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Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Druckversion

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RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 07.09.2021

Zitat:Also folgende Antwort von Alex (er trainiert ja auch den Brandon Stark 2.35m) hab schon übersetzt : 
1. Es ist unvermeidlich von einer Außenkippung zur Innenkippung des Fußes zu gehen, da die Körperschwerpunktlage dies vorgibt.
2. Würde man es eher grade taxieren, oder mit weniger innen kurven Lage kommen bedeutet das den realen Höhenverlust durch der fehlender Tranformation von Geschwindigkeit im Absprung.
3. Er ist sich der Problematik bewust, und nennt es tanzen auf der Flamme.
Die Problematik ist uns natürlich bekannt. Man holt ganz klar aus Körperneigung mit Fußkippung Leistungsreserven heraus. Das "Tanzen auf der Flamme" bedeutet nichts anderes, als irgendwann durch Überschreitung der ROM-Grenzwerte in exzentrischer/kurzer isometrischer Form in gefährliche "Gewässer" zu kommen.  
Zitat:4. Er sagt aber sein Training sichert das gut ab, was ich bestätigen kann. Er sagt auch, dass in Australien spezifische Messungen gemacht werden- und daraus spezifische Übungen zur Kräftigung und Aufbau in der Reha und den lockeren Tagen (2x pro Woche) vom Physio und Reha- Coach intigriert werden.  
Gutes Prohylaxetraining sichert bei Überschreiten orthopädischer Grenzen solange ab, bis das "Kind in den Brunnen fällt". Das heißt nichts anderes, als dass diese Programme die "Wartezeit" auf entsprechende Verletzungen und Schädigungen verlängern, aber nicht ausschließen. Henkel hatte einen sehr gesunden Umgang mit diesem Problem. Das heißt, dass man nicht auf der einen Seite durch ein Prophylaxetraining die Grenzen beliebig hinausschieben kann und sollte. Die Kombination sehr guter Prophylaxeübungen und mit technischen Überschreitungen halte ich für eine tickende Zeitbombe. Natürlich ist diese Gruppierung besser als ein technisch schwaches Training ohne Prophylaxeübungen. Bei Überschreiten orthopädischer ROM-Grenzen kommt es zu großen Knochenverschiebungen, -annäherung bzw. -kollisionen, die nun mal nicht förderlich sind. Da gibt es keine Diskussion!!!

Ich halte den Ansatz spezifischer Messungen als Voraussetzung für hervorragende prophylaktische Übungen für einen sehr guten Baustein. Ich selbst habe einige sehr spezielle Geräte zur Verfügung und neue Konstruktionen im Kopf und auch Spezialübungen konstruiert.
Zitat:Ich kenne aber sein Training sehr gut, und hab von Ihm auch Pläne und Videos. Er legt im Training extremen Wert auf Fußkraft, Aufbau des Bandapparates. Seine Athleten/innen haben laut seiner Aussage keine Problem mit den Füßen o. Gelenken. Mit lachen sagte er, die Deutschen sollten erstmal in der eigenen Wohnung putzen!
Hoffe konnte Helfen 
LG 

Noch haben seine Schützlinge keine Probleme. Es gibt eine Stelle am distalen Oberschenkelknochen, der erst mit 24 Jahren vollkommen synostosiert und eine Stelle am ersten Metatarsale, die erst im 21. Lebensjahr vollkommen ausgereift ist. In dem Alter wird doch meistens schon knallhart trainiert. Das erste Metatarsale ist beim Hochsprung in der Pronation extrem belastet. 

Der Hinweis auf die Deutschen ist vor allem in einem Fall mehr als berechtigt, zeigt aber, dass er nicht ganz so souverän ist und sich doch etwas angegriffen fühlt, was nicht meine Absicht ist. Ich stelle nur den Istzustand fest.

Ich habe hier im Forum lange vor Ausbruch der Achillessehnenprobleme auf Kevin Mayers Fußprobleme aufmerksam gemacht - nicht, um ihn zu kritisieren, sondern nur, um ihn und die Foristen hier für solche Dinge zu sensibilisieren. Ich bin eigentlich ganz neutral und objektiv, da ich noch nicht unmittelbar als Trainerin betroffen bin. Ich merke aber immer wieder, wie empfindlich man teilweise ist. Ich war immer anders. Als Beate Peters sich eine leichte Verletzung an der Schulter zugezogen hat und diese nach vier Wochen nach einem Besuch in Freiburg wieder auftrat, habe ich selbstkritisch bei Prof. Klümper gesagt: "Ich mache etwas falsch!" Wir haben gemeinsam meine Fehler im Ansatz gefunden. Bei seiner Kritik an den Deutschen möchte ich ausdrücklich Gerd Osenberg im Team mit Heike Henkel lobend als Vorbild in der Bewältigung dieser "Klippensituation" darstellen. Ich würde ihm heute noch spezielle Fragen stellen.

Man bedenke beim Aufbau des Bandapparates, dass es am Fuß weit über 100 Bänder einschließlich Sehnen gibt. Man bedenke zudem, dass gerade die eigentlich etwas supinierende Achillessehne in eine enorme Pronation "gezwungen" wird und so nicht grundlos in vielen Hochsprungfällen gerissen ist. Sie wird folglich aus der ortograden Form sozusagen herausgerissen.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - dominikk85 - 08.09.2021

Wenn man den Fuß parallel zur latte aufsetzt ist imo eine pronation unmöglich zu vermeiden da man ja eine innenlage hat, der Fuß aber flach aufsetzt.

Ich verstehe nicht viel von Hochsprung, aber imo reduziert barshim die pronation indem er beim Absprung den Fuß mehr zur latte zeigt (etwa 45 Grad) 

 [Bild: Screenshot-20210908-005553-com-google-an...outube.jpg]

Während McDermott den Fuß mehr parallel zur latte setzt und daher mehr pronation hat
[Bild: Screenshot-20210908-005914-com-google-an...outube.jpg]
Leider kein schärferes Video von ihr gefunden

Keine Ahnung ob ich da falsch liege und ob es auch bei parallelem Fußaufsatz möglich ist pronation zu vermeiden.


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 08.09.2021

(08.09.2021, 00:01)dominikk85 schrieb: Wenn man den Fuß parallel zur latte aufsetzt ist imo eine pronation unmöglich zu vermeiden da man ja eine innenlage hat, der Fuß aber flach aufsetzt.

Ich verstehe nicht viel von Hochsprung, aber imo reduziert barshim die pronation indem er beim Absprung den Fuß mehr zur latte zeigt (etwa 45 Grad) 

[Bild: Screenshot-20210908-005553-com-google-an...outube.jpg]

Richtig!!!

https://www.youtube.com/watch?v=HspzxKXhpzk&list=PLkZsmflMCbmGynwENTioppWzlm6yASW2N&index=2
Stefan Holm ab 5:29´: Die Pronation hält sich in Grenzen. Der Schuh scheint auch sehr stabil zu sein. Bei exakter Betrachtung führt er quasi bei Aufrichtung noch eine zweite Pronation durch, die durch den Druck von oben wahrscheinlich zustande kommt.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - matthias.prenzlau - 08.09.2021

Frauen- und Männerhochsprung sind 2 verschiedene Disziplinen.
Männer müssen weniger Rotation erzeugen, da sehr viel größere Sprunghöhen gesprungen werden. Daher wird der Fußaufsatz immer gesünder aussehen.
​​​
Frauen müssen viel tüchtiger rotieren, um bei 2m sofort hinter/unter die Latte zu kommen.
Der Körperschwerpunkt muss sehr viel aktiver verfehlt werden, was zu einer ungesunden Fußstellung beim Absprung führen kann.


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 08.09.2021

Meine Recherchen hinsichtlich Differenz zwischen Kurvenwinkel und Fußaufsatzwinkel zur Latte haben aus einem amerikanischen Magazin ergeben:

Sotomayor r = 8,15/ D: 21°  Sjöberg: r = 10,97m/ D: 11° Austin: r = 9,40m/ Diff.: 18° Conway: r = 8,71m/ D: 23°  Grant r = 8,87m/ D: 15°  Kemp: r = 8,30m/ D: 17°

Henkel r = 13,32m/ D:   Kostadinova: r = 10,41m/ D:   Babakova r = 7,67m/ D: 16°  Bykova r = 10,29m/ D: 10°        Yelesina r = 8,29m/ D: 16°

https://www.youtube.com/watch?v=Vm4pTVSjPP0

Nicola McDermott jumps 2.02m - breaks Australian High Jump record & wins Silver at Tokyo Olympics   an der Stelle 0,01

Sie setzt sogar die Fußspitze etwas Richtung Latte und nicht parallel dazu und hat trotzdem eine sehr ausgeprägte Pronation. Genau der Punkt gibt mir zu denken. Das heißt nichts anderes, dass sie sogar bei diesem relativ moderaten Winkel enorm proniert. 

Allerdings gibt es hier einen Sprung, wo der Fuß nach einem ausgeprägten "Schlittschuhschritt" parallel mit starker Pronation mit starker Gewichtung auf dem Vorfuß im Mittelstütz aufsetzt:

https://www.youtube.com/watch?v=xQo4QKiN1HY  an der Stelle 1:01

Ich habe eine Vermutung ihres Fußes bezüglich eines bestimmten Strukturverhältnisses. Ich müsste das bei der Athletin sehen. Da geht´s wirklich ans "Eingemachte". Solche Sachen interessieren mich einfach und ich recherchiere bis ins Detail. 

