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Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Druckversion

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RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 24.09.2020

(24.09.2020, 08:53)gera schrieb: Hallo Gertrud ,

Deine Kritik an vielen Trainingsübungen ist nachvollziebar.
Aber meinst Du , dass die Athleten ein gleichhohes Leistungsniveau erreichen können , wenn sie auf all diese Übungen verzichten?

Im Gegenteil: Sie würden mit der richtigen Strategie sogar höher springen, weil es kaum zu Ausfallzeiten käme. Sie müssen sich vor Aufnahme des Spezialtrainings knallhart "wappnen", weil jeder Mensch irgendeinen orthopädischen Befund hat. Schon bei den Babys wird in der Hinsicht einiges vermasselt. 

Man sollte auch mal den Mut haben, AuA mit gravierendem Befund nicht mit Spezial-Disziplin-Übungen und Wettkämpfen zu traktieren. Ich hätte das Rückgrat, mit AuA so zu verfahren, dass ich erst einmal die Schwachstellen begradigen würde. 

Ich würde Zubringer trainieren, von denen andere in der Form nicht einmal träumen. Ich habe z. B. einen Hochsprung-Protagonisten auf Herz und Nieren in seinen Strukturen und Übungsinhalten analysiert. Die Herangehensweise ist aus meiner Sicht in vielen Details abenteuerlich. 

Entscheidend ist vor allem, dass man die richtigen Übungen konstruiert und nicht nur Althergebrachtes kritiklos übernimmt.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Drizzt - 24.09.2020

Die Frage wäre dann aber wohl (leider), ob die Sportler lange genug bei dir bleiben würden.  Confused
Und ja,ich weiß, dass du da keine Kompromisse machen würdest.  Wink


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 24.09.2020

(24.09.2020, 17:58)Drizzt schrieb: Die Frage wäre dann aber wohl (leider), ob die Sportler lange genug bei dir bleiben würden.  Confused
Und ja,ich weiß, dass du da keine Kompromisse machen würdest.  Wink

Jede Athletin ist ihres Glückes Schmied. Ich habe Sabine Braun 13 Jahre, Beate Peters 14 Jahre (ihre gesamte Aktivenzeit) und Steffi Storp auch sehr lange trainiert - jede ohne sportbedingte OP. Thumb_upWink ‌Besser geht´s doch nicht oder? Alle drei Sportlerinnen wussten, dass ich immer für sie zur Verfügung stand. Ich wollte sie einfach gesund erhalten oder machen. Sabine war in der Anfangszeit arbeitsmäßig eine sehr große Herausforderung für mich. 

Ich gebe dir aber recht. Es gehört seitens der Sportler/innen eine gehörige Portion Durchblick dazu.  

Wer mich am besten einschätzen konnte, war Ghada Shouaa. Sie hat mich hier in meinem Haus mit ihrer Physiotherapeutin besucht. Der russische Trainer hat sie zwar zum Olymiasieg geführt, aber auch völlig kaputt trainiert. Sie hat hier alles aufgesogen wie ein Schwamm. Wir hätten hervorragend harmoniert; aber sie war leider zu stark geschädigt. Sie hat mich eine Woche nach dem Treffen gebeten, sie trainingsmäßig zu übernehmen. Eine solche Athletin in gesundem Zustand würde ich sofort übernehmen. Sie war ein Juwel - physisch und psychisch.

Ich sehe auch drei wirklich gute Talente im Mehrkampfbereich, die wahrscheinlich nicht durchkommen werden, weil sie einfach schon in falschen Händen waren oder sind.  

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 25.09.2020

Schaut euch nur die täglichen News auf leichtathletik.de an und ihr werdet fast täglich fündig im Finden von Protagonistenverletzungen! Da ist doch die Frage erlaubt, ob man diese Verletzungen nicht im Vorfeld ausräumen könnte. Warum geht man immer den Weg über die Verletzung mit anschließender Arzt- und Physiotherapiebehandlung und sonstigen Therapien?

