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Exzentrisches Krafttraining - Druckversion

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Exzentrisches Krafttraining - Rolli - 10.07.2015

Hallo zusammen,
ich möchte Eure Erfahrung mit exzentrischen Krafttrainingsformen im Mittelstreckentraining erfragen. Letzte Zeit konnte ich in meiner Gruppe Probleme mit verkürzten Schritten feststellen, die nicht durch Dehnübungen behoben werden konnten (einige machen sogar Spagat) und schiebe das auf einseitige, konzentrische Krafttrainingsform. Eigentlich machen wir nur Standartübungen wie Sprünge, Zirkeltraining, auch große Palette an ABC-Übungen… also Standard.
Da wir ab Oktober einen Kraftraum bekommen, möchte ich eure Erfahrung mir dieser Trainingsform. Leider sind die Gelehrte in verschieden Studien nicht so einige, deswegen möchte ich eure Erfahrung dazu. Bitte keine nein-weil-nein Argumente ohne Begründung, weil so was kann ich selbst schon in der „Fach“-Literatur nachlesen.
 
Gruß
Rolli


RE: Exzentrisches Krafttraining - Rolli - 11.07.2015

Keine Erfahrungen?
Würde mir sehr helfen.


RE: Exzentrisches Krafttraining - icheinfachma - 12.07.2015

Vermutlich gibt es deswegen keine Erfahrungen, weil es noch niemand ausprobiert hat und das wiederum, weil es keinen logischen Zusammenhang gibt, warum exzentrisches Krafttraining die Lauftechnik verbessern sollte.


RE: Exzentrisches Krafttraining - Rolli - 13.07.2015

Danke für den Hinweis. Aber ich denke, dass diese Trainingsform deutlich unterschätzt als:
1. Verletzungsprophylaxe. 
2. Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Verbesserung der Kraft-Länge-Relation.

Es gibt einige Untersuchungen, die die Vorteile von exzentrischen Training unterstreichen. Schon mal alleine die Überwindung der inneren Widerstände im exzentrischen Bewegungsablauf und Verlängerung der Muskelfaser könnte Leistungszuwachs mit sich bringen.

Gute Erfahrung hat man da mit exzentrischen Treppenübungen oder das Nordic Hamstring als Prophylaxe und auch als Maßnahmen zur besseren Kraftentfaltung.

Dazu ein paar Studien:
Proske 2004, Mendichuga 2013, Zimmermann 2012, Wiemann.

Edit: Nordic Hamstring hinzugefügt.


