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These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - Druckversion

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RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - Hellmuth K l i m m e r - 23.01.2015

(23.01.2015, 10:19)gera schrieb: Es ist eine Milchmädchenrechnung zu glauben, wenn ich das Gewicht reduziere, erhöht sich bei gleicher Kraft die Beschleunigung. Die Kraft nimmt i.a. mit einer Gewichtsreduzierung ab.
Man muss also das beste individuelle Verhältnis finden.

Meine These bleibt für mich noch:
trotz verbesserte Trainingsmethoden hat sich die Sprungkraft ( = gemeint Schnellkraft ) seit 140 Jahren nur unwesentlich verbessert.
Sie ist an der Leistungssteigerung der Springer am wenigsten beteiligt.
Liegt es vielleicht am Nachlassen der natürlichen Ressourcen des Menschen ?

Auch   m e i n e   These bleibt für mich bestehen:
Das Kraft-Last-Verhältnis (wie die Hebelverhältnisse)  sind entscheidend für die Weite oder Höhe, die ein la. Springer erzielen kann! 
Es ist gut möglich, die dafür "verantwortliche" Beinmuskulatur zu hypertrophieren ohne das KG wesentlich zu erhöhen. (Das durch Hungerdiäten zu tun, führt über kurz oder lang zur Katastrophe!)

In meiner langjährigen Wettkampfzeit erlebte ich sowohl leichte als auch schwere LJ und HJ ----> "federleichte", wie z.B. Paschek, Wartenberg, R.Beer, H. Lauterbach, H. Drechsler; W. Pfeil ... und auch etwas schwerere Springer ----> M.Klaus, Plöger; Beilschmidt; Schenk, ...
Sie alle mussten mit ihrem Habitus auskommen Wink und erreichten vergleichbare Ergebnisse.

Zu den nur 6 cm Gewinn durch Sprungkraftverbesserung im letzten Jahrhundert:
Das ist etwas untertrieben! Aber wenn ich mir überlege, dass schon solche Sprungkraft-Phänomene wie R. Ewry im vorigem Jahrhundert tolle Sprünge machten, denke ich, dass tatsächlich die besseren WK-Bedingungen (TARTAN, Schuhe, Balken [ab 1886],... ) vor allem dazu beitrugen. Wir Menschen sind auch hinsichtlich der körperlichen Leistungsentwicklung begrenzt , eben endlich ... Sad

H. Klimmer / sen.



   


RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - gera - 23.01.2015

lor-olli / hellmuth ,

ich stimme euch beiden zu.
Schon in 140 Jahren wird sich das Genmaterial verändert haben. Der Mensch wird im Durchschnitt 8 cm größer , seine Fortpflanzungsfähigkeit hat abgenommen, ich glaube seine ganzen ursprünglichen Instinkte/ Reflexe auch. Er braucht sie nicht mehr so stark.
Was da verloren geht, holt die moderne Trainingswissenschaft, auch Ernährung, wieder auf, bzw. steigert das ganze noch. In Bezug Sprungkraft eben nicht sehr viel.


RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - Hellmuth K l i m m e r - 23.01.2015

(23.01.2015, 13:03)lor-olli schrieb: Anders aufgezäumt: Wieso sollte sich in einem evolutionsbiologisch vernachlässigbaren Zeitraum ausgegerechnet der Mensch physiologisch so stark verändern?

Ich gehe so weit zu behaupten, dass die Athleten der Antike mit modernen Techniken und moderner Ausrüstung, die gleiche Leistung bringen könnten, wie aktuelle Athleten!


Bei der Messung der reinen Sprungkraft (Sprunghöhe aus dem Stand), fließen ebenfalls die Faktoren der Technik ein.

