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Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - Druckversion

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RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - TranceNation 2k14 - 22.07.2024

@Frontrunner800:

Achja, vergötter doch alles, was ein Coe mal gesagt hat, oder befass dich mal differenziert.
Hier ein Anstoß für letzteres, aber solltest du eigentlich kennen (ist ja schon 22 Jahre alt...)

Official Journal of the British Milers’ Club 3(14), 2002, 1-4

Widerleg bitte gerne stichhaltig!


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - OldSchoolRunner - 22.07.2024

(22.07.2024, 13:53)TranceNation 2k14 schrieb: @Frontrunner800:

Achja, vergötter doch alles, was ein Coe mal gesagt hat, oder befass dich mal differenziert.
Hier ein Anstoß für letzteres, aber solltest du eigentlich kennen (ist ja schon 22 Jahre alt...)

Official Journal of the British Milers’ Club 3(14), 2002, 1-4

Widerleg bitte gerne stichhaltig!

habe den Artikel nur schnell überflogen, aber wie kamst Du dann ursprünglich auf eine 55,2 als Zielzeit für die ersten 400m für Keely Hodgkinson? Wenn man statt 1,8 Sekunden (wie bei den besten Männern) grob 2 Sekunden dazugibt, wären das 55,2 +57,2= 1:52,4 gewesen, also 0,9 Sekunden schneller als der WR. Das scheint mir doch arg übertrieben.


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - TranceNation 2k14 - 22.07.2024

Sehr richtig @OldSchoolRunner. Bei der Prendergast-Formel kam ich vorhin auf 55 Mitte, das sollte ok sein. Die 55.2 heute früh waren der rabiate Morgenkaffee-Approach die Differenz zum WR einfach auf die erste Hälfte zu nehmen und nicht zu sterben. Klappt über 400 besser als über 800 Wink Ich hätte nicht gedacht, dass sich doch nochmal eine sinnvolle Diskussion zur Energiebereitstellung über 800 ergibt...


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - TranceNation 2k14 - 22.07.2024

800 m sind vermutlich die energetisch komplexeste Disziplin. Daher ist es witzig, sie mit dem lapidaren Zitat eines Trainers von vor ca. 40 Jahren entschlüsseln zu wollen.

Einerseits sind hier verschiede Typen zu berücksichtigen, die jeder andere Stärken in den System haben. Andererseits gilt es den Synergismus der 3 relevanten Regenerierungssysteme zu maximieren.

Ich empfehle hier noch die Arbeiten von Spencer & Gastin (https://journals.lww.com/acsm-msse/fulltext/2001/01000/energy_system_contribution_during_200__to_1500_m.24.aspx) und Baker (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1155/2010/905612). Hier wird sehr schnell deutlich, welche Systeme bei der Strecke am wichtigsten sind und insb. bei Baker wann absolut am meisten Energie zur Verfügung steht. Natürlich ist es sinnvoll, dann am meisten zu arbeiten (= am meisten Strecke zurückzulegen...), wenn am meisten ATP zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich sehr schnell, dass even pace bei 800 m ziemlicher Bullshit ist, wenn es an Rekorde geht. Allerdings ist Baker insgesamt mit Vorsicht zu genießen, da er noch ein paar abenteuerliche Ansichten zu Laktat und Pufferung hat (die er in anderen Arbeiten näher ausführt, ich aber lieber nicht zitiere).


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - frontrunner800 - 22.07.2024

Conclusio:
Hodgkinson sollte bei einem Weltrekordversuch die erste Runde knapp unter 56 angehen und dann das Tempo so gut wie möglich halten.
Für einen erreichbaren Weltrekord ist ihre 400 m Zeit nicht superschnell. Wie schon zurecht gesagt, ist die Schonzeit zu beachten. Bei einer 55,5 oder gar noch einen Tick schneller, wird sie das Tempo auf den letzten 200 m nicht halten können. Eine Schonzeit von nur 3,5 ist brutal und kann meist nur von 800 m / 1500 m Typen gestanden werden (was Hodgkinson nicht ist).

Die Aussagen von Peter Coe sind natürlich auch noch heute von großer Bedeutung, er hat in den mittleren Achtzigern intensiv mit dem amerikanischen Physiologen Dr. David Martin zusammengearbeitet.


