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Kinesiotape = Verletzt? - Druckversion

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RE: Kinesiotape = Verletzt? - Prometheus2000 - 26.07.2023

(25.07.2023, 19:47)Chirurg schrieb: Es ist klar, dass man trotz Kinesiotape keine schon bestehende Verletzung bei Montag oder anderen Athleten aus der Ferne unterstellen kann. Trotzdem handelt es sich bei ihr um ein Muskeltape (im Verlauf des M. biceps femoris), dass sie schon bei der DM in Kassel hatte. Festhalten kann man auch, dass es sicher kein Ligament-/Korrektur- oder Lymphtape (also keines der drei anderen Typen von Kinesiotapes ist) ist. Muskeltapes dienen zur Tonisierung oder Detonisierung, auch hier kann man sich relativ sicher sein, dass es bei ihr detonisieren soll. Reine Prophylaxe finde ich nicht schlüssig, bei einer Prophylaxe könnte man sozusagen überspitzt formuliert das halbe Bein bei einem Sportler tapen - das macht in diesem Fall also aus ärztlicher oder physiotherapeutischer Sicht nur Sinn, wenn in der Vergangenheit oder aktuell immer wieder Probleme mit dem Biceps femoris aufgetreten sind. Tapes aus rein psychologischen Gründen zu kleben, kann man machen, dann sollte man aber vielleicht das sportpsychologische Problem dahinter angehen, warum besteht diese Angst sich wieder (oder neu) zu verletzen - eine derartige Angst halte ich für potentiell leistungsmindernd. Es gibt teilweise sehr interessante Gründe warum Leistungsminderungen auftreten - ich kenne Hans-Dieter Hermann (den Psychologen der Dt. Fußballnationalmannschaft) näher, er erzählt häufig in seinen Vorträgen von seinem ersten eigenen Patienten am Sportpsychologischen Institut unter Prof. Eberspächer in Heidelberg: das war ein 400m Läufer - er war sozusagen blockiert, weil er ein gravierendes Problem in seiner Disziplin sah - nach 400m wäre er wieder am Ausgangspunkt angekommen, das würde ihm im Laufe seiner Karriere mittlerweile sinnlos erscheinen...HDH konnte ihm dabei helfen. Um zum Ausgangspunkt des Tapes bei Montag zurückzukommen, konkret verletzt wird sie wahrscheinlich nicht gewesen sein - dann wäre es völliger Wahnsinn sie als betreuender Physiotherapeut oder Arzt starten zu lassen. Ich sehe aber durchaus gute Gründe dafür, aus dem Tape eine Schwachstelle oder ehemalige Verletzungsregion abzuleiten und dann sind wir wieder bei Frau Schäfers vielfachen Mahnungen einer entsprechenden Prophylaxe und Verbesserungen in diesem Denken/Übertragung in die Trainingsinhalte, was ich inhaltlich nur vollkommen unterstützen kann. Ein korrekt angelegtes Tapes führt nicht zu einer Leistungsreduktion, die Betonung liegt aber auf "korrekt angelegt" - gerade in Götzis z.B. bei den österreichischen Mehrkämpfern sind mir die Tapes 2022 und 2023 teilweise sehr negativ aufgefallen. Es gibt sehr gute Bücher und Fortbildungen/Kurse zum Thema Kinesiotaping, vor allem muss man selbstverständlich die Anatomie der Muskeln, Ligamente und Gelenke beachten - da sehe ich bei den österreichischen Mehrkämpfern eindeutig Verbesserungspotential  Wink.

Sorry, wenn man es so hart sagen muss, aber aus Sicht der Evidenz ist ein Kinesio-Tape nur ein lustiges buntes Pflaster mit Placebo-Effekt. Es wird nichts detonisiert, nichts tonisiert, die Farbe ist egal, die Kleberichtung ist egal, es wird nichts stabillisiert oder korrigiert.


