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Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Druckversion

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RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 02.09.2018

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man im deutschen Sprintlager jetzt mehr an der Schrittlänge arbeitet. Es ist ganz entscheidend, die Mechanismen zu einem guten Ergebnis zu verstehen. Die Hauptfrage ist, ob die horizontalen oder vertikalen Kräfte diese Parameter verschieben. Wie kann man den Output beim Fußkontakt erheblich maximieren und in eine große Schrittlänge verschieben, wie Usain Bolt es mit 2,95m maximaler Schrittlänge gezeigt hat, wobei die Kontaktzeit nicht leiden muss? Das alles sind Fragen nach den geeigneten Trainingsinhalten. Es sind Überlegungen in Richtung der präzisen Einflussnahmen. Sind die Deutschen da wirklich auf dem richtigen Weg vor allem bezüglich der Trainingsinhalte???

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - dominikk85 - 02.09.2018

Einfach nur bestimmte parameter zu kopieren (sagen wir schrittlänge, oder auch die im Moment oft forcierten front side und recovery mechanics) ohne es vollständig zu verstehen kann auch negative folgen haben.

da muss auch alles andere stimmen (kraftvektor beim abstoß etc.), nur kosmetische Änderungen der Technik reichen nicht.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 02.09.2018

(02.09.2018, 12:12)dominikk85 schrieb: Einfach nur bestimmte parameter zu kopieren (sagen wir schrittlänge, oder auch die im Moment oft forcierten front side und recovery mechanics) ohne es vollständig zu verstehen kann auch negative folgen haben.

da muss auch alles andere stimmen (kraftvektor beim abstoß etc.), nur kosmetische Änderungen der Technik reichen nicht.

Trainer müssen immer für individuelle Formen offen sein. Man kann Bolt und Johnson nicht ohne Leistungsverlust bewegungsmäßig transferieren. Es wäre völliger Quatsch. Trotzdem kann man über Teilinhalte und deren Verbesserung nachdenken.

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - MZPTLK - 02.09.2018

Dass Schrittverlängerung - bei gleichbleibender Frequenz(diese kann nicht oder nur minimal verbessert werden) -
DEN Weg zur Verbesserung der Sprintschnelligkeit darstellt, ist ein alter Hut.
Daraus folgt rasiermesserscharf, dass der Abdruck erhöht werden muss,
und dies in kürzerer Zeiteinheit.

Dass Kinder und Jugendliche mehr mit 'rollierender' Hüfte laufen/können,
ist nicht neu, sie haben oft noch keine Betonhüfte entwickelt.
Wenn sie dieses Bewegungsmuster ins Erwachsenenalter 'hinüberretten',
bedeutet das aber noch nicht automatisch, Superzeiten rennen zu können,
dazu gehört noch viel mehr.

Asafa Powell hat anlagebedingt wesentlich höhere Kraftwerte bei wichtigen Sprintmuskeln
(v.a. M. Psoas Major), zudem verfügt er über leistungsfähigere Sehnen als die Meisten.
Man kann in die Richtung per Training arbeiten, aber seinen Vorsprung wohl kaum einholen..
Die Natur ist grausam.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 02.09.2018

(02.09.2018, 12:50)MZPTLK schrieb: Daraus folgt rasiermesserscharf, dass der Abdruck erhöht werden muss,
und dies in kürzerer Zeiteinheit.

Das stimmt nicht ganz, wenn man die Werte von Bolt mit anderen Weltklasseleuten vergleicht. Die Kontaktzeit ist annähernd gleich, die Schrittlänge erheblich unterschiedlich. Hier ist ganz en‌tscheidend, welche Register man zieht. Wink Thumb_up ‌Hier geht´s dann wohl wirklich ans "Eingemachte". Allerdings muss ich feststellen, dass Glen Mills und Bolt uns in der Hinsicht nicht in ihre Karten bisher haben blicken lassen. Trainingsinhalte, die ich vermute, waren nie Gegenstand seiner Demonstrationen.

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - dominikk85 - 02.09.2018

Würde es eigentlich sinn machen in der Leichtathletischen Grundausbildung ein wenig gehen zu machen? Gehern kann man ja vieles vorwerfen, aber sicher keine betonhüfte.

dieser herr hier https://youtu.be/J7Fg028K3FQ geht zwar nicht regelkonform (das Thema ist ja bekannt), setzt aber die hüfte extrem ein. Ist das vergleichbar mit bolts hüfteinsatz?


