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Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Druckversion

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RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Gertrud - 22.07.2017

(21.07.2017, 14:53)icheinfachma schrieb:
Zitat:Es geht im Mentaltraining nicht nur um TEambuilding, sondern auch um Techniktraining und Konzentrationslenkung. Und außerdem - hast du es ausprobiert oder dich mit den Erfahrungsberichten von Athleten auseinandergesetzt? Offensichtlich nicht.

Es geht doch primär um die individuelle Leistung, also auch um die individuelle Förderung und z.B. die individuellen Versagensängste. Der Punkt der Teambildung wird meines Erachtens im DLV ziemlich überstrapaziert. In Rio hat die Teambildung nichts gebracht, höchstens das schlechte Ergebnis im Endeffekt zu verkraften. Es geht dem DLV vornehmlich um Rekrutierung ihrer DLV-Trainer. Das sehe ich als einen gravierenden Fehler an. Da bleibt man nach DDR-Manier sehr gerne im gehabten Team, wo möglichst kein "Fremdkörper" erwünscht ist. Für mich ist das Wort Teambildung ein vorgeschobene, "leere Worthülse".  Thumb_down

Der Schuss soll aber vorher losgehen!!! Ich möchte mit Schiller antworten: "Es ist der Geist, der sich den Körper baut!" Es gilt folglich, den Geist individuell zu stärken und darauf vorzubereiten: "The peak must be when it counts!" Viele Sachen, die im mentalen Bereich vorher falsch gelaufen sind, kann man nicht in einer Woche beilegen. Man kann z. B. einen Athleten ganz schwierig umstellen, wenn er in einem nicht adäquaten Umfeld aufwächst. Ich habe immer wieder festgestellt, dass diejenigen in Stresssituationen nicht gut bestehen, wenn sie unter Helikopterbedingungen zu Hause groß werden. Man schiebt dann das Versagen auch sehr gerne anderen in die Schuhe. In Wirklichkeit stimmt es in der technischen Abstimmung nicht. Meine beste Athletin war diejenige, die sich schon in sehr jungen Jahren auf den Straßen behauptet hat und nicht zu Hause betüddelt worden ist. Ich würde hier dem DLV nicht primär die Schuld in die Schuhe schieben. Allerdings würde ich an der Trainersituation sehr viel ändern, indem ich viele Heimtrainer einsetzen würde.

Ich kann mich sehr gut an Barcelona 1992 erinnern, wo wir uns auf die DLV-Orgnisation verlassen haben. Der gecharterte Bus kam zu spät und zu einer falschen Stelle. Wir mussten ein ganzes Stück "latschen". Sabine hatte schon vor dem Wettkampf "die Suppe" auf. Ab da habe ich immer für unser kleines Team organisiert, was vornehmlich nur zu meinen finanziellen Lasten ging. Da hat mir auch der DLV trotz einiger Kämpfe nicht hineinpfuschen können. Die WM in Athen hat auf den Punkt gestimmt. Mich haben da andere nicht interessiert, ich war total auf Sabine fixiert. Das individuelle Schema hat bis ins Detail funktioniert. Es ging um ihren Erfolg, der letztlich auch dem DLV zugute kam.

Ich kann natürlich nicht sagen, ob sich unter Idriss Gonschinska die Situation grundlegend geändert hat - das mag sein?! Natürlich kann auch mal etwas nicht funktionieren, obwohl der Athlet gut vorbereitet ist. Athletinnen und Athleten sind keine Maschinen. 

Ich stelle sehr oft fest, dass man einmal eingefahrene psychische Muster nur unter großen Schwierigkeiten, manchmal sogar nie ändern kann. Der Memoryeffekt pfuscht sehr oft dazwischen. Das klare Denken in Stresssittuationen ist ein langer Prozess. Oft steht man als Trainer außerhalb des Einflussbereiches. Ich werde nach Erfahrungen bei bestimmten Trainingsinhalten z.B nie mehr Eltern zulassen und auch als Störfaktor auf der Tribüne zeitweilig "verbannen". Ich erinnere mich immer mit einem Schmunzeln an Stuttgart 1986, als Beate Peters Eltern sich für die EM angesagt haben. Beate hat sofort entschieden: "Ich will euch vor dem Wettkampf nicht sehen!!!" Das war ihre absolut richtige Entscheidung. Im Wettkampf saßen die Eltern unerkannt und weitab vom Geschehen. 

