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Haben deutsche Läufer in den 70ern anders trainiert als heute? - Druckversion

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RE: Haben deutsche Läufer in 70igern anders/besser trainiert als heute? - frontrunner800 - 14.08.2019

(14.08.2019, 09:04)Jo498 schrieb: BRD 1970-80 war aber auch schon eine Wohlstandsgesellschaft, in der man nicht 10 km über staubige Pfade zur Schule joggen musste oder sein Zebra zum Mittagessen mit der Hand fangen, wenn man was zum Essen haben wollte.


Doch nicht so, wie heute, mit den vielen Möglichkeiten, verlockender Ablenkung: Es gab ARD, ZDF und die Dritten, Telefon mit Schnur ...
Sicher, gibt es diese Möglichkeiten der Ablenkung auch heute in anderen Ländern wie z. B. USA, Frankreich oder Polen etc.
Könnt Ihr die Gründe nennen, warum es in diesen Ländern auf den Mittelstrecken seit Jahren trotzdem überragende Läufer gibt und in D nicht?


RE: Haben deutsche Läufer in 70igern anders/besser trainiert als heute? - Atanvarno - 14.08.2019

Die USA haben einen größeren Talentpool (320 zu 80 Millionen), auf den sie durch die feste Verankerung des Crosslaufs in den Schulen auch noch besser zugreifen können.
Frankreichs Mittel- und Langstreckenlauf lebt vor allem von Läufern mit nordafrikanischem Migrationshintergrund.


RE: Haben deutsche Läufer in 70igern anders/besser trainiert als heute? - frontrunner800 - 14.08.2019

(14.08.2019, 09:28)Atanvarno schrieb: Die USA haben einen größeren Talentpool (320 zu 80 Millionen), auf den sie durch die feste Verankerung des Crosslaufs in den Schulen auch noch besser zugreifen können.
Frankreichs Mittel- und Langstreckenlauf lebt vor allem von Läufern mit nordafrikanischem Migrationshintergrund.


Richtige Fakten.
ABER:
Dies war doch in den erfolgreicheren 70er und 80er Jahren nicht anders. Was hat sich seitdem in D verändert und verhindert bei uns einen vergleichbaren Erfolg und Leistungsstärke heute?


RE: Haben deutsche Läufer in 70igern anders/besser trainiert als heute? - Atanvarno - 14.08.2019

Leider gibt es außer Arne Gabius keinen deutschen Spitzenläufer, der seine vollständigen Trainingspläne veröffentlicht.

Aus den Schnipseln in LA-Training, Trainingslagerberichten in Zeitungen, auf Homepages oder in sozialen Medien kann ich aber nicht ableiten, dass heute zu lasch trainiert würde. Würde ich Dinge anders mache - eventuell. Würde ich knüppeln lassen - definitiv nicht. Hirnloses knüppeln, nur damit man sich hinterher auf die Schulter klopfen kann, was fürn harter Kerl man ist, hat noch keinen Läufer dauerhaft besser gemacht.


RE: Haben deutsche Läufer in den 70igern anders trainiert als heute? - alex72 - 14.08.2019

Der entscheidende Punkt in Vergleich zu den früheren Jahren ist ganz einfach dass weniger Talente den Weg zum Wettkampf Laufen finden:

- es gibt vielmehr Konkurrenz insbesondere durch Sportarten wie Triathlon. Der Fussball legt jetzt viel mehr Wert auf Athletik und zieht auch entsprechende Talente ab.

- Erfolge in der Leichtathletik finden im Anschlussbereich noch weniger Aufmerksamkeit durch Medien und damit auch Förderung durch Mäzene, Sponsoren und Institutionen.

- Gerade das notwendige " Quälen" im Wettkampf-Laufen entspricht nicht mehr dem Lebensgefühl eines großen Teils der Bevölkerung. Viele Eltern ist es ja schon zu viel ihrem Kind den Weg zur Schule zu zumuten. Da können sie es schon gar nicht ertragen wenn ihr Kind sich im Sport auch mal bis "zum Kotzen" trainieren soll.


RE: Haben deutsche Läufer in den 70igern anders trainiert als heute? - Reichtathletik - 14.08.2019

(14.08.2019, 10:35)alex72 schrieb: Der entscheidende Punkt in Vergleich zu den früheren Jahren ist ganz einfach dass weniger Talente den Weg zum Wettkampf Laufen finden:

- es gibt vielmehr Konkurrenz insbesondere durch Sportarten wie Triathlon. Der Fussball legt jetzt viel mehr Wert auf Athletik und zieht auch entsprechende Talente ab.