RE: Exzentrisches Krafttraining - icheinfachma - 13.07.2015

Da muss man klar unterscheiden zwischen Verletzungsprophylaxe, Leistungsverbesserung und Technik. Wenn deine Sportler zu kurze Schritte machen, dann ist das ein Technikproblem. Das optimale Verhältnis aus Frequenz und Länge ergibt sich bei der richtigen Technik von selbst und ist keine Stellgröße. Übrigens kann es auch aussehen, als ob die Schrittlänge kürzer wäre, weil die Sportler geringere Hüftstreckwinkel haben. Das muss aber nicht in kürzeren Schrittn resultieren, weil die Schrittlänge vor allem davon abhängt, wie weit man in der Luft fliegt und das wiederum davon, wie viel Kraft man auf den Boden übertragen hat. Wenn Sportler "sitzen" während des Laufens, also ihre Hüftgelenke nicht strecken und vielleicht zusätzlich das Becken nach hinten kippen, also den "Arsch einziehen", dann ist das kein Kraftproblem, sondern eine schlechte Angewohnheit. So etwas kann man durch geduldige verbale Technikkorrekturen verbessern. Der Trainer kann das während der Tempolaufprogramme etc. machen, indem er neben der Bahn steht und die Sportler genau beobachtet. Man sollte auch Videos aufnehmen und den Sportlern die dann (auch in Zeitlupe) zeigen. So wissen die Sportler überhaupt erst, wie ihre Lauftechnik aussieht. Manchmal fühlt sich die eigene Technik anders an, als sie in Wahrheit aussieht und Videos bringen dann Lichtblicke für den Sportler. Außerdem kann man propriozeptive Übungen, also Übungen zur Schulung der Eigenwahrnehmung einsetzen. Eigenwahrnehmung bezieht sich hier im Wesentlichen darauf, zu fühlen, welchen Hüftstreckwinkel und welche Beckenhaltung man gerade hat. Da gibt es z.B. Donkey Kicks https://cdn.shopify.com/s/files/1/0616/2405/files/donkey-kicks.jpg?4276, die man aber auch ohne Widerstand ausführen kann https://youtu.be/G9mCY-4-Lpg?t=23s. Für einen trainierten Leichtathlen dürfte diese Übung kaum zu einem Muskeltraining führen, aber sie gibt die Möglichkeit, ein Gefühl für die richtige Hüft- und Rückenstreckung zu entwicklen. Weiterhin kann man üben, Kniehebeläuf ohne Krümmung der Lendenwirbelsäule und Rückwärtskippung des Beckens auszuführen, anfangs vor dem Spiegel auf der Stelle. (Zwei rollbare Spiegel ermöglichen ein Betrachten von der Seite bei Blick nach vorn). Übungen wie Sprungläufe, einbeinige Sprungläufe (z.B. auf Rasen) oder Kugelschocken unterstützen eine Ganzkörperstreckung (u Rücken, Hüftgelenk). Im Gegensatz zu vielen Laufseiten sind nicht schwache Gesäßmuskeln die Ursache. Diese kontrahieren im Hinterstütz nicht mehr, weil sie mit zunehmender Hüftstreckung eine immer stärker werdende Außenrotationswirkung bekommen. Sie sind nur bis in den Mittelstütz aktiv. Die rückseitigen Oberschenkelmuskeln strecken das Hüftgelenk. Im Ausdauerlauf wird eine Muskelschwäche selten die Ursache für Technikfehler sein, da das submaximale Tempo die Muskeln zunächst nicht ausbelastet. Aber selbst im Sprint ist das Kraftansatz seltenst eine Lösung für Technikfehler.


RE: Exzentrisches Krafttraining - Rolli - 13.07.2015

Auf die Idee kam ich als ich ein paar Studien über die Behandlung der Achilles durchgeblättert hatte.

Eine exzentrische Bewegung/Übung benötigt um bis zu 40% mehr Belastung um gleiche Kraftgewinne zu erzielen. Wenn wir die Standardübungen wie Sprüngläufe, Einbeinsprünge oder Treppenübungen durchführen, sprechen wir hauptsächlich die konzentrische Kraft. Das führt zu Muskelhypertrophie und Verkürzung der Muskelfaser. So was kann vielleicht im Sprint vom Vorteil sein, wo die verkürzte Muskulatur verantwortlich für schnelle Bewegung, mehr Vorteile bringen könnte. Bei der Mittelstrecke dagegen, verursacht das zu schwache Streckung der Hüfte und zu schwachen Abdruck.

Ich werde nun verstärkt die Hüftstellung beobachten, obwohl ich da bis jetzt keine Abweichung feststellen konnte. Auch das mit der Videoanalyse ist ein guter Vorschlag... werden wir machen (im T-Lager)

Was ich bis jetzt sehen kann, ist zu stark betonte Frontmechanics, der Kniehub, der sich nicht positiv auf die Länge des Schrittes auswirkt. Deswegen die Idee: längre Muskelfaser = bessere Streckung nach hinten und gleichzeitig weitere Bewegung des Schwungbeines in der Flugphase.


