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Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Druckversion

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RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - MZPTLK - 02.05.2016

Ich bin vorsichtig.
Vom Beobachten einer Trainingsstunde auf das Geamtpaket zu schliessen, hielte ich für ungerecht.
Andererseits kann ich bestätigen, dass es mich mehrere Male jejuckt hatte, dazwischen zu grätschen,
wenn ich Übungen, bzw. bestimmt Ausführungen gesehen hatte, die nmM auf Dauer nicht gut für den hinteren Bereich,
von der AS über die Kniekehle bis zu den OS-Rückseiten sein dürften.
Es wurde auch teilweise zu verkrampft geübt, die Trainer haben dies entweder provoziert oder zumindest nicht konsequent korrigiert.
Das Gesagte gilt allerdings weniger für den Spitzenbereich, aber auch dort wird manchmal 'gesündigt'.

Was aber sicherlich sehr gute Aufschlüsse gibt, ist die unmittelbare Wettkampfvorbereitung der besten 6 oder 10 Leute in Deutschland.


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - icheinfachma - 02.05.2016

Danke für die Informationen.

Du spielst mit "Scharren", "Kratzen" und für die Kniekehle, und Oberschenkelrückseite (und AS - was heißt das?) mutmaßlich schädliche Übungen auf die Sprint-ABC-Übungen wie Quick Legs (nicht Frequenz-Tappings, die Quick Feet, sondern die Übung "einbeinig: Kniehub-Auspendeln-kräftiger Rückschwung gen Boden" für die vordere Schwungphase), das B-Skipping (engl. Bezeichnung für einen lockeren Hopserlauf mit Betonung auf Kniehub, Ausgreifen, kräftiger Rückschwung gen Boden) und vllt. auch Storchenläufe und Schlagläufe an.

Meiner Vermutung nach legen viele Trainer zuviel Gewicht in Vorübungen, wenn es ums Sprinten geht. Die Sprint-ABC-Übungen zu beherrschen, heißt aber noch lange nicht, auch die Sprinttechnik zu können. Ich (und das haben auch schon eine Menge Leute vor mir rausgefunden) finde Technikläufe (submaximale Sprints oder auch Läufe und Steigerungsläufe) als ein geeignetes Mittel, außerdem sehe ich jedes Tempolauf-, Start- und Maximalgeschwindigkeitstraining immer auch als Techniktraining an. Die Vorübungen sind eher zum reinkommen und um ein Gefühl zu bekommen für die Körper-, die Beckenhaltung, den Kniehub, die Arbeit der Beine, den Fußaufsatz etc.

Das Schwierige ist jetzt, dass man, wenn man nicht einfach mit beliebigen ABC-Übungen eine lauf-sprung-spezifische koordinative Grundlage aufbauen will, sondern dann die Technik erlernen will, die richtigen Sprint-ABC-Übungen herauszusuchen, also die, die wirklich das Bewegungsgefühl des Sprintens vermitteln. Und NICHT die, die so aussehen, aber sich ganz anders anfühlen!

Sprinten fühlt sich NICHT wie eine Scharrbewegung an, auch wenn es so aussieht. Sprinten fühlt sich auch NICHT in der vorderen Schwungphase wie ein Kick aus dem Knie an. Demnach, und da gebe ich dir (MZPTLK) vollkommen recht, ist es falsch, Quick legs, B-Skippings so auszuführen. Ebenso bringe Schlagläufe keinen technischen Gewinn. (Schlagläufe lehne ich aber nicht vollkommen ab, dazu dann mehr).
Sprinten fühlt sich auch NICHT wie Anfersen an, demnach ist auch diese Übung nicht geeignet, um die Technik zu lernen. Maximal Anfersen mit gleichzeitigem Kniehub desselben Beines (High Knee Buttkicks oder Unterfersen) können ein Bewegungsgefühl geben, aber mal ehrlich - wer hat schon das Problem, dass er zu wenig anferst?
Sprinten heißt auch NICHT das Becken posterior zu kippen (also den hinteren Beckenteil nach unten und den vorderen Beckenteil nach oben, das Becken schaut also nach oben bzw. es kommt zu einem leichten Rundrücken) und ohne Druck gegen den Boden die Knie zu heben, wie es viele beim Kniehebe-, Storchen-, Schlaglauf und auch anderen Übungen machen. Sondern es heißt, den Körper leicht (etwa 10°, variiert natürlich sehr) nach vorn zu lehnen und zwar mitsamt des Beckens, also der Rücken bleibt gerade und in einer Linie mit dem Becken wie bei einer Kniebeuge und aus dem Kniehub heraus kräftig gegen den Boden zu arbeiten. Insofern muss man auch bei Kniehebeläufen diese Körperhaltung beibehalten. Manche geraten beim Knieheblaufen geradezu in Rückenlage und haben fast gar keinen sichtbaren Hinterstütz mehr. Wer auch Schlagläufe und Storchenläufe dann mit dieser sprintmäßigen KÖrperhaltung beherrscht, hat auch im Sprint keine Probleme mehr, seine Beckenstelung zu kontrollieren. Nach Tom Tellez (Trainer von Carl Lewis) gilt: "The first, most important aspect of good sprinting ist POSTURE." Ohne die richtige Körperhaltung braucht man mit dem Rest garnicht anzufangen. Und wenn die Sprint-ABC-Übungen einen technischen Gewinn haben sollen, dann muss man schon da die richtige Körperhaltung (incl. den richtigen Grad der Beckenkippung) einnehmen.

