Leichtathletikforum.com
DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? (/showthread.php?tid=2281)



DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - icheinfachma - 17.02.2017

Hallo,

mich würden (qualifizierte) Gedanken hierzu interessieren:

http://franztrainingblog.blogspot.de/2007/08/answer-from-legendary-sprint-coach.html

Charlie Francis behauptet, dass ein leichtes Fieber, z.B. durch injizierte (schwache) Viren durch die Wärme den elektrischen Widerstand verringert und dadurch die Nervenleitgeschwindigkeit erhöht.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - lor-olli - 17.02.2017

Der Basisgedanke ist sicher korrekt und die Praxis beweist ja auch, dass Aufwärmen nicht nur die Verletzungsanfälligkeit reduziert, sondern auch die Leistung + Schnelligkeit in den Reaktionen steigert - da besteht wohl kaum Klärungsbedarf.

Bei der künstlichen Erhöhung der Körpertemperatur mit Viren sehe ich ein grundlegendes Problem, die körpereigene Reaktion auf Infektionen mit Fieber ist eher unspezifisch, es werden nicht nur die Muskeln warm, auch die inneren Organe müssen mehr leisten (Herzfrequenz steigt, Durchblutung von Nieren, Leber, Lunge wird erhöht und auch das Hirn wäre betroffen - jeder der sich konzentrieren muss weiß, dass auch leichtes Fieber nicht hilfreich ist) insgesamt also erhöhte Anforderung an den Stoffwechsel. (Ich klammere mal die beteiligten biochemischen Prozesse, z.B. am Hypothalamus, im Detail aus)

Für sehr kurze Sprints und einfache Reaktionen mag das funktionieren, aber erstens gälte das Prinzip nur im anaeroben Bereich und zweitens dürfte sich bereits in der Endphase des 100mSprints eine schnellere Muskelermüdung bemerkbar machen. (Laktatwerte wären schon beim Start durch das Fieber leicht erhöht!)

Ich kenne die Experimente nicht und denke das man so etwas sicher versucht hat (wie auch einigen anderen Unsinn), aber mehr als Experimente? Mal abgesehen davon, dass es bei großen Wettkämpfen darauf ankäme dieses leichte Fieber über einen Zeitraum von 2 Tagen konstant zu halten (natürliche Fieberkurven verlaufen so nicht).

Die optimale Temperatur für die Nervenleitgeschwindigkeit  liegt bei 37-38° Celsius, ein Wert der sich durchaus auch mit Aufwärmübungen und leichten Sprints erreichen lässt. Man sieht ja auch wie gründlich sich die meisten Athleten bei nicht gar so wettkampffreundlichen Temperaturen einpacken. Man kann die Körpertemperatur auch mit bestimmten Medikamenten (einige stehen auf der Dopingverbotsliste) gezielt erhöhen, dazu bedarf es nicht unbedingt Viren… Einige Medikamente werden auch in der Krebstherapie eingesetzt (Chemotherapie, oder auch Interleukine, aber nicht nur gezielt dafür) andere erhöhen die Körpertemperatur als Nebenwirkung (Antibiotika aber diese zeitverzögert). In der Medizin ist der Begriff "drug fever" als unerwünschte Reaktion auf Medikamentengabe durchaus bekannt und obendrein gar nicht so selten. (ca. 3% der Erkrankungen durch Medikamente)

Ich vermute  diese Idee kam auf als man entdeckte, dass einige Impfungen ein leichtes Fieber als Reaktion hervorrief. Vielleicht versuchte man so auch die Bereiche zu erwärmen, die sich durch ein Aufwärmen allein nicht so gut auf Temperatur bringen ließen - zumindest nicht mit einem nicht erschöpfenden "Aufwärm"-Training (Marathonläufer etwa haben im Ziel fast immer ein leichtes Fieber, bei hohen Temperaturen manchmal sogar fast 40°C)

Fazit (mein persönliches): Die Viren sind eher Geschichte, liegt nun auch schon 30 oder mehr Jahre zurück. Cool


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - icheinfachma - 17.02.2017

Danke für die Antwort.

Ich werde bei Gelegenheit mal noch andere Ideen zum DDR-Training hier reinstellen.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - MZPTLK - 17.02.2017

Wenn Francis sowas propagiert oder praktiziert, muss er aus dem Verkehr gezogen werden. Angry
Viren haben ihr Eigenleben, wie will er das von ihnen hervorgerufene Fieber optimal steuern oder limitieren?
Jeder Athlet ist anders.

