Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - Druckversion +- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com) +-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Training in Praxis und Alltag (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=6) +--- Thema: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? (/showthread.php?tid=1663) |
Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - icheinfachma - 01.03.2016 Hallo! Was würdet ihr sagen: Das Training muss ja auf den Athleten zugeschnitten sein. Sollte man bei einem Leichtathleten im Training eher besonderes Gewicht auf die Stärken legen oder doch eher auf die Schwächen? Also sollte ein bestimmter Sprinter besonders an seiner Stärke, der Schnelligkeitsausdauer arbeiten, um diese noch weiter auszubauen oder doch eher an seiner Schwäche, dem Start, um dort Defizite zu beheben? Oder am Beispiel eines 400m-Läufers: Sollte ein Langsprinter mit schnellen Unterdistanzzeiten und schlechter Ausdauer die Schnelligkeit besonders hervorheben, um seine Schnelligkeitsreserve noch weiter auszubauen oder doch lieber die Betonung im Training auf seine Schwäche, die Ausdauer legen? Oder sollte man lieber versuchen, den Athleten nach Schema F hinzubiegen, zu vereinheitlichen, um ein bestimmtes Verhältnis der einzelnen Komponenten (Beschleunigung, Max-Schnelligkeit, Ausdauer) hinzubekommen? Grüße RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - Hellmuth K l i m m e r - 24.03.2016 (01.03.2016, 23:43)icheinfachma schrieb: Sollte man bei einem Leichtathleten im Training eher besonderes Gewicht auf die Stärken legen oder doch eher auf die Schwächen? (Eine etwas späte Meinungsäußerung meinerseits, zu icheinfachma' s Frage: ) Dazu möchte ich die Aussagen zweier (noch immer) Prominenter zitieren; natürlich weniger auf die Leichtathletik bezogen. Schachgroßmeister Karpow meinte einmal sinngemäß: Ich analysiere nicht meine Schwächen - ich verbessere meine Stärken. Verona Pooth-Feldbusch erhielt von ihrer Mutter den Rat: "Halte dich nicht damit auf, deine Schwächen zu korrigieren; setze auf deine Stärken". Ob's bei leichtathletischer Kraft, Technik, ... auch richtig ist, bezweifle ich. H. Klimmer / sen. RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - RalfM - 24.03.2016 Liebe Freunde im Sport, DOCH, nur über die vorhandenen Stärken kann man im Training arbeiten. Es liegt im Geschick des Trainers, die Grenzen des in die Wiege gelegten Bereichs nach oben oder unten zu verschieben. Aber niemals kann das gegen die vom Sportler/der Sportlerin selbst gefühlte Begabung / Berufung gehen. Ich habe gut reden. Ich füge hier meine Erfahrungen als "Doktorvater" und mehrfach werdender in guter Erwartung mit meinen Erfahrungen im Laufsport und als Laufsporttrainer zuammen. R RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - MZPTLK - 24.03.2016 Dass Du die Frage in dieser Form stellst, wundert mich, icheinfachma. Als ob es ein entweder-oder gäbe. Ich würde nicht von Schwächen oder Stärken reden, sondern die Frage stellen: wo gibt es mehr Verbesserungspotential, wo weniger. Bei jedem Sprinter ist die Beschleunigungs- und Maxgeschwindigkeit irgendwann ausgereizt, dann stellt sich die Frage, ob man auf die nächstlängere Strecke hin trainiert. Dabei fällt mir das Beispiel Melanie Paschke ein, sie hatte eigentlich nie richtig Bock auf den Langsprint. Wenn sie mal einigermassen dafür trainiert hatte, kamen auch sehr gute Zeiten raus, da muss die heutige Generation erst noch hin. Meines Wissens hat ihr das für die 100 nicht geschadet. RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - icheinfachma - 24.03.2016 Naja, gerade im Nachwuchsbereich böte sich das im Kraft- und Sprungkraftraining an: Bei Athleten mit geringer Maximalkraft würde ich nicht allzu viele plyometrische Übungen machen. Eine geringe Maximalkraft ist ein Verletzungsprädiktor bei plyometrischen