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Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Druckversion

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Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Atanvarno - 26.05.2016

(26.05.2016, 12:06)muffman schrieb: Ob die internationale Spitze dopt oder nicht ist für die momentane Bewertung der deutschen Topzeiten im Sprint meiner Meinung nach überhaupt nicht von Belang, wenn man sich anschaut mit was für teilweise eklatanten technischen Defiziten die deutschen Topsprinter unterwegs sind. Nur 2 Beispiele: Die Analyse der Bildreihe von Julian Reus in der Zeitschrift Leichtathletiktraining ist einfach nur völlig nichtssagend und deckt überhaupt nicht die offensichtlichen Schwächen und Fehler in der Technik auf. Auch Pinto hat noch einige Größere Baustellen. Also wenn ein Julian Reus mit dieser Technik eine 6,52 laufen kann, was wäre möglich wenn jemand von Grund auf in die richtigen Bahnen gelenkt werden würde? Ich behaupte dass wir dann schon lange einen deutschen Sprinter unter 10s hätten.



RE: Eklatante Fehler im Technikbild deutscher Sprinter - Atanvarno - 26.05.2016

Dann mal Butter bei die Fische, was machen Reus und Pinto eklatant falsch?

icheinfachma schreibt schließlich

(25.05.2016, 21:00)icheinfachma schrieb: Ich denke, dass es in Deutschland sehr wenige Sprinter (Verena Sailer, Julian Reus) gibt, die mithilfe einer sehr ausgefeilten Trainingsmethodik aus ihrem gegebenen Talent ein Höchstmaß herausholen



RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - icheinfachma - 26.05.2016

@ muffmann: Ich würde mir gern mal persönlich ein Bild über die Sprint-Bildsequenz von Reus machen, kannst du die evtl. verlinken oder anhängen?


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - muffman - 27.05.2016

Die Bildreihe habe ich aus der Zeitschrift Leichtathletiktraining 4/2016 übernommen. Die Bilder sind bei 45-50m entstanden.
Ich werde jetzt nur ganz kurz den meiner Meinung nach offensichtlichsten Fehler benennen:

Reus kickt seinen Unterschenkel zu weit nach vorne (Bild 3). Dadurch ist der Bodenkontakt des Stützbeins zu weit vor dem KSP, was in einem "Absitzen" (Bilder 5, 6 und 7) resultiert und logischerweise auch zu einer längeren Stützzeit führt. Außerdem sieht man in Bild 6 deutlich wie das Fußgelenk stark nachgibt, was aber auch ein Resultat des "Overstridens" ist.

Ich zitiere mal aus der Zeitschrift: "Sein Fußaufsatz erfolgt relativ weit vor dem KSP (Bild 5) woraus sich eine Vergrößerung der Schrittlänge ergibt. Um den daraus resultierenden Bremswiederstand zu überwinden, ist eine sehr hohe Geschwindigkeit des Fußes vor Bodenkontakt bzw. eine sehr starke Hüftstreckung im Anschluss notwendig."

Meiner Meinung nach ist das doch einfach kein Klartext geredet. Klar, der deutsche Rekord und die Zeit sind natürlich Top, die Leistung verdient Hochachtung und viel Respekt! Aber darum geht es ja nicht, sondern darum dass es ja theoretisch noch besser sein könnte. Wenn man sich überlegt was passieren würde wenn Reus die gleiche Fußaufsatzgeschwindigkeit bei verringertem Bremsstoß, also einem höheren KSP hätte...

In der Bildreihenanalyse wird halt leider überhaupt nicht bewertet.

Wenn man sich das Video zu dem Lauf anschaut (DR 60m) wird auch deutlich dass er sich schon in der Beschleunigungsphase in diese sitzende Position schiebt indem er auch wahrscheinlich (aus der Perspektive im Video leider nicht genau zu erkennen) einen oder zwei Schritte etwas überzieht.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - icheinfachma - 27.05.2016

Man sollte aber bedenken, dass größere horizontale Bremskräfte im Vorderstütz (Overstriding) immer mit vergrößerten horizontalen Antriebskräften im Hinterstütz (verstärkte backside mechanics) einhergehen. Aufgrund des Trägheitsgesetzes (Ein Körper hat eine konstante Geschwindigkeit, wenn die Summe der einwirkenden Kräfte null ist) müssen sich entgegengesetzte Kräfte nämlich aufheben, solange sich der Sprinter mit seiner konstanten Höchstgeschwindigkeit fortbewegt. Da bedingt eins das andere und es muss nicht zwingend das Overstriding Ursache sein, sondern kann auch die Folge eines zu forcierten Hinterstützes sein.