Sprinten heißt dagegen: mit unglaublich stabiler, sicherer Rumpf- und Beckenhaltung, mit tief gehaltenen Schultern, einer kraftvollen, kontrollieren Armarbeit, die in Längsrichtung stattfindet, zu laufen. Sprinten heißt, "aus der Hüfte heraus" zu laufen, wie es Jakubzcyk beschreibt. Ich würde es eher aus meiner Bewegungserfahrung so beschreiben, dass man aus dem Gesäß heraus das Bein gegen den Boden beschleunigt. Der Unterschenkel greift nicht aus, er pendelt aus und zwar kaum bewusst gesteuert, sondern durch eine Enspanntheit. So wie man bei einem Hammer gegen den Nagel schlägt und durchschlägt und nicht aufsetzt und drückt, so muss man auch beim Sprinten "durchschlagen". Es ist in keinster Weise ein ziehendes Gefühl! Auf seinem umfangreichen Blogg "speedendurance.com" hat der Autor die Meinungen verschiedener Toptrainer zu der Frage zusammen getragen, ob Sprinten sich wie ein "pull" oder wie ein "push" anfühlt. Und alle sind sich einig: Es mag und soll auch wie ein pull aussehen, aber es fühlt sich als push an und ich persönlich bestätige das. Der Unterschenkel folgt den Bewegungen des Oberschnenkels nämlich von alleine, ohne dass man mit dem Fuß kratzen muss. Das zerrt höchstens die Beinbeuger. Und dann muss man verhindern, dass nach Auflösen des Bodenkontaktes die Ferse in drei Meilen Abstand hinterherflattert, sondern dass sie sofort per Kniehub unter das Gesäß gezogen wird. DAs ist auch schon alles, man kann sich im Sprint auch gar nciht auf so vieles konzentrieren, darf es sich auch nicht unnötig kompliziert machen. Es ist so schon schwer genug, die Technik zu erlernen, vor allem bei den Bewegungsgeschwindigkeiten. Insofern führe ich die Quick legs und die Storchenläufe nciht als Kratzbewegung aus, sondern als "Push" aus dem Gesäß heraus mit entspanntem Auspendeln des Unterschenkels, der dann folgt. Die Übungen werden explosiv, aber unverkrampft dadurch. Quick legs auf Asche funtionieren bei mir allerdings nicht, weil der Fuß einfach unter dem Körper durchrutscht. Man braucht eine minimale Belastung auf den Fuß (durch das Körpergewicht), um gegen den Boden arbeiten zu können. Darum ziehen ich Storchenläufe vor. Aber wie gesagt, als Hauptmittel sehe ich Läufe, jedesmal mit zuschauen, jedesmal mit Kamera, damit man sieht, was man eigentlich macht. Ich könnte mir gar nciht vorstellen, ohne Kamera zu trainieren. Bei jedem Sprint, Start, Steigerungslauf benutze ich meine Kamera und spule in der Pause zwischen den Sprints in Normalgeschwindigkeit und in Zeitlupe das Ganze ab, halte das Video auch bei Schlüsselpositionen an, vergleiche rechte und linke Seite auf Assymetrien etc.