Insofern: Ich vermute ebenfalls, dass die Weiterentwicklung weniger bis gar nicht mit dem Menschen als solchem zu tun hat, aber viel oder alles mit Technik und Entwicklung. (Statistik- und Messwertfehler inbegriffen)

Das würde die These von gera bestätigen und die Erkenntnis, dass die Umfeldbedingungen im Sport viel entscheidender sind.
:
Zur oben dargestellten Art der (reinen) Sprungkraftermittlung möchte ich ein persönliches Erlebnis schildern: Als ich 20-Jähriger erstmals 1958 zu einem Trainingslager (Sportschule Greiz) eingeladen wurde (Ltg.: K.-H. Balzer/ Trainer: E. Drechsler, A. Sgonina, E. Mallek, H. Hildebrandt, ...) wurde u. a. durch einen beidbeinigen Strecksprung mit den Kopf zur Latte die Sprungfähigkeit ermittelt.
Dabei sah ich ganz gut aus, wurde Bester und verblüffte Trainer und die schon bekannten Springer wie G. Lein, W. Pfeil.

Meine Werte waren: Strecksprung: 0,79 cm,
                              Schluß-        : 2,79 m
                              Dreier-         : 8,98 m 
(Ausführungsbedingungen b. Strecksprung: barfuß, Parkettboden; drei Versuche)

Als damals noch nicht 7.00 Meter gesprungener Athlet resultierte das  - so meine heutige Interpretation - insbes. aus der durchs Sportstudium erfolgte vielseitig-athletische Ausbildung, auch einem forciertem Krafttraining - und meinem geringen KG (70 ... 71 kg). Tongue 

H. Klimmer / sen.


RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - MZPTLK - 23.01.2015

(23.01.2015, 10:19)gera schrieb: man sollt im Hochsprung besser von Schnellkraft sprechen. Entscheidend ist doch, in welcher Zeit ein Springer seine max.Kraft entfalten kann.
Es ist eine Milchmädchenrechnung zu glauben, wenn ich das Gewicht reduziere, erhöht sich bei gleicher Kraft die Beschleunigung. Die Kraft nimmt i.a. mit einer Gewichtsreduzierung ab.
Man muss also das beste individuelle Verhältnis finden.
Ich sprach von Beschleunigung oder Kp/m/sek, somit ist immer ein Zeitfaktor dabei.

Dass die Kraft ab einem bestimmten Punkt abnimmt, ist klar,
aber solange die Gesamtbilanz positiv bleibt, springt man eben höher.

Ein anderes Kriterium ist die Gesundheit.
Es müssen sehr ausgeklügelte Trainingspläne und Ernährungsweisen im Einklang stehen.
Die Gefahr von Unter-(Fehl-ernährung ist nicht zu unterschätzen.


RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - ThomZach - 01.04.2015

Auch diese Diskussion ist hoch interessant. Schon im Prinzip der Technikentwicklung steht ja
die Frage „wie komme ich bei gleicher Kraft über die höchstmöglich liegende Latte?“
Von Aschenbahn zu Tartan kann man einen Schub von max. 7 Höhenzentimetern einrechnen.
Ein höheres Anlauftempo umzusetzen erfordert allerdings mehr Sprungkraft als ein langsames, nicht weniger!
Wenn man wenig Sprungkraft hat, kann man auch nur wenig Anlauftempo umsetzen. Logisch oder, Herr gera?
In jeder Sprungtechnik hätten die Spezis früher ja schneller anlaufen können. Hamse aba nich jemacht.
Warum wohl? Weil sie dachten, das bringe nichts? Weil der Boden unter ihren Füßen nachgab? Weil sie
sonst ausgerutscht wären? Oder weil sie nicht die Kraft hatten, einen schnelleren Anlauf umzusetzen?
 
Frage also: Wie hoch wäre der letzte Weltrekordler im Schersprung auf Tartan gekommen?
Ich hab leider vergessen, wer und wann und wieviel das war. Müsst ich nachschauen. Bin aber nicht zuhause.
2m werden 's aber nicht gewesen sein. Auf Tartan also 2m05.

2m40-Flopper schaffen im Schersprung nun allerdings 2m20. Also hat sich nach meinem Eindruck
die Sprungkraft in 100 Jahren um ca. 15cm verbessert.
Ob das nun evolutionär (genetisch) bedingt ist oder trainingsmethodisch kann man gar nicht sagen,
weil die Hochspringer am Anfang ein Grüppchen von exzentrischen Spinnern bildeten, während sich heute
hunderttausende an diese Disziplin heranwagen. Die Elitebildung ist also von Massen getragen.
Wenn es im Hochsprung genau so viel zu verdienen gäbe wie im Golfsport, wäre der Weltrekord vielleicht
tatsächlich schon auf 2m50. Wer weiß das schon?
 
Bleibt die Frage, „Wieviel kann ein spezielles Krafttraining zur Hochsprungbestleistung tatsächlich beitragen?“
Dazu würde ich gerne besser fundierte Erkenntnisse erhalten.


RE: These: die Sprungkraft der Hochspringer hat sich seit 140 Jahren nicht verbessert - ThomZach - 01.04.2015

gera schrieb:man sollt im Hochsprung besser von Schnellkraft sprechen. Entscheidend ist doch, in welcher Zeit ein Springer seine max.Kraft entfalten kann.
1. Es gibt im Prinzip keinen Unterschied zwischen Kraft und Schnellkraft. Kraft ist Impuls durch Zeit. Also ist bei gleichbleibendem Impuls (Masse mal Tempo) die Kraft umso größer, je kürzer die Zeit. Merke: Der Bruch wird umso größer, je kleiner der Nenner. Dummerweise ist es beim Hochsprung so, dass die Zeit umso kürzer wird, je höher das Tempo.
Da es hier aber um Muskelkraft geht, betrifft die sog. Schnellkraft die Kraft und Anzahl der hochschnellen Fasern in einem Muskel. Diese bilden beim Menschen aber nur 3 bis 10% des Muskelquerschnitts und sind nur höchst eingeschränkt trainierbar. Wahrscheinlich werden beim Krafttraining daher vorwiegend die langsameren Fasern angesprochen, welche während der Stützphase beim Absprung die Gelenkwinkel eher halten als verändern. Die langsamen Fasern sorgen also für das Amortisieren, die schnellen für die Endbeschleunigung.

2. Die Kraftgröße beantwortet schon die Frage nach der Zeit ihres Wirkens, da diese Zeit als Divisor unter dem Impuls steht. Kraft ist der Quotient aus Impuls und Zeit. Beim Absprung aus dem Anlauf heraus geht es um das Umlenken eines bestehenden Impulses (Masse x Tempo). Die Zeit die man dafür braucht bestimmt die Kraft die man (aufgebracht) hat (Impuls : Zeit). Nun steht dem Springer für diesen Kraftakt nur eine bestimmte Wegstrecke zur Verfügung. Und damit auch nur eine bestimmte Zeit. Je nachdem wie schnell der Körper(SP) diese Strecke zurücklegt, also wie schnell er angelaufen kommt und abgestoßen wird, ist diese Zeit kürzer oder länger. Und somit die Kraft größer oder kleiner. Merke: Der Bruch wird umso größer, je kleiner der Nenner.

3. Die Muskelfasern bilden beim Absprung einen elastischen Körper der wie eine Wendelfeder reagiert. Sie dehnen sich unter Zug, also Last und sie ziehen sich wieder zusammen, wenn die Last nachlässt. Dadurch verhält sich das Sprungbein ähnlich wie der Stab beim Stabhochsprung. Je schneller ein Springer anläuft (und je mehr Masse er hat) desto härtere („stärkere“) Stäbe braucht er. (Abgesehen von Griffhöhe und Reichhöhe und Absprungverhalten)

A propos: Warum diskutiert hier niemand über Stabhochsprung-Technik? Kein Spezi dabei?