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Trainereinsatz - Gertrud - 09.05.2018

Ich halte im absoluten Topbereich die vertikale Struktur für gut und richtig; aber ich bin nicht beweglich wie eine Eisenbahnschiene. Wenn ich an mich und meine Entwicklung als Trainerin denke, dann habe ich mir sukzessive Disziplinen erarbeitet.

In Vereinen tendiert man vor allem im hauptberuflichen Bereich dahin, die Trainer in einer Disziplin oder einem Disziplinbereich auf Dauer zu fixieren, was ich für einen absoluten Fehler auch im Sinne des Weitblicks halte. Ich mag Trainer, die immer im Wandel und auf der Suche nach vielen Lösungen sind. 

Wenn ich alleine an Gerd Osenberg denke, welche Bereiche er über viele Jahre im Topbereich für sich erschlossen hat, so habe ich seine "Allgemeinbildung" im Sport und seine Wissbegierde immer bewundert. Er war eine gewisse Art Vorbild für mich. 

Mir selbst hat mein Vorstoß in andere Bereiche immer viel an Verständnis übergeordnet gebracht. Sabine Braun war eine ungeheure Herausforderung für mich, die ich durch meine Akribie recht gut gelöst habe. 

Insofern würde mir die hauptberufliche Schiene, bei der mich andere wir ein Kärtchen in ihrem begrenzten Puzzle mit ihrer begrenzten Vorstellung versetzen und einsetzen, immer gegen meinen Strich gehen. Ich würde eh´ nicht gerne mit einem Supervisor, also einer Person, die womöglich nicht über meinen Weitblick verfügt, kooperieren oder mich von ihr dirigieren lassen. So geht es vielen guten Trainern, die heute dirigiert werden und ihre Kräfte aufgrund der einengenden Situationen heute im Team aktivieren sollen. An unserem Gymnasium wusste man, dass das Beste herauskam, wenn man mich machen ließ.

Das Lustige an diesen Konstellationen ist oft, dass die Supervisoren meistens selbst keiner richtigen Kontrolle unterliegen. Insofern "stinkt der Fisch oft vom Kopf" her.  Wink ‌ Es muss eine Kontrollstation der Erfolge der Logistiken der Supervisoren geben. Ein Vereinsmanager muss sich z.B. daran messen lassen, wie viele Sponsorenverträge er herangeschafft hat. Sein Wehklagen über abgesprungene Sponsoren zählt da nicht. Außerdem muss er sich daran messen lassen, ob viele Eigengewächse aus der Jugend heraus das Klassenziel in der Erwachsenenklasse erreichen, ob also die Strukturen stimmen. Zudem sollte er die Verletztenstatistik fachgerecht beurteilen und Trainer in die Pflicht nehmen - vor allem im Topbereich. Auch medaillenträchtige Trainer produzieren viel "orthopädischen Schrott"!!!

Gertrud
Hart, aber herzlich wie immer!


RE: Trainereinsatz - Gertrud - 10.05.2018

Ich halte die Kombinationsgabe und die Fähigkeit für die wichtigste Eigenschaft von Trainern, Querverbindungen herzustellen. Mich haben immer wieder Punkte aus dem funktionellen Bereich angeleitet, Übungen zu modifizieren. Ich habe z.B. ins Übungspotential übernommen, dass tonische und phasische Muskelkomplexe anders reagieren und somit auch unterschiedlich angesteuert werden sollten. Das hat mir keiner gesagt oder mitgeteilt. Wenn man nur abkupfert und sein Wissen nicht verfeinert, kommt man niemals zu anderen Lösungen. Ich war immer sehr wissbegierig und kombinationsfreudig. Die Prozesse in meinem Kopf waren oft ganz andere Lösungen. Ich habe oft nur so vor Aha-Erlebnissen gesprüht. Mein erstes Anliegen war die Umsetzung und nicht die Mitteilung an andere Trainer. Zeitverlust habe ich vermieden und auch nicht übrig gehabt.