RE: Exzentrisches Krafttraining - icheinfachma - 13.07.2015

Durch Krafttraining kann sich die funktionelle Muskellänge verkürzen, nicht aber die absolute. Exzentrisches Krafttraining hat mit der Muskellänge nichts zu tun. Die funktionelle Muskellänge entwicklelt sich in den Längenverhältnissen, die beim Training am stärksten beeinflusst wurden. Die zu betonten Frontside-Mechanics decken sich mit meiner Hypothese einer postrioren (rückwärtsgekippten) Beckenstellung: Viele Läufer versuchen, einen hohen Kniehub zu erzwingen, indem sie ihr Becken nach vorn schieben und dabei rückwärts kippen. Das ist in Technikproblem und hat nichts mit Muskellängen zu tun. Und Sprungkrafttrianing führt nebenbei bemerkt nicht zu einer nennenswerten Hypertrophie, oder wie sehen denn deine Mittelstreckler aus??? Hier fehlt es an fundamentalen Kenntnissen im Bereich Sportmedizin und an Erfahrung im Bereich Lauftechnik.


RE: Exzentrisches Krafttraining - Rolli - 13.07.2015

OK, danke für den Hinweis. Ich meinte natürlich die funktionelle Länge. Obwohl ob der Anzahl der Sarkomere durch ein exzentrisches Krafttraining nicht ansteigern soll, ist immer noch strittig.

Naja... ich habe die Gruppe erst vor kurzen gebildet und muss mit "Technikfehlern" (vor allem Fußballtraining... sitzende, unkoordinierte Stil... von Oberkörperarbeit ganz zu schweigen) korrigieren.


RE: Exzentrisches Krafttraining - KatiAshoff - 21.07.2015

(12.07.2015, 17:34)icheinfachma schrieb: Vermutlich gibt es deswegen keine Erfahrungen, weil es noch niemand ausprobiert hat und das wiederum, weil es keinen logischen Zusammenhang gibt, warum exzentrisches Krafttraining die Lauftechnik verbessern sollte.

Ich sehe das genauso!

Oder kannst du was anderes vorweisen?


RE: Exzentrisches Krafttraining - TranceNation 2k14 - 07.08.2015

Habe das Thema jetzt erst gesehen. Meine Erfahrungen basieren auf keinem wissenschaftlichen Hintergrund, sondern auf trial & error.

Ich (800 m/400 m Hürden) mache zum seit einem (inzwischen auskurierten) Patellaspitzensyndrom exz. Training für die Beinstrecker (http://www.eccentrictraining.com/4.html), ganzjährig täglich (außer in distinkten Regenerationsphasen). Dadurch habe ich das Patellaspitzensyndrom links behoben und führe es nun als Prävention weiter.

In den Aufbauphasen mache ich konzentrisches Krafttraining für die Beinmuskelgruppen im Kraftausdauerbereich. Für die ischiokurale Muskulatur steige ich dann bereits vor der Wettkampfphase dauerhaft auf exz. Training um (Russian legcurls). Meiner Erfahrung nach ermöglicht dies schnellere Ausführung der Konzentrik sowie eine geringe Verletzungsanfälligkeit (!), da der Beuger an Maximallasten im Endpunktbereich gewöhnt wird - zumindest hatte ich bisher nie eine Beugerverletzung Wink Wichtig hierfür ist aber eine solide konzentrische Basis und natürlich hohe Stabilität im unteren Rücken.

In der Hauptwettkampfphase (1-2x ca. 4 Wochen) trainiere ich dann auch Glutaeus exzentrisch (exz. einbeiniges Kreuzheben). Meiner Erfahrung nach verbessert dies (gefühlt!) tatsächlich den Sprintschritt, da in der max. Beschleunigung raumgreifender gearbeitet wird. Allerdings denke ich nicht, dass dies durch die Dehnung dauerhaft erzeugt wird, sondern durch die Spannung des Trainings. Der Effekt ist nämlich am Tag nach dem Krafttraining am größten.

Wenn du weitere Fragen dazu hast, stell sie gerne.

Viele Grüße