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Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Druckversion

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RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Gertrud - 22.11.2015

(22.11.2015, 09:21)gera schrieb: Es ist doch einen Binsenweisheit, Gertrud , das man eine gute Sichtung und Förderung im Kinder-/Jugendalter braucht.
Auch eine qualifizierte Ausbildung der Sportlehrer ist Voraussetzung.
Alles hatten wir in Deuschland schon reinmal noch intensiver , wie  HEK  bereits feststellte.
Das hat mit Doping in der DDR - und jetzt vielleicht in ...  nichts zu tun.
Was allerdings die Trainingsmethoden im Spitzenbereich angeht, würde ich, wie bereits gesagt,  in der Beurteilung sehr vorsichtig sein.

Ich gehöre nicht zu den Trainern, die das System der ehemaligen DDR völlig ablehnen. Es hat Hervorragendes auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung und auch im Wurfbereich erzielt und sollte auch in den Grundfesten teilweise so etabliert werden. Da hat unser fehlendes System enormen Nachholbedarf. Der Wettkampf "JTFO" bringt im Grunde nichts, weil er zu sehr vom Vereinsleben profitiert. Ich würde mich eher für flächendeckende Schul-Stadtmeisterschaften aussprechen, um die Talente zu erfassen.

Wir führen an unserem Gymnasium eine Talentsichtung in den Bereichen LA, VB und BB mit übergreifenden Standards durch, zu der Vereinsvertreter aus Marl, Dorsten, Wattenscheid eingeladen werden. Es gibt vereinzelt über Deutschland verteilt andere Auswahlkriterien. Ich habe mir mit meinem Kollegen z. B. den Sprintcup beim ASV Köln angesehen, wobei der Verein mittlerweile sehr im Nachwuchs von diesem System profitiert. Sicherlich müsste diese Schema auf andere Disziplinen ausgeweitet werden, um global sichten zu können.

Gertrud


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - lor-olli - 22.11.2015

Einige Tatsachen kann man aber nicht unterschlagen: Jamaika hat weniger Einwohner als Berlin… der leichtahtletische Konkurrenzkampf beginnt in den Vorschulen (!)… Leichtathletik hat als einzige Konkurrenz noch Cricket zu fürchten (Bobfahren eher nicht Wink), dennoch beginnt JEDES sportliche Leben in Jamaika mit dem leichtathletischen Sprint und das seit 100 Jahren!

Man hat sich von England unabhängig gemacht, aber das Schulsystem viel konsequenter als in GB beibehalten und Sport war in Englischen Schulen keine Nebensache (anima sana in corpore sano…) und LAUFEN kann man überall - in Kenia lang in Jamaika kurz. Sportliche Erfolge garantieren auch gesellschaftliches Vorankommen, das fördert den Ehrgeiz (und Jamaika ist wirtschaftlich außer in der Tourismusbranche nicht sehr erfolgreich), das "ewig schöne Wetter" erlaubt auch das ganzjährige Sporttreiben "auf'm Platz" und JEDE Schule hat einen solchen (oft SEHR einfachen, aber viel genutzten!).

Ein ganz wichtiges Ereignis (wird live im Fernsehen übertragen und Fernsehen schaut man auch in Jamaika…) sind die Schulmeisterschaften, läuft ähnlich ab wie unsere Bundesjugendspiele - nur mit Enthusiasmus und viel Engagement, schon die guten Kinder trainieren 3-4 mal die Woche. Die Schulmeisterschaft gewinnen und man wird national auch schon als 13, 14, 15jähriger inselweit bekannt (ich habe mal mit einem jamaikanischen Boxchampion 6 Monate zusammen gearbeitet, wenn man sah wie er mit seinen Kinder Sport trieb, sah man den Unterschied zu unserem Umgang…)

Bringen wir also "einfach" das jamaikanische Wetter, das jamaikanisch-sportliche Schuldenken, die gezielte Suche und Einbindung ALLER Kinder, die Konzentration der Besten zu den besten Trainern (und "beste" bedeutet NUR erfolgreichste), Übertragen alles LVIE im Fernsehen, zeichnen die Sieger vor großem Publikum auf und ermöglichen ihnen ein Sportstipendium… wundert mich nur, dass hier noch keiner auf die Idee gekommen ist… tz tz tz

Ich will aber auch nicht unterschlagen, dass die besten Trainer nahezu alle eine solide Ausbildung an ausländischen Universitäten hatten - sie haben gelernt, kopiert und verbessert. Der Erfolg gibt ihnen recht, der Staat förderte sie, hier will ein Minister zwar mehr Medaillen, aber darüber hinaus hat er keine Ideen…


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Gertrud - 22.11.2015

Sehr schön, mit dem Wetter klappt das natürlich nicht so. Wink Da brauchen wir mehr Hallenanteile; aber sonst sollten die Punkte durch ein DLV-Gremium abgearbeitet und in die Tat umgesetzt werden!!!  Thumb_up Es bringt nicht viel, wenn man nur den Vorträgen von Professoren lauscht. Da bedarf es vor allem der Vernetzung zur Praxis. Da sollten vornehmlich auch Praktiker an die Front, die über Zeitkapazitäten verfügen. Warum sollen wir nicht gute bestehende Systeme aus Jamaika übernehmen?

Gertrud


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Gertrud - 22.11.2015

(22.11.2015, 09:21)gera schrieb: Was allerdings die Trainingsmethoden im Spitzenbereich angeht, würde ich, wie bereits gesagt,  in der Beurteilung sehr vorsichtig sein.