Der DLV hat schon vieles zeitverzögert von dem umgesetzt, was ich vorgeschlagen habe: z.B. ein Gesundheitsmanagement. Jetzt schlage ich hier an dieser Stelle eine Kreativabteilung vor: think tank!!! Mal sehen, ob der DLV weniger als 20 Jahre der Umsetzung benötigt wie bei der Sprintlogistik.
 ‌Ich habe sehr genaue Vorstellungen, um welche Inhalte es sich handeln sollte. Wäre ich jünger, würde ich diese Idee revolutionieren. Kurz vor der Urne drehen sich die Gedanken manchmal um ganz andere Inhalte - leider! Auch die vertikale Struktur wird so allmählich umgesetzt, allerdings in einer eingeengten, von mir nicht favorisierten Form. Es sollte um die Athleten in nicht immer disziplinabhängiger Trainerzugehörigkeit gehen.

Wäre ich z.B. in Leverkusen als hauptamtliche Trainerin angestellt, würde ich sehr gerne auch mal einen Stabhochspringer trainieren und meine Trainingsvorstellungen umsetzen wollen und die Spezialisten damit sicherlich etwas ärgern. Nichts anderes hat der Trainer von Martina Strutz erfolgreich getan: Wechsel vom Wurf- ins Stabhochsprunglager. Ich wundere mich, dass in den letzten Jahren kaum ein absoluter Topathlet in dem Bereich den Weg nach ganz oben dort geschafft hat. Es bewegt sich alles ungefähr im 5,70m-5,80m- und 4,50m-4,80m-Bereich. In meinem Kopf bewegen sich die Gedanken um gravierende Verbesserungen in athletischer und somit struktureller Verbesserung. Der Sprung aus der Komfortzone kann nur durch Trainingsumstellung passieren. Das technische Equipment in Leverkusen ist einzigartig. Man muss es nur gezielt einsetzen. Dazu gehören nicht gleichgemachte Teams, sondern herausragende Individualisten als Trainer/innen. Wenn ich mir Athleten der jetzigen Generation ansehe, habe ich strukturell ganz andere Vorstellungen. Die Definitionen geben mir sehr gute Hinweise auf die vermeintliche Trainingslogistik. Da klaffen Welten zwischen A. Duplantis und unseren potentiellen "Figuren". Meine Kritik ist niemals personenbezogen determiniert, sondern immer fast ausschließlich fachlich fundiert. Den Schuh kann sich anziehen, wer will oder auch nicht!!!


Gertrud


RE: Trainereinsatz - Gertrud - 11.05.2018

Es gab in Leverkusen eine Zeit, als die Jugendtrainer Gerd Osenberg zuarbeiten mussten. Erst sehr spät hat z.B. Kalle Düe die Chance erhalten, selbst sein Potential als Trainer zu zeigen. Zu einer solchen Lösung hätte ich mich niemals geeignet, im zweiten Glied stehen zu bleiben. Das ist auch kein Konzept, viele Kräfte als Trainer freizusetzen. Insofern ist die vertikale Struktur geradezu eine Aufforderung an die permanente autodidaktische Weiterbildung. 

Mich hätte nie eine außenstehende Person in meiner Entwicklung bremsen können. Ich war und bin ein absoluter Freigeist und muss meine Gedanken kreisen lassen dürfen. Jeder Mensch ist aber anders. Ich akzeptiere es, wenn andere Trainer mit Mittelmaß zufrieden sind. Meine Art ist natürlich zeitlich eine "Endlosschleife" und man treibt gelegentlich Raubbau mit den eigenen Kräften (abgewandelt: Arbeit frisst in dem Fall sehr oft Seele auf!). Oft stellt sich die Sinnfrage des eigenen Lebens erst sehr spät.  Thumb_down ‌Ich habe mir diese Fragen erst sehr spät gestellt und gerade auch das bringt eine Person menschlich und entspannungsmäßig wieder weiter. Als ich in der letzten Woche im Krankenhaus lag, kam ein Physiotherapeut, ein ehemaliger Schüler unseres Gymnasiums, mit Entspannungsübungen auf mich zu. Ich habe sofort gesagt, dass das Tempo so gar nicht meine Liga ist. Eben deshalb!!! Auch Entspannungszeiten gehören in das persönliche Repertoire eines Trainers im Topbereich. Ich bin in der Lernphase.  Wink ‌Man gerät schnell in einen permanenten "Überspannungsmodus".