Übungen. Jemand, der eine hohe Maximalkraft hat, aber ein schlechts Verhältnis zwischen Fmax und Schnellkraft, kann mehr schnellkraftorientiertes Krafttraining machen und plyometrische Übungen, anstatt sich noch mehr Maximalkraft anzutrainieren. Gerade an den technischen Schwachstellen sollte man meiner Meinung nach auch arbeiten, v.a. im U18- und U20-Bereich, um ein rundes Technikbild zu erreichen. Z.B. kann ein Sprinter, der Probleme mit der Kurve hat, einen gewissen Teil seiner Sprints als Kurvensprints absolvieren. Oder ein anderer, der am Start Probleme hat, kann dort besonders an seiner Technik feilen. Wenn er den Bogen dann raushat, kann man ja ein ausgewogeneres Techniktraining machen. Im Ausdauertraining ist es ähnlich: Ich habe in den letzten Wochen einige US-Trainermanuale durchgelesen, es waren auch Top-Trainer dabei. In den USA scheint es auch im Kurzsprint üblich, sehr viel Schnelligkeitsausdauertraining zu machen - durch die Bank weg pro Woche nur 2 Schnelligkeitseinheiten bei 2 bis 4, mit Tendenz eher gegen 4, Ausdauertrainings bis in die Wettkampfvorbereitungsphase. In Deutschland dagegen scheinen die 100m-Läufer ein Problem mit ihrer Schnelligkeitsausdauer zu haben. RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - lor-olli - 25.03.2016 Die Frage ist meines Erachtens nicht Stärken auszubauen ODER Schwächen zu beheben, so einseitig wird hoffentich keiner mehr trainieren. Der Körper ist ein “Gesamtkunstwerk“… Gerade der Sprint erscheint einfach, aber er stellt im Spitzenbereich eine ganze Palette von Anforderungen. Das Kraft-Last-Verhältnis ist bei Strecken ab “30m“ sehr wichtig, die ganz kurzen Distanzen legen auch Werfer oft sehr ordentlich zurück! Der Sprint hat außerdem ein sehr starkes psychologisches Moment, welches sich gerade dann beweist “wenn es drauf ankommt“ (zeigt sich nicht nur bei deutschen Sprintern, sondern z.B. auch bei einem Asafa Powell und umgekehrt bei einem Usain Bolt! Der gewinnt sogar dann, wenn er nominell schwächer dasteht als “Mister Doping“) Das Ideal muss es sein einer Katze nahe zu kommen - nicht die Muskelmasse sondern die “Muskelqualität“ im Verhältnis zum Gewicht ist entscheidend. Ein Gepard ist schneller als ein Löwe oder Tiger nicht weil er mehr Muskeln hat! Ein Muskel kann bei gleichem Querschnitt durchaus unterschiedliche Kraftwerte aufweisen - dass hängt von seiner physiologischen Zusammensetzung, seier Koordinationsfähigkeit und dem Zusammenspiel mit Antagonisten und dem “gesamten Apparat“ zusammen. Man trainiert meine Erachtens nach nicht “Stärke“ oder “ Schwäche“ sondern es gilt eine perfekte Balance und Harmonie zu erzielen - heraus kommen z.B. ganz unterschiedliche, aber trotzdem etwa gleich schnelle Sprinter! Asafa Powell oder Kim Collins oder um es “deutsch“ zu sagen Reus oder Jakubzyk als Beispiele. Auch der Übergang zum Langsprinter ist nicht nur eine Frage des Trainings! Das Verhältnis der leistungsbestimmenden Komponenten verschiebt sich, ein 200m Mann hat meistens weniger Masse, dafür aber eine stärkere Psyche > 200m tun definitv mehr weh als 100m, steigern lässt sich das noch wenn man gar auf die 400 geht . Bei den längeren Distanzen ist eben auch die Frage, wie sehr kann man “über das Limit gehen“ - das psychische Limit (!), der Körper kann ja letztlich oft die Leistung bringen wenn der Kopf ihn dazu zwingt. Gerade bei den Nachwuchskräften wird hier nicht immer genug Wert auf diesen Teil gelegt - warum sind die Karibik und die USA gerade im Sprint so stark? Hier ist es eben noch viel schwieriger sich durchzusetzen, die Konkurrenz ist eindeutig schon bei den “Kleinen“ viel härter - dazu muss man sich nur einmal die Jugendevents dort ansehen… RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - Hellmuth K l i m m e r - 25.03.2016 Die 1. Ausage kann ich bestätigen, und ich ergänze: Noch viel besser als Werfer sind da Gewichtheber. Bei