- Erfolge in der Leichtathletik finden im Anschlussbereich noch weniger Aufmerksamkeit durch Medien und damit auch Förderung durch Mäzene, Sponsoren und Institutionen.

- Gerade das notwendige " Quälen" im Wettkampf-Laufen entspricht nicht mehr dem Lebensgefühl eines großen Teils der Bevölkerung. Viele Eltern ist es ja schon zu viel ihrem Kind den Weg zur Schule zu zumuten. Da können sie es schon gar nicht ertragen wenn ihr Kind sich im Sport auch mal bis "zum Kotzen" trainieren soll.

Fast genau das wollte ich gerade auch schreiben. Ich denke das Problem ist weniger die Spitze - und genau das verkennen auch unsere Verbände zunehmend und machen es durch ihr handeln schlimmer - sondern die fehlende Breite. In den 70er Jahren war es noch völlig normal, dass in jeder Stadt Trainingsgruppen existierten, bei der ein Dutzend Läufer die 1500m mühelos unter 4 Minuten lief. Heute schaft das einer und ist schon der Held. In diesem damaligen Setting wurden Athleten regelmäßig im Training gefordert. Das schaffen heute nur sehr wenige, diejenigen, die den Biss und die Lust haben, solche Tempoprogramme alleine durchzuziehen. 
Natürlich sind größere Gruppen auch wieder für mehr Leute interessant, sich in dem Sport zu engagieren, als Trainer, Sponsoren oder auch selbst als Aktiver, der sonst gar kene Berühung zum Sport bekommen hätte.

Es ist doch auffällig, dass die wenigen guten deutschen (Nachwuchs)läufer, die aus der Schule kommen, derzeit häufig in die USA gehen und dort den nächsten Schritt machen. Dort gibt es Trainingspartner, Gruppen - und nicht zuletzt auch die Annerkennung und Aufmerksamkeit für "das gequäle". Konsequenz ist aber, dass diese Leute uns in Deutschland als Zugpferde zusätzlich fehlen.


RE: Haben deutsche Läufer in den 70igern anders trainiert als heute? - frontrunner800 - 14.08.2019

Die letzten beiden Beiträge habe ich mit Interesse gelesen und stimme in allen genannten Punkten zu.


RE: Konstanze Klosterhalfen verlässt Sebastian Weiß und trainiert beim NOP/Pete Julian - MZPTLK - 14.08.2019

(13.08.2019, 22:35)frontrunner800 schrieb: Its better to burn out than to fade away!

Ich finde den Song von Neil Young, aus dem dies stammt, wunderschön,
aber ich warne davor, sich diesen Satz zum Lebensmotto zu machen.
Oder man endet wie Elvis(auf den der Song gemünzt ist)
oder wie Joplin, Hendrix & Co.


RE: Haben deutsche Läufer in den 70igern anders trainiert als heute? - Robb - 14.08.2019

(14.08.2019, 10:35)alex72 schrieb: Der entscheidende Punkt in Vergleich zu den früheren Jahren ist ganz einfach dass weniger Talente den Weg zum Wettkampf Laufen finden:

Wenn das die Antwort wäre, müßte sich das auf alle Disziplinen auswirken, der Sprint der Frauen z.B. ist aber in der Breite so gut wie noch nie. Vor 20 Jahren war man mit 11,79 unter den besten 20 Deutschlands, dieses Jahr reicht das gerade noch für die Top 40.


RE: Haben deutsche Läufer in den 70igern anders trainiert als heute? - frontrunner800 - 14.08.2019

(14.08.2019, 10:35)alex72 schrieb: - Gerade das notwendige " Quälen" im Wettkampf-Laufen entspricht nicht mehr dem Lebensgefühl eines großen Teils der Bevölkerung. Viele Eltern ist es ja schon zu viel ihrem Kind den Weg zur Schule zu zumuten. Da können sie es schon gar nicht ertragen wenn ihr Kind sich im Sport auch mal bis "zum Kotzen" trainieren soll.

Das trifft den Nagel auf den Kopf! Vitalität ist in der Breite in D verloren gegangen. Die Ursachen für die Stagnation oder sogar Rückläufigkeit der Leistungen in D auf den Mittelstrecken hat also viel mit allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen in D zu tun!