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ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - Druckversion

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ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - gera - 09.12.2015

Ziel des Sprints ist es doch , der Körpermasse eine max. Beschleunigung zu geben.

physikalisch ist :
Kraft = Masse * Beschleunigung ,

also  Beschleunigung = Kraft / Körpermasse

( Dieses Kraft / Lastverhältnis hatte  HEK  schon öfter in anderen Themen angesprochen )

Im Moment ist U.Bolt das Maß aller Dinge. Kopieren kann man ihn nicht, ist es überhaupt sinnvoll ?

Habe ich einen noch größeren Athleten,hat er noch mehr Masse. Und zwar würde die Masse % - tual mehr steigen als die Kraft durch mehr Muskelmasse.
Das Verhältnis Kraft / Körpermasse = Beschleunigung würde also schlechter.
Umgekert :
Konzentrierte man sich wieder auf kleinere, leichtere Läufer , würde das spez.Kraft/ Lastverhältnis , also die Beschleunigung pro  1 kg Körpermasse ,  steigen.
Könnten nicht also kleinere, leichtere Athleten auch bessere Zeiten laufen ?

In der Vergangenheit gab es ja schon sehr kleine Sprinkraftpakete , wie E.Figuerola( Kuba ) Anfang der 1960-jahre  oder noch etwas früher  I.Murchison ( USA ).


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - runny - 09.12.2015

Ganz simpel weitergedacht - ja, ich denke im Durchschnitt sind kleine Leute auf den ersten 20 Metern überlegen. Dann wird es aber aufgrund der kleineren Schrittlänge immer schwieriger für sie zu Beschleunigen, weil durch mehr Bodenkontakte mehr Bremskräfte auftreten (am Start spielen die Bremskräfte aufgrund der geringen Geschwindigkeit eine untergeordnete Rolle).

Das Modell scheitert an der Stelle, wo der Mensch kein Massenpunkt mehr ist, sondern Arme, Beine, ... erhält. [Bild: biggrin.gif]


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - Gertrud - 09.12.2015

Ich übertreibe mal mit der Größe. Die Ameise wird nie dieselbe Strecke in der Zeit wie ein Elefant schaffen, obwohl sie frequenzmäßig überlegen ist.  Wink

Gertrud


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - gera - 09.12.2015

das die Sache nicht so einfach ist, wie in meinem Beitrag geschrieben, ist mir klar.
Aber Gertruds Vergleich taugt hier zu keiner Erkenntnis.
Das entscheidende ist doch, wie entwickelt sich das Verhältnis Kraft / Körpermassmasse
zum positiven , und wie nehmen die Verluste durch mehr Bodenkontakte und was noch weiter ?  zu.


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - Hellmuth K l i m m e r - 09.12.2015

(09.12.2015, 15:19)gera schrieb: Das entscheidende ist doch, wie entwickelt sich das Verhältnis Kraft / Körpermassmasse
zum positiven , ...


@ gera.
Meine Erkenntnis, aus langjährigen Beobachtungen von Sprintern und Weitspringern (auch als Trainer) sagt mir immer wieder,
dass es bestimmt besser, ist die talentierten Sprinter u. Springer auszuwählen, die groß und leicht sind.
Figuerola u. Murchinson sind nicht die treffenden Beispiele - sie waren (trotz 10.0-s-Leistungen!) eben viel  z u  klein.

Meine Vorstellung vom idealem Sprinter u. Springer gehen in Richtung  ---->  Siegfried Schenke, Martin Lauer, Armin Hary;
Frank Pascheck, Frank Wartenberg, ... (und Klaus Beer, wenn er größer gewesen wäre.  Wink )

Und jedes Kilo mehr, das ich mit mir rummschleppe, "behindert" beim Sprinten und Abspringen.
(Man braucht sich nur einen 2 ... 3 kg schweren Gürtel umschnallen, wie ich es beim LJ-Training oft tat, um festzustellen,
dass die Weiten geringer sind.)
A l s o : Es ist ein fein abgewogenes Verhältnis zwischen KH : KG anzustreben; Muskelhyperthrophie kann niemals allein richtig sein.
(Um noch ein paar Negativ-Beispiele zu nennen, die mir in meiner Zeit begegneten: Max Klaus, Lutz Dombrowski, Erwin Plöger, ... - sie waren alle zu schwer, um noch bessere Weiten zu erreichen.)