Gertrud


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Sprunggott - 23.07.2017

Die Wirkung von mentaler WK Vorbereitung ist sehr differenziert zu betrachten!
Ich darf dies sagen, da meine Diplomarbeit dieses Thema betrachtet, und ich auch
langjährige Untersuchungen dazu anstellte. 
Kurzum: 
Es lassen sich Rückschlüsse auf Einflussfaktoren ableiten, und diese auch darstellen. 
Um "Wirkung" zu erziehlen, bedarf es der Einbindung in das tägliche Training, bestenfalls
mit Hilfe des Sportpsychologen. Hier muss also vor Ort mit dem Athleten (der es auch annimmt) 
gearbeitet werden, mentale Motivationsseminare sind nachweisbar nur kurz wirksam und zu
wenig individuell ausgelenkt. 
Es lassen sich in bedingten Situationen sehr gute Resultate erzielen, grade die Themen 
Spannungsaufbau/ Spannungskurve, Fokussierung, Selbstmotivation, Zustandsoptimierung 
und Ablaufoptimierung sind hier hervorzuheben! 
Auch mentale Stärke und Stabilität ist ein Teil des Leistungsmaximums. 
Ich kann sehr anschauliche und praxisbezogene Literatur von Dr. Thomas Wörz und Dr. Rolf Frester
empfehlen.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Robb - 23.07.2017

Mir fehlt zum Thema die grundlegende Frage: Woher weißt du von mangelndem Mentaltraining beim DLV? Von wievielen der DLV-Athleten in Grosseto weißt du, ob sie schonmal bei einem Mentaltrainer waren?


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - icheinfachma - 23.07.2017

(23.07.2017, 11:28)Robb schrieb: Mir fehlt zum Thema die grundlegende Frage: Woher weißt du von mangelndem Mentaltraining beim DLV? Von wievielen der DLV-Athleten in Grosseto weißt du, ob sie schonmal bei einem Mentaltrainer waren?



Es gibt nicht "den DLV", sondern die Athleten des DLV traineren in den Vereinen. Und da ich in dieses Vereinssystem eingebunden bin, weiß ich, dass in Deutschland das Mentaltraining nicht fester Bestandteil des Trainings ist. Ich kenne mehrere Trainer mit ihren Methoden persönlich aus dem Sportschulen-Bereich, verfolge die Zeitschrift Leichtathletiktraining und lese auch die Bücher, die der DLV zum Thema Training herausgibt. Nirgendwo wird Mentaltraining z.B. als fester Bestandteil des Techniktrainings thematisiert oder angewandt oder wie man eine optimale Konzentration aufrechterhält, während neben einem eine Bombe einschlägt.
Zitat:ob sie schonmal bei einem Mentaltrainer waren?



Das wäre ungefähr so effektiv, wie "schoneinmal ein Leichtathletiktraining" gemacht zu haben. Ich wiederhole es gern zum weiteren Male - MentalTRAINING wird, so wie jede andere Form von Training, nicht einmal im Leben, sondern regelmäßig durchgeführt. Im Prinzip in jeder Trainingseinheit. Es ist auch anders, als du höchstwahrscheinlich  animmst, nichts, dass man extra vor oder nach dem Training auf einer Liege neben einem Psychologen durchführt, sondern es geht um mentale Techniken, die man begleitend während der ganzen Trainingseinheit anwendet, um deren Effektivität zu erhöhen. Es handelt sich um langfristig ausgelegtes, systematisches Training und (gottverdammt nochmal Angry ) nicht um eine Psychotherapie in Form von Sitzungen mit Psychologen.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Robb - 23.07.2017

Auf Deutsch: Du weißt es nicht. Du siehst die Leistungen in Grosseto und vermutest mentale Mängel. Im Umkehrschluss müsste man annehmen, dass unsere U18-Athleten aus Nairobi mental bestens versorgt sind.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - icheinfachma - 23.07.2017

Ich habe anhand etlicher Zitate belegt, dass mentale Probleme für viele Leistungseinbußen die Ursache waren.