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - MZPTLK - 02.09.2018

(02.09.2018, 18:17)dominikk85 schrieb: Würde es eigentlich sinn machen in der Leichtathletischen Grundausbildung ein wenig gehen zu machen? Gehern kann man ja vieles vorwerfen, aber sicher keine betonhüfte.

dieser herr hier https://youtu.be/J7Fg028K3FQ geht zwar nicht regelkonform (das Thema ist ja bekannt), setzt aber die hüfte extrem ein. Ist das vergleichbar mit bolts hüfteinsatz?

Dann schon eher Hammerwerfen - ohne Sch.... - denn dabei wird intensiv mit der Hüfte rotiert,
allerdings einseitig vom Treiber Umlaufbein her.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 02.09.2018

(02.09.2018, 18:17)dominikk85 schrieb: Würde es eigentlich sinn machen in der Leichtathletischen Grundausbildung ein wenig gehen zu machen? Gehern kann man ja vieles vorwerfen, aber sicher keine betonhüfte.

dieser herr hier https://youtu.be/J7Fg028K3FQ geht zwar nicht regelkonform (das Thema ist ja bekannt), setzt aber die hüfte extrem ein. Ist das vergleichbar mit bolts hüfteinsatz?

Das gestreckte Beines hinter dem Körper wäre kontraproduktiv. Man sollte schon die Sprint-Pattern beachten.

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 03.09.2018

Der Kreativität von Übungen sind hier an Geräten und ohne Geräte in unterschiedlichen Positionen keine Grenzen gesetzt. Ich habe über zehn Kraftübungen konstruiert. Gehirn einschalten und ran!!!  Wink

Was man zudem eindeutig bemerkt, ist die Tatsache des core controlls. Wir dürfen niemals isoliert denken, sondern immer im Kontext!!! Wenn man einem Menschen in einem Ganzkörperanzug unten am Hosenbein zieht, merkt man die Auswirkungen auch weiter cranial.

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - icheinfachma - 03.09.2018

Am Abdruck liegt es nicht, in der vmax spielen zwei Dinge eine Rolle: Vertikale Kräfte maximieren (80% durch Vertical Spring Stiffness, zu 10% Kniehub des Schwungbeines und zu 10% Armschwung) und horizontale Bremskräfte minimieren (durch negative foot speed vor dem Initialbodenkontakt), um den Geschwindigkeitsverlust zu verringern. Beschleunigen kann man in der Maximalgeschwindigkeitsphase sowieso nicht mehr. Dass man die Frequenz nicht trainieren kann, ist ebenfalls falsch. Die Frequenz hängt von der Bodenkontaktzeit ab, die wiederum steht im Fokus des Sprinttrainings.

Die Kurbelwelle ist keine gute Analogie, weil diese suggeriert, dass keine exzentrisch-konzentrische, sondern nur konzentrische Aktivität der Abduktoren vorläge. Es ist ja keine runde Bewegung, sondern es gibt Vor-Zurück-Bewegungen.

@ dominik: Alle Hüftbewegungen sind sinnvoll, da hierdurch die Schrittlänge anatomisch vergrößert wird. Sowohl die vertikalen Kräfte werden erhöht (durch die Rotation des Beckens in der Frontalebene) als auch die horizontalen Kräfte (durch die Rotation des Beckens in der Transversalebene). Die Rotation in der Sagittalebene sollte jedoch eine sehr kleine Bewegung bleiben, da sonst Stabilitätseinbußen die Folge sind.

Beim Gehen tut man genau das, was man im Sprint nicht möchte: Die Spielbeinhüfte bleibt in der gesamten Stützphase unten bzw. sie senkt sich im Beginn der Stützphase auch ab. Im Sprint möchte man aber, dass nach der Landung (hier bereits abgesenkte Spielbeinhälfte) sich diese hebt, das erfordert Aktivität der Obeschenkelabduktoren. Das Gefühl beim Gehen ist auch ein komplett anderes als beim Sprinten.

Das kann man aber zum Beispiel gut mit Aufsteigern trainieren, bei denen man diese Bewegung umsetzt. Man kann auch bei Kniehebeläufen ganz bewusst darauf achten, das Becken gefühlt ein paar cm höher zu heben als gewohnt, sodass die Füße den Boden gar nicht mehr berühren können. Sie können den Boden dann nur berühren, wenn sich die jeweilige Stützbeinbeckenhälfte dem Boden annähert und die Schwungbeinbeckenhälfte dementsprechend anhebt. Das fördert die Aktivität der Oberschenkelabduktoren und schrägen Bauchmuskeln. Das Gesamtbild muss natürlich angemessen bleiben, es soll kein Indianertanz daraus werden.