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Talentsichtung in der DDR - Druckversion

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Talentsichtung in der DDR - Hellmuth K l i m m e r - 21.02.2016

(21.02.2016, 18:54)icheinfachma schrieb: Im Nachwuchsbereich des weiblichen Sprints hoffe ich, dass die Sprinterinnen nicht auf dem Niveau ihrer Jugendleistungen stagnieren, wie es leider der Fall sein kann.

Zu fragen ist, warum sich talentierte Nachwuchssprinterinnen nicht  s o  weiterentwickeln wie sie sich "andeuten"?
(Mir fällt GOETHEs Geflügeltes Wort ein: "Wüchsen die Kinder in der Art fort, wie sie sich andeuten, so
hätten wir lauter Genies." )

Der Grund, dass Mädchen und (später) weibliche Jugendliche nicht die erhoffte Entwicklung nehmen, liegt oft in der hormonellen Entwicklung der zur Frau werdenden Athletin. Der Typus (KH, KG, Längenwachstum) ist fast nie zu ändern.
Deswegen ist es angebracht, bei der Sichtung und Auswahl vermeintlicher Talente, einen Blick auf Vater und besonders auf die Mutter zu werfen.
Bei der in der DDR perfektionierten "ESuA" ("Einheitlichen ...") taten wir das (bes. meine Kollegen Dr. HINZ u. G. Urzcinizok  beim SC Chemie Halle). Neben dem Fotografieren (v.v. u. seitlich - wegen Skoliose/Rundrücken!) aller "Talente", waren meist auch die Mütter der jungen Mädchen eingeladen und anwesend. Nicht selten fielen so (beim Anblick der Mütter) einige "Talente" durch's Sieb. (Eine wahrscheinliche Fehlentwicklung/Nichteignung für den Leistungssport wurde so - im Interesse der Mädchen! - vermieden.)

H. Klimmer / sen.

edit mod: abgetrennt aus
Deutschland erfolgreicher bei den Frauen?



RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - MZPTLK - 21.02.2016

Ich halte es für einäugig, den Blick vornehmlich oder gar ausschliesslich auf die Mutter zu werfen.
Ausserdem ist die dann meistens schon über 40 und 'vom Leben gezeichnet'(Berufs- und Wohlstandsdeformationen, usw.)

Vor allem aber ist es in jeder Generation ein neues Spiel.
Es gibt keine Garantie, dass vordem sehr gute Sporteltern auch gleich- oder höhertalentierte Kinder haben.
Der umgekehrte Fall kommt auch oft vor.


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - Gertrud - 21.02.2016

Zudem kommt es auch darauf an, wie ausgereizt einige als Jugendliche schon mit Training aus dem Erwachsenenbereich sind.
Einige setzen als Erwachsene ganz andere als sportliche Prioritäten, was man akzeptieren muss. Oft unterschätzen wir den Faktor Psyche.  Für mich gehört die Psyche als sehr wesentlicher Faktor in der Talentsichtung dazu. 

Gertrud


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - Hellmuth K l i m m e r - 21.02.2016

(21.02.2016, 20:49)MZPTLK schrieb: Ich halte es für einäugig, den Blick vornehmlich oder gar ausschliesslich auf die Mutter zu werfen.
Ausserdem ist die dann meistens schon über 40 und 'vom Leben gezeichnet'(Berufs- und Wohlstandsdeformationen, usw.)

Es gibt keine Garantie, dass vordem sehr gute Sporteltern auch gleich- oder höhertalentierte Kinder haben.
Der umgekehrte Fall kommt auch oft vor.

In meiner Trainertätigkeit und auch als Aktiver habe ich aber überwiegend Identitäten Vater/Mutter - Sohn/Tochter erlebt.
Ich erinnere z.B. nur an: Klaus Beer ---> Rony + Peggy; Tiedtke, Manfred und Jürgen ---> Susen.

Und auch aus Halle kann ich ein Beispiel nennen: Nadin Müllers Vater war zumindest ein passabler Diskuswerfer mit 51.60 m, obwohl er eher klein und rund war. (Die Mutti aber vielleicht groß und schlank???).

H. Klimmer / sen.


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - dominikk85 - 22.02.2016

Gertrud schrieb:Zudem kommt es auch darauf an, wie ausgereizt einige als Jugendliche schon mit Training aus dem Erwachsenenbereich sind.
Einige setzen als Erwachsene ganz andere als sportliche Prioritäten, was man akzeptieren muss. Oft unterschätzen wir den Faktor Psyche.  Für mich gehört die Psyche als sehr wesentlicher Faktor in der Talentsichtung dazu. 

Im Profibaseball machen inzwischen viele Teams psychologische Tests um das "Bust Potential" der gedrafteten Nachwuchsspieler zu senken.Willen und mentale Stärke ist wichtig und oft nur schwer Trainierbar.Viele Legenden haben eine extreme Bessesenheit, teilweise sogar schon fast auf einem psychologisch ungesunden Level.

jimmy Connors hat den berühmten Satz gesagt, dass er es mehr hasst zu gewinnen als er es liebt zu gewinnen.


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - gera - 22.02.2016

In der Leistungsprognostik war die DDR den anderen voraus, wäre es wohl auch heute noch.
Da fiel mancher durch den Rost, was unverständlich erschien.
Beachten muss man vor allem bei weiblichen Athletinnen den allgemeinen körperlichen Entwicklungsstand und allgemein, wie lange und mit welcher Intensität schon trainiert wird.