Weltklassesprinter, die näher als Reus an ihrem KSP landen (z.B. Powell, FloJo, Jeter), haben auch einen Hinterstütz der weniger weit vom KSP entfernt endet. Sprinter, die vergleichbar weit vor ihrem KSP landen (z.B. Bolt), haben auch einen Hinterstütz, der weiter entfernt vom KSP endet. Hier gilt es zu bedenken, dass es sich um Nuancen handelt. Bolt hat dadurch natürlich eine geringere Schrittfrequenz, die er durch größere Schrittlängen ausgleichen kann, Reus kann das nciht. Overstriding und zu starker Hinterstütz halten sich immer in Waage, solange die Geschwindigkeit konstant ist.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - muffman - 28.05.2016

Ich kann bei Reus keinen besonders langen Hinterstütz erkennen. Ich sehe die Probleme schon in der Beschleunigung. Mein Eindruck ist eher dass er schon "drinsitzt"und dadurch in diesen Laufstil gezwungen wird. Andere Sprinter mit einem vergleichsweise kurzen hinteren Stütz sitzen zwar zum Teil auch eher (Powell) zeigen aber, was die Unterschenkelbewegung angeht, schon deutliche Unterschiede zu Reus. Bolt läuft z.B bei seinem 100m WR auch anders als in den meisten anderen Rennen. Er arbeitet hinten etwas weniger als sonst, so zumindest mein Eindruck. Bolt macht für mich oft einen zum Teil schludrigen Eindruck technisch, obwohl er es, so wie z.B. in Berlin, besser könnte. Obwohl Bolt "hinten" bzw. aus der Hüfte mehr macht als die meisten anderen arbeitet er vor der Körper trotzdem nicht so übertrieben  mit dem Unterschenkel wie z.B. Reus. Die Ausgreifbewegung des Unterschenkels resultiert ja aus den Trägheitskräften beim nach vorne bringen des Oberschenkels und nicht durch eine aktive Streckbewegung in Laufrichting. Ein zu langer Hinterstütz resultiert oft in noch ganz anderen Problemen, genauso wie ein zu kurzer.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - Gertrud - 28.05.2016

Sprintvergleich Blake - Reus in der Phase der stärksten Beinstreckung vor dem Körper und in derTouchdownphase:
[attachment=436]
[attachment=437]
Bei Reus stimmt hier ganz einfach das Technikbild nicht. Da ist ganz harte und präzise Arbeit auf unterschiedlichen Ebenen angesagt. Die Arbeit an diesen Feinheiten drückt ihn dann schon in den dopingverdächtigen Bereich.  Wink Um dieses Kapitel zu bewältigen, muss man den Dreifach-Mechanismus der Hamstrings verstehen (lernen) und damit auch die Prophylaxe dieser Region.  Wink

Gertrud


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - icheinfachma - 28.05.2016

(28.05.2016, 00:20)muffman schrieb: Ich kann bei Reus keinen besonders langen Hinterstütz erkennen. Ich sehe die Probleme schon in der Beschleunigung. Mein Eindruck ist eher dass er schon "drinsitzt"und dadurch in diesen Laufstil gezwungen wird. Andere Sprinter mit einem vergleichsweise kurzen hinteren Stütz sitzen zwar zum Teil auch eher (Powell) zeigen aber, was die Unterschenkelbewegung angeht, schon deutliche Unterschiede zu Reus. Bolt läuft z.B bei seinem 100m WR auch anders als in den meisten anderen Rennen. Er arbeitet hinten etwas weniger als sonst, so zumindest mein Eindruck. Bolt macht für mich oft einen zum Teil schludrigen Eindruck technisch, obwohl er es, so wie z.B. in Berlin, besser könnte. Obwohl Bolt "hinten" bzw. aus der Hüfte mehr macht als die meisten anderen arbeitet er vor der Körper trotzdem nicht so übertrieben  mit dem Unterschenkel wie z.B. Reus. Die Ausgreifbewegung des Unterschenkels resultiert ja aus den Trägheitskräften beim nach vorne bringen des Oberschenkels und nicht durch eine aktive Streckbewegung in Laufrichting. Ein zu langer Hinterstütz resultiert oft in noch ganz anderen Problemen, genauso wie ein zu kurzer.