RE: Kinesiotape = Verletzt? - TranceNation 2k14 - 26.07.2023

Das sieht die Evidenz etwas anders:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=kinesio+tape+muscle


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Chirurg - 26.07.2023

(26.07.2023, 20:29)Prometheus2000 schrieb:
(25.07.2023, 19:47)Chirurg schrieb: Es ist klar, dass man trotz Kinesiotape keine schon bestehende Verletzung bei Montag oder anderen Athleten aus der Ferne unterstellen kann. Trotzdem handelt es sich bei ihr um ein Muskeltape (im Verlauf des M. biceps femoris), dass sie schon bei der DM in Kassel hatte. Festhalten kann man auch, dass es sicher kein Ligament-/Korrektur- oder Lymphtape (also keines der drei anderen Typen von Kinesiotapes ist) ist. Muskeltapes dienen zur Tonisierung oder Detonisierung, auch hier kann man sich relativ sicher sein, dass es bei ihr detonisieren soll. Reine Prophylaxe finde ich nicht schlüssig, bei einer Prophylaxe könnte man sozusagen überspitzt formuliert das halbe Bein bei einem Sportler tapen - das macht in diesem Fall also aus ärztlicher oder physiotherapeutischer Sicht nur Sinn, wenn in der Vergangenheit oder aktuell immer wieder Probleme mit dem Biceps femoris aufgetreten sind. Tapes aus rein psychologischen Gründen zu kleben, kann man machen, dann sollte man aber vielleicht das sportpsychologische Problem dahinter angehen, warum besteht diese Angst sich wieder (oder neu) zu verletzen - eine derartige Angst halte ich für potentiell leistungsmindernd. Es gibt teilweise sehr interessante Gründe warum Leistungsminderungen auftreten - ich kenne Hans-Dieter Hermann (den Psychologen der Dt. Fußballnationalmannschaft) näher, er erzählt häufig in seinen Vorträgen von seinem ersten eigenen Patienten am Sportpsychologischen Institut unter Prof. Eberspächer in Heidelberg: das war ein 400m Läufer - er war sozusagen blockiert, weil er ein gravierendes Problem in seiner Disziplin sah - nach 400m wäre er wieder am Ausgangspunkt angekommen, das würde ihm im Laufe seiner Karriere mittlerweile sinnlos erscheinen...HDH konnte ihm dabei helfen. Um zum Ausgangspunkt des Tapes bei Montag zurückzukommen, konkret verletzt wird sie wahrscheinlich nicht gewesen sein - dann wäre es völliger Wahnsinn sie als betreuender Physiotherapeut oder Arzt starten zu lassen. Ich sehe aber durchaus gute Gründe dafür, aus dem Tape eine Schwachstelle oder ehemalige Verletzungsregion abzuleiten und dann sind wir wieder bei Frau Schäfers vielfachen Mahnungen einer entsprechenden Prophylaxe und Verbesserungen in diesem Denken/Übertragung in die Trainingsinhalte, was ich inhaltlich nur vollkommen unterstützen kann. Ein korrekt angelegtes Tapes führt nicht zu einer Leistungsreduktion, die Betonung liegt aber auf "korrekt angelegt" - gerade in Götzis z.B. bei den österreichischen Mehrkämpfern sind mir die Tapes 2022 und 2023 teilweise sehr negativ aufgefallen. Es gibt sehr gute Bücher und Fortbildungen/Kurse zum Thema Kinesiotaping, vor allem muss man selbstverständlich die Anatomie der Muskeln, Ligamente und Gelenke beachten - da sehe ich bei den österreichischen Mehrkämpfern eindeutig Verbesserungspotential  Wink.

Sorry, wenn man es so hart sagen muss, aber aus Sicht der Evidenz ist ein Kinesio-Tape nur ein lustiges buntes Pflaster mit Placebo-Effekt. Es wird nichts detonisiert, nichts tonisiert, die Farbe ist egal, die Kleberichtung ist egal, es wird nichts stabillisiert oder korrigiert.