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - Gertrud - 22.02.2016

(22.02.2016, 09:10)gera schrieb: FQ

Das wurde wohl sehr systematisch betrieben: einheitliche Lehre, KJS, Einsatz vieler hauptamtlicher Trainer ... Solche Dinge sind in derartigen Staatenkonstrukten auch eher möglich. Man sollte hier auch das, was dort besser gelaufen ist, übernehmen. Das Zusammenwirken beider Systemenvorteile wäre die beste Lösung. Allerdings lässt ein derartiges System Individualität kaum zu, was man z. B. am Drehstoßer Oesterreich gesehen hat. Auch Athleten, die nicht den Normen entsprachen, fielen durch den Rost. 1,68m war das Limit für Speerwerferinnen, habe ich mal gehört. Danach wäre Marion Becker nicht in Betracht gekommen. Flexibilität war nicht die Stärke dieses Systems.

Ich halte sehr viel von systematischer Arbeit mit einem sehr, sehr großen Anteil an Individualität. "Perfekt ist ein Team dann, wenn es von zwei XL-Lieferservice-Pizzas satt werde - das ist bis zu sieben Personen der Fall." (Studie) Bei meinem Hunger wäre das kleinere Team von Vorteil!  Wink

Je nach "Erziehung" merkt man heute noch oft an den Vorstellungen und Ausführungen die ehemalige örtliche Zuordnung, was ich jetzt nicht negativ meine. Auch im DLV weht aus meiner Sicht vornehmlich ein östlicher Wind, was Systematik bedeutet, aber Menschen wie mir mit sehr ausgeprägtem Individualismus den Atem nehmen kann. In großen Systemen kommt es vornehmlich darauf an, bei Abstimmungen die Mehrheit zu erhalten. Folglich ist diese Ausrichtung in großen Institutionen bezüglich der Mehrheitssysteme von großer Wichtigkeit, was aber nicht unbedingt die absolut besten Leistungen nach sich ziehen muss. Wer steht an der Spitze der deutschen Politik? Das Schema ist ganz klar, weil man gewohnt war, in großen Verbänden zu arbeiten. Man bringt große Systeme immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, was für die individuelle Leistung oft abträglich ist. 

Einen kompletten Nutzen wird die deutsche LA erst dann haben, wenn man die durchaus vorhandenen Vorteile beider Systeme vereint. Die "Arbeitszelle" Leistungssport vor Ort ist die wichtigste Institution. Diese Form sollte auch ausgebaut werden. Der Verband sollte seinen erheblichen Teil an Leistung in Form von Service dazu beitragen. Ich will auf keinen Fall den Verband aus der Verpflichtung entlassen. Ich habe sehr detaillierte Vorstellungen z. B. im Bereich der Lehre in der Durchlässgkeit bis hin zur Basis. 

Um den Bogen zum Thema mal wieder zu spannen, sind Forschungen im Männer- und Frauenbereich absolut vonnöten. Man kann eine Sprinterin nicht allen Ernstes genauso wie Männer trainieren. Kommt es vielleicht u.a. auch daher, dass unsere Frauen den absoluten Durchbruch zur Weltspitze noch nicht geschafft haben? Das sind Fragen, die ich mir stelle und auch sehr spannend finde.

Ich bin ein Mensch, der seine Ideen verfolgt und sie nicht durch irgendwelche Institutionen abwürgen, geschweige denn reglementieren lässt. Ich habe mal einen unheimlich starken Artikel im Stern über Verhalten gelesen, wo nicht die intelligenten Menschen in hohen Rängen (z. B. US-Militär) waren. Fazit dieser Studie für den absoluten Erfolg war, dass die intelligenten Menschen ihre eigenen Strukturen beibehalten, sich aber die schlichten, einfach gestrickten Strukturen der weniger intelligenten ebenfalls - wenn notwendig - zunutze machen sollten, um schneller zum Ziel zu kommen.  Thumb_up 

Gertrud


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - gera - 22.02.2016

Ja, ein starres festhalten an Normen bringt immer einige Ungerechtigkeiten / bei Menschen = Fehleinschätzungen mit sich.
Die Individualität eines jeden sollte berücksichtigt werden. dass setzt aber ein ein sehr " gutes Auge" und Erfahrung der Trainer voraus.
Beide Systeme vereinen ? Geht das ?
Ohne politisch werden zu wollen<<< Honecker sprach gern von " Feuer und Wasser "   ...


RE: Deutschland erfolgreicher bei den Frauen? - Hellmuth K l i m m e r - 22.02.2016

(22.02.2016, 09:32)Gertrud schrieb: Das Zusammenwirken beider Systemenvorteile wäre die beste Lösung.

Einen kompletten Nutzen wird die deutsche LA erst dann haben, wenn man die durchaus vorhandenen Vorteile beider Systeme vereint.


 Den beiden oben stehenden (identischen) Feststellungen kann ich durchaus zustimmen.
Abgesehen von Ihrem Abschweifen in die "große Politik" und dem "Ausflug" zum Pizza-Liefer-Service Huh (redundant und nicht zum Thema gehörend) verstehe ich nur Ihre Bemerkung zur Nicht-Zulassung von Individualität im Falle Rolf Oesterreich nicht. Das hätte ich gern genauer erklärt, denn er wurde nicht wegen seiner Drehstoßtechnik gesperrt.

H. Klimmer / sen.

edit mod: Diskussion zu Rolf Oesterreich verschoben:
http://leichtathletikforum.com/showthread.php?tid=659&pid=42655#pid42655