Powell sitzt überhaupt nicht, falls du mit Sitzen eine Landung weit vor dem KSP meisnt. Er hat eine sehr geringe Hüftstreckung, was den Eindruck einer Sitzhaltung erwecken kann, landet aber nicht weit vor seinem KSP.

Da es vermutlich Leute gibt, die ein Landen weit vor dem KSP als Sitzen bezeichnen, andere ein posterior gekipptes Becken (eingezogener Arsch) und wieder andere damit eine geringe Hüftstreckung meinen, die durchaus mit einer Beckenhaltung in Zusammenhang stehen kann, aber nicht muss, schlage ich vor, diesen unscharf umgrenzten Begriff rauszulassen. Ich bitte darum, mal präzise (also ohne das Wort "sitzen") zu beschreiben, was Reus shcon in der Beschleunigungsphase deiner Ansicht nach falsch macht.

Im Übrigen habe ich auch Bolt nciht mit Reus gleichgesetzt, sondern nur verglichen. Beide landen recht weit vor ihrem KSP und auch ihr Hinterstütz endet weit hinter dem KSP. Ich sagte ncihts zu ihrem vorderen Schwung etc. Ich wollte damit verdeutlichen, dass sich Vorder- und Hintertütz in der vmax-Phase immer hinsichtlich ihres jeweiligen Kraftstoßes in Waage halten. Das liegt daran, dass höhere nach hinten gerichtete horizontale Kräfte mit höhren nach vorn gerichteten horizontalen Kräften einhergehen, solange die Geschwindigkeit konstant ist (was in der vmax-Phase der Fall ist).

Es gibt keinen bremsenden Vorderstütz in KOmbination mit einem "normalen" Hinterstütz, denn dann würde der Sprinter kontinuierlich langsamer werden (siehe Trägheitsgesetz). Wenn im Gegensatz dazu größere horizontale Kräfte im HS aufgebracht werden, als hor. Bremskräfte im VS auftreten, beschleunigt der Spritner kontinuierlich, was zu Beginn des REnnens auftritt, bis eben nicht weiter beschluenigt werden kann (weil mit zunehmnder Laufgeschwindigkeit die vertikalen Kräfte größer werden und daher der Sprinter dann auf einen Vorderstütz zum Abfangen des Körpergewichts angewiesen ist). Da könnt ihr auf- und niederspringen.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - icheinfachma - 28.05.2016

(28.05.2016, 02:34)Gertrud schrieb: Sprintvergleich Blake - Reus in der Phase der stärksten Beinstreckung vor dem Körper und in derTouchdownphase:


Bei Reus stimmt hier ganz einfach das Technikbild nicht. Da ist ganz harte und präzise Arbeit auf unterschiedlichen Ebenen angesagt. Die Arbeit an diesen Feinheiten drückt ihn dann schon in den dopingverdächtigen Bereich.  Wink Um dieses Kapitel zu bewältigen, muss man den Dreifach-Mechanismus der Hamstrings verstehen (lernen) und damit auch die Prophylaxe dieser Region.  Wink

Gertrud



Vorneweg: Das Bild von Blake zeigt ihn während des "Austudelns" vor Zieleinlauf, erkennbar an seiner Handhaltung. Da setzen aber viele Sprinter ihr Bein passiv auf und die Biomechanik verändert sich. Es wäre hilfreich, einen Screenshot weiter von der Ziellinie entfernt zu verwenden.

Zu Bolt: Bolt und Reus landen schon annähernd gleich weit von ihrem KSP entfernt. Ich habe auch nicht geschrieben, dass Reus sich deckungsgleich bewegen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass ein Vorderstütz mit mehr horizontalen Bremskräften IMMER mit einem Hinterstütz mit mehr horizontalen Antriebskräften einhergeht und daher der HS die Ursache des VS oder der VS die Ursache des HS sein kann. Über die Ursache von Reus Fehler hab ich kein Wort verloren.


RE: Eklatante technische Defizite deutscher Topsprinter - muffman - 28.05.2016

Vergleiche mal die Kniegelenks- und Hüftwinkel von Reus und Bolt und jeweils den Abstand des KSP zu deiner eingezeichneten Projektion des Punktes des Bodenfassens, dann sollte klar sein was das Problem von Reus ist.