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Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - Druckversion

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RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - Atanvarno - 06.09.2018

(06.09.2018, 15:58)gera schrieb: es ist falsch, von einer guten Leistung auf eine gute Technik zu schließen.Und da man oft nicht weis, wieviel von der guten Leistung unerlaubt erzielt wurde, kann man die Technik solcher Athleten nicht mit gut/schlecht bewerten.Wenn ich in der Schule mit abschreiben eine gute Note bekomme, weis auch keiner wieviel ich wirklich drauf habe.

Wenn ich eine korrekte Lösung abschreibe ist meine Lösung auch richtig, unabhängig davon, dass ich die Aufgabe nicht selber gelöst habe.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - ThomZach - 06.09.2018

Interessante Betrachtungen…
Ich habe keine Ahnung von Krafttraining und noch weniger von Doping.
Ich weiß nur, dass meine Leistung in den letzten 5 Jahren aus zwei Gründen
dramatisch zurückging: Altersbedingter Kraftschwund war das Eine. Aber
das Andere war die Tatsache, dass damit auch meine Technik unglaublich
viel schlechter wurde. Ich musste daher eine ganz neue Technik entwerfen
und einstudieren. Das hat volle sechs Jahre gedauert und konnte den
Niedergang während dessen zumindest aufhalten. Alles leider zu spät für
neue Weltrekorde, die meinen früheren Resultaten entsprochen hätten.
Auch wurde die neue Technik nie so effizient wie die alte. Ich konnte über
der Latten nie mehr so „zaubern wie früher.
Der für mich bestmögliche Straddle gelang mir mit 49, als ich Höhen
zwischen 1m85 im Training und 1m96 im Wettkampf überwinden konnte.
Ein Jahr älter scheiterte ich an 2m02 aus technischen Gründen. Die Kraft,
also Flughöhe, hätte dicke gereicht, aber nicht mein damaliges Wissen
über die technischen Möglichkeiten, die ich ungenutzt gelassen hatte.
Diese wurden mir erst klar, als die Sprungkraft so weit geschwunden war,
dass die Fehler in Video-Aufnahmen unübersehbar wurden.
Kurz: Ich kann nur bestätigen, dass das Gelingen bestimmter Techniken
von der Kraft abhängen, mit der die Athleten sie ausführen können.
Andererseits merke ich jetzt, wie unrealistisch und frustrierend es ist,
theoretisch zu arbeiten, ohne auf den eigenen Körper als Experimentier-
feld zurückgreifen zu können. Das ist wohl auch die Ursache dafür,dass
ich in meinem Leben nie etwas von einem Trainer habe lernen können –
nur von den Kollegen, die genau wussten, wovon sie redeten und es
entsprechend auch alles vormachen konnten. Seit ich nichts mehr vor-
oder nachmachen kann, habe ich auch aufgehört, Athleten belehren oder
betreuen zu wollen. Daher mein heutiger Rat:
„Glaube keinem Trainer, der nicht mitmacht, nicht mittrainiert, und dich
nicht nachmachen, imitieren kann. Probiere es aus, was er dir empfiehlt,
aber glaube nicht, dass es zwingend wahr ist. Selbst wenn es hilft.
Langfristig ist es vielleicht falsch oder du hast (noch) nicht die Kraft es
auszuführen." Oder es ist eh alles nur ein Missverständnis.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - lor-olli - 06.09.2018

Faierer Weise sollte man aber auch anführen, dass es DIE Technik nicht gibt (DIE im Sinne von der einzig Wahre). Individuelle Voraussetzungen bestimmen in wie weit und auf welche Weise sich ein Athlet dem Optimum nähern kann. Einige stecken auch ohne UM Trainingsbelastungen weg, die andere auch nicht mit UM längere Zeit aushalten.

Getreu dem pharmazeutischen Prinzip - keine Wirkung ohne Nebenwirkung - sind individuelle physiologische Grenzen kein Zufall, die Evolution ist da oft klüger (Ausnahmen gibt es natürlich). Überschreite ich diese Grenzen und lege überproportional an Kraft zu wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit der haltende Apparat irgendwann nachgeben, im "Idealfall" nach der Karriere. (Ich kenne einige Fälle, aber auch Fälle die ihre Karriere deswegen beenden mussten).

