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RE: Wunderkinder - Gertrud - 23.01.2018

(23.01.2018, 11:27)Jo498 schrieb: Oder im Mehrkampf hatten sie zwar einzelne Supertalente, aber die eigentlich zu erwartende Breite in der Spitze kaum. Deutschland hatte meistens mehr Top10 Mehrkämpfer bei WM/OS als die USA.

Genau das ist die USA-Sichtweise: Amerika first, not second or third!!! Es ist so. Es ist doch ein Trugschluss, dass aus einer größeren Breite immer mehr Spitzenleute herauskommen müssen. Manchmal braucht man nur die eine Atletin oder den einen Athleten. Knallhart ausgedrückt: Das "Füllmaterial" findet in der US-Sicht keine Gnade.

Deshalb halte ich es hier für so sehr wichtig, dass die Talente bei unterschiedlichen Trainern untergebracht werden. Der DLV macht genau das Gegenteil. Er bringt z.B. die Mehrkampftalente möglichst DLV-kompatibel "teammäßig" unter. Querdenker/innen werden trotz besseren Könnens von der Verteilung ausgeschlossen. Um eine nach Können - einschließlich vor allem der gesunden Kriterien - aufgeteilte "Zuteilung" vorzunehmen, muss man ... ganz einfach denken können und die subjektiven Ansichten unberücksichtigt lassen.  Wink ‌   

Gertrud


RE: Wunderkinder - RalfM - 25.01.2018

(23.01.2018, 08:55)jonas schrieb: Auch wenn das natürlich eine Ausnahme und frühes Verheizen in so einem Fall eher die Regel ist, finde Dich es allemal in diesem Thread erwähnenswert.
Das ist ein schönes Beispiel, danke, und es zeigt natürlich auch ein Wahrnehmungsproblem auf. Es gibt zu jeder Zeit immer nur eine eng begrenzte Zahl großer Medaillen, um die wenige sich streiten. Vorher gab es neben denen noch sehr sehr viel mehr potentielle Anwärter/innen auf nationale und internationale Erfolge, von denen aber naturgemäß nur wenige wirklich dieses Ziel erreichen können. Das hat gar nichts mit mit Verheizen zu tun, sondern mit der Endlichkeit an Plätzen im Fokus der Sportöffentlichkeit. Und mit vielen anderen Gründen der Lebenswirklichkeit.

Ich bestreite nicht, dass junge Leichtathleten schon "verheizt" wurden und vielleicht werden, aber da reden wir über die Wenigen, nicht die Vielen.


RE: Wunderkinder - Jo498 - 25.01.2018

Es geht beim typischen Wunderkind-Verheizen aber nicht nur um die statistische Tatsache, dass natürlich nicht alle, die in der Jugend gut sind, sich so steigern können, dass sie als Aktive ganz vorne mitlaufen. Sondern schon um Fälle von außerordentlichen Leistungen, typischerweise nationale Altersklassenrekorde im relativ jungen (13-16) Teenageralter oder auch nationale Spitze, Teilnahme bei EM/WM/OS mit 16-18, denen dann nichts entsprechendes mehr folgt. Das Niveau wird nicht einmal gehalten oder es folgt ein baldiges Karriereende, entweder durch Verletzungen oder aus Frust.
Etliche Beispiele wurden weiter oben ja schon genannt, z.B. Mary Cain mit HS/Junior US Rekorden von 800-5000m im Teenageralter, WM-Finalistin (1500m) als 17jährige 2013, aber seit 2014 keine BL mehr annähernd erreicht oder gar verbessert.
https://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Cain_(athlete)


RE: Wunderkinder - dominikk85 - 25.01.2018

Es gibt in den usa aber auch keine Berufs Leichtathleten, es sei denn man gewinnt Medaillen, oder hat Sponsoren. So was wie das man als 15. In der Welt bei der polizei angestellt ist um sport zu machen gibt es da nicht, entweder du gewinnst medaillen, oder deine Karriere ist nach dem College vorbei, es sei denn du hast Sponsoren die dich finanzieren.

dadurch verschieben sich die Karrieren dort nach vorne, mit 14-15 beginnt das rennen um die college plätze und für die meisten ist nach der High school schluss.

eine mary cain mit 15 hat nicht daran gedacht wo sie mit 24 steht, sondern wo sie das beste college stipendium mit 18 bekommt.

diese tickende uhr bis zum college bestimmt da alles, da geht es nicht um langfristigen aufbau, sondern um schnelle “gains“ und möglichst hart zu trainieren um schnell so stark wie möglich zu werden.


RE: Wunderkinder - Atanvarno - 26.01.2018

(25.01.2018, 23:57)dominikk85 schrieb: eine mary cain mit 15 hat nicht daran gedacht wo sie mit 24 steht, sondern wo sie das beste college stipendium mit 18 bekommt.

Mary Cain ist nie in der NCAA gestartet, sondern hat noch als Highschool-Athletin einen Profivertrag mit Nike unterschrieben.


RE: Wunderkinder - Jo498 - 26.01.2018

Bestätigt doch beides nur den Punkt, dass höhere Anreize sowohl sehr gute Leistungen in frühem Alter befördern als auch die Gefahr des Verheizens. Da ist zweitrangig, ob man indirekte Vorteile durch ein Stipendium erhalten kann oder direkte durch einen Profivertrag.
Was man sich in D fragen muss, ist m.E. erstens, wie man es schafft, ein weiteres Netz auszuwerfen, anhand des desolaten Schulsports und der überwältigenden Konkurrenz nicht nur durch die etablierten wie Fußball, sondern auch durch jedes Jahr neu auftauchende Randsportarten. (Neulich habe ich tatsächlich etwas über so einen "Biathlonverschnitt" mit Bahnläufen und irgendeiner Geschicklichkeitsübung gelesen, leider den Begriff wieder vergessen. Es wurde damit geworben, dass man schnell an die deutsche Spitze kommen kann, weil der Sport so neu ist... Thumb_down ‌Deutsche Spitze im Ostfriesendreikampf...).
Zweitens wie man Leute in der Jugend bei der Stange hält, ohne sie zu verheizen. Drittens wie man den hier anscheinend oft schwierigen Übergang in die Ü20, also nach Beginn von Ausbildung/Studium besser organisieren kann. Denn diese Vereinbarkeit funktioniert in den USA anscheinend ziemlich gut, auch wenn dort freilich wieder die Gefahr besteht, dass die Colleges möglichst viel aus den 18-22jährigen rausholen wollen, obwohl auch in dem Alter vielleicht noch eine sanftere Entwicklung förderlich wäre.


RE: Wunderkinder - JoelH - 26.01.2018

(26.01.2018, 09:59)Jo498 schrieb:  Denn diese Vereinbarkeit funktioniert in den USA anscheinend ziemlich gut, auch wenn dort freilich wieder die Gefahr besteht, dass die Colleges möglichst viel aus den 18-22jährigen rausholen wollen, obwohl auch in dem Alter vielleicht noch eine sanftere Entwicklung förderlich wäre.
Das Ausbildungssystem ist in den USA ein ganz anderes. Für viele ist ein Sportstipendium die einzige Möglichkeit ein College überhaupt finanziert zu bekommen. Des Weiteren werden gerade an den großen Unis viele kleine Sportarten durch ihre Football und/oder Basketball Abteilungen quasi quersubventioniert.

Des Weiteren sind die Kinder von morgens bis Abends in der High School und dort sehr oft in einer Sportmannschaft unterwegs, wen sie sich nicht eher fürs künstlichere Fach interessieren. Meine Tochter hat ein Auslandsjahr dort gemacht, sie war dann im Winter in der Volleyballmannschaft aktiv und im Frühjahr/Sommer sollte es Basketball oder Softball werden, aber sie hat sich dann doch für die Theatergruppe entschieden, da sie mittlerweile in dieser Gruppe mehrere Freunde hatte.

Sowas gibt es in Deutschland schlicht nicht, durch das Vereinssystem sind die Schulen da praktisch komplett raus genommen, aber da Vereine eben nicht oder nur selten kontinuierlich Nachmittags Sport anbieten können funktioniert das so nicht.

Meine Tochter findet das übrigens sehr schade und in diesem speziellen Segment das USA-System deutlich besser, ohne selbst irgendwie Leistungsmäßig unterwegs zu sein, aber da ist man eben in der Breite sehr gut aufgestellt und dadurch finden sich auch viel leichter die Juwelen.


RE: Wunderkinder - Atanvarno - 26.01.2018

(26.01.2018, 09:59)Jo498 schrieb: Bestätigt doch beides nur den Punkt, dass höhere Anreize sowohl sehr gute Leistungen in frühem Alter befördern als auch die Gefahr des Verheizens. Da ist zweitrangig, ob man indirekte Vorteile durch ein Stipendium erhalten kann oder direkte durch einen Profivertrag.

Cains Vater ist Arzt. Ich glaube nicht, dass finanzielle Erwägungen vorrangig waren bei ihrer frühen Leistungsausprägung. Sie war halt einfach sehr früh unglaublich gut und man ist nach dem Motto "Schmiede das Eisen solange es heiß ist" vorgegangen.

Man darf auch darüber spekulieren, ob der psychische Druck, die nächste Mary Decker werden zu müssen, nicht negativer gewirkt hat, als ein überzogenes Training.


RE: Wunderkinder - Jo498 - 26.01.2018

Die Anreize sind ja nicht nur finanziell. Aber durch die hohen (auch finanziellen) Anreize entsteht eben eine Kultur, die generell das Eisen schmieden muss, solange es heiß ist, würde ich behaupten. Hinterher ist man immer schlauer und man weiß oft nicht, woran etwas gelegen hat und was genau, man anders hätte manchen sollen. Mit 17 in einem WM-Finale ist ja auch nicht schlecht (es ist allemal besser als ein Jugendrekord mit 15, der nur regional interessant ist). Eine Leistung wird nicht schlechter dadurch, dass man sich irgendwann nicht mehr steigern kann. Nur hatte man natürlich bei derartigen Rekordleistungen mit 15-17 die nicht unberechtigte Hoffnung, dass solche Athleten im Aktivenalter jahrelang ganz vorne mitlaufen und angesichts dessen ist es eben enttäuschend. Wenn Alina Reh 2016 nach dem Ermüdungsbruch aufgehört hätte (was sie nach einem Interview neulich damals anscheinend überlegt hat) wären wir auch enttäuscht, dass nach herausragenden u18 und u20-Leistungen nichts mehr gekommen ist.
Man kann den Erwartungsdruck auch nur schlecht abschalten. Wenn der jüngste Ingebrigtsen nicht als Aktiver vorne in der Weltklasse mitlaufen wird, wäre das natürlich eine Enttäuschung. Wie sollte es nicht?


RE: Wunderkinder - Atanvarno - 08.02.2018

Auf letsrun gibt es zwei Interviews mit den Wunderkindern Mary Cain und Katelyn Tuohy
Q&A: Mary Cain on The Injury That Kept Her Out in 2017 & Her 2018 Plans, Plus Katelyn Tuohy Talks About Her Incredible XC Season, Her Millrose Defeat & Managing Expectations

Cain ist nach einer Stressfraktur zurück im Training und will 2018 wieder Wettkämpfe bestreiten.