Ich kann mir vorstellen, dass Trainer, die wie kleine Holzklötze im System verschoben werden, nicht entspannt sein können. Daran sollten übergeordnete Personen, die Systeme bestimmen, auch denken!!! Wenn ich mir die DLV-Trainer ansehe, die teilweise von hier nach da reisen und Ausarbeitungen und Papierkram vorlegen müssen, frage ich mich oft, wo bei denen Zeit und Muße für das bleibt, was ich an autodidaktischer Fortbildung betreibe. Sie geraten unweigerlich mir gegenüber ins Hintertreffen. Folglich stimmt an dem System vieles nicht!!! Daher halte ich es für vollkommen falsch, wenn der DLV die hauptamtlichen Stellen favorisiert. Die Trainer, die völlig unabhängig ihrer Passion nachgehen können, können auch die besten Ideen völlig losgelöst entwickeln und verwirklichen: Pensionär/in, Millionär/in und Trainer/in aus Leidenschaft wäre die beste Kombination und Lösung.  Wink

Gertrud


RE: Trainereinsatz - TranceNation 2k14 - 11.05.2018

(11.05.2018, 06:45)Gertrud schrieb: Daher halte ich es für vollkommen falsch, wenn der DLV die hauptamtlichen Stellen favorisiert. Die Trainer, die völlig unabhängig ihrer Passion nachgehen können, können auch die besten Ideen völlig losgelöst entwickeln und verwirklichen: Pensionär/in, Millionär/in und Trainer/in aus Leidenschaft wäre die beste Kombination und Lösung.  Wink
Ich störe deinen Monolog ja nur ungern, aber wie soll ein ehrenamtlicher Nachwuchstrainer neben seiner 40-Std-Stelle das bewerkstelligen?


RE: Trainereinsatz - beity - 11.05.2018

Liebe Gertrud,
schreib ein Buch. Dein Leben ist es wert und verdient mehr Aufmerksamkeit als nur hier von wenigen gelesen zu werden.
Beim lesen Deiner letzten 3 Beiträge beschleicht mich so ein Gefühl das wir schon Zeuge eines Vermächtnisses werden.
Ob das Forum hierfür das richtige..... Forum ist? 
Vielleicht.
Vielleicht sind einige (ich will mich da nicht ausschließen) damit überfordert und/oder werden schmerzlich nachdenklich. 
Ales Gute, vor allem aber Gesundheit wünscht
beity


RE: Trainereinsatz - dominikk85 - 11.05.2018

Ein Problem ist halt das oft an schnellen erfolgen und Steigerungen gemessen wird. Das ist natürlich ein Faktor der wichtig ist, aber kann auch zum verheizen führen.

wirklich sinnvoll wäre es imo ein scoringsystem mithilfe von Wissenschaftlern zu entwickeln was sowohl die leistungsentwicklung als auch verletzungsstatistiken beinhaltet, später vielleicht sogar mal biometrische daten und physische Parameter.


RE: Trainereinsatz - MZPTLK - 11.05.2018

(11.05.2018, 09:46)dominikk85 schrieb: Ein Problem ist halt das oft an schnellen erfolgen und Steigerungen gemessen wird. Das ist natürlich ein Faktor der wichtig ist, aber kann auch zum verheizen führen.

wirklich sinnvoll wäre es imo ein scoringsystem mithilfe von Wissenschaftlern zu entwickeln was sowohl die leistungsentwicklung als auch verletzungsstatistiken beinhaltet, später vielleicht sogar mal biometrische daten und physische Parameter.
Ich hoffe, das passiert heute nicht mehr so oft wie früher.
Es wäre eine Instrumentalisierung der Athleten, wo es vorrangig um die kurzfristig herausgekitzelte Leistung für den Trainernutzen geht und weniger um das gesundheitliche Wohl des Athleten und seine langfristige Perspektive.


