Markus Rehm: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - Druckversion +- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com) +-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2) +--- Thema: Markus Rehm: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? (/showthread.php?tid=416) |
RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - lor-olli - 01.08.2014 Zitat:Dann müssten wir ja auch die Vo und die Abflugwinkel haben, das reicht doch fürs Erste, auch ohne Dreidimensionalität, oder?Das reicht insofern, als man vergleichbare Größen bei gleichartiger Mechanik hat. Das eigentliche Problem ist, dass Anlaufgeschwidigkeiten, Winkel und Bodenreaktionskräfte hat, ABER diese weisen auch bei "Zweibeinern" eine gewisse Streubreite auf (wenn auch nicht so extrem), der Schwachpunkt dieser Analyse ist, dass sie nichts direkt (in konkreten Werten, keine interpolierten) über die Prothese aussagt um die es letztlich geht! Die Frage die die Wissenschaftler untersuchen sollten war: bringt die Prothese einen ungerechten Vorteil für den Springer gegenüber einem menschlichen Bein. Ich wage mal die These: wenn Rehm ein wenig mit dem resultierenden Absprungwinkel der Prothese experimentiert (durch eine geänderte Konstruktion), sind auch die 8,24m kein WR mehr. Der Absprung erfolgte ziemlich flach, weswegen die Prothese auch mindestens einmal das Plastilin streifte und der Sprung ungültig war, da ist sicher noch einiges Potential zur Optimierung… Ohne ein dreidimensionales Modell lässt sich schwerlich entscheiden, ob die Prothese z.B. Winkel erlaubt, die einem Springer mit einem "normalen" Bein nicht möglich sind, die Kraftverluste beim Absprung scheinen schon mal eindeutig auf Seiten der Carbonfeder zu liegen! Die Aussage, dass es sich um nicht vergleichbare Arten des Springens handelt finde ich nachvollziehbar. RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - MZPTLK - 01.08.2014 (01.08.2014, 19:31)lor-olli schrieb: Die Frage die die Wissenschaftler untersuchen sollten war: bringt die Prothese einen ungerechten Vorteil für den Springer gegenüber einem menschlichen Bein.Diese Frage wird selten zweifelsfrei beantwortet werden können. Das hatte ich oben schon erklärt. Und vor allem auch deswegen, weil niemand exakt auseinanderpräparieren kann, was der Prothese und was dem Menschen zuzurechnen ist. RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - Hellmuth K l i m m e r - 01.08.2014 @ Atanvarno Ich "zittere" keinesfalls, wenn ich Formeln lese. Ich frage mich aber als ehem. Sportwissenschaftler (firm in Statistik und Mathematik) immer wieder, ob man's dem gewöhnlichen Bürger nicht besser g a a a n z einfach erklären sollte. (Darum bemühte ich mich - wie ich kürzlich schrieb - insbes. bei der ÜL-Ausbildung ) Und mit solch Rezipienten haben wir es h i e r zu tun. H. Klimmer / sen. RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - Atanvarno - 01.08.2014 (01.08.2014, 20:10)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Ich "zittere" keinesfalls, wenn ich Formeln lese.Ich war halt nur ein wenig amüsiert, dass Du die von Gertrude aus Wikipedia eingefügte, gut verständliche Erklärung des Begriffs "Koeffizient", als unverständliches Formelgeschwurbel abgetan hast. So schwierig war das nun wirklich nicht zu verstehen.Man sollte auch nicht künstlich die Angst vor mathematischen Formeln schüren, wenn ein wenig Konzentration und logisches Denken zum Verständnis ausreichen. RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - Hellmuth K l i m m e r - 01.08.2014 (01.08.2014, 20:20)Atanvarno schrieb:Die von GERTRUD gezeigten Formel hab ich gar nicht als Ganzes überblickt (deshalb auch meine starke Verkürzung, kenntlich gemacht durch ... / ...). Mir kam's nur darauf an, langes "Geschwafel" zu vermeiden.