispringen ist ein ErsteWelt-Hightech-Nischensportart, da konnte man so etwas durchsetzen. Aber niemals international in der LA. Wenn zB der Grenzwert so gesetzt würde, dass aufgrund des genetisch bedingt sehr schlanken Körperbaus zahlreiche Ostafrikanerinnen zunehmen müssten, würde das nicht ganz zu Unrecht als offensichtlicher Rassismus gesehen und wäre ganz unmöglich.  Andererseits könnte es umgekehrt sein, dass afrikanischstämmige Läuferinnen bei einem Grenzwert noch deutlicher überlegen wären, weil ihre anderen anatomischen und genetischen Vorteile (Proportionen, Höhenanpassung etc.) auch bei etwas höherem BMI noch zum Tragen kämen, während extrem schlaksig gebaute Europäerinnen wie Koko oder McColgan zunehmen müssten und ihren individuellen Vorteil einbüßten, d.h. international hätte man dann von 1500m bis Marathon nicht mehr 1:10, sondern 1:50 afrikanische Überlegenheit. Das aber nur am Rande.

Das Hauptproblem sind die individuellen Unterschiede, die natürlich weiterhin ungesunde Schlankheit ermöglichen würden. 
Bsp.: Läuferin A hat BMI 16, ihr "nachhaltiger BMI" wäre 17, sie muss auf >18  zunehmen, wird also "bestraft", da sie nicht bei ihrem bestmöglichen BMI laufen darf. Läuferin B hungert/trainiert sich von ihrem "nachhaltigen BMI 20,5 auf 18,2, darf also ganz offiziell bei einem für sie ungesunden BMI laufen. (Zahlen nur beispielhaft.)

An dem Tag, nachdem alle Casting/Dating/Modelshows, sämtlicher Motorsport und ungefähr hundert andere risikoreiche oder die Seelen Millionen junger Menschen verderbenden Dinge verboten werden, kann ich mich vielleicht für eine solche Maßnahme, die ein paar hundert potentielle Läuferinnen (sehr unzureichend, s.o.) "schützt", erwärmen.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - krebsan - 08.01.2020

(07.01.2020, 18:16)Jo498 schrieb: Skispringen ist ein ErsteWelt-Hightech-Nischensportart, da konnte man so etwas durchsetzen. Aber niemals international in der LA. Wenn zB der Grenzwert so gesetzt würde, dass aufgrund des genetisch bedingt sehr schlanken Körperbaus zahlreiche Ostafrikanerinnen zunehmen müssten, würde das nicht ganz zu Unrecht als offensichtlicher Rassismus gesehen und wäre ganz unmöglich.  Andererseits könnte es umgekehrt sein, dass afrikanischstämmige Läuferinnen bei einem Grenzwert noch deutlicher überlegen wären, weil ihre anderen anatomischen und genetischen Vorteile (Proportionen, Höhenanpassung etc.) auch bei etwas höherem BMI noch zum Tragen kämen, während extrem schlaksig gebaute Europäerinnen wie Koko oder McColgan zunehmen müssten und ihren individuellen Vorteil einbüßten, d.h. international hätte man dann von 1500m bis Marathon nicht mehr 1:10, sondern 1:50 afrikanische Überlegenheit. Das aber nur am Rande.

Das Hauptproblem sind die individuellen Unterschiede, die natürlich weiterhin ungesunde Schlankheit ermöglichen würden. 
Bsp.: Läuferin A hat BMI 16, ihr "nachhaltiger BMI" wäre 17, sie muss auf >18  zunehmen, wird also "bestraft", da sie nicht bei ihrem bestmöglichen BMI laufen darf. Läuferin B hungert/trainiert sich von ihrem "nachhaltigen BMI 20,5 auf 18,2, darf also ganz offiziell bei einem für sie ungesunden BMI laufen. (Zahlen nur beispielhaft.)

An dem Tag, nachdem alle Casting/Dating/Modelshows, sämtlicher Motorsport und ungefähr hundert andere risikoreiche oder die Seelen Millionen junger Menschen verderbenden Dinge verboten werden, kann ich mich vielleicht für eine solche Maßnahme, die ein paar hundert potentielle Läuferinnen (sehr unzureichend, s.o.) "schützt", erwärmen.