Die Erwärmung durch den Athleten kann er steuern(künstliches 'Fieber'),
bei Fieber, das durch Erreger(Krankheit) hervorgerufen wird, sollte er, wenn überhaupt, Sport auf Sparflamme betreiben.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - lor-olli - 17.02.2017

Ich habe versucht den genauen Wortlaut des Zitates zu finden - allein es scheint zumindest nicht im Netz zu existieren.
Zitat:Sniderman zitiert also sinngemäß: This led the East Germans to experiment with de-natured viruses to generate a slight fever immediately prior to a world record attempt!
Mit anderen Worten: Dieses Experiment wurde wohl allein gestartet um Weltrekorde zu brechen, (die erwünschte Reaktion war wohl nicht präzise genug zu steuern), schon kurz nach dem kleinen Zeitfenster welches man so nutzen könnte, überwiegen die negativen Folgen einer solchen "Erkältung".

Man verwendete - analog zu anderen Impfungen - keine echten, sondern denaturierte (also abgetötete) Viren, denn es kam nicht auf die Wirkung der Viren, sondern allein auf die Fieber-Reaktion die das körpereigene Immunsystem erzeugte an. Natürlich kann es dabei auch zu unerwünschten Wirkungen kommen - ethisch ist dies ein äußerst fragwürdiges ärztliches Vorgehen. Bei einer Impfung geht man davon aus durch die eingeleitete Abwehrreaktion den Körper vor den teilweise fatalen Folgen (von Polio etc.) zu bewahren und nicht einen Weltrekord zu brechen…

Einige Weltrekorde und Laufergebnisse der damaligen Zeit lassen dies aber schon in einem zweifelhaften Licht erscheinen. "Doping" wäre nicht nachzuweisen, denn die Impfsubstanz steht sicher auf keiner Liste. Die Manipulation als solche ist trotzdem ein völlig unsportliches Vergehen.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - Atanvarno - 17.02.2017

(17.02.2017, 17:06)MZPTLK schrieb: Wenn Francis sowas propagiert oder praktiziert, muss er aus dem Verkehr gezogen werden. Angry

Am 12.5.2010 von höchster Stelle vollzogen Teufel

Ich würde aber doch darum bitten, den Artikel zu lesen. Francis propagiert das nicht, er erwähnt es nur als Anekdote am Rande, um seinen Punkt zu illustrieren, dass auch Sprinter von aerobem Training und der damit einhergehenden höheren Kapilarisierung der Muskeln profitieren.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - MZPTLK - 17.02.2017

(17.02.2017, 21:07)Atanvarno schrieb:
Zitat:
Ich würde aber doch darum bitten, den Artikel zu lesen. Francis propagiert das nicht, er erwähnt es nur als Anekdote am Rande, um seinen Punkt zu illustrieren, dass auch Sprinter von aerobem Training und der damit einhergehenden höheren Kapilarisierung der Muskeln profitieren.
Mist, erwischt! Blush
Ich hatte aufs Lesen verzichtet, weil ich glaubte, mich auf Icheinfachmas kurze Inhaltsangabe stützen zu können.


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - Atanvarno - 17.02.2017

(17.02.2017, 19:43)lor-olli schrieb: Ich habe versucht den genauen Wortlaut des Zitates zu finden - allein es scheint zumindest nicht im Netz zu existieren.

https://www.t-nation.com/portal_includes/articles/2000/body_134high.html


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - lor-olli - 18.02.2017

My regards Atanvarno, mir war nicht bewusst, dass die zitierte Aussage schon den gesamten Text enthielt. Ich fragte mich ob diese Äußerung nur einen Nebensatz darstellte oder mehr, es war tatsächlich nur eine kurze Antwort auf die Frage - nun denn, da sollte man dann auch nicht mehr hineinlesen.

Das eine solche Äußerung neugierig macht ist verständlich, dass icheinfachma von einigen absurden Experimenten in der Vergangenheit noch nichts gehört hat, ist verständlich (und ehrt ihn), die meisten sind zum Glück Geschichte. (Zatopek z.B. stellte auch fest, dass 30km in Militärstiefeln stramm gelaufen, weder die Füße wirklich abhärteten noch die Leistung steigerten aber ordentlich Blasen gaben…)


RE: DDR-Sprinterinnen nutzen Viren für schnellere Nervenleitgeschwindigkeit? - Knueppler - 18.02.2017

(17.02.2017, 17:06)MZPTLK schrieb: Wenn Francis sowas propagiert oder praktiziert, muss er aus dem Verkehr gezogen werden. Angry


Meinst Du das jetzt ernst?
Charlie Francis ist 2010 gestorben und war als Trainer (u.a. Ben Johnson) einer der größten Betrüger in der Leichtathletik.
Verwechselst Du ihn mit Stephen Francis?