Leichtathletikforum.com
Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung (/showthread.php?tid=1343)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Delta - 09.09.2015

(09.09.2015, 02:32)Gertrud schrieb: Wenn man bei einer Planung auf "Betonköpfe" z. B. hinsichtlich Hallen-, Trainingsplatzbenutzung, zu langen Anfahrwegen, zu starren Arbeitgeberregularien und dazu auf zu harte manuelle Berufe (Maurer z. B.) stößt, kann man Leistungssport natürlich knicken. In der Hinsicht müssen sehr viele schon an einem Strang ziehen. Sicherlich lässt ein Studium in der Hinsicht meistens eher eine Sportkarriere parallel zu.

Gertrud

Die Schweiz ist jahrzehntelang den Weg der Dualen Ausbildung im Sport gegangen. Aber mittlerweile selbst dort gibt es Miltärförderkompanien. Primär Langlauf, Biathlon. Fussballer gehen dort noch zu Schule aber auf mehr als 20 Std. Schule / Beruf kommt niemand mehr über mehrere Jahre. Die meisten schaffen noch eine Erstabschluss in der Ausbildung.
Selina Büchel hat jahrelang noch so halbtags gearbeitet. Seit dem EM Sieg ist Sie faktisch nur noch Profisportlerin.
Die Bundeswehrkarriere im Sport ist mittlerweile die Norm und ist ein direkter Nachfahre der NVA Sport-Karriere. Dieses Karrieremuster gibt es seit Anfang 1920.


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Diskusmann - 10.09.2015

(09.09.2015, 16:39)Delta schrieb: Die Bundeswehrkarriere im Sport ist mittlerweile die Norm und ist ein direkter Nachfahre der NVA Sport-Karriere. Dieses Karrieremuster gibt es seit Anfang 1920.
Nein, ist sie nicht! Leistungssport in Sportförderkompanien der Bundeswehr gab es lange vor dem Mauerfall, daher ist eine Sportkarriere bei der Bundeswehr eher eine parallel lebende Schwester einer Karriere bei der NVA und kein Nachfahre.


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - skonehj - 10.09.2015

Eine duale Ausbildung in Verbindung mit Leistungssport ist sicherlich gut zu schaffen, vor allem wenn es sich um ein Studium handelt oder man einen sportbegeisterten Betrieb im Rücken hat.
Eine duale Karriere hingegen ist schon etwas anderes. Darüber wurde in den vorherigen Posts ja auch schon viel geschrieben. Ich kann 4h oder auch 8h am Tag arbeiten und auch dann noch 2-3h trainieren, allerdings hat das nichts mit Karriere zu tun, denn dafür ist es notwendig, dass ich auch mal 8-10h, sowie am Wochenende arbeite und mich natürlich auch weiter fortbilde. Dies geht mit Leistungssport nicht oder nur in ganz seltenen Fällen! Im Laufbereich noch mehr als in einer technischen Disziplin.
Neben der täglichen Belastung kommen dann natürlich auch die Wettkampfreisen und Trainingslager hinzu. Mal ein Wochenende zur DM ist kein Problem, aber 2 Wochen und mehr für eine WM fehlen...sieht schon anders aus!
Hinzu kommen im Alltag andere Termine wie Physio, Arzt, evtl. Sponsoren, sowie Haushalt und einkaufen...Da werden die "freien" 8h schon langsam knapp.
Ich finde es nicht in Ordnung, denen die es nicht schaffen, beides unter einen Hut zu bringen, mangelnde Prioritätensetzung vorzuwerfen. Leistungssport kann einfach verdammt hart sein und bei fehlender Regenerationszeit kann keine Entwicklung erfolgen!
Im Job kann ich mich ziemlich einfach durch "Mehrarbeit" nach vorne bringen, jeden Tag 2h länger im Büro und ich überhole die Kollegen. Im Sport funktioniert dieses leider Prinzip nicht.

Ich möchte allerdings auch noch folgendes loswerden: in Deutschland (oder vllt. auch generell) wird noch zuviel trainiert! Das nimmt Zeit weg von anderen Dingen, vor allem der Regenerationszeit.
Obwohl ich mir bewusst bin, dass dies nur Einzelbeispiele sein können möchte ich Greg Rutherford und seinen Trainer Dan Pfaff (sowie das Team bei ALTIS) nennen, die nach dem Prinzip: "We want to do as little as possible and still be awesome" trainieren.
Dafür muss ich mich allerdings auch (als Trainer) um meinen Athleten bemühen, dass für ihn beste Programm zu erstellen und nicht das "Schema A", mit dem frühere Athleten erfolgreich waren, überstülpen.