Sorry, derartige Aussagen kommentiere ich wiederum nicht inhaltlich fachlich und empfehle sich mal selber tiefergehend in den Begriff der Evidenz im Allgemeinen und Besonderen einzulesen und zwar nicht nur für den Themenkomplex der Kinesiotapes - wenn deutschsprachige Bücher zu trivial erscheinen mag (gibt es trotzdem sehr gute), sind in der Tat Studien z.B. bei Pubmed (wie im Folge-Kommentar zitiert) dafür gut geeignet...auf Pubmed finden Sie nur so nebenbei auch 45 englischsprachige Publikationen von mir selber zu allerdings ganz anderen Themen...nachdem ich seit über 20 Jahren universitär wissenschaftlich medizinisch arbeite und habilitiert bin, weiß ich ganz sicher wovon ich inhaltlich spreche, wenn ich mich zu einem Thema konkreter äußere. Nur die Bemerkung mit der Farbe stimmt...die ist in der Tat egal - bis darauf, dass derjenige sich mit der verwendeten Farbe wohlfühlen sollte - das ist dann selbstverständlich ein psychologischer und kein physiologischer Effekt. Nicht korrekt angelegte Tapes können auch negative Effekte haben nicht nur bei Sportlern: als Beispiel beidseitige Zwerchfell-Tapes bei Musikern wie Trompetern, wenn Probleme an der Wirbelsäule übersehen werden, sind die kontraproduktiv.


RE: Kinesiotape = Verletzt? - omega - 27.07.2023

Zitat:
Zitat:Nicht korrekt angelegte Tapes können auch negative Effekte haben nicht nur bei Sportlern: als Beispiel beidseitige Zwerchfell-Tapes bei Musikern wie Trompetern, wenn Probleme an der Wirbelsäule übersehen werden, sind die kontraproduktiv.
Kann man ein Zwerchfell so tapen, daß eine axiale Hiatushernie, bspw. bei einem darauf angepaßten Krafttraining unterstützt wird, bzw. daß das Zwerchfell stabilisiert wird ? Inwieweit spielt die Wirbelsäule da mit hinein ?


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Chirurg - 27.07.2023

(27.07.2023, 11:19)omega schrieb: Kann man ein Zwerchfell so tapen, daß eine axiale Hiatushernie, bspw. bei einem darauf angepaßten Krafttraining unterstützt wird, bzw. daß das Zwerchfell stabilisiert wird ? Inwieweit spielt die Wirbelsäule da mit hinein ?
Ein Zwerchfell-Tape wird von der gewünschten Wirkung in aller Regel detonisierend angelegt, weil Sänger/Trompeter da eher aufgrund der Beanspruchung einen erhöhten Tonus haben und dann durch das Tiefertreten des Zwerchfells "tiefer" Luft holen können (> Atemzugvolumen: da müsste ich aber in der Tat auch erst in Pubmed nachsehen, ob es für die Zunahme des Atemzug-Volumens wirklich Evidenz gibt - ich weiß aber, dass z.B. Bläser bei den Münchener Symphonikern das verwenden)...es wird auch tonisierend bei Hiatushernien im Internet beschrieben, aber das finde ich überhaupt nicht schlüssig. Ich war 8 Jahre in der Viszeralchirurgie tätig und bin dann "erst" als Facharzt für Chirurgie in meinem 2. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gewechselt, wo ich mittlerweile seit 13 Jahren klinisch operativ tätig bin. In meiner Assistenzarzt-Zeit in der Chirurgie habe ich im Rahmen von Tierversuchen an Schweinen Hiatushernien künstlich geschaffen und eine neue OP-Technik mit einem Ring zur Beseitigung der Hiatushernie getestet...das war eine klassische Sackgasse Forschungs-technisch...die Natur ist da viel besser, wenn sie denn funktioniert. Hiatushernien haben häufig das Problem des Refluxes von Magensäure in die Speiseröhre und dadurch bedingten möglichen sekundären Meta-/Dysplasien an der Ösophagus-Schleimhaut, klinisch stören sie sonst meist wenig...bei Hiatushernien kenne ich weder eine Studie zum Taping - noch kann ich mir das mechanistisch wirklich vorstellen, dass das funktionieren soll.
Bezüglich der Wirbelsäule ist das Problem, wenn die Segmente inkl. der autochthonen Rückenmuskulatur sehr fest/hyperton sind (also wie praktisch bei jedem von uns > 40 Jahre), dass dann das ventral detonisierende Tape dorsal am Rücken sozusagen auf ein Hinderniss stößt...das kann dann sogar soweit gehen, dass das paravertebrale vegetative Sympathikus-/Parasympathikus-System überreagiert...konkret formuliert: das kann Symptome wie z.B. Schwindel, Übelkeit/Erbrechen induzieren durch die vegetative Wirkung auf den Magen-/Darmtrakt. Es gibt also als praktisches Anwendungsbeispiel bei den Münchener Symphonikern Musiker, die darauf schwören und andere, die das Tape nach kurzer Zeit wieder entfernen, weil ihnen schlichtweg kotzübel wurde - die kann man gleich auf eine Runde zu einem guten Physiotherapeuten für die Wirbelsäule schicken.