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - TranceNation 2k14 - 22.07.2024

Dir ist aber schon klar, dass die Schonzeit 4 Sekunden wäre (PB 51.61)? Und wir wissen wie so oft bei Nebenstrecken nicht, ob das wirklich max ist. Leider finde ich keine 200 m PB von ihr. Aber selbst konservativ mit 24.0 errechnet sich 55.4 als erste Runde, mit 23.5 sogar eine tiefe 54 (wie schon geschrieben zuviel des Guten). Natürlich ist das Theorie. Aber Prendergast liefert eine Schlussfolgerung basierend auf epidemiologischen UND physiologischen Argumenten, fernab deines hinreichendend widerlegten Even Pace Wirrwarrs. Noch grauer wird die Theorie mit den einzelnen Energiesystemen, da müssten wir schon ihre Mitochondrien persönlich fragen. Aber metabolisch ist es bei 800 sinnvoller eher von einem zu positiven als zu gleichmäßigem Split auszugehen.


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - Notalp - 22.07.2024

(22.07.2024, 18:05)frontrunner800 schrieb: Conclusio:
Hodgkinson sollte bei einem Weltrekordversuch die erste Runde knapp unter 56 angehen und dann das Tempo so gut wie möglich halten.
Für einen erreichbaren Weltrekord ist ihre 400 m Zeit nicht superschnell. Wie schon zurecht gesagt, ist die Schonzeit zu beachten. Bei einer 55,5 oder gar noch einen Tick schneller, wird sie das Tempo auf den letzten 200 m nicht halten können. Eine Schonzeit von nur 3,5 ist brutal und kann meist nur von 800 m / 1500 m Typen gestanden werden (was Hodgkinson nicht ist).

Die Aussagen von Peter Coe sind natürlich auch noch heute von großer Bedeutung, er hat in den mittleren Achtzigern intensiv mit dem amerikanischen Physiologen Dr. David Martin zusammengearbeitet.

Diesbezüglich ist es interessant, sich zwei Typen näher zu betrachten.

Coe lief bei seinem Weltrekord mit einer Bestzeit von 46,87 die erste Runde in ca. 49,6 durch ( hinter Konchellah). Das entspricht einer Schonzeit von 2,73 sek. ! Die zweite Runde  lief er in ca. 52 sek - wobei er die dritten 200m in 25,3 und die letzten 200 in 26,7 absolvierte. Er konnte das Tempo letztlich also nicht halten. Die Spitze hatte er bei 500m genommen.

Rudisha leistete sich nach User ‘Laktat’ eine Schonzeit von 3,74 sek. (Sofern  man seine Bestzeit über 400 nicht aus 2010, sondern aus 2013 nimmt, kommt man auf eine Schonzeit von 4,13sek) Was die Rennverläufe betrifft, zeigen sich jedoch interessante Ähnlichkeiten. Nach seiner Durchgangszeit von 49,28 (von der Spitze) entfernte sich Rudisha bei ca. 500m von seinen Gegnern. Für die dritten 200m brauchte er 25,02 und legte die letzten 200m in ca.  26,6 sek zurück. Er konnte sein Tempo am Schluss ebenfalls nicht halten - aber die Konkurrenz war bereits ‘abgefault’. Die zweite Runde lief er in  51,62. Coe hatte also eine Differenz zw. Runde Eins und Zwei von 2,4 sek, während sie bei Rudisha 2,32 sek betrug.

Wer wollte nun behaupten, dass Coes Vater gänzlich falsch lag. Trotzdem glaube ich, dass der Typ ‘Rudisha’ die besseren Voraussetzungen hätte, um noch eine kleine Schippe draufzulegen.


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - dominikk85 - 22.07.2024

(22.07.2024, 10:26)OldSchoolRunner schrieb:
(22.07.2024, 09:51)Laktat1901 schrieb:
(22.07.2024, 09:38)frontrunner800 schrieb:
(22.07.2024, 07:30)frontrunner800 schrieb:
(22.07.2024, 06:43)TranceNation 2k14 schrieb: Wäre sie mal 55,2 angegangen...

Schon wieder der ...

NEIN, das wäre zu schnell und hintenraus würde sie vermutlich das Tempo nicht halten können.

Wie schon mehrfach geschrieben, ideal sind zwei ähnlich schnelle Runden, so, wie es der Vater von Sebastian Coe, Peter Coe, bereits in den Neunzigern in dem Buch "Winning Running" S. 121/122 formuliert hat.

Edit:

Ich zitiere Peter Coe:
"The obvious is all to often stated – that even-pace running is the most efficient. If it is difficult to achieve when training it is even harder with all the problems encountered when racing."