Mir ist übrigens, als ich in den letzten Wochen nochmal Trainingsvideos jamaikansicher Sprinter ansah, aufgefallen, dass dort alle Sprint-ABC-Übungen mit exzellenter Körper- und Beckenhaltung, aber vor allem locker ausgeführt werden, also nciht explosiv und schon gar nciht fest oder verkrampft. Trotzdem laufen diese Sprinter alle mit exzellenter Technik. Das Geheimnis liegt nicht in den Vorübungen und in bestimmten sprintunspzefischen Übungen schon gar nciht, sondern in den richtigen "cues" während des Laufens.


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - MZPTLK - 02.05.2016

AS: Achillessehne.
Generell einverstanden.
Ich möchte aber noch auf Andre de Grasse hinweisen.
Wenn der Bursche noch mehr Power(noch jung!) im Einklang mit Lockerheit bringt, macht er Bolt nass.
Und dann wird die ganze Trainergemeinde sein Bewegungsbild predigen.
Und dann werden Einige endlich die Bedeutung der Armarbeit anerkennen.


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 02.05.2016

(02.05.2016, 21:10)icheinfachma schrieb: 'icheinfachma' pid='44938' dateline='1462219854'

Da geht es im Endeffekt richtig ans Eingemachte. Die Hamstringverletzungen sind das Produkt eines falschen Krafttrainings und einer neuronalen Fehlsteuerung bei den Drills und der Übertragung in die Technik. Die eintrainierte "Betonhüfte" provoziert diese Fehler geradezu! Der Gesamtkomplex Becken/ Hüfte wird dann fehlgeleitet. Bemerkenswert fand ich letztens eine Aussage über einen Schwerbehinderten ohne Beine, der trotzdem relativ schnell laufen konnte. Da stellt sich automatisch die Frage nach den "Triebfedern" des Sprints, was Bolt hervorragend demonstriert, wenn man über die richtigen Quellen verfügt.

Wenn man ihre Technikanalysen liest, sollte man als Übungsleiter eigentlich zu richtigen Trainingselementen in Drills und im Krafttraining kommen.

Gertrud


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 02.05.2016

(05.06.2014, 09:08)MZPTLK schrieb: Habe soeben gelesen, dass Stephanie Pähler, vor Jahren eine grosse Sprinthoffnung, nach zwei Achillessehnenrissen wohl aufgehört hat.AngryAngry
Ich hoffe NICHT, dass der oder die Trainer gut schlafen können!

Man muss drei Faktoren nennen, die zu Achillessehnenrissen führen: die individuelle strukturelle Fußdisposition und deren Nichtbeachtung bzw. mangelhafte Korrekturen, unangemessene Trainingselemente und Ernährung.

Gertrud


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 04.05.2016

Ich träume immer davon, dass unsere Athleten verletzungsfrei durchkommen. Garanten dafür sind einmal das Feedback vom Athleten, ausgezeichnete Strukturkenntnise durch Trainer, individuelles und generelles Anpassen des Übungspotentials und Durchforsten traditioneller Trainingsmethoden auf ihre Fehler hin und das Einhalten von Regenerationsphasen und vor allem ein dichtes Netzwerk von Fachleuten zum Nutzen des Individuums.

Wenn man ehrlich ist, haben die meiste Zeit dafür "verrückte" Pensionäre und Rentner, die vollkommen unabhängig, aber immer noch wissbegierig sind. In den USA macht man sich solche Personen zunutze.  Wink Dort kommt es eh´ darauf an, was man kann und nicht, wie alt man ist. Aus meinem Wissensfundus sind sehr viele Verletzungen durch Wissensmangel begründet. 

Ich bin oft erschrocken, wenn ich deutsche Artikel aus dem Leichtathletikbereich von angeblichen Toptrainern in die Hände bekomme und teilweise grottenschlechte Analysen lese. Anhand des Übungspotentials bei einigen Toptrainern ist es aus meiner Sicht sonnenklar, dass es immer wieder trainingsbedingte Verschleißerscheinungen gibt. Es gibt zudem noch Grauzonen; da muss man nicht sonnenklare Fehler zusätzlich produzieren. Das tritt z. B. im Bereich der Hamstrings, der Kniegelenke .... auf.

Wenn ich z. B. zwei Athleten mit denselben Verletzungssymptomen hätte, würde ich sicherlich meine Methoden hinterfragen. Übungen punktgenau und individuell brauchbar zu konzipieren, ist sicherlich nicht einfach. Ich habe das schon bei ganz leichten Anzeichen bei einer Athletin gemacht und im eigenen Netzwerk die Lösung gefunden. Deshalb sind mir aufgesetzte Teams völlig fremd. Was man auch wissen sollte, ist, wann eine Struktur müde und mürbe (sprich: funktionsüberfordert) wird. 