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Gertrud - 27.07.2023

(27.07.2023, 18:16)Chirurg schrieb:
(27.07.2023, 11:19)omega schrieb: Kann man ein Zwerchfell so tapen, daß eine axiale Hiatushernie, bspw. bei einem darauf angepaßten Krafttraining unterstützt wird, bzw. daß das Zwerchfell stabilisiert wird ? Inwieweit spielt die Wirbelsäule da mit hinein ?
Ein Zwerchfell-Tape wird von der gewünschten Wirkung in aller Regel detonisierend angelegt, weil Sänger/Trompeter da eher aufgrund der Beanspruchung einen erhöhten Tonus haben und dann durch das Tiefertreten des Zwerchfells "tiefer" Luft holen können (> Atemzugvolumen: da müsste ich aber in der Tat auch erst in Pubmed nachsehen, ob es für die Zunahme des Atemzug-Volumens wirklich Evidenz gibt - ich weiß aber, dass z.B. Bläser bei den Münchener Symphonikern das verwenden)...es wird auch tonisierend bei Hiatushernien im Internet beschrieben, aber das finde ich überhaupt nicht schlüssig. Ich war 8 Jahre in der Viszeralchirurgie tätig und bin dann "erst" als Facharzt für Chirurgie in meinem 2. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gewechselt, wo ich mittlerweile seit 13 Jahren klinisch operativ tätig bin. In meiner Assistenzarzt-Zeit in der Chirurgie habe ich im Rahmen von Tierversuchen an Schweinen Hiatushernien künstlich geschaffen und eine neue OP-Technik mit einem Ring zur Beseitigung der Hiatushernie getestet...das war eine klassische Sackgasse Forschungs-technisch...die Natur ist da viel besser, wenn sie denn funktioniert. Hiatushernien haben häufig das Problem des Refluxes von Magensäure in die Speiseröhre und dadurch bedingten möglichen sekundären Meta-/Dysplasien an der Ösophagus-Schleimhaut, klinisch stören sie sonst meist wenig...bei Hiatushernien kenne ich weder eine Studie zum Taping - noch kann ich mir das mechanistisch wirklich vorstellen, dass das funktionieren soll.
Bezüglich der Wirbelsäule ist das Problem, wenn die Segmente inkl. der autochthonen Rückenmuskulatur sehr fest/hyperton sind (also wie praktisch bei jedem von uns > 40 Jahre), dass dann das ventral detonisierende Tape dorsal am Rücken sozusagen auf ein Hinderniss stößt...das kann dann sogar soweit gehen, dass das paravertebrale vegetative Sympathikus-/Parasympathikus-System überreagiert...konkret formuliert: das kann Symptome wie z.B. Schwindel, Übelkeit/Erbrechen induzieren durch die vegetative Wirkung auf den Magen-/Darmtrakt. Es gibt also als praktisches Anwendungsbeispiel bei den Münchener Symphonikern Musiker, die darauf schwören und andere, die das Tape nach kurzer Zeit wieder entfernen, weil ihnen schlichtweg kotzübel wurde - die kann man gleich auf eine Runde zu einem guten Physiotherapeuten für die Wirbelsäule schicken.