Es ist nicht so, dass da Trainer/innen nicht dankbar für Hinweise sind. Anfangs bin ich den Leuten hier mächtig auf den Geist mit meinen "ewigen Nadelstichen" gegangen (Die hat immer was!). Allmählich findet ein starkes Umdenken statt, weil man gesehen hat, dass meine Kritik berechtigt war und ist. Es werden zig junge AuA auf falsche Fährten gebracht. Ich wurde jetzt schon von Trainern angerufen, ob ich zu einer bestimmten Fortbildung komme, weil man intern wieder mit mir diskutieren möchte.

Oft sind Verletzungen auch Ausdruck dafür, dass die Psyche Belastungen nicht richtig einordnet und skaliert oder man bewusst gegen das Körperempfinden handelt. Das betrifft Qualität, Intensität und Umfang von Übungen und Trainingsbereichen. Hier muss eine sehr gezielte Intervention bei AuA stattfinden und im Laufe der Zeit eine Verbesserung stattfinden und bewusst trainiert werden.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 28.09.2020

https://www.leichtathletik.de/verband/deutsche-leichtathletik-marketing/gesundheitspartner/big-news/verletzung-im-profisport---interview-mit-dennis-lewke
"Schon seit Anfang 2020 habe ich wiederkehrende und stärker werdende Schulterprobleme. Auslöser ist zum einen die seit Jahren viel belastete Vorderseite der rechten Schulter. Hinzu kommen Ansteuerungsprobleme einiger wichtiger Muskeln. Das und andere Faktoren haben dann Anfang des Jahres zu einer Überlastungsreaktion eines Außenrotators der Schulter geführt. Jedes Mal, wenn der Muskel anspannen muss, z. B. beim Heben des Armes über den Kopf, schmerzt es auf der Schulterrückseite.
Ich bin mit vielen verschiedenen Therapieansätzen gestartet, leider ohne nachhaltigen Erfolg. Nun gehen wir so vor:
  1. Kugelstoßpause
  2. Passive Therapie, wie Physiotherapie, zur Entspannung der verspannten Muskulatur.
  3. Training der Muskulatur mit den Ansteuerungsproblemen.
Das ist aber gar nicht so leicht, wie es sich anhört, da die verspannte Muskulatur darauf getriggert ist, anzuspannen, sobald eine Bewegung eingeleitet wird. Dadurch übernimmt die verspannte Muskulatur teilweise die Arbeit der Muskelgruppen mit den Ansteuerungsproblemen. Das macht das Training der Muskeln mit Ansteuerungsproblemen umso schwieriger und die verspannte Muskulatur schmerzt umso mehr. Aber durch sehr gezielte Übungen komme ich voran."

Solche Sachen machen mir Spaß und gehen ganz tief in die Materie hinein. Vielfach handelt es sich um ein sogenanntes posterosuperiores Impingement, wobei der m. supraspinatus hinten oben eingeklemmt wird. Die Schulter kann auch instabil durch ungleichgewichtiges Training sein.

Auch die Übung in der gezeigten Ausführung mit der Trapbar auf dem Bild überlastet die vorderen und hinteren Schulterstrukturen nicht gleichmäßig. Der Griff beidseitig befindet sich zwar richtig platziert, aber die Gewichtsverlagerung betont die Schulterinnenrotation. Die Rhomboideen scheinen bereits hier nicht ausreichend aktiviert und die innenrotatorischen Kräfte überdimensional angespannt zu sein. 

Bei jahrelangem Training im Ungleichgewicht der Schulter können sich Strukturveränderungen ergeben, die scheinbar keine Probleme machen, aber auch auf Dauer unterschiedliche Impingements auslösen und saumäßig schmerzhaft sein können. Das Bankdrücken in der üblichen Form sollte man aus dem Übungskatalog verbannen, weil die negativen Auswirkungen einfach zu groß auf Dauer z.B. auf bestimmte Bänder sind und sich sogar Knochen in ihrer Form durch jahrelange große, falsche Zugkräfte verändern können!!! Es gibt auch bestimmte Messverfahren, um den Verkürzungen auf die Spur zu kommen. 