(01.08.2014, 20:10)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Ich "zittere" keinesfalls, wenn ich Formeln lese.Ich war halt nur ein wenig amüsiert, dass Du die von Gertrude aus Wikipedia eingefügte, gut verständliche Erklärung des Begriffs "Koeffizient", als unverständliches Formelgeschwurbel abgetan hast. hek Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - Peter II - 02.08.2014 Ich hab glaube ich zum letzten Mal im alten Steeple-Forum geschrieben, aber wenn ich mir das hier durchlsese, muss ich doch mal wieder was von mir geben. Ich habe möglicherweise nicht alle Postings zu diesem Thread gelesen, aber ziemlich viele. Trotzdem scheint niemand (auch in der sonstigen öffentlichen Diskussion) gewisse Dinge zu diskutieren, die eine biomechanische Untersuchung eigentlich völlig überflüssig machen: - Rehm selbst sagt, dass er seine Prothese jetzt "weiter optimieren" wird. D.h. er versucht in nächster Zeit weiter zu springen, ohne dass er seine eigene Leistung steigert, sondern indem er nur die Leistung seiner Prothese steigert. Da sollte dann eigentlich die Diskussion schon beendet sein. - könnt Ihr Euch erinnern, was für ein Trara bei den Paralympics nach den 100m der beidseitig amputierten abging? Da hat einer gewonnen (den keiner vorher kannte, soweit ich mit erinnere), der am Anfang total hinten war und dann mit unglaublichem Geschwindigkeitsvorteil alle anderen überholt hat, und hinterher haben alle auf ihn eingeschimpft, er habe bei den Prothesen "betrogen". Da geht eine Materialschlacht ab, die man in die Leichtathletik der Nicht-Behinderten importieren würde, wenn man die Starts zuließe (Pistorius hätten sie auch aus meiner Sicht auch nie laufen lassen dürfen). - Rehms Leistungsentwicklung der letzten Jahre (leider habe ich nicht die Bestleistungen, aber einige der Leistungen sind Rekorde, waren also auch zum jeweiligen Zeitpunkt Bestleistung - nach seinem Portrait bei der Homepage von Bayer Leverkusen): 2009: DR 6,09 (gesprungen beim Paralympic World Cup) 2009: 6,59 (Junioren WM) 2009: ER 6,75 (IWAS WM) 2010: 6,84 (IWAS Junioren WM) 2011: WR 7,09 (IPC WM) 2012: 6,78 (WM) 2012: WR 7,35 (Paralympics) 2013: WR 7,95 (WM) 2014: WR 8,05 (DM) Ich weiß nicht, ob er erst letztes Jahr den Sport mit letzter Konsequenz angefangen hat, aber bei Nicht-Behinderten würde ich das als "auffällig" bezeichnen. Jedenfalls kann man nun überlegen, wo Rehm wohl in 3-4 Jahren wäre (oder ein anderer Prothesenspringer). Eine Zulassung hätte katastrophale Folgen auf die Weltranglisten der Zukunft, und wenn im Weitsprung die ersten 20 Prothesenspringer wäre, wären die Äußerungen dazu sicher nicht gerade freundlich für die Springer selbst, aber auch für die Inklusion. Man würde der Inklusion mit sowas einen Bärendienst erweisen. - Man könnte natürlich überlegen, standardisierte Prothesen vorzuschreiben, die "keinen Vorteil" bringen. Aber wie will man das definieren? Letztlich müsste man mutmaßen, was die Springer mit ihrem natürlichen Unterschenkel hätten springen können, und dann Prothesen definieren, die ihnen genau diese Weite ermöglichen. Wäre das bei Rehm 8,24? Oder vielleicht nur 6,70? Wer will also herausfinden, welche Prothese "keinen Vorteil" bringt? Leider ist die öffentliche Diskussion durch die "Politische Korrektheit" sehr stark eingeschränkt, aber mit den obigen Argumenten ist doch jeder Cent, der für irgendwelche pseudo-objektiven biomechanischen Untersuchungen verwendet wird, herausgeschmissenes Geld. Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Weitsprung mit Prothesen ist einfach etwas anderes als Weitsprung mit natürlichen Unterschenkeln. Peter RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - MZPTLK - 02.08.2014 (02.08.2014, 07:45)Peter II schrieb: Ich habe möglicherweise nicht alle Postings zu diesem Thread gelesen, aber ziemlich viele. Trotzdem scheint niemand (auch in der sonstigen öffentlichen Diskussion) gewisse Dinge zu diskutieren, die eine biomechanische Untersuchung eigentlich völlig überflüssig machen:Naja, unter anderen haben Lor-Olli, Heinz und ich schon sehr früh Entsprechendes gepostet. Selbstverständlich ist Markus' Prothese 'hauptverantwortlich' für seine grandiose Leistung, aber wie auch schon mehrfach auch von mir darauf hingewiesen wurde, muss er sich auf die optimiertere, härtere Prothese hin konditionieren, seine eigene Leistung steigern. Beides, das Schrauben an der Prothese und die Konditionierung stellen grossartige Leistungen der Forschung dar, und eine Menge Wissenschaftler werden noch einiges daran zu knabbern bekommen. RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - matthias.prenzlau - 02.08.2014 (02.08.2014, 07:45)Peter II schrieb: 2009: DR 6,09 (gesprungen beim Paralympic World Cup) Nächstes Jahr läuft Rehm mit 10 m/s an und springt mit neuer "Feder" 9m weit. In meinen Augen überwiegt der Vorteil der Carbonprothese gegenüber dem Nachteil der langsameren Anlaufgeschwindigkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rehm mit 2 gesunden Beinen jemals solche Weiten erreichen würde. 8,24m ist schon der Wahnsinn! Trotzdem eine geile Leistung! Weitermachen! Ich will die 9m sehen! RE: Markus Rehm 8,24m: - lor-olli - 02.08.2014 Zitat:Trotzdem scheint niemand (auch in der sonstigen öffentlichen Diskussion) gewisse Dinge zu diskutieren, die eine biomechanische Untersuchung eigentlich völlig überflüssig machenDie Mehrheit der Leichtathleten, die diesen Sport als Leistungssport betreiben oder sehen, sehen die "Gleichbehandlung" verletzt. Zitat:Inklusion (lateinisch inclusio, „Einschluss“; auch Einbeziehung, Eingeschlossenheit, Zugehörigkeit) (Duden)Gleich bedeutet in diesem Sinne für mich vergleichbar, gleichberechtigt und weder bevor- noch benachteiligt. Verletzt wird hier die Vergleichbarkeit, da es sich streng genommen um zwei verschiedene Prinzipien des Springens handelt. Ein "Zweibeiner" kann eben auch aus dem Stand springen, dass dürfte einem Prothesenträger schwer fallen (wenn auch nicht unmöglich und mit anderen Prothesen vielleicht sogar ein Katapulteffekt möglich ist...). Der Inklusion ist meines Erachtens Genüge getan, wenn zwei Athleten in einem Wettkampf antreten (wie eben auch im Behindertensport), aber getrennt gewertet werden (worauf die Behinderten nach T-Klassen selbst genauestens achten!). Der Inklusion schadet es, wenn man um des Spektakels willen nicht nur künstliche Vergleiche anführt, sondern sie obendrein auch noch vertretbar gleichwertig nennt. Jedem mit der Materie Vertrautem ist bewusst, dass es sich um einen Momentaufnahme handelt, der Mensch entwickelt sich evolutionär, das Material relvolutionär. Damit wir heute (!) ein paar mehr Zuschauer vor den Fernseher locken (springt man eigentlich vorrangig für die "Sensationslüsternen" die mit dem Sport ansonsten nur wenig Berührung haben???) drücken wir mal ein "Auge zu" (= ist das dann schon eine Form der intellektuellen Behinderung? ) Zu Markus Rehm selbst kann ich M.Prenzlau nur zustimmen. Tolle Leistung, toller Sport und bitte ruhig und immer wieder die "Zweibeiner" herausfordern. An der Prothese tüfteln um wirklich Gleichgestellten (= ebenfalls behinderten Athleten) zu zeigen: da ist noch mehr drin! Der Behindertensport braucht wie der Leistungssport der Nichtbehinderten Vorbilder, Pistorius hat sich nun leider selbst "entzaubert", Rehm ist ganz sicher klüger. Ich wünsche ihm neue Weltrekorde, Werbeverträge und das er seine sportliche Grundeinstellung und positive Art behält! Und für diese Erkenntnis, die einige schon auf Seite eins teilten, haben wir nun 23 Seiten gefüllt - sportliche Leistung… Aber die Diskussion zur Inklusion wird leider immer noch aus dem Bauch und nicht aus dem Hirn heraus geführt. Emotionen statt Ratio, wer nennt die Schuldigen? RE: Markus Rehm 8,24m: Bringt die Prothese Vorteile gegenüber nicht behinderten Athleten? - MZPTLK - 02.08.2014 Keine Inklusion ohne Exklusion. (Kleine Denksportaufgabe...) |