Kann man durch Rollmassage direkt unter der höchsten Stelle des Rippenbogens mit einem kleinen Ball und durch entsprechende Ausatmungsübungen das Zwerchfell auch entspannen, wie es im Netz auch vorgeschlagen wird und damit den Reflux rückgängig machen? Kann sich dadurch eine Hiatusgleithernie zurückbilden? Bei der paraösophagealen Hiatushernie bringt wohl nur eine OP eine gravierende Verbesserung. Habe ich das richtig verstanden?

Sollte man im Alter ein Ausdauertraining betreiben, um die Arbeitsweise des Zwerchfelles in seinen weiten Ausmaßen zu gewährleisten und diesen Hernien bei Verspannung somit entgegentreten? Kommt vor allen Dingen der Ausatmung für die Entspannung eine besondere Bedeutung zu?

Metaplasien/Dysplasien: Ist die Umwandlung einer Zelle bei einer Metaplasie in den viszeralen Bereichen insgesamt und bei Dysplasien nur die Oberfläche betroffen?

Welche Auswirkungen haben ein Valsalvamanöver und das Tragen eines Gewichthebergürtels beim Krafttraining auf das Zwerchfell und eventuell auf die Entstehung einer Hiatushernie?

Auf diesem Niveau stelle ich mir Fortbildungen vor.  WinkThumb_up ‌Ich glaube, dass man nur auf sehr akribische Weise die Karre aus dem Dreck der Verletzungen ziehen kann, indem man das Niveau der TuT enorm anhebt und einfach Spaß hat, neue Dinge einzubringen.

Gertrud


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Chirurg - 27.07.2023

Viele Fragen...ich versuche mal alle schrittweise abzuarbeiten:

1. Entspannung mit Rollmassage mit einem Ball und koordinierte Ausatemsübungen kann ich mir sehr gut vorstellen - das mit dem Tape ist halt einfacher (weil passiv) und mit weniger Aufwand verbunden, aber als Trainerin ist man wahrscheinlich gerne selbst lieber aktiv als passiv tätig...ich habe mir das Tape selber mal auf einem Kurs versuchsweise tapen lassen, unmittelbar nach der Anlage fand ich es zunächst nicht unangenehm - man spürt die Tapes ja insbesondere nach Neuanlage und v.a. wenn man bei Bewegung darauf achtet - aber ich hatte etwas meinen Chirurgen-Muskelhartspann paravertebral unterschätzt...erst dachte ich mit dem Mittagessen könnte vielleicht etwas nicht in Ordnung gewesen sein, nach der Entfernung des Tapes war die latente Übelkeit jedoch zügig wieder weg  Wink

2. Reflux kann mit und ohne Hiatushernie auftreten - klassische Gründe für reinen Reflux sind z.B. Genußmittel wie Alkohol/Nikotin, Kaffee, Süßes/Scharfes und auch zu viel bzw. zu fett bzw. zu spätes Essen - aber auch eine Hiatushernie kann ohne o.g. Gründen zu Reflux führen...die Gründe sind allgemein das Alter (>50, Männer > Frauen, aber auch jüngere Frauen unter der Schwangerschaft), Adipositas, chronische Koprostase, erhöhter intraabdomineller Druck/Pressen (d.h. auch Krafttraining) - eine in Ruhe während einer ÖGD diagnostizierte Hiatushernie ist normalerweise nicht reversibel. Eine paraösophageale Hernie ist gravierender, weil Teile des Magens abklemmen und Blutungen entstehen können (hier würde man, v.a. wenn Beschwerden vorliegen, großzügig zu einer Operation raten)...bei Hiatushernien ohne Beschwerden dagegen nicht, es sei denn endoskopisch liegt eine (Metaplasie) bzw. schon Dysplasie (Erklärung siehe unten) vor