Das überzeugt mich nach wie vor nicht. Im Skispringen hat es keine juristischen Klagen gegeben, weil die Sportler das letztlich unterstützt haben. Alle haben proftitiert, die Regelung ist absolut unumstritten. Aber richtig, Ostafrikanerinnen und Asiatinnen würden sich wohl beklagen, wenn der Grenzwert zu tief angesetzt würde - scheint mir als Massnahme allerdings weit weniger einschneidend und diskriminierend wie der Ausschluss der Langdistanzen aus der Diamond League. Und da hat man den Konflikt auch nicht gescheut.

Dass dann plötzlich die diskriminierten Sportlerinnen doch am meisten profitieren sollen, ist wiedersprüchlich und nicht einleuchtend. Nein, wenn schon hätten wohl die Europäer/innen etwas verbesserte Chancen. Wenn es überhaupt einen Einfluss hätte.

Und ja, individuelle Unterschiede gibt es. Wie in anderen Bereichen, wo Grenzwerte festgelegt werden. Dafür gibt es ja nun Präzedenzfälle.

Das andere - wir nicht, die anderen aber auch - halte ich für eine Ausrede. Zumal es ja nicht um staatliche Verbote geht, sondern um die Frage, wie ein Sportverband sich positionieren möchte.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - Diak - 08.01.2020

ich möchte zwei Aspekte zu Bedenken geben:
- der BMI ist ein recht willkürliches Maß und nicht gut geeignet, um gesunde von kranken Menschen zu unterscheiden, das gilt an der Ober- und Untergrenze. Dass die Diskussion trotzdem notwendig ist zeigt,
- dass der von den meisten hier verwendete Vorbildbegriff zu kurz greift. Es geht eher nicht darum, dass dutzende Teenys vor lauter Koko-Liebe so dünn werden wollen wie sie. Das Problem besteht darin, dass die durch den Sport (nicht durch Arschlöcher wie Salazar, sondern eben leider auch per se) gestellten Anforderungen ans Körpergewicht so ziemlich jedes Mädchen in seiner persönlichen Entwicklung erheblich tangieren. Wer zur Zeit der Veröffentlichung des beeindruckenden Berichts von Pamela mit auch nur etwas offenen Ohren mit Mädchen gearbeitet hat, weiß, auf welche Resonanz der Text gestoßen ist. Körperlichkeit ist ein riesiges Thema, das komplex und sehr sorgfältig diskutiert gehört. Ich habe schon so viele talentierte Läuferinnen bei guten und behutsamen Trainern in einen gefährlichen Schlankheitswahn gleiten sehen, dass ich vehement widerspreche, wenn einige das Problem marginalisieren wollen. Es ist eins! Leider habe ich keine Patentlösung, auch nicht für talentierte Kugelstoßerinnen, die keine sein wollen, weil sie die körperlichen Anforderungen meiden wollen.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - Robb - 08.01.2020

Dann ist es aber ein gesellschaftliches Problem, dem man mit BMI-Vorgaben nicht beikommt.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - dominikk85 - 08.01.2020

Natürlich war das was salazar mit Cain gemacht hat falsch und vermutlich sogar illegal, aber das Problem ist ja das salazar das nicht (nur) gemacht hat weil er ein Arsch ist, sondern weil es einfach Erfolg bringt abzunehmen, außer man übertreibt es. Das bedeutet das man dort einfach an die Grenze gehen muss, genau wie im skispringen.

natürlich gibt es immer Fälle wo Leute so etwas genetisch drin haben, aber die Mehrheit muss dafür halt absolut an die Grenze gehen.

man kann an die Moral der Trainer appellieren, aber es ist immer ein Problem wenn einhalten der Moral einen wettbewerbsnachteil bedeutet. Daher kann es Sinn machen regeln zu schaffen so das Leute die moralisch handeln nicht in einen Nachteil geraten.

natürlich gibt es Leute die dabei über die Klinge springen, auch im skispringen gab es zum Beispiel den Tournee Sieger sigurd petterson der von Natur aus extrem dünn war und danach nicht mehr konkurrenzfähig war, aber das sind halt nur recht wenige Leute.