Ich bin sehr vorsichtig in der Umsetzung Technik auf die Zubringerübungen in der Disziplin, sehe aber bestimmte Bilder mit Übungen und deren Ausführungen sehr deutlich in der Ursache von Verletzungen vor mir. Ich glaube, dass ich gerade auf dem Gebiet sehr geschult und somit zu "Urteilen" und Warnungen fähig bin. Natürlich ist Leistungssport kein "Streichelzoo"! Sabine war in bestimmten Zubringerübungen "saustark". Man kann nicht 1,94m und 6,84m springen, wenn man schwach ist. Dazu braucht man aber keine TKB und Reißen.

Ich habe die Ausfälle bei Usain Bolt ein Jahr zuvor vorhergesagt. Es ist sicherlich mit ihm auf den meisten sprintrelevanten Gebieten hervorragend gearbeitet worden, aber im orthopädischen Bereich eben nicht prophylaktisch, sondern reagierend. Ich habe die "Beweise" sehr gut dokumentiert. So sehe ich das reihenweise im Topbereich und erkläre damit die vielen Ausfälle. Ich könnte Ihnen einige Beispiele nennen, wo der DLV längst auf meine Vorschläge in den Fortbildungen eingeschwenkt ist. Das ist auch völlig in Ordnung. Warum soll man mich nicht "benutzen"? Einigen Trainern würden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn ich meine bisherigen Sammlungen mal veröffentliche. Ich habe nicht nur gesammelt, sondern auch "Rezepte" zur Prophylaxe deklariert. Bei Bolt sind daher noch enorme Reserven vorhanden.

Gertrud


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Oliver - 22.11.2015

(22.11.2015, 09:48)lor-olli schrieb: Jamaika hat weniger Einwohner als Berlin…
Noch erstaunlicher in Bezug auf die Einwohnerzahl finde ich hier Trinidad und Tobago. Dort leben etwa soviele Menschen wie in München. Dieses Jahr sind 5 Athleten unter 45.20 über die 400m gelaufen. Ich behaupte mal, dass in den letzten 20 Jahren keine 5 deutschen Läufer insgesamt dies geschafft haben. Robb darf mich hier gerne widerlegen.

(22.11.2015, 09:48)lor-olli schrieb: Leichtathletik hat als einzige Konkurrenz noch Cricket zu fürchten (Bobfahren eher nicht Wink), dennoch beginnt JEDES sportliche Leben in Jamaika mit dem leichtathletischen Sprint und das seit 100 Jahren!
Die Fußballer sind auch nicht so schlecht. Sie haben dieses Jahr beim CONCACAF-Gold Cup das Finale erreicht und haben dabei die USA im Halbfinale besiegt.


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Gertrud - 22.11.2015

Der liebe Gott bewahre uns davor, dass die Jamaikaner z. B. das Kugelstoßen flächendeckend entdecken. Schon haben sie einen Kugelstoßer auf Weltklasseebene.

Gertrud


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - gera - 22.11.2015

was alle schon ansprachen, die gesellschaftliche Anerkennung einer Sportart spielt eine wichtige Rolle.
Aber die geht in Europa leider zurück, und so auch die Verfügbarkeit von Talenten für die LA.
Ein Kreislauf . Gerade deswegen sind wirklich durchdachte Konzepte nötig, die neue Kinder-LA in Deutschland zähle ich persönlich nicht dazu.


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - lor-olli - 22.11.2015

(22.11.2015, 10:24)Oliver schrieb: Die Fußballer sind auch nicht so schlecht. Sie haben dieses Jahr beim CONCACAF-Gold Cup das Finale erreicht und haben dabei die USA im Halbfinale besiegt.

Alles Leichtathleten die zur Sprintspitze nichts taugten Teufel


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - Gertrud - 22.11.2015

(22.11.2015, 10:45)gera schrieb: Ein Kreislauf . Gerade deswegen sind wirklich durchdachte Konzepte nötig, die neue Kinder-LA in Deutschland zähle ich persönlich nicht dazu.

Genau - das trifft den Punkt! Da gibt es eine sehr große Lücke zwischen dem deutschen und jamaikanischen System. Die Jamaikaner zäumen die Sache mehr von der neuromuskulären Sache in der Methodik auf, nicht so sehr von verspielten Formen. Es sind Vorgaben, die den Anschluss gewährleisten. 

Was mich übrigens wundert, ist die Tatsache, dass ich bisher keinen Hinweise oder Foto von Übermax-Sprints auf Jamaika gesehen habe.

Gertrud


RE: Wurzeln des Sprinterfolgs auf Jamaika - decathlonitis - 22.11.2015

Alles fein beobachtet und dargestellt. Ihr habt dabei den hohen Stellenwert des Fußballs (m-w) hier bei uns völlig übersehen.  Und die gewachsene Qualität der Trainerarbeit, beginnend bei den Jüngsten.
Der DFB und die Vereine haben die Mittel und Rezepte längst entwickelt + Lobby und für diesen Verdrängungsprozess anderer Sportarten in den Medien gesorgt
Die Verlockung für sportliche Talente ist sehr groß.
Nun noch immer mehr Kooperationsverträge und Partnerschaften der Bundesligisten mit kleinen Vereinen, um Talente von früh zu sichten, zu fördern und danach abzusaugen.
Da verbleiben der Leichtathletik bei uns nur noch die Idealisten, die eben daran die individuellen, ursprünglichen und ästhetischen Elemente schätzen (und `nen guten Triner finden) und solchen, deren körperliche Gegebenheiten wie schlank-leichtgewichtig oder groß-kräftig, die Nischen von Ausdauerlauf und den Wurfarten für sich entdecken (oder entdeckt werden).
Au Backe, hab ich mich vergallopiert.

Allen Romantikern und Parisfreunden hier ein musikalischer Gruß der unvergesslichen Ella:

https://www.youtube.com/watch?v=3ahbE6bcVf8