3. Einatmung zu Ausatmung mind. im Verhältnis 1:2, je länger die Ausatmung umso stärker der Dehneffekt auf das Zwerchfell - Ausdauertraining ist gut, insgesamt eigentlich ja in jedem Lebensalter die "gesunde" Mischung aus Kraft/Ausdauer/Koordination nicht nur für das Zwerchfell - ABER: ich habe mal eine Studie im American Journal of Gastroenterology gelesen (Herregods et al. 2016), hier wurden 10 gesunde Athleten untersucht mit einer Sonde in der Speiseröhre während dem Laufen (30min mit 60% max. HF, kurze Pause und nochmal 20min mit 85% max. HF), die sowohl den Druck als auch den pH-Wert gemessen hat...der Verschlussdruck des unteren Ösophagus-Sphinkters sinkt während dem Laufen und der intraabdominelle Druck steigt, kurzum bei 6 Athleten zeigte sich temporär eine axiale Hiatushernie, die allerdings reversibel war...um hier einen Bogen zur LA zu schlagen @ Alina Reh: Psyche/Stress wahrscheinlich mit ein Faktor, aber o.g. wäre auch möglich...

4. Metaplasie im Ösophagus meint, dass sich die Epithelzellen der Oberfläche der Speiseröhre unter dem Einfluss der Magensäure (die aus dem Magen zurückläuft) in Magenepithel umwandeln - der Ösophagus ist normalerweise mit nicht verhorntem Plattenepithel überzogen, der Magen dagegen mit Drüsenepithel in Zylinderform - unter dem Säureeinfluss wandelt sich das Epithel um (= Metaplasie) und ist dann endoskopisch insbesondere mit Farbstoff sehr gut anhand der fingerförmigen Ausläufer im unteren Anteil der Speiseröhre zu erkennen...Dysplasie ist dann schon die nächste Stufe vor der Entwicklung eines Karzinoms, hier sehen die Zellen unter dem Mikroskop des Pathologen nicht mehr so gleichmäßig aus, beginnen sich vermehrt zu teilen usw. (da gibt es klare Kriterien, ob niedrig-gradig oder hochgradig dysplastisch auffällig)...ganz grob, d.h. sozusagen Pi mal Daumen kann man sagen: 10% der Reflux-Patienten entwickeln eine relevante Metaplasie, 10% der Metaplasie-Patienten eine Dysplasie und 10% der Dysplasie-Patienten ein sog. Barrett-Karzinom, das immer von der geschädigten Oberfläche ausgeht und je nach Fortschreiten sich immer mehr in die Tiefe gräbt und in der Maximalvariante dann auch Wandüberschreitend im Wachstum sein kann...bei dauerhaftem Reflux (also nicht nur nach dem Schweinsbraten mit Bier und einem Schoko-Mousse als Nachtisch um 22:00 Uhr) würde ich eine Magenspiegelung (ÖGD) empfehlen, um sich den Befund anzusehen - wenn eine Metaplasie erkennbar ist, würde man endoskopische Kontrollen empfehlen, um rechtzeitig zu erkennen, ob sich eine Dysplasie ausbildet - bei einer Dysplasie muss man engmaschigere Kontrolle machen oder auch (wenn möglich) endoskopisch den Befund abtragen insbesondere je nach Schweregrad. Der Grund, warum nicht jede Hiatushernie operiert wird (und vor allem nicht, wenn asymptomatisch) ist einerseits zwar ein erhöhtes Karzinom-Risiko, aber andererseits eben auch nicht obligat (10% -> 10% -> 10%). Wenn das Zwerchfell zu eng verschlossen wird, hat man zwar keine Hiatushernie mehr, aber kann relevante Schluckstörungen entwickeln - ein extrem nerviges Symptom, wenn etwas nicht mehr gut durchrutscht und dann noch vielleicht ein Druckgefühl in der Herzgegend verursacht...da würde ich selber lieber von Zeit zu Zeit eine Magenspiegelung zur Kontrolle vorziehen, denn außer Nüchternheit benötigt das keine spezielle Vorbereitung (also keine abführenden Maßnahmen wie bei der Darmspiegelung).