RE: Trainereinsatz - Gertrud - 11.05.2018

(11.05.2018, 09:00)TranceNation 2k14 schrieb: Ich störe deinen Monolog ja nur ungern, aber wie soll ein ehrenamtlicher Nachwuchstrainer neben seiner 40-Std-Stelle das bewerkstelligen?
Da stellt sich dann die Frage, ob das Zeitbudget überhaupt für den Topbereich ausreicht. Ich war als Lehrerin im Hauptberuf immer in der Zeit sehr flexibel. Ich hatte einen Rundumservice durch meine Mutter, meine Schwägerin und meinen Bruder. Ich habe mit 60 Jahren eine Waschmaschine zum ersten Mal bedient. Es war wirklich so. Meine Mutter hat es in hohem Alter clever gemacht, mir sukzessive Aufgaben zuzuteilen. - Mein Haus steckt voller sportlicher Sachen. Ich habe Sport über alle Dekaden gelebt. Ich habe mir natürlich in jeder Form sehr gute Bedingungen hergestellt. Über derartige Fundamente verfügen sehr wenige Menschen. Es passte einfach alles. Wenn ich Geräte brauchte, habe ich sie gekauft. 

Gertrud


RE: Trainereinsatz - Gertrud - 11.05.2018

(11.05.2018, 09:01)beity schrieb: Liebe Gertrud,
schreib ein Buch. Dein Leben ist es wert und verdient mehr Aufmerksamkeit als nur hier von wenigen gelesen zu werden.
Beim lesen Deiner letzten 3 Beiträge beschleicht mich so ein Gefühl das wir schon Zeuge eines Vermächtnisses werden.
Ob das Forum hierfür das richtige..... Forum ist? 
Vielleicht.
Vielleicht sind einige (ich will mich da nicht ausschließen) damit überfordert und/oder werden schmerzlich nachdenklich. 
Ales Gute, vor allem aber Gesundheit wünscht
beity

Ich habe angefangen, einigen Trainern meine Unterlagen in Kopie zu geben. Es geht also nichts verloren. Ein Buch zu schreiben, kappt meine Lebenslage. Ich habe einige im Schlepptau. Ich möchte momentan etwas genießen. Ich mache es ohnehin bei Fortbildungen, dass ich im kleinen Kreis zur fachlichen Sache gehe. Ich werde zu Hause auch ständig von Trainern "gelöchert". Einige sind schon richtig gut in der Prophylaxe. Es kommt mir auf die punktgenaue Ortung der Schwächen und Schäden an. Wolfgang Killing hat ein Interview mit mir zu medizinischen Fragen u.a. geführt, das auch zur Verfügung steht. 

Es ist schon verrückt. Sobald ich wieder gut beieinander bin, lese ich neue Artikel. Ich bin jetzt gut eingestellt. Ich hoffe, dass der "Sensemann" mir noch etwas Zeit lässt, auch wenn die letzten beiden Wochen dramatisch waren. Der Schuss vor den Bug hat mich natürlich nachdenklich gemacht; aber ich habe es wieder im Griff. 

Gertrud


RE: Trainereinsatz - Gertrud - 11.05.2018

(11.05.2018, 09:56)MZPTLK schrieb: Ich hoffe, das passiert heute nicht mehr so oft wie früher.
Es wäre eine Instrumentalisierung der Athleten, wo es vorrangig um die kurzfristig herausgekitzelte Leistung für den Trainernutzen geht und weniger um das gesundheitliche Wohl des Athleten und seine langfristige Perspektive.
Der Trainereinsatz sollte medizinisch untermauert sein. Ich habe letztens sechs deutsche Protagonisten anhand meiner Aufzeichnungen zum Kreis der potentiellen Verletztungsträchtigen gezählt. In einigen Fällen hat der Hammer schon zugeschlagen, wenn auch nur in kleinen Unterbrechungen. Ich habe die Beeinträchtigungen nur aufgrund von Trainingsaufzeichnungen im Netz vorhergesagt. Der DLV und auch die Vereine sollten darauf großen Wert legen, Trainer entsprechend per Rundbrief oder ganz gezielter Fortbildungen auszubilden. Es fehlt schlicht und einfach an Kenntnissen. 

Gertrud