einem Aufenthalt im (damals noch) "Sportsanatorium Kreischa des Institutes Sportmedizin" der DHfK 1964 erlebte ich einen GH, der alle Leichtathleten im 10er-Schlussweitsprung deklassierte. Und der 2. Aussage stimme ich als einst vier Katzen besitzender Tierfreund auch zu - das "geht bei mir runter wie Öl"; noch mehr, wenn ich die div. Zeitlupenaufnahmen jagender Geparden in Naturdokumentarfilmen sehe ----> Eleganz, Lockerheit, Geschmeidigkeit, ... - wenn wir Menschen doch auch so ähnlich sein könnten. H. Klimmer / sen. RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - icheinfachma - 25.03.2016 Also einfach einen Standart-Trainingsplan durchziehen und die Stärken und Schwächen Stärken und Schwächen sein lassen? Was die Katzen angeht, kann man übrigens nicht sagen, dass Löwen und Tiger keine guten Sprinter sind. Vielmehr wäre es so formuliert richtig: Löwen und Tiger sind durchaus gute Sprinter (man maß bei Löwen Spitzengeschwindigkeiten von 80 km/h), sie können aufgrund ihrer immensen Kraft extrem schnell beschleunigen. Sie pirschen sich auch meist an und jagen die Beute in einem kurzen Sprint, wenn sie die nahc 30m nicht haben, geben sie auf. Aufgrund ihrer Muskelmasse und Körpergröße können sie auch sehr große Tiere wie Büffel überwältigen. Ihre Schwäche ist die Schnelligkeitsausdauer Geparden dagegen sind ausgesprochene LANGsprinter was auch ihre schlanke Gestalt erklärt: Sie jagen mindestens 200 bis 300m und können ihre Spitzengeschwindigkeit nahezu über diese Distanz halten. Geparden haben eine ganz andere Leistungsfähigkeit, was Sauerstoffaufnahmefähigkeit angeht, haben sogar vergrößerte Atemwege, um mehr Luft einatmen zu können, weil ihre Lungen so enorm viel Sauerstoff aufnehmen. Das brauchen sie, um in der Pause nach dem Spurt (Geparden ruhen sich nach einer Jagd, ob erfolgreich oder, wie in 60% der Fälle, erfolglos, 20-30min aus) die Sauerstoffschuld schneller abzubauen und nicht so lange verwundbar zu sein. Zu sagen, der Gepard ist schlank, also müssen wir menschliche 100m-Sprinter das auch sein, hinkt also, weil es ein Langsprinter ist. Durch seinen andere Körperbau (vier Beine, elastische Arbeit der Wirbelsäule und Rückenmuskulatur) kann es auch sein, dass für ihn völlig andere Ideale gelten als für Menschen. Ich denke, ein gewisses Maß an Muskelmasse ist für menschliche 100m-Sprinter schon ganz gut. (Übrigens sind auch Windhunde ausgesprochene Mittelstreckenläufer, sie wurden für die Gazellen- und Hasenhatz gezüchtet, die meist mehrere Minuten andauern. Da der Wolf ein Langstreckler ist, der seine Beute oft km hetzt, anstatt sie zu ersprinten und auch täglich enorme Distanzen, in Alaska bis zu 200km täglich, zurücklegt, ist es wohl nie gelungen, einen Kurzsprinter zu züchten, was aber wohl auch nicht im Interesse war. AUch die Windhundrennen gehen über Distanzen von 1-2 Meilen. Windhunde haben im Vergleich zu anderen Hunden eine stark vergrößerte Lunge und weisen im Körperbau Ähnlichkeiten zum Geparden (verklienerter Kopf, lange Beine mit Konzentration der Massen nah am Rumpf, Schnlankheit, extrem flexibler Wirbelsäuleneinsatz) auf.) RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - Hellmuth K l i m m e r - 25.03.2016 @ icheinfachma Was ich zu Katzen/Geparden las: Katzen haben überwiegend FT-Fasern, deshalb sind sie (mithilfe der Glykolyse von Kohlenhydraten) zu "explosiven Energieentladungen" fähig. Geparden können 100 Stundenkilometer schnell laufen, und das immerhin 30 sec. lang. Wo ich das las: Im lesenswerten Buch v. Bernd Heinrich "Laufen * Geschichte einer Leidenschaft". (List Taschenbuch) Der deutsch-amerikanische Prof. hatte übrigens 1981 über 100 km in 6:38:12 h einen WR aufgestellt. H. Klimmer / sen. RE: Stärken ausbauen oder Schwächen beheben? - icheinfachma - 25.03.2016 Das habe ich auch nicht anders behauptet. Auch Langsprinter brauchen schnellzuckende Muskelfasern. |