Im Grunde sind Überforderungen durch zu langes Training und zu große Umfänge durch die Psyche begrenzt, wenn der Athlet richtig in sich hineinhorcht. Training bis zur Bewusstlosigkeit ist aus meiner Sich in Schnelligkeits- und Schnellkraftdisziplinen völlig out! Insofern ist man eigentlich in der Hinsicht als Athlet gewappnet, wenn man die Alarmglocken bemerkt und nicht übergeht.

Gertrud


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - MZPTLK - 04.05.2016

Gertrud, ich gebe Dir recht, aber es liegt nicht allein am Wissensmangel.
Wichtig oder noch wichtiger ist die Einstellung zum Athleten und die Kommunikation.


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 05.05.2016

(04.05.2016, 22:13)MZPTLK schrieb: Gertrud, ich gebe Dir recht, aber es liegt nicht allein am Wissensmangel.
Wichtig oder noch wichtiger ist die Einstellung zum Athleten und die Kommunikation.

Natürlich ist auch die Einstellung des Athleten sehr wichtig. Wenn ein Athlet jeden Tag auf die Piste geht, folgen auch Verletzungen. Dann bringt das beste Training nichts. Es gibt natürlich für Verletzungen oft nicht nur einen Grund.

Gertrud


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 09.05.2016

Die Minimierung von Verletzungen geht meistens über den Zuwachs an speziellem Wissen. Da der Sport ein Konglomerat aus vielen Wissenschaften ist, sind die Forschungen so vielfältig und für Trainer ein schier endloses Arbeiten an Fortschritten. Man wird immer etwas klüger und ist eigentlich nie am Ende des Wissens angelangt. Wie könnte es sonst sein, dass verschiedene Anatomen auf einmal neue Strukturen, z. B. einen fünften Anteil des Quadrizeps  "ausgraben" (eigentlich müsste er in Quintus z. B. umbenannt werden), der uns bisher verborgen geblieben ist? Wenn man diese Arbeit nicht als Last, sondern als Gewinn und mit viel Spaß als Trainer betrachtet, ist man auf dem richtigen Weg. 

Ich bin der festen Überzeugung, dass man im Zuge der Wissenserweiterung immer neue Übungen konstruieren kann, die einfach auch mehr Leistung produzieren. Nehmen wir nur mal die Gruppe um Glen Mills! Sie haben andere Akzente muskulär in der Dominanz gesetzt und das Aufwärmprogramm umgestellt. Warum soll es nicht andere kluge Köpfe geben, die weiter verfeinern? 

Letztens habe ich über Gierisch und ihr Piriformis-Syndrom gelesen und dass die Physios sehr gute Arbeit leisten. Ich würde mir wünschen, dass diese Auswirkungen erst gar nicht auftreten. Man sollte immer nach den Ursachen fragen und abstellen. Gravierende strukturelle Verletzungen sind meistens Trainingsfehler in Form nicht adäquater Übungen oder Umfänge.

Gertrud


RE: Langfristig erfolgreiche Trainingsqualität statt langfristige Verletzungsprobleme - Gertrud - 11.05.2016

Sehr viele der traditionellen Kraftübungen aus dem "Muckibereich" sind einfach für die Leichtathletik und den Körper an sich kontraproduktiv, so dass man entweder Abstand nehmen oder modifizieren sollte. An der Spezifik arbeite ich täglich, um den sehr speziellen Anforderungen gerecht zu werden und den Körper adäquat zu fordern und zu unterstützen. Ganz entscheidend ist natürlich, dass die richtigen Bewegungsabläufe präsent sind. Nur dann kann eine punktgenaue Belastungsform gefunden und kreiert werden. Auch werden Gesamtmuskulaturen sehr oft in einen Topf geworfen. Man spricht z. B. immer von Hamstrings, ohne die segmentalen Besonderheiten und die Ortsspezifik näher zu betrachten, was natürlich Auswirkungen auf die Übungskonstruktion hat und somit verletzungsprophylaktisch angelegt werden sollte. Somit entspricht die beidbeinige Kniebeuge z. B. absolut nicht den leichtathletischen Spezifikanforderungen.

Gertrud