Zum Abschluss möchte ich noch loswerden, dass ich es mich ein bisschen traurig gemacht, dass sportliche Karriereende von Verena Sailer und Silvio Schirrmeister nahezu zeitgleich zu verfolgen:
auf der einen Seite eine Sportlerin, die sich überglücklich und aus freien Stücken zum Ende entscheidet und auf der anderen Seite ein Sportler, der sich entscheiden musste, um auch in Zukunft glücklich zu sein und nicht am Druck beider Karrieren zu zerbrechen. Ein Sportler, der eigentlich noch will, aber in dieser Form nicht mehr kann.
Beide hatten tolle Karrieren und schöne Erfolge, aber so unterschiedlich kann das Ende sein...vor beiden Entscheidungen ziehe ich meinen Hut!


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Kleine Schwester - 10.09.2015

Hallo zusammen,

wie LA-Fan bin auch ich ein Neuling, der sich bisher mit durchgelesen hat, jetzt aber auch eine Meinung loswerden möchte.

Ich bin der Meinung, dass sich die "Karriere" in der "dualen Karriere" rein auf die sportliche Karriere beziehen sollte. Eine berufliche Karriere mit einer sportlichen Karriere zu verbinden, stelle ich mir aus den zuvor genannten Gründen ebenfalls unmöglich vor.

Was meiner Meinung nach durchaus möglich ist, ist die Kombination aus einem Beruf und einer sportlichen Karriere. Der Zweck des Berufs ist es in diesem Fall, weder aufzusteigen oder sich selbst zu verwirklichen, sondern einen Lebensunterhalt zu verdienen.

Ich bin selbst aktiv und sehe mich als Leistungssportlerin. 2011 habe ich angefangen, in einer 35h-Woche zu arbeiten und dabei mein Trainingspensum nach dem Abitur auf 5-6x/ Woche erhöht. Als ich mich für die U20-EM qualifizieren konnte (womit ich nie gerechnet hatte), war das mein Trainings- und Arbeitsstand. Logischerweise hat das einen straffen Tagesablauf und vor allem einen gewissen Verzicht auf Freunde und Freizeit gefordert. Man muss sich also schon über die eigenen Prioritäten klar sein.

Ich hatte und habe das Glück, dass ich einen Arbeitgeber und auch Kollegen habe, die meinen sportlichen Hintergrund kennen und es gut finden, was ich mache und bisher erreicht habe. Zudem hatte ich die Möglichkeit, meine Arbeitszeit ohne Probleme auf 30h zu reduzieren.
Zudem habe ich durch meinen Verein und mein privates Umfeld im Zweifelsfall eine gute Physio-Betreuung, sodass ich (wenn es brennt) auch mal am Wochenende oder Abends behandelt werden kann.

Meine Arbeit macht mir Spaß, aber ich hege keinerlei Aufstiegsambitionen. Am liebsten wäre ich die anfangs von Gertrud beschriebene Topathletin. Wäre eine gewisse finanzielle Sicherheit gegeben, würde ich ohne wenn und aber kündigen und mich ganz auf den Sport ausrichten. Leider ist dieses Szenario (in meiner Situation) aber nur auf meiner rosa Traumwolke aus Zuckerwatte möglich...


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Piroschka - 10.09.2015

Man kann über die Machbarkeit einer Dualen Karriere noch so viel diskutieren. Das letztlich entscheidende Element ist das Zeitmanagement. Es gibt zwar eine kleine Anzahl von Athleten, die neben dem Leistungssport Vollzeit arbeiten. Aber machen diese denn auch wirklich Karriere in ihrem Beruf?

Die Strukturen in Deutschland eignen sich einfach nicht dafür duale Karrieren anzuschieben.

Das Beispiel von Gertrud mit den 8 Stunden Arbeit und 8 Stunden Schlaf zeigt dies doch ganz gut. Selbst wenn man auf ganz vieles verzichtet, ist dies nicht professionell zu bewerkstelligen. 

Man braucht sicher nach dem Aufstehen, um sich fertig zu machen, zu frühstücken, seine Sachen für den Tag zusammenzupacken und zur Arbeit zu kommen 1 Stunde. Und das ist dann ziemlich fix.