Insgesamt gilt immer wieder meine Maxime: Das Übungsgut sollte von Anfang an strukturfreundlich sein und nicht über die Schiene schlechtes Übungsgut plus Arztintervention und Physiotherapie gehen!!! Thumb_down

Ich selbst stecke gerade in diesem Thema hart drin, weil mein jahrelanges Bankdrücken aus den 60er Jahren seine Spuren hinterlassen hat und die Narben der Brustkrebs-OP durch Verklebungen (nehme ich an) stark im Ruhezustand und natürlich anfangs noch mehr bei Dehnübungen schmerzen.‌ Das nur nebenbei: Darauf hat mich nach der OP noch kein Arzt hingewiesen. Meine "Antennen" sind zum Glück stark ausgeprägt. Wink

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 29.09.2020

Das gesamte Übungsgut muss auf den Prüfstand, eliminiert oder modifiziert werden. Man muss unheimlich selbstkritisch sein und das nicht nur für den oberen, sondern auch für den unteren Bereich, bei deren Übungen der obere Bereich sehr oft mitbelastet wird, obwohl es nicht notwendig wäre. Auch die Therapiebereiche sollten auf den Nutzen abgeklopft werden. Man muss immer wieder seine Analysen sehr kritisch sehen. Der innenrotatorische Bereich ist in allen Wurf- und Schlagbereichen, auch Spielen wie Badminton, Tennis, Volleyball... sehr dominant und bringt auf Dauer durch die starken Zugkräfte die hinteren Bereiche unter eine enorme Spannung und die Strukturen in ein absolutes Ungleichgewicht, das sich auch in der Haltung bemerkbar macht.

Allerdings gibt es auch genetisch bedingte Sonderfälle, wo die Knochen nicht so geraten sind, wie sie sein sollten. Knochenvorsprünge weisen oft sehr unterschiedliche Stabilitäten auf, die in der Zuggurtung durch Ligamente mehr und weniger große Anfälligkeiten in Richtung Verformung zeigen. Kleine Muskeln auf der Schulter-Vorderseite können aufgrund ihrer Verkürzung enorme Probleme machen.

Um richtig zu handeln, muss man also schon ein fundamental umfangreiches Wissen z.B. bei Krafttrainings-Übungskonstruktionen haben. Weil das oft nicht vorhanden ist und man sich nicht die Zeit nimmt und die Mühe macht, sich mit den Funktionen sehr gewissenhaft zu beschäftigen, greift man immer wieder auf die althergebrachten Übungen wie Bankdrücken, Nackendrücken... zurück. Die Ungleichgewichte brauchen manchmal sehr viel Zeit, um dominant und damit auffällig zu werden. Oft überwiegt dann auch der Ruhetonus z. B. des Bizeps, was man sogar sehr deutlich bei Übungen sieht, wo die Hantel vor dem Körper hängt, wie man auf dem Bild eindeutig feststellen kann. Bestimmte Strukturen geben dann nicht mehr entsprechend nach.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - dominikk85 - 29.09.2020

(28.09.2020, 23:47)Gertrud schrieb: https://www.leichtathletik.de/verband/deutsche-leichtathletik-marketing/gesundheitspartner/big-news/verletzung-im-profisport---interview-mit-dennis-lewke
"Schon seit Anfang 2020 habe ich wiederkehrende und stärker werdende Schulterprobleme. Auslöser ist zum einen die seit Jahren viel belastete Vorderseite der rechten Schulter. Hinzu kommen Ansteuerungsprobleme einiger wichtiger Muskeln. Das und andere Faktoren haben dann Anfang des Jahres zu einer Überlastungsreaktion eines Außenrotators der Schulter geführt. Jedes Mal, wenn der Muskel anspannen muss, z. B. beim Heben des Armes über den Kopf, schmerzt es auf der Schulterrückseite.
Ich bin mit vielen verschiedenen Therapieansätzen gestartet, leider ohne nachhaltigen Erfolg. Nun gehen wir so vor:
  1. Kugelstoßpause
  2. Passive Therapie, wie Physiotherapie, zur Entspannung der verspannten Muskulatur.
  3. Training der Muskulatur mit den Ansteuerungsproblemen.
Das ist aber gar nicht so leicht, wie es sich anhört, da die verspannte Muskulatur darauf getriggert ist, anzuspannen, sobald eine Bewegung eingeleitet wird. Dadurch übernimmt die verspannte Muskulatur teilweise die Arbeit der Muskelgruppen mit den Ansteuerungsproblemen. Das macht das Training der Muskeln mit Ansteuerungsproblemen umso schwieriger und die verspannte Muskulatur schmerzt umso mehr. Aber durch sehr gezielte Übungen komme ich voran."