"Man" ist nach den Erfahrungen der 70er und 80er Jahre vorsichtiger geworden (kann man teilweise dogar direkt am Körperbild erkennen), dennoch ersetzt Kraft keine Technik. In der Regel leidet die Technik oft deutlich, wenn der Kraftzuwachs zu schnell erfolgt, die eingeübten Bewegungsmuster sich aber nicht so schnell anpassen können.

Der Sprint bildet ein wenig eine Ausnahme, da die Kraft zum einen die Technik nicht so stark verändert, zum anderen zu viel Masse eben auch nicht schneller macht. Heute geht es aber nicht nur um Kraft, sondern vor allem auch die Trainingsbelastung erhöhen und besser vertragen zu können - die Sprinter werden deswegen auch häufiger mit Stimulanzien als mit Steroiden ertappt. Die Bedeutung der Technik in den technisch anspruchsvollen Diziplinen im Verhältnis zur reinen Kraft, sieht man besonders gut am Hürdensprint. Die Muskelberge sind hier überschaubar, was nicht heißt, dass man nicht auch hier betrügen kann.

In der Summe auffällig ist aber auch, dass die Sprintleistungen im Gegensatz zu den Würfen nicht nachgelassen haben, haben die Sprinter also nicht gedopt? Nicht so exzessiv gedopt? Anders gedopt? Nachdenklich sollten bei diesen Überlegungen auch die Leistungen im Frauensprint machen. 10,49…


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - MZPTLK - 06.09.2018

Mensch Lor-Olli, Du weisst doch, dass nicht-Sprint-adäquate Hypertrophie ein Knieschuss ist.
Und Du weisst auch, dass Krafttraining bei den Würfen mehr Leistungszuwachs bringt als beim Sprint.
Kommt Doping hinzu, sind die Leistungszuwäche auch grösser als beim Sprint.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - EAF2017 - 06.09.2018

(06.09.2018, 18:54)lor-olli schrieb: Nachdenklich sollten bei diesen Überlegungen auch die Leistungen im Frauensprint machen. 10,49…
Bei den 10,49 von Flo-Jo gab und gibt es Gerüchte, dass diese Leistung windunterstützt erzielt wurde. Ihre anderen Leistungen sind natürlich auch, nennen wir es, sehr außergewöhnlich. Außer ihr waren nur noch Marion Jones (kein Kommentar nötig) und Carmelita Jeter (bei mehr als 1 Meter/Sekunde Rückenwind) schneller als 10,70s. Auf der ewigen Bestenliste der IAAF wurden bis zu Platz 19 alle Leistungen bei Rückenwind erzielt, einige der dort vertretenen Damen waren ebenfalls nicht immer sauber. In diesem Jahr war immerhin keine schneller als 10,85. Trotzdem muss man natürlich genau hinschauen.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - ThomZach - 06.09.2018

Im individuell relativen Bereich gibt es sehr wohl DIE Technik. Nämlich die,
mit der eben der betrachtete Athlet seine maximale Leistung erzielen kann.
Es ist nur niemandem möglich, diese Technik so differenziert und detailliert
zu beschreiben und biomechanisch richtig zu erklären, dass es vermittelbar wäre.
Und wenn das einer könnte, würde er von einem eventuellen Schützling wohl
kaum verstanden. Das wiederum würde aber auch nichts schaden, weil ein
Talent durchaus auch bei falscher Anleitung zur vollen Entfaltung kommen kann.
Es sei denn es lässt sich Fehler einreden, deren Auswirkungen fatal sind. So
gesehen bei Raúl Spank, der mMn in Grund und Boden niedertrainiert worden ist.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - icheinfachma - 07.09.2018

Was ich schon mindestens dreimal geschrieben habe und was (insbesondere von MZPTLK) immer wieder gezielt überlesen wird: Eine Sprinttechnik, wie sie FloJo gelaufen ist, also mit viel frontside mechanics und wenig backside mechanics, außerdem hohem Becken mit geringer Kniestreckung habe ich auch schon bei Athletinnen im deutschen Nachwuchsbereich gesehen. Natürlich war deren Kniehub niedriger. Aber man braucht für diese Technik keine übermenschliche Kraft. Jemand, der von sich selbst behauptet, ständig "aufm Platz" zu sein, sollte so etwas eigentlich mal bemerkt haben. Vllt. doch nur Theoretiker / Philosoph?