4. Valsalva-Manöver führen zu einer intraabdominellen Druckerhöhung und damit potentiell auch zur Ausbildung einer Hiatushernie: wie oft oder wie stark das Valsalva-Manöver sein muss, kann man sicher nicht genau beziffern

Thumb_upWinkSmile ‌ @ Frau Schäfer


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Gertrud - 28.07.2023

(27.07.2023, 22:34)Chirurg schrieb: Viele Fragen...ich versuche mal alle schrittweise abzuarbeiten:
.....

Danke für die unglaublich präzisen Antworten, super - so erhält man von kompetenter Seite vernünftige Antworten!!! Thumb_up

Diese Dreiteilung "Arzt, Physiotherapeut und Trainer mit hevorragenden Kenntnissen an der Schnittstelle Theorie und Praxis" kann ich mir als ein "Wandertrio" im Einsatz bei den Protagonisten vorstellen. Nur ist Arzt nicht gleich Arzt, Physiotherapeut nicht gleich Physiotherapeut und erst recht nicht Trainer gleich Trainer. Man unterscheidet sich im Volumen des punktgenauen Wissens ganz entscheidend. Ein jeder sieht eben dieselbe Welt nicht mit gleichen Augen. Die Kompetenz macht den Unterschied.

Es sollte eine Umerziehung der Trainerschaft auf ein ganz anderes Niveau erfolgen. Dazu gehören profunde anatomische Kenntnisse vor allem in der leichtathletischen Funktion unter individueller Berücksichtigung mit punktgenauen Übungen, die sich stark vom gewichtheberischen Übungspool abheben, weil das Gewichtheben auf engem Raum meistens beidbeinig gleichzeitig bei 100%-Belastung auf die Wirbelsäule mit einem Kraftdefizit der oberen und unteren Extremitäten stattfindet. Der Einsatz rechts - links unterscheidet sich in der strukturellen Form in der LA erheblich und sollte entsprechend bedient werden. Zudem ist das Gewichtheben mehr auf den Quinticeps (Quadrizeps plus TVI) im Gegensatz in der Leichtathletik auf die ischiocrurale Muskulatur ausgerichtet. Die neuronale Ansteuerung differiert stark, die strukturellen Belastungen unterscheiden sich erheblich. Die Hüften im Gewichtheben nenne ich immer "Betonhüften", während die Hüften in der Leichtathletik oszillieren sollen.

Das Fazit der unglaublich vielen Verletzungen und Operationen in der deutschen Leichtathetik ist eigentlich logisch in meiner Vermutung. Die Strukturen werden nicht vernünftig "bedient". Natürlich kommen dazu auch noch andere Faktoren wie Ernährung, Lebensgestaltung: Schlaf, Regeneration, Kleidung, Schuhe... Es sollte eine Wende in der Steuerung von oben und innerhalb der Teams vor Ort erfolgen.

Gertrud


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Gertrud - 28.07.2023

Der Vorteil von Chirurg ist sicherlich, keine "Schmalspur-Medizinerin" zu sein, sondern den orthopädischen und viszeralen Bereich abzudecken und sich dazu noch für die Leichtathletik im Besonderen vor allem in funktioneller Weise zu interessieren. Diese Kombination gibt es nicht sehr häufig. Wir können eine Menge in der Kommunikation lernen. Das ist ein Weg, die Verletzungen in den Griff zu bekommen.  Thumb_up

Gertrud


RE: Kinesiotape = Verletzt? - Chirurg - 28.07.2023

(28.07.2023, 08:04)Gertrud schrieb: Der Vorteil von Chirurg ist sicherlich, keine "Schmalspur-Medizinerin" zu sein, sondern den orthopädischen und viszeralen Bereich abzudecken und sich dazu noch für die Leichtathletik im Besonderen vor allem in funktioneller Weise zu interessieren. Diese Kombination gibt es nicht sehr häufig. Wir können eine Menge in der Kommunikation lernen. Das ist ein Weg, die Verletzungen in den Griff zu bekommen.  Thumb_up

Gertrud
Smile ‌ ‌ Thumb_up ‌ ‌ Danke