Eine vernünftige BMI Grenze (also sagen wir 18 für Frauen und 19-20 für Männer) wäre dann vielleicht für 10% der leute ein Nachteil, aber für die meisten ein Vorteil.

ich sage nicht das man das machen muss, aber so schlimm wäre die Auswirkung auch nicht wenn man die Grenze nicht zu hoch ansetzt


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - krebsan - 08.01.2020

(08.01.2020, 14:49)Diak schrieb: ich möchte zwei Aspekte zu Bedenken geben:
- der BMI ist ein recht willkürliches Maß und nicht gut geeignet, um gesunde von kranken Menschen zu unterscheiden, das gilt an der Ober- und Untergrenze. Dass die Diskussion trotzdem notwendig ist zeigt,
- dass der von den meisten hier verwendete Vorbildbegriff zu kurz greift. Es geht eher nicht darum, dass dutzende Teenys vor lauter Koko-Liebe so dünn werden wollen wie sie. Das Problem besteht darin, dass die durch den Sport (nicht durch Arschlöcher wie Salazar, sondern eben leider auch per se) gestellten Anforderungen ans Körpergewicht so ziemlich jedes Mädchen in seiner persönlichen Entwicklung erheblich tangieren. Wer zur Zeit der Veröffentlichung des beeindruckenden Berichts von Pamela mit auch nur etwas offenen Ohren mit Mädchen gearbeitet hat, weiß, auf welche Resonanz der Text gestoßen ist. Körperlichkeit ist ein riesiges Thema, das komplex und sehr sorgfältig diskutiert gehört. Ich habe schon so viele talentierte Läuferinnen bei guten und behutsamen Trainern in einen gefährlichen Schlankheitswahn gleiten sehen, dass ich vehement widerspreche, wenn einige das Problem marginalisieren wollen. Es ist eins! Leider habe ich keine Patentlösung, auch nicht für talentierte Kugelstoßerinnen, die keine sein wollen, weil sie die körperlichen Anforderungen meiden wollen.

Danke dir (und dann auch dominikk25). Besser hätte ich es nicht formulieren können.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - JoelH - 08.01.2020

(08.01.2020, 14:49)Diak schrieb: Ich habe schon so viele talentierte Läuferinnen bei guten und behutsamen Trainern in einen gefährlichen Schlankheitswahn gleiten sehen,

Dann muss man diese Trainer bestrafen und nicht unschuldige Athleten die damit nichts zu tun haben und auch nichts dafür können.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - Jo498 - 08.01.2020

Ich kann der Ansicht sein, dass Alkoholismus ein großes Problem ist, ohne deswegen gleich Prohibition zu fordern. Vielleicht sollte man Leistungssport für Frauen ganz abschaffen, wenn das so gefährlich ist. War schließlich schonmal weitgehend Konsens, vor ungefähr 100 Jahren.
Niemand wird gezwungen, Leistungssport betreiben. Wir können nicht gesamtgesellschaftlich mehr und mehr Risiken immer weniger puffern und stattdessen an "Eigenverantwortung" appellieren, aber in einem freiwilligen und geschützten Bereich alle Risiken durch mehr und mehr Regelungen minimieren wollen.

Der Fall Dutkiewicz ist ein Beispiel dafür, dass man mit festen Grenzwerten wenig ausrichten dürfte, denn bei einem Langstrecken-BMI sub 19 ist sie heute ziemlich sicher noch nicht. Und er zeigt auch, dass das Problem vielschichtiger ist, denn die hat anscheinend erfolgreich und selbstbestimmt ihr Gewicht (lt. Artikeln um insgesamt 10 kg!) reduziert. Sie hat gerade nicht gesagt, ich bin halt "Pummel-Pam" und gefalle mir so, wie ich bin, und drei Zehntel langsamer oder schneller sind mir egal. War das nun ein gefährlicher Schlankheitswahn? Anscheinend nicht, denn es wird ja als Erfolgsstory behandelt.


RE: Konstanze Klosterhalfen trainiert beim NOP/Pete Julian - Drizzt - 08.01.2020

Hm,ich war eigentlich die ganze Zeit auch der Meinung,dass das nicht so  schlimm und extrem ist,wie es hier teilweise dargestellt wird. Aber jetzt lese ich gerade in der Leichtathletik eine Aussage von Corinna Harrer aus der süddeutschen Zeitung:"Ich habe schon das Gefühl,dass es ein vorherrschendes Ideal gibt: Wenn du erfolgreich sein willst,musst du dünn sein. Beuiehungseeise: Wenn du drei Kilo zu viel auf den Rippen hast,bist du schlecht." Eine ehemalige Profiläuferin habe gesagt:"Ich bin froh,dass ich da raus bin,jede hungert sich nur noch runter.""