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Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Druckversion

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RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Delta - 30.06.2023

Die Full time Jobs gibt es in der Schweiz nur im Verband oder bei den 4 grössten Clubs. Da ist man klar in einem Leistungszentrum basiert. Ist der Trainer im Welschland muss er trotzdem ein paar Termine je Jahr in der Deutschschweiz oder im Tessin wahr nehmen. Aber wer Profimässig trainieren will kommt um einen Wegzug Richtung Genf nicht herum.
Roger Federer ging von Basel nach Biel in den Jugendjahren und hat noch sehr gut Französisch mitbekommen.


RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Gertrud - 30.06.2023

Eine Sache ist doch vollkommen klar. Wenn man wie ich sehr selbstständig und finanziell sehr unabhängig ist und permanent auf höchstem Niveau recherchiert, begibt man sich nicht in eine professionelle Trainerposition, wo man Weisungen von Leuten befolgen muss, die mir nicht das Wasser reichen können und mit denen kich nicht übereinstimme. Es kommt bei meiner Art der Betreuung einfach mehr heraus. Ich habe immer in Ruhe meine Gedanken umsetzen können und war sehr glücklich dabei. 

Ich habe noch sehr viel Kontakt zu professionellen deutschen TuT und bekomme mit, wie unglücklich sie teilweise mit den vielen "Zwangsverpflichtungen" sind. Zudem ist meine Pension ein gutes "Ruhekissen". Mit der Sicherheit im Rücken kann man ruhig arbeiten. Deshalb tät der DLV gut daran, diese Garanten wie Weber, Kaul, Späth, Schäfer... weiträumig zu unterstützen. Diesen Ast sollte man sich nicht absägen.

Gertrud


RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - menarfin - 30.06.2023

(30.06.2023, 21:41)Gertrud schrieb: Eine Sache ist doch vollkommen klar. Wenn man wie ich sehr selbstständig und finanziell sehr unabhängig ist und permanent auf höchstem Niveau recherchiert

Das ist aber doch genau das Problem: JUNGE Menschen haben nur in den wenigsten Faellen diese finanzielle Unabhaengigkeit, womit sollten sie sich das denn auch aufgebaut haben. Sie sind schliesslich noch jung. Professionelle Trainer machen das als Beruf und das bringt automatisch eine gewisse Abhaengigkeit mit sich. Rein theoretisch koennte der Verband da fuer eine gewisse Unabhaengigkeit sorgen weil er andere (z.b. sehr lanfristige) Kriterien anwenden kann als z.b. ein Sponsor der "nur" einen Trainer sucht damit ein paar Athleten Erfolg haben.

Praktisch sitzen aber auch beim Verband Menschen und diese Menschen sind auf die eine oder andere Art in die Position gekommen in der sie sind. Das hat Zeit gekostet, deswegen sind sie meist nicht mehr so ganz jung, aber das setzt auch Skills vorraus die nichts mit dem Sport direkt zu tun haben. Durchsetzungsvermoegen in sozialen Strukturen zum Bleistift. So ziehen sie dann aber innerhalb ihrer Verantwortung wieder Leute hoch die ihnen aehnlich sind. Das sind wieder nicht unbedingt die fachlich kompetentesten weil es auch da auch auf andere Faehigkeiten ankommt.

Das ist schlussendlich das gleiche Problem mit den politischen Parteien. Wir benoetigen die zwar um unsere Gesellschaft irgendwie zu organisieren, sie bringen aber auch das Problem mit sich dass nicht die fachlich faehigsten Leute in die hohen Positionen kommen sondern diejenigen die sozial durchsetzungsfaehig sind. Das sind meiner Meinung nach Reibungsverluste die ein System mit sich bringt das Millionen Menschen organisieren soll. Einzelkaempfer koennen fuer sich zwar sicherlich wesentlich groessere Erfolge erzielen wenn sie fachlich gut sind. Aber z.b. eine neue Leichtathletikhalle aus dem Boden stampfen oder einen gut ausgestatteten Sportplatz oder solche Dinge, DAFUER braucht man eine andere Organisation die auch in den politischen Parteien vernetzt ist usw. Das sollte (zumindest theoretisch) die Staerke der Verbaende sein.

Praktisch tendieren solche Grossstrukturen wie Verbaende oder Parteien dazu immer mehr an sich zu ziehen und zu versuchen alles zu kontrollieren. Das ist auch nicht speziell im Sport, das kann man ueberall beobachten. Deswegen ist immer mal wieder ein groesserer Reset noetig. Ich denke in der Leichtathletik steuern wir gerade auf so einen groesseren Knall zu, ich kann mir nicht vorstellen dass wir in zehn Jahren noch eine aehnliche Organisationsstruktur wie jetzt hier in Deutschland in der Leichtathletik vorfinden werden.

Irgendwann laesst sich das Problem, das man aktuell bei den technischen Disziplinen bei den Deutschen Meisterschaften schon sieht und was bei den Landesmeisterschaften inzwischen ueberall ganz brutal zu sehen ist, selbst auf den Massendisziplinen beim Laufen nicht mehr wegignorieren. Die Frage ist zwar ob es dann nicht schon zu spaet ist weil man dann die Basis wahrscheinlich schon weitgehend verloren hat, aber es wird irgendwann auch in die Organisationsstrukturen durchschlagen. Ob dann was besseres nachkommt: Wer weiss das schon.


RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Gertrud - 30.06.2023

Menarfin: An den Gedankengängen ist viel Gutes dran. 

Ich möchte den Verband immer daran erinnern, dass man in vollkommener Gedankenfreiheit am besten arbeiten und seine Leichtathletikträume verwirklichen kann, um das zu schaffen, was man in Kreativität erzielt. Trotzdem kommt dem Verband diese Arbeit im Endeffekt zugute. Man arbeitet folglich für und nicht gegen ihn. Junge Leute muss man fördern und nicht durch Regularien "ersticken". 

Ich habe nie Stellen angenommen, in denen ich unglücklich zu werden drohte. Als ich das Diplomexamen hatte, hatte mir eine andere Diplom-Sportlehrerin gesagt, dass in Haltern eine Stelle am Gymnasium frei, der Direktor aber enorm schwierig sei. Ich habe ihn zu Hause aufgesucht. Er hat mich unwirsch empfangen. Ich bin sofort aufgestanden und habe gesagt, dass wir wohl nicht kooperieren können. Er war total perplex, dass ich es wagen konnte, ihm so die Meinung zu sagen. - Ich hatte über Jahre am hiesigen Gymnasium mein Refugium. Ich konnte schalten und walten, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich konnte bei der Stimmung kreativ sein. - Das ist so wichtig auch für junge Trainer und Trainerinnen. Ich würde die jetzigen TuT erst einmal auf den neuesten Stand bringen, das Verletzungsrisiko zu minimieren!!! Das würde ich in einer Saison mit denen durchziehen und sie dafür begeistern wollen. Mein Ziel wäre es, Begeisterung und Fachkompetenz zu verbreiten und nicht Angst um die Arbeitsposition.

Gertrud


RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Gertrud - 01.07.2023

Es gibt natürlich zwei Arten von Trainern:

1. Die total selbstständigen, völlig frei arbeitenden TuT
2. Gute TuT, die man aber in bestimmten Bereichen an die Hand nehmen muss.

Beide Kategorien kann und sollte man "verwerten". Daneben gibt es eine völlig unabhängige Gruppe. Wir brauchen viele TuT. Vor allem sollte der Verband nicht die Tür zu den Schulsportlehrern wie Kaul, damals HjH, Günter Eisinger, Schäfer, Weber, Schulz aus dem hohen Norden ... zuschlagen, die Leistungen hatten oder haben. Da würde Medaillenpotential, das aus viel Leidenschaft besteht, "verbrannt" (siehe Medaillenspiegel!). Das wäre eine Abwanderung mit harten Konsequenzen. In Doha wurden die Medaillen durch derartige Personen im Trainerbereich erzielt. Wo waren die "teamfähigen" TuT??? Wink

‌Irgendetwas läuft in der Logistik auch auf emotionaler Ebene falsch und sollte schleunigst verändert werden. Die Leidenschaft bei den jungen TuT in DLV-Diensten muss dringend verändert und "das Feuer zum Lodern" gebracht werden: Fokussierung auf das Wesentliche, Entrümpelung von Papierkram, Minimierung der Stunden im Auto, eine gewisse Freiheit in der Arbeit ohne allzu viele "Diktate", angemessene Gehälter, gute Statistiken von oben in der Analyse zur Reduzierung der AuA-Ausfälle durch eine durchdringende Voraussicht und Kenntnisse auf den entsprechenden Gebieten, vernünftige Schulungen ...!!!

Gertrud


RE: Abwanderung junger Trainer aus der Leichtathletik - Reichtathletik - 01.07.2023

Die altbekannte Lösung lautet doch Fördern und Fordern. Und an beiden Seiten hapert es bisweilen, was – um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen – dazu führt, dass Trainer abwandern oder gar nicht erst auf dem Radar auftauchen.

Fördern: Gute Trainer sollten insbesondere Wertschätzung erfahren. Es ist nicht immer zwingend Geld oder Posten. Wertschätzung äußert sich z.B. darin dass man sich von Zeit zu Zeit Mal erkundigt, wie es läuft, wo man Unterstützung gebrauchen könnte, etc. Vielleicht auch hin und wieder Mal ein Gimmik im Sinne eines T-Shirts oder Rucksack. Und mit denen, die sich vorstellen können auch beruflich aktiv zu werden oder ihren Arbeitsumfang als Trainer zu erhöhen regelmäßig Gespräche dazu, wie das ggf umgesetzt werden kann. Und dort darf die Antwort nicht eindimensional sein im Sinne von "zieh nach XY" sondern dies kann eine Lösung sein, aber auch Gespräche mit lokalen Vereinen, ggf Überlegungen neue Stützpunkte aufzubauen, Sponsoren oder oder oder - individuelle Lösungen eben, die dafür sorgen dass mehr Trainer mehr Leisten können.

Fördern: Diejenigen, die auf dem Ticket von DLV, Landesverband (oder LSB, DOSB) fahren, müssen klar Vorbild sein. Das fängt mit dem Basics an: Sich an Aus- und Fortbildung beteiligen, auf E-Mails von Heimtrainern antworten, bei den entscheidenden Wettkämpfen (nicht nur international) anwesend sein und auch ansprechbar sein für Athleten und Trainer.