Also:
Auch auf den 800 m ist Even-Pace Running das theoretische Ideal. Quasi die Bottom Line, der man sich   in der Renngestaltung möglichst dicht annäheren sollte. Natürlich geübt im Training durch entsprechende Programme.

Theorie und Praxis sind halt zwei paar Schuhe. Und die Praxis sagt halt was anderes, aber was sind schon Fakten Wert …
Ich würde Dir da nicht recht geben.
Die Praxis hat in den vergangenen Jahrzehnten auch schon hunderte Rennen z.B. über 800m der Männer gesehen, die mit 50s über die ersten 400m angegangen wurden. Oft endeten diese Rennen dann nur mit einer Endzeit von 1:45. Du würdest mir wohl zustimmen, dass eine Aufteilung 50+55 nicht optimal sein kann.
Selten gab es Rennen, die nach einer 50er-Runde mit 1:43 endeten. Sind 50+53 ideal? Und wenn ja, warum ist eine Differenz von 3 Sekunden ideal, obwohl auf den ersten 100m nochmal mind. 0,5 Sekunden wegen des Starts verloren gehen? Warum nicht 2 Sekunden Differenz? Kannst Du das vielleicht doch mal theoretisch untermauern?
Denn: wie oben geschrieben, gibt Dir die Praxis aus meiner Sicht nicht recht, wenn es bei 5% der Fälle klappt, bei 95% aber nicht.
Außerdem: Wie groß ist der Unterschied in der Energiebereitstellung zwischen 800m und 1500m? Wie viele Weltrekorde über 1500m wurden gelaufen, bei denen die erste Hälfte prozentual so viel schneller war als die zweite Hälfte?

Das schlechte Rennen eher einen hoch positiven split haben ist sicher so. Wer plus 5 Sekunden in der 2. Runde läuft hat natürlich in der Regel kein gutes Rennen.

Allerdings liegt es auch in der Natur der Sache das sich die 800m auf den letzten 200m entscheiden.


Das bedeutet das wohl in der Tat die Rennen mit "nur" 2-3 Sekunden split Unterschied besser sind, aber da ist auch ein gewisser survivorship Bias drin.

Sprich es gibt viel mehr Rennen mit top 400m split als mit top 800m Zeit, sprich viele versuchen es, aber nur wenige die sie klasse und absolute top Form haben kommen durch.


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - lor-olli - 23.07.2024

Nur mal eine Randbemerkung: Even Pace bedeutet NICHT zwei gleich schnelle 400 m Runden! Die Erste erfolgt mit Start, die Zweite erfolgt fliegend …

Das ist zwar jedem hier bekannt, wird in der Diskussion aber manchmal schlicht übersehen. Kann man auch gut erkennen, wenn man sich die 800 m man nicht in Runden, sondern in 100 m Abschnitten anschaut.

Die physiologische Effizienz mag even pace theoretisch passen, in der Praxis nicht, nicht einmal, wenn der Athlet allein läuft (z.B. mit wave-lights) und ohne störende Konkurrenten. (Zumal dann der Windschatten fehlt, bei ca. 28 km/h nicht zu vernachlässigen!)


RE: Wird Keely Hodgkinson den 800 Weltrekord brechen - Notalp - 23.07.2024

Ich bezweifle, dass diese Differenz von wesentlicher Bedeutung ist.  Bei der Betrachtung von 800m Läufen und des Tempos sollte man die schnellen ersten 200m nicht unterschätzen. Bei dem Start in Bahnen pendelt sich - etwa im Gegensatz zum 1500m-Start - das Tempo nicht schon nach 70-80m ein, sondern eigentlich erst bei 120m (oder noch später) Das Tempo bei 200m wird also durch das Anfangstempo wesentlich mitbestimmt. Bei der Beobachtung des Rudisha-Rekordes etwa hatte ich den Eindruck, dass die 200m bei 24sek oder sogar schneller absolviert wurden. So dass sich sagen lässt, dass man bei einer 49er Durchgangszeit nicht wirklich diesen Speed hat. So betrachtet wird die  These von einer gleichmäßigen Renngestaltung gewissermaßen durch den Blick auf den Tempoverlauf zwischen 200m und 800m bestimmt. Wobei es selbstverständlich zu einer Tempoeinbuße kommt. Und zwar eine, die im Blick auf die Weltrekordläufe am Ende überraschend drastisch ist.