Solche Sachen machen mir Spaß und gehen ganz tief in die Materie hinein. Vielfach handelt es sich um ein sogenanntes posterosuperiores Impingement, wobei der m. supraspinatus hinten oben eingeklemmt wird. Die Schulter kann auch instabil durch ungleichgewichtiges Training sein.

Auch die Übung in der gezeigten Ausführung mit der Trapbar auf dem Bild überlastet die vorderen und hinteren Schulterstrukturen nicht gleichmäßig. Der Griff beidseitig befindet sich zwar richtig platziert, aber die Gewichtsverlagerung betont die Schulterinnenrotation. Die Rhomboideen scheinen bereits hier nicht ausreichend aktiviert und die innenrotatorischen Kräfte überdimensional angespannt zu sein. 

Bei jahrelangem Training im Ungleichgewicht der Schulter können sich Strukturveränderungen ergeben, die scheinbar keine Probleme machen, aber auch auf Dauer unterschiedliche Impingements auslösen und saumäßig schmerzhaft sein können. Das Bankdrücken in der üblichen Form sollte man aus dem Übungskatalog verbannen, weil die negativen Auswirkungen einfach zu groß auf Dauer z.B. auf bestimmte Bänder sind und sich sogar Knochen in ihrer Form durch jahrelange große, falsche Zugkräfte verändern können!!! Es gibt auch bestimmte Messverfahren, um den Verkürzungen auf die Spur zu kommen. 

Insgesamt gilt immer wieder meine Maxime: Das Übungsgut sollte von Anfang an strukturfreundlich sein und nicht über die Schiene schlechtes Übungsgut plus Arztintervention und Physiotherapie gehen!!! Thumb_down

Ich selbst stecke gerade in diesem Thema hart drin, weil mein jahrelanges Bankdrücken aus den 60er Jahren seine Spuren hinterlassen hat und die Narben der Brustkrebs-OP durch Verklebungen (nehme ich an) stark im Ruhezustand und natürlich anfangs noch mehr bei Dehnübungen schmerzen.‌ Das nur nebenbei: Darauf hat mich nach der OP noch kein Arzt hingewiesen. Meine "Antennen" sind zum Glück stark ausgeprägt. Wink

Gertrud

gewisse Asymmetrien sind ja bei werfern relativ normal, z.b. ein Defizit der innenrotation im wurfarm. Ist bei mir auch so, mein linker wurfarm hat wesentlich weniger innenrotation als mein rechter Arm.


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 29.09.2020

Zitat:Ist bei mir auch so, mein linker wurfarm hat wesentlich weniger innenrotation als mein rechter Arm.

Was für die meisten Werfer/innen normal ist, muss nicht gesund sein. Wink ‌Genau das ist der Punkt.

Gertrud


RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - Gertrud - 29.09.2020

Fehlerkorrektur:
Auch die Übung in der gezeigten Ausführung mit der Trapbar auf dem Bild belastet die vorderen und hinteren Schulterstrukturen nicht gleichmäßig. 

Gertrud



RE: Vertiefte Analysen - Aktuelle Verletzungsfälle und allgemeine Betrachtungen - dominikk85 - 29.09.2020

(29.09.2020, 11:35)Gertrud schrieb:
Zitat:Ist bei mir auch so, mein linker wurfarm hat wesentlich weniger innenrotation als mein rechter Arm.

Was für die meisten Werfer/innen normal ist, muss nicht gesund sein. Wink ‌Genau das ist der Punkt.

Gertrud

würden Sie empfehlen dagegen anzudehnen?

Theoretisch würde es ja Sinn machen die IR zu dehnen, aber ich habe auch mal die Theorie gelesen das die IR durch dehnen zu erhöhen sogar gefährlich sein könnte weil bei werfern ja die ER erhöht ist und so die gesamtrange steigen würde und das Gelenk instabiler würde.

Kann aber auch sein das das Unsinn ist.