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - dominikk85 - 07.09.2018

(07.09.2018, 07:36)icheinfachma schrieb: Was ich schon mindestens dreimal geschrieben habe und was (insbesondere von MZPTLK) immer wieder gezielt überlesen wird: Eine Sprinttechnik, wie sie FloJo gelaufen ist, also mit viel frontside mechanics und wenig backside mechanics, außerdem hohem Becken mit geringer Kniestreckung habe ich auch schon bei Athletinnen im deutschen Nachwuchsbereich gesehen. Natürlich war deren Kniehub niedriger. Aber man braucht für diese Technik keine übermenschliche Kraft. Jemand, der von sich selbst behauptet, ständig "aufm Platz" zu sein, sollte so etwas eigentlich mal bemerkt haben. Vllt. doch nur Theoretiker / Philosoph?
Wobei so ein forcierter guter laufstil vermutlich nicht mal leistungsfördernd ist, oder? 

der hohe kniehub ist ja wichtig um eine möglichst hohe fußgeschwindigkeit zu erreichen um den bremsstoß zu minimieren und wenn die geschwindigkeit  gering ist ist das gar nicht notwendig. Auch backside Mechanics verkürzen macht ja nicht unbedingt Sinn wenn die Power am Boden eh gering ist, das ist dann nur künstliches erhöhen der Frequenz.

dieses Video ist interessant https://youtu.be/pltmjsOhyus

er sagt "your mechanics match your force" und das zum Beispiel ein forcierter kniehub den viele 400m auf der zielgerade bei ermüdung probieren gar nicht sinnvoll ist, da man bei der Geschwindigkeit gar nicht so viel fußgeschwindigkeit braucht um den bremsstoß zu minimieren. Daher ist die Theorie des Autors des Videos das moderne Top Speed Mechanics gut sind, aber im es im Prinzip für jede Geschwindigkeit optimale Mechanics gibt.

ein langsamer Sprinter braucht längere bodenkontaktzeit, weil er länger braucht um die Kraft zu entwickeln. Natürlich ist ein kürzerer Kontakt besser, aber nur wenn man die Power hat die gleiche Kraft in geringerer Zeit in den Boden zu bringen. Top Sprinter haben kürzere kontaktzeiten, aber eben auch weil sie die gleiche Kraft in weniger Zeit applizieren können. Wenn das der Fall ist macht es wirklich Sinn die backside Mechanics zu verkürzen.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - unruh - 07.09.2018

ein hoher Kniehub hat Vorteil das die Kraft besser unter den Körperschwerpunkt gebracht weren kann.
Dazu braucht der Sprinter aber viel Kraft, sonst verringert er seine Schrittfrequenz.


RE: Ist der jamaikanische Sprint im Niedergang? - ThomZach - 07.09.2018

Interessanter Kommentar unter dem Video von "speed science":
This is from the article written by Tom Tellez:
"the athlete should try to apply the biggest force in the longest time possible.
This will result in a stronger impulse which yields a bigger change in momentum."

Leider glauben viele Kollegen es ginge darum, die Bodenkontankte technisch, also
absichtlich zu verkürzen. Dem liegt eine Verwechslung von Ursache und Wirkung
zugrunde. Die entsprechende Anweisung macht den Athleten langsamer. Wobei
diese auch motorisch missverstanden werden und dann zu einer Verbesserung
führen kann. Also: die Absicht, den Kontakt zu verkürzen, führt dann zu dessen
Verlängerung und dadurch zu schnellerem Laufen, höherem/weiterem Springen.
Leider erreichen diese Erkenntnisse immer noch nicht die allgemeine Fachwelt.
So scheint mir auch hier...