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Normale Version: Leistungssport und Berufsausbildung vereinbaren - geht das?
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(26.08.2014, 06:48)Pretender schrieb: [ -> ]Was Krause angeht: Irre ich mich, oder hat einer der Kommentatoren bei der EM gesagt, dass sie ihr Studium aufgegeben hat, weil das in ihrem Falle für sie beides zusammen nicht funktionierte? Vielleicht sind die Leistungen daher zu erklären. Diese Saison schaute es doch besser aus als letzte Saison (von der SB-Zeit her)?

Ich frage mich allen Ernstes, was aus diesen Leuten beruflich nach 30 wird? Wenn man ein Studium streckt, kann ich das nachvollziehen, aber für den Sport aufgeben ... niemals!!! Hier ist der Verband gefragt zu interagieren. Das Paket Leistungstraining auf höchstem Niveau und Studium erfordern wirklich ein straffes Zeitmanagement und jede Menge Absprachen mit Institutionen. Da liegt der Hase im Pfeffer.

Hier in Marl liegen bei jungen Schülern Vereinswechsel mit Fahrten verbunden an. Ich halte solche Aktionen in sehr jungen Jahren nur auf den Sport fokussiert für falsch! In zwei Fällen richte ich mich als Trainerin total nach dem schulischen Stundenplan. Es wird keine Viertelstunde verschleudert; daher kommt für mich auch kein zeitgebundenes Training nach Vereinszeitplan in Frage. Ich arbeite aber dem Verein zu. Ich selbst halte den Kreis sehr begrenzt und teste das Leistungsvermögen aus und bin auch im Endeffekt sehr ehrlich, ob sich ein Einstieg in den absoluten Leistungssport überhaupt lohnt. Es bringt nichts, wenn später die Olympiamedaille an der Wand hängt und man vielleicht das Studium oder die Referendarzeit geschmissen hat. Was würde z. B. ein Kugelstoßer in Marl machen, wenn er die gute Bedingungen, die zweifelsohne bestehen, ohne meine Hilfe nicht nutzen kann. Beate Peters hätte damals für jedes Kraft- und Sprungtraining nach Wattenscheid fahren müssen.

Gertrud
(27.08.2014, 07:01)Gertrud schrieb: [ -> ]Ich frage mich allen Ernstes, was aus diesen Leuten beruflich nach 30 wird? Wenn man ein Studium streckt, kann ich das nachvollziehen, aber für den Sport aufgeben ... niemals!!! Hier ist der Verband gefragt zu interagieren. Das Paket Leistungstraining auf höchstem Niveau und Studium erfordern wirklich ein straffes Zeitmanagement und jede Menge Absprachen mit Institutionen. Da liegt der Hase im Pfeffer.

Ich denke die meisten werden dann bei der polizei bzw. bundeswehr (offizierslaufbahn) bleiben, oder?
(27.08.2014, 08:30)dominikk85 schrieb: [ -> ]Ich denke die meisten werden dann bei der polizei bzw. bundeswehr (offizierslaufbahn) bleiben, oder?

Polizei ja, meist mittlerer Dienst.
Bundeswehr nein - die haben sozusagen nur Zeitverträge. Danach gibt es evtl. noch eine Umschulung.

Claudia Rath z.B. ist gelernte Kindergärtnerin. Sie ist jetzt bei der BW und studiert nebenher.
Wenn Krause das nicht schafft, dann sollte sie einen Beruf erlernen - dann könnte sie auch sonst Probleme beim Studium haben.
Harting ist 30 und hat grade erst sein Studium beendet, ich seh da kein Problem, man muß nicht mit 20 ein Studium anfangen.
(27.08.2014, 07:01)Gertrud schrieb: [ -> ]
(26.08.2014, 06:48)Pretender schrieb: [ -> ]Was Krause angeht: Irre ich mich, oder hat einer der Kommentatoren bei der EM gesagt, dass sie ihr Studium aufgegeben hat, weil das in ihrem Falle für sie beides zusammen nicht funktionierte? Vielleicht sind die Leistungen daher zu erklären. Diese Saison schaute es doch besser aus als letzte Saison (von der SB-Zeit her)?

Ich frage mich allen Ernstes, was aus diesen Leuten beruflich nach 30 wird? Wenn man ein Studium streckt, kann ich das nachvollziehen, aber für den Sport aufgeben ... niemals!!! Hier ist der Verband gefragt zu interagieren. Das Paket Leistungstraining auf höchstem Niveau und Studium erfordern wirklich ein straffes Zeitmanagement und jede Menge Absprachen mit Institutionen. Da liegt der Hase im Pfeffer.

Hier in Marl liegen bei jungen Schülern Vereinswechsel mit Fahrten verbunden an. Ich halte solche Aktionen in sehr jungen Jahren nur auf den Sport fokussiert für falsch! In zwei Fällen richte ich mich als Trainerin total nach dem schulischen Stundenplan. Es wird keine Viertelstunde verschleudert; daher kommt für mich auch kein zeitgebundenes Training nach Vereinszeitplan in Frage.
Gertrud
Andererseits kann man nicht zwei Vollzeitjobs gleichzeitig machen. Warum also nicht mal auf den Leