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Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Druckversion

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RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Atanvarno - 13.08.2023

(13.08.2023, 18:44)Tom1966 schrieb: Ob es besser wird, wenn man bis in die Juniorenklasse hinein eher Schnitzeljagd und Ballspiele übt, wage ich zu bezweifeln.

Zwischen dem verfrühten Einsatz spezieller dem Aktiventraining vorzubehaltender Trainingsmittel/intensitäten in der Jugend und "Schnitzeljagd und Ballspielen" gibt es ja noch etwas Spielraum.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Befürworter - 13.08.2023

Die ganze Diskussion um die Frage der frühen oder späten Spezialisierung brät im eigenen Saft. Wurde das aktuelle DLV-Trainingskonzept jemals durch eine wissenschaftliche Studie abgesichert, seit wann die heutige Weltspitze disziplinspezifisch trainiert? Ich glaube die Antwort zu kennen, siehe Duplantis, aber genau solche Spekulationen wären dann ein für allemal ausgeräumt.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Reichtathletik - 13.08.2023

Der Pöhlitz-Beitrag ist in meinen Augen sehr gut und vor allem der Hinweis auf die Verknappung bei den Deutschen (2 Vorläufe) ohne vorherige Qualitätssteigerung wichtig. Der Verweis auf die deutlich mehr Teilnehmer im Sprint ist nicht unwichtig. Es gibt z.T. in Vereinen Leistungsgruppen oder in Verbänden, die eine ganze Reihe an Teilnehmern zu Deutschen Meisterschaften schicken können. Die Läufer mit vergleichbarerem Niveau schicken nur ihren besten. In der Folge hören viele auf, das Training wird weniger motivierend und hat weniger kompetativen Charakter. Nicht zu vergessen: Trainer hören auf. Das ist nicht DER Grund aber EINER und vor allem einer, den man schnell beheben könnte. Ich würde wetten, senk die Normen für die DM im Lauf drei Jahre lang und erlaube 16 Teilnehmer mehr und binnen weniger Jahre brauchst du um das Limit zu erreichen eine bessere Zeit als jetzt für insgesamt 16 Leute. Das kann man oft im kleinen beobachten, wo in Regionen Leute mit sub2/sub4 der King sind, eher eine Gruppe sich auf den Weg macht und "challanged" und auf einmal laufen in der Region drei oder vier Trainingsgruppen die Zeiten.

Die Frage Spezialisierung oder Ballspiele ist wie bereits erwähnt zu kurz gefasst. Es geht um LANGFRISTIGEN LEISTUNGSAUFBAU. Vielen Trainern fehlt dazu die Kenntnis. Die allermeisten Trainer sind maximal C-Trainer und machen alle Disziplinblöcke. Wenn die dann ein Talent haben, dann brechen die das Erwachsenentraining runter und das zieht sich erstmal ein paar Jahre. Aber dann geht es nicht mehr weiter. Oft sind die Leute dann bereits bei den vermeintlichen Toptrainern, die können aber kaum noch was retten. Dieser Effekt ist beim Lauf viel intensiver als in Wurf oder Sprung, weil die Leistungsfaktoren viel langfristiger aufgebaut werden müssen. Deshalb müssten eigentlich schon aus Eigeninteresse mehr gute Lauftrainer ständig in der Peripherie Fortbildungen geben. Aber wir haben statt Nachwuchsbundestrainer (das sind oft nur Honorarkräfte) ja fast nur Stützpunkttrainer.
Hier liegt übrigens auch der Grund, warum es im Wintersport oder Triathlon besser klappt. Triathlontrainer lernen nicht noch was von Wurf und Sprung. Die lernen Schwimmen, Rad und Lauf - aber alles auf Ausdauer. Das sind quasi Ausdauertrainer, Ausdauerspezialisten. Selbst auf unteren Niveau im Triathlon sind Dinge wie VO²max und Schwelle bekannt, das kennen viele Trainer in der Leichtathletik bis heute nicht.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Diak - 13.08.2023

Die Frage nach dem Zeitpunkt der Spezialisierung ist abhängig von zig Faktoren. (Z.B. Disziplin, Umfeld, Trainer, Ressourcen, Zeit...) späte Spezialisierung für fast alle würde helfen, um die unstrittigen (und in der Tat belegten[!] Vorzüge einer breiten Ausbildung zu nutzen, steht aber duplantesken Ausnahmen nicht entgegen.
Atanvarno schrieb aber "Trainingsmittel/Intensitäten". Das ist eine völlig andere Kiste. Ich kann früh mit altersgerechten Mitteln und Intensitäten spezialisieren. Ich bin kein Spezialist für Mittelstrecken, aber die meisten meiner Mehrkämpferinnen laufen recht ok 800. Es ist doch nicht schwierig, Jugendliche mit intelligentem Schnelligkeitstraining, extensiven Intervallen und vielfältigen Ausdauerreizen zu entwickeln, und ZWL, spezielle und lange TL, hohe Kilometerumfänge und hohe Kraftintensitäten der Aktivenzeit vorzubehalten?


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Atanvarno - 13.08.2023

(13.08.2023, 21:58)Diak schrieb: Atanvarno schrieb aber "Trainingsmittel/Intensitäten". Das ist eine völlig andere Kiste. Ich kann früh mit altersgerechten Mitteln und Intensitäten spezialisieren. Ich bin kein Spezialist für Mittelstrecken, aber die meisten meiner Mehrkämpferinnen laufen recht ok 800. Es ist doch nicht schwierig, Jugendliche mit intelligentem Schnelligkeitstraining, extensiven Intervallen und vielfältigen Ausdauerreizen zu entwickeln, und ZWL, spezielle und lange TL, hohe Kilometerumfänge und hohe Kraftintensitäten der Aktivenzeit vorzubehalten?

Danke, so war's gemeint! Ich bin überhaupt nicht gegen frühe Spezialisierung, die Frage ist eben wie man's macht. ZWL sind ein perfektes Beispiel. Wie oft ich das im Trainingslager bei U18 und sogar U16 gesehen habe. Die Trainer hätte man ohrfeigen wollen Angry


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - MErunsThis - 14.08.2023

Bedeutet "ZWL" Zugwiderstandslauf? Und falls ja, warum sollte man ZWL der Aktivenzeit vorbehalten?

Danke im Voraus Thumb_up


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Atanvarno - 14.08.2023

Weil sich Trainingsreize abnutzen. Um im höheren Alter weitere Steigerungen zu erreichen, kann ich entweder die Belastung bekannter Reize steigern, oder neue Reize setzen. ZWL (=Zugwiderstandsläufe) als hochintensives Trainingsmittel sind in der Intensität nur begrenzt steigerbar, diesen Reiz bereits im Jugendtraining abzunutzen wäre Verschwendung eines wirksamen neuen Trainingsreizes für das Anschluss- und Hochleistungstraining. Hinzu kommt, dass der Einsatz von ZWL in der muskulären und koordinativen Entwicklung des Athleten sehr gut vorbereitet werden muss, das erfordert Zeit und kann aus meiner Sicht in der U16 noch gar nicht so erfolgt sein, dass der Einsatz dieses Trainingsmittels Sinn macht.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Tom1966 - 14.08.2023

Moin,

da bin ich ja froh, dass ich die ZWL-Frage nicht gestellt habe, nachdem ich mir schon den Ironie-Lapsus geleistet habe (Ballspiele). Ob ZWL bei Aktiven Mittelstrecklern der nationalen und internationalen Spitzenklasse ein probates und verbreitetes Trainingsmittel sind, kann ich nicht beurteilen. In meiner Aktiven-Zeit war das jedenfalls nicht so.

Aber Ihr müsst schon komplett lesen: ich schrieb von ausgewogenem Verhältnis von Belastungsstufen und Erholungsperioden und einer unterschiedlichen Behandlung von U18/20 und den entsprechend älteren Aktiven. Aber wenn in der U18/U20-Szene etwa die Jungs und Mädels für die DM vorbereitet werden und konkurrenzfähig sein wollen, müssen sie da schon Zeiten laufen, die allein mit extensiven TL und Ausdauertraining wohl kaum zu erzielen sind.

Aber eben als langfristig geplanter Leistungsaufbau, wie Reichtathletik schrieb, der einerseits nicht zu früh verheizt, andererseits aber auch den Abstand zur internationalen Spitze nicht zu unerreichbar erscheinen lässt. Ein 19-jähriger 1500 m-Läufer, der knapp unter 3:50 laufen kann und damit in der erweiterten deutschen Spitze ist, weiss, dass er in den kommenden Jahren erhebliche Leistungssprünge machen muss, um auch nur in die Nähe der internationalen Spitze zu gelangen. Das kann schnell demoralisieren und es braucht ein exzellentes Trainer-Athlet-Verhältnis und vor allem Kontinuität in dieser Beziehung, damit die jungen Athleten nicht den Fokus verlieren.

Martin/Coe haben das in den 1990er Jahren in für mich überzeugender Art mal in einer Trainingsstrategie dargestellt, die einen solchen langfristigen jahrelangen Aufbau zeigt.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - MErunsThis - 15.08.2023

(14.08.2023, 20:48)Atanvarno schrieb: Weil sich Trainingsreize abnutzen. Um im höheren Alter weitere Steigerungen zu erreichen, kann ich entweder die Belastung bekannter Reize steigern, oder neue Reize setzen. ZWL (=Zugwiderstandsläufe) als hochintensives Trainingsmittel sind in der Intensität nur begrenzt steigerbar, diesen Reiz bereits im Jugendtraining abzunutzen wäre Verschwendung eines wirksamen neuen Trainingsreizes für das Anschluss- und Hochleistungstraining. Hinzu kommt, dass der Einsatz von ZWL in der muskulären und koordinativen Entwicklung des Athleten sehr gut vorbereitet werden muss, das erfordert Zeit und kann aus meiner Sicht in der U16 noch gar nicht so erfolgt sein, dass der Einsatz dieses Trainingsmittels Sinn macht.
Danke dir für die Erklärung. Ich muss vorab zugeben, dass ich damit in der Praxis kaum Erfahrung habe. Du sprichst aber gegen die geballte Autorität meiner Online-Blase. Da sind "Resisted Sprints" eines der Mittel schlechthin.

Ich erinnere mich an ein Video von Jonas Dodoo, der "Resisted Sprints" mit Exergenie in einem seiner "Speedcamps" sogar bei Kindern einsetzt. Dabei geht es auch darum, zu lernen, wie man beim Start die Kraft horizontal einsetzt und die Bewegung aus der Hüfte betont.

Ich finde es auch plausibel zu argumentieren, dass ein ZWL weniger intensiv ist als ein Sprint ohne Widerstand, weil die "rate of force development" geringer ist. Der "Kraftreiz" ist größer, dafür ist der "Schnelligkeitsreiz" kleiner.

Einen Gegenstand hinter sich herzuziehen, erscheint mir als eine ganz natürliche Bewegung, selbst für kleine Kinder. Die Kinder-Rikscha in der Grundschule meiner Tochter war eine Zeit lang der Renner.


RE: Fehlende Leistungsdichte Mittelstrecke - Ursachen? - Diak - 15.08.2023

(15.08.2023, 06:07)MErunsThis schrieb:
(14.08.2023, 20:48)Atanvarno schrieb: Weil sich Trainingsreize abnutzen. Um im höheren Alter weitere Steigerungen zu erreichen, kann ich entweder die Belastung bekannter Reize steigern, oder neue Reize setzen. ZWL (=Zugwiderstandsläufe) als hochintensives Trainingsmittel sind in der Intensität nur begrenzt steigerbar, diesen Reiz bereits im Jugendtraining abzunutzen wäre Verschwendung eines wirksamen neuen Trainingsreizes für das Anschluss- und Hochleistungstraining. Hinzu kommt, dass der Einsatz von ZWL in der muskulären und koordinativen Entwicklung des Athleten sehr gut vorbereitet werden muss, das erfordert Zeit und kann aus meiner Sicht in der U16 noch gar nicht so erfolgt sein, dass der Einsatz dieses Trainingsmittels Sinn macht.
Danke dir für die Erklärung. Ich muss vorab zugeben, dass ich damit in der Praxis kaum Erfahrung habe. Du sprichst aber gegen die geballte Autorität meiner Online-Blase. Da sind "Resisted Sprints" eines der Mittel schlechthin.

Ich erinnere mich an ein Video von Jonas Dodoo, der "Resisted Sprints" mit Exergenie in einem seiner "Speedcamps" sogar bei Kindern einsetzt. Dabei geht es auch darum, zu lernen, wie man beim Start die Kraft horizontal einsetzt und die Bewegung aus der Hüfte betont.

Ich finde es auch plausibel zu argumentieren, dass ein ZWL weniger intensiv ist als ein Sprint ohne Widerstand, weil die "rate of force development" geringer ist. Der "Kraftreiz" ist größer, dafür ist der "Schnelligkeitsreiz" kleiner.

Einen Gegenstand hinter sich herzuziehen, erscheint mir als eine ganz natürliche Bewegung, selbst für kleine Kinder. Die Kinder-Rikscha in der Grundschule meiner Tochter war eine Zeit lang der Renner.

Es spricht nichts dagegen / ist notwendig, im Techniklernen auch Zugwiderstände einzusetzen, die disziplinnahe Hüftansteuerung profitiert nicht nur in dem genannten Beispiel.
Das Kind geht auch vor der Rikscha nicht kaputt. ZWL führen zu schnellen Erfolgen. Wer sich in Onlineblasen promotet, ist ggf an solchen stärker interessiert als an der langfristigen Leistungsentwicklung?
Und Du beschreibst sehr treffend: der Kraftreiz ist gegenüber dem Schnelligkeitsreiz stärker betont. "Weniger intensiv" klingt wie "weniger gefährlich" Schnelligkeitsintensitäten brauchen Pausen, ansonsten sind die nötig und überhaupt nicht problematisch.