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Sprunggott - 08.09.2021

(08.09.2021, 05:33)matthias.prenzlau schrieb: Frauen- und Männerhochsprung sind 2 verschiedene Disziplinen.
Männer müssen weniger Rotation erzeugen, da sehr viel größere Sprunghöhen gesprungen werden. Daher wird der Fußaufsatz immer gesünder aussehen.
​​​
Frauen müssen viel tüchtiger rotieren, um bei 2m sofort hinter/unter die Latte zu kommen.
Der Körperschwerpunkt muss sehr viel aktiver verfehlt werden, was zu einer ungesunden Fußstellung beim Absprung führen kann.
gut erkannt - je höher man springt dento mehr Abstand zur Latte bekommt man. Somit reduziert sich der Verschiebungsfacktor des KSP in eine andere Parabel, was ein "gesünderes" Abspringen ermöglicht. Je dichter an der Latte, und je langsamer, um so komplizierter.

Aber eins können wir mal für den Laien festhalten: Hochspringen der Top 10 auf der Welt hat nix mit Gesundheitssport 
zu tun, da dem körper unnatürliche Belastungen zugemutet werden.


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - gera - 08.09.2021

ich fühle mich in meiner in # 798 geäußerte Meinung, dass die Pronation durch die Technik des " Flop " verursacht ist,
durch Sprunggotts Post #801 bestätigt.
Da wird in Punkt 1 der Trainer A.Stewart zitiert mit sinngemäß... dass die Innenkipping und damit Pronation technisch vorgegeben ist, da der KSP ja über die Latte muß.
Und in Punkt 3 Sprunggott nennt es Stewart einen "Tanz auf dem Vulkan." 

Es wundert mich ( eigentlich habe ich es aber so erwartet ) ,dass mein Hinweis einfach ignoriert wird.
So überwindet man den Stillstand im Hochsprung nicht.
An den Auswirkungen einer falschen Technik rum zu doktorn , nutzt nichts. Man muss an die Ursachen ran.


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 08.09.2021

(08.09.2021, 08:20)gera schrieb: ich fühle mich in meiner in # 798 geäußerte Meinung, dass die Pronation durch die Technik des " Flop " verursacht ist,
durch Sprunggotts Post #801 bestätigt.
Da wird in Punkt 1 der Trainer A.Stewart zitiert mit sinngemäß... dass die Innenkipping und damit Pronation technisch vorgegeben ist, da der KSP ja über die Latte muß.
Und in Punkt 3 Sprunggott nennt es Stewart einen "Tanz auf dem Vulkan." 

Es wundert mich ( eigentlich habe ich es aber so erwartet ) ,dass mein Hinweis einfach ignoriert wird.
So überwindet man den Stillstand im Hochsprung nicht.
An den Auswirkungen einer falschen Technik rum zu doktorn , nutzt nichts. Man muss an die Ursachen ran.

Die Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen, haben es immer schwer, umfangreich akzeptiert zu werden. Daher habe ich mich vor 30 Jahren auch überhaupt nicht bemüht, anderen umfangreich meine Vorstellungen von leichtathletischem Krafttraining "schmackhaft zu machen". Zudem hatte ich keine Lust, die Konkurrenz aufzuklären. Heute bin ich um Längen noch besser, weil ich einfach über Gebühr recherchiert und kombiniert habe. 

Ja, man muss an die Ursachen ran!!! Thumb_up

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - dominikk85 - 08.09.2021

Das Argument bei den Frauen macht schon Sinn, aber ich halte die Argumentation "das muss man halt in Kauf nehmen" für ziemlich resignierend und gefährlich.

Lasitskene sieht hier z. B doch relativ gesund aus, es ist also auch für frauen möglich. 
[Bild: Screenshot-20210908-095857-com-google-an...outube.jpg]

Mahuchik dagegen hier ziemlich "autsch" Smile 
[Bild: Screenshot-20210908-095805-com-google-an...outube.jpg]


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 08.09.2021

Zitat:Aber eins können wir mal für den Laien festhalten: Hochspringen der Top 10 auf der Welt hat nix mit Gesundheitssport zu tun, da dem körper unnatürliche Belastungen zugemutet werden.

Das halte ich eben nach meinen Recherchen für nicht realistisch. Es ist eine Frage des sehr ausgefeilten Wissens, der richtigen Übungen, des Lebensstils... Davon gibt es zu wenige Trainer*innen und zu wenige konsequente Athletinnen und Athleten!!! Man kann nicht alles haben. Es geht nur über temporären Verzicht.

Um diese Sachen zu (ver)ändern, lerne ich fast täglich dazu und bin hervorragend vernetzt. 

Das ist auch genau der Punkt, der in vielen Fortbildungen nicht angegangen wird. (Beispiel: Hallmanns Vortrag über EM A. Abele in Kienbaum) Ich sage neuerdings schon gar nichts mehr, weil es nur Ungemach bringt. 

Wenn z.B. eine Malaika Mihambo Rückenschmerzen hatte und ich Bilder ihrer Reißtechnik sehe, die unter aller Kanonen ist, dann wundere ich mich über nichts mehr. Das sind einfach Grundsätze. Solche Bewegungen darf man als Trainer einfach nicht zulassen - auch nicht im Vorfeld von OS!!! Thumb_downThumb_downThumb_down ‌Wenn ich solche Sachen sehe, hat man mich unter der Decke (Ich meine die Decke oben!  Wink ‌).

Gertrud