Und ob U. Bold  d e r  ideale (Kurz-)Sprinter ist? Vielleicht denken wir bald anders, wenn ein knapp zwei Meter großer, aber nur knapp 80 kg schwerer Mann (so wie Beamon 1968 !!!, aber nicht wie M. Johnson) losrennt. Thumb_up

H. Klimmer / sen.


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - lor-olli - 09.12.2015

Zitat:das die Sache nicht so einfach ist, wie in meinem Beitrag geschrieben, ist mir klar.

Das "nicht so einfach" fängt schon damit an, dass wir es mit einem System von Hebeln zu tun haben. Elefanten nutzen ihre Knie (ja, sie haben Kniee Wink), nicht wie der Mensch, sie sparen sich den Kniehub…
Aus dem Physikschulunterricht sollten jedem noch die Hebelexperimente bekannt sein (- längere Hebel mehr Kraftaufwand). Größere Körper können theoretisch mehr Kraft entwickeln (mehr Muskelmasse), allerdings bewegen sich längere Hebel auch langsamer. Kompensiert ein vergleichsweise längerer Schritt durch größere Hebel den Nachteil der längeren Frequenz? Das dürfte keine eindeutige Antwort geben, denn es spielen noch andere Faktoren eine zu wichtige Rolle (Nervenleitgeschwindigkeit z.B. ist annähernd gleich egal ob groß oder klein, eine Stubenfliege hat etwa die gleiche wie ein Mensch, ihre Reaktionszeit beträgt aber nur einen Bruchteil der des Menschen, weil die Signale in ihrem Körper auch nur einen Bruchteil der Strecke zurücklegen…)

Die ideale Lösung wäre es, dem Muskel bei gleichem Gewicht mehr Kraft zu verleihen, sprich den möglichst leichten Sprinter mit relativ mehr Kraft auszustatten (auch die Zusammensetzung der Muskelfasertypen spielt eine Rolle). Dazu noch Koordinationsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Beweglichkeit und nicht zu letzt die Psyche - es gibt schnelle Sprinter, die bei Top-Ereignissen leider nicht ihr größtes Vermögen abrufen können… (Kennt jemand Namen…?).

Es wird sie also auch weiterhin geben - die realtiv schweren Kraftpakete und die flinken Fliegengewichte - bis wir vielleicht eine "ideale Formel" entwickeln, dann wird sich dieser "ideale Typus" deutlich stärker entwickeln, einfach weil in der Vorauswahl diese bevorzugt werden…

Ich habe neulich einen Artikel zum Jonglieren überflogen, interessant war bei den Hcohgeschwindigkeitsaufnahmen, dem Augenfixpunkt und der Körperreaktion, dass bei den besten Artisten die Bewegungen so schnell erfolgen (z.B. beim Jonglieren mit 7 Bällen), dass sie nicht mehr bewusst zu steuern sind. Auch Musiker bewegen häufig Finger und Arme so schnell, wie es eben nur bei einem Automatismus erfolgen kann.

Es gilt also einen Weg zu finden, die Veränderungen der Muskelmasse und der Koordination beim Sprinttraining (auch der Max-Sprint läuft unbewusst ab) so zu optimieren, dass der größtmögliche (sinnvolle) Krafteinsatz mit der größtmöglichen Bewegungsgeschwindigkeit erfolgen kann. Versuche dies zu trainieren kann man im schwedischen Film "The Price of Gold" sehen, dort hängt S. Kallur in einem Geschirr, während unter ihr ein Laufband mit einer für sie eigentlich zu hohen Geschwindigkeit läuft (40 km/h). Ziel ist dem Körper das Gefühl für diese schnellen Schritte anzutrainieren. Erfolg, außer einige fiese Verletzungen bei diesen Methoden? Würde das bei allen Athleten so funktionieren? Christoph Lemaitre würde eher nein sagen Wink. Usain Bolt hat auch keine ungewöhnliche Schrittfrequenz, dafür aber eine enorme Schrittlänge. Jeder hat vermutlich seinen eigenen Tripelpunkt (mal als Anleihe aus der Thermodynamik Wink)


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - Hellmuth K l i m m e r - 09.12.2015

(09.12.2015, 16:41)lor-olli schrieb: ... dort hängt S. Kallur in einem Geschirr, während unter ihr ein Laufband mit einer für sie eigentlich zu hohen Geschwindigkeit läuft (40 km/h). Ziel ist dem Körper das Gefühl für diese schnellen Schritte anzutrainieren.