Angenommen die Arbeit fängt um 8 Uhr an, dann bin ich ja nicht um 16 Uhr fertig, sondern abhängig davon, ob in dem Betrieb 30min oder 60min Pause gemacht wird, erst um 16.30 bis 17.00 Uhr.

Dann wird man wohl mindestens 30min brauchen bis man beim Training ist und auch umgezogen, um beginnen zu können. Dann ist es also schon 17 bis 17.30 Uhr.

Angenommen man trainiert dann 3 Stunden. Duscht sich anschließend und fährt nach Hause, wofür man auch mindestens 30min braucht. Dann ist man zwischen 20.30 und 21 Uhr zu Hause.

Für das Ablegen seiner Sachen, das Ausräumen der Sporttasche und weghängen der Arbeitskleidung braucht man sicher auch 5min. Dann liest man noch die Post. Abendessen zubereiten und essen sicher 30min. Dann ist es bestimmt schon 21.15 bis 21.45 Uhr. Dann legt man die Sachen für den nächsten Tag raus, mach sich Bettfertig, checkt vielleicht noch mal die Emails und guckt kurz im Fernsehen oder im Internet was sonst noch so auf der Welt los ist. Und dann ist es auch schon Zeit ins Bett zu gehen, da man sonst nicht 8 Stunden schlafen kann.

Das macht man dann 5 Tage in der Woche. Am Samstag macht man zwei Trainingseinheiten und kauft dazwischen für die gesamte Woche noch alles ein was man braucht.  Der Sonntag ist trainingsfrei. Kann man ja dann die Wohnung putzen.

Ich weiß ja nicht, wie das hier gesehen wird, aber ich finde diese Lebensweise nicht professionell und auf Dauer der Leistung förderlich.
Man hat praktisch keine Zeit für Physiotherapie und sonstige Erholungspausen. Und ob die Trainingszeit ausreichend ist, da gibt es wohl auch unterschiedliche Ansichten. Von zwei Trainigseinheiten am Tag gar nicht zu reden. Es gibt sicherlich auch Vollzeitberufe, in denen dies vielleicht einfacher möglich ist. Z.B. als Beamter, aber nicht in der Privatwirtschaft. Berufe wie Bundeswehr oder Bundespolizei sind doch lediglich Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ohne wirkliche Zukunftsperspektive nach der Sportlaufbahn. Wie viele der Sportler hätten sich denn wenn man sie fragt für einen dieser Arbeitgeber entschieden, wenn sie keinen Leistungssport gemacht hätten. Ich vermute einfach mal, dass das nur ein ganz kleiner Bruchteil wäre.

Bei meinem Beispiel oben bin ich zudem von sehr schnell zu überbrückenden Entfernungen ausgegangen. Da darf kein Stau kommen oder mal eine länger dauernde Besprechung am Ende des Tages. Zeit für Post oder zur Sparkasse zu gehen oder zum Friseur Fehlanzeige. Vielleicht ja in der Arbeitspause. Außerdem stehen Trainingsmöglichkeiten auch oftmals nicht rund um die Uhr zur Verfügung.


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - runny - 10.09.2015

(10.09.2015, 11:36)Kleine Schwester schrieb: Wäre eine gewisse finanzielle Sicherheit gegeben, würde ich ohne wenn und aber kündigen und mich ganz auf den Sport ausrichten. 

Diese finanzielle Sicherheit ist im Berufsleben nur mal sehr viel öfter gegeben, als im Leistungssport.

Ich finde immer sich ausschließlich für den Leistungssport zu entscheiden ist ein bisschen wie Lotto spielen - man kann nie sicher sagen zu welchen Leistungen man in Zukunft fähig ist, ob Verletzungen einen aufhalten, usw...
Die meisten Athleten gewinnen garnichts (außer dem Spaß den sie beim ausüben ihres Sportes hatten, davon kann man sich aber leider nichts kaufen) und ein paar wenige haben 6 Richtige.


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Gertrud - 10.09.2015

Das trifft genau den Kern!!! Wer über einen langen Zeitraum dieses Risikospiel spielt, pokert hoch.

Gertrud


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - jono - 10.09.2015

Mich würde mal interessieren, wie das in anderen Ländern aussieht. Wie machen das die Franzosen und Briten?


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Atanvarno - 10.09.2015

Die guten Briten gehen an ein US-College Wink


RE: Duale Karriere - Leistungssport und Ausbildung - Atanvarno - 01.10.2015

Die Duale Karriere an hessischen Hochschulen