Und das mentales Training nicht in der Breite eingesetzt wird, weiß ich sehr wohl. Denn wenn man Mentaltraining durchführen würde, wäre das nicht zu übersehen. Du denkst halt immernoch, dass Mentaltraining bedeutet, dass man mal schnell zum Mentaltrainer geht und ein Gespräch führt und dann mental trainiert ist.

Ich gebe mal ein einfaches Beispiel - die Aufmerksamkeitslenkung: Eine wichtige Fähigkeit im Wettkampf ist es, die Konzentration aufrecht zu halten und keine störenden Gedanken zuzulassen bzw. der Umgebung keine Beachtung schenken. Wenn ein Marathonläufer seine Ausdauer trainieren will,  macht er Dauerläufe und zwar regelmäßig - dabei ist kein Geheimnis, das Geheimnis, wenn man es so nennen will, ist die Regelmäßigkeit, die zur Trainingsanpassung führt.

Genauso kann man auch die von mir angesprochene KOnzentration trainieren - indem man genau das in jeder (zumindest technischen) Trainingseinheit macht: Die Umgebung (und das heißt auch, die anderen Personen ringsum) ausblenden, auch keine Musik, nicht in der Weltgeschichte umherschauen und quatschen, sondern permanenter Fokus auch sich.

Das fängt mit der Erwärmung an - in jeder Übung, von der Gymnastik bis zum Lauf-ABC, ist der Fokus auf dem eigenen Körper, auf der Übungsausführung. Jede simple Fußgelenksarbeit wird mit voller KOnzentration ausgeführt, als wäre es die ernsthaftigste und wichtigste Übung überhaupt.

Im Hauptteil dann vor jeder Wiederholung wird die Bewegung ein oder mehrmals im Kopf durchgegangen, z.B. mit geschlossenen Augen. Kein äußerer Faktor kommt noch im Bewusstsein des Athleten an. Dann gelingen übrigens auch die Versuche besser. Nach dem Versuch wird die technische Leistung (ggf. gemeinsam mit dem Trainer und evtl. unter Nutzung ovn Video) ausgewertet, auch hier spielen außer dem Trainer, dem Athleten und dem Tablet mit dem Video keine Faktoren eine Rolle. In den Pausen zwischen den Versuchen auch - der Athlete blendet seine komplette Umgebung aus.

Das reine Warten, wo man nichts zu tun hat, kann man mit Blackrollübungen, mit Lockerung verbringen, wobei man sich auch wieder auf ebendiese Übungen konzentriert. Beim Stillsitzen oder Dastehen kann man sich auf eine eigene Atmung konzentrieren. DAs ist ein HIlfsmittel, um die Umgebung auszublenden (die KOnzentration auf die Atmung, um den Fokus auf sich selbst zu erlernen, ist übrigens eine sehr alte Technik). Bevor der nächste Versuch startet, wird auch dieser mehrmals im Kopf durchgegangen, mit Fokus auf das Merkmal, an dem gearbeitet werden soll.

Man wird überrascht sein, wie positiv sich das auf die Wettkämpfe auswirkt.

Das ganze ist genauso simple wie Lauftraining, Krafttraining etc. - Man muss es nur regelmäßig machen und hat dann den Trianingseffekt. Keine geheimen Zaubertechniken, Pendel oder spirituelle Erfahrungen spielen auch keine Rolle und wo war da jetzt der Sportpsychologe, zu dem die Grossete-Teilnehmer "schonmal hingegangen sind"? Wink Es gibt natürlich noch mehr mentale Techniken als die Aufmerksamkeitslenkung.

Jeder, der seine Umgebung bewusst wahrnimmt und ehrlich ist, wird zugeben, dass DAS nicht die Trainingspaxis in der deutschen Leichtathletik ist, zumindest im Jugendbereich. Da wird gequatscht, gelacht, in der Weltgeschichter herumgeschaut (im Training wie in Wettkämpfen), da wird (ganz schlimm) in der Trainingseinheit auf das Smartphone geschaut und gechattet... Daher, lieber Rob, weiß ihc, dass Mentaltraining nicht durchgeführt wird. Und das, was die Athleten in Grossete gemacht haben - "Die andere Athletinnen sind bei 1,80 nach und nach ausgeschieden, das konnte ich nicht ausblenden" oder "Eigentlich war ich nciht aufgeregt, aber plötzlich habe ich vor dem Start angefangen zu denken und dann war der Start auch schon schlecht" sind Dinge, die bei einem mental trainierten Athleten ungefähr so wahrscheinlich sind, wie ein Leistungs-Marathonläufer, der seine DL gemacht hat und dem nach 5km die Puste im Wettkampf ausgeht Angel . Jeder, der einen gewissen Bezug zum Mentaltraining hat, weiß, dass diese Athleten NICHT mental trainiert sind, zumindest nicht optimal.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Robb - 23.07.2017

Ich kann mit einem Zitat belegen, dass Niklas Kaul am Ellenbogen verletzt ist. Ich kann mit dem Zitat aber nicht belegen, dass er chronische Ellenbogen-Probleme hat. Julia Ritter hat z.B. im Kugelstoss-Finale bewiesen, dass sie eben keine mentalen Probleme hat, oder nicht? Was stimmt denn nu? Drei ungültige in der Diskus-Quali, mentales Problem. Genialer Konter im letzten Versuch, mentale Stärke? Raphael Thoma war bis Mannheim nicht für Grosseto qualifiziert, er nutzte seine LETZTE Quali-Chance. Mentale Stärke?
Du machst es dir zu einfach, du kannst mentale Schwächen nicht an EINEM Ergebnis erkennen. Und du kannst dich vor allem nicht auf die U20 beschränken. Warum ignorierst du die U18 und U23?


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - icheinfachma - 23.07.2017

Die U18-WM habe ich nicht in der Zusammenfassung gelesen. Die U23-WM habe ich ebenfalls nur grob mitverfolgt, aber mit zunehmendem Alter lernen einige Athleten intuitiv das, was sie mit Mentaltraining schon viel früher und viel effektiver lernen könnten. Einige Athleten werden intuitiv nie das richtige Mindset bekommen und immer in großen Wettkämpfen versagen, gerade da bringt es viel.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - Delta - 23.07.2017

Mentaltrainer sind reine Zeitverschwendung. Athleten müssen selbstständig werden - den Wettkampf auch ohne Trainer schaffen können. Mentaltrainer machen abhängig - und wie oft haben solche Athleten bei WM und Olympia versagt. Dutzende Male. Kein Mental Trainer kann Dir helfen wenn Du den Balken nicht triffst. So etwas geht nur mit einem guten Trainer.


RE: Mangelnde Nutzung von Mentaltraining spiegelt sich in der U20-EM wieder - icheinfachma - 23.07.2017

(23.07.2017, 13:15)Delta schrieb: Mentaltrainer sind reine Zeitverschwendung. Athleten müssen selbstständig werden - den Wettkampf auch ohne Trainer schaffen können. Mentaltrainer machen abhängig - und wie oft haben solche Athleten bei WM und Olympia versagt. Dutzende Male. Kein Mental Trainer kann Dir helfen wenn Du den Balken nicht triffst. So etwas geht nur mit einem guten Trainer.

Ich bin vollkommen deiner Meinung. Das Mentaltraining sollte nicht ein externer Mentaltrainer besorgen. Da es wie das Lauf- oder Krafttraining alltäglich durchgeführt werden muss, ist es besser, wenn der Leichtathletiktrainer das Ganze vermittelt. Man müsste die Leichtathletiktrianer natürlich in diesen Dingen ausbilden. Und der Athlet muss natürlich diese Techniken selbstständig anwenden können.

Mentaltrainer bräuchte man höchstens in der Anfangsphase, um die Leichtathletiktrainer überhaupt erst für das Thema zu sensibilisieren und fortzubilden.