Dieses Beispiel erinnert mich an eine ähnliches Vorhaben an der DHfK in Leipzig.
Dr. Heinrich GUNDLACH hatte (ca. 1973) schon auf unserer Anlage eine Grube gebaut, auf der ein gegenläufiges Laufband (allein)
das Abspringen der Weitspringer schneller machen sollte. Zu Experimenten kam es leider nie - die Grube blieb aber noch bis zum Zeitpunkt, als wie dann endlich eine TARTAN-Bahn erhielten (ca. 1982). Sad

H. Klimmer / sen.


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - dominikk85 - 09.12.2015

Ich glaube das die Top Sprinter weiterhin meistens zwischen 1,80 und 1,90 sein werden. Zu klein (unter 1,75 ) bedeutet meistens dass man zu hohe Frequenzen gehen muss und die meisten langen sind in der Beschleunigung nicht gut genug.

Dazu kommt das große Athleten oft Verletzungsanfälliger sind da sie im schnitt mehr wiegen und selbst wenn sie leicht sind durch die Hebel mehr Kräfte auftreten. Das fällt in Sportarten mit vielen Wettkämpfen wie Baseball oder Tennis oft auf, es gibt oft mal große Athleten die 2-3 Jahre richtig gut sind und dann oft Verletzt sind.


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - gera - 09.12.2015

alles gute Beiträge bisher, ich habe jetzt aber nicht die Zeit, genauer zu reagieren.

Nur soviel zum Einwand HEK.
mit den Beispielen ist das immer so eine Sache.
Grundsätzlich hast Du recht, große leichte Sprinter werden es wohl sein.
Ich brachte Figuerola/Murchison als Extrembeispiele, dass sogar sehr kleine Sprinter vorn dabei sein können.
Bei nur groß und leicht stellt sich bei mir die Frage, ob diese Typen noch genug sprintfähige Muskeln haben und nicht eher der Langstreckentyp sind.
Ich wollte damit nur sagen, dass ein weniger an Gewicht( selbst auf Kosten der Körpergröße ) sehr viel einbringen kann.
Die Beschleunigung der Körpermasse wird in der Regel größer sein, als bei schweren Sprintern, die sehr viel mehr Muskeln  aufbauen müssen, um ihre Vorteile ausnutzen zu können.


RE: ist es Zeit für einen anderen Sprintertyp? - omega - 09.12.2015

(09.12.2015, 16:41)Hellmuth K l i m m e r schrieb:
(09.12.2015, 15:19)gera schrieb: Das entscheidende ist doch, wie entwickelt sich das Verhältnis Kraft / Körpermassmasse
zum positiven , ...




Meine Vorstellung vom idealem Sprinter u. Springer gehen in Richtung  ---->  Siegfried Schenke, Martin Lauer, Armin Hary;
Frank Pascheck, Frank Wartenberg, ... (und Klaus Beer, wenn er größer gewesen wäre.  Wink )

Und jedes Kilo mehr, das ich mit mir rummschleppe, "behindert" beim Sprinten und Abspringen.
(Man braucht sich nur einen 2 ... 3 kg schweren Gürtel umschnallen, wie ich es beim LJ-Training oft tat, um festzustellen,
dass die Weiten geringer sind.)
A l s o : Es ist ein fein abgewogenes Verhältnis zwischen KH : KG anzustreben; Muskelhyperthrophie kann niemals allein richtig sein.
(Um noch ein paar Negativ-Beispiele zu nennen, die mir in meiner Zeit begegneten: Max Klaus, Lutz Dombrowski, Erwin Plöger, ... - sie waren alle zu schwer, um noch bessere Weiten zu erreichen.)

Der Gürtel ist ja passiv, bei 3Kg mehr aktiver Masse kann es schon anders aussehen. So gibt/ gab es immer recht schwere Zehnkämpfer die im Sprint/ Weitsprung mit hoher aktiver Körpermasse sehr gut sind/waren.

Wenn ein schwerer Athlet bspw. mit 95% Krafteinsatz beim Weitsprung anläuft, verliert er aufgrund der Massenträgheit weniger Geschwindigkeit als ein leichter Springer(im Vergleich zu 100% Krafteinsatz). Er braucht aber länger um auf Geschwindigkeit zu kommen. Der schwere Springer hat dann aber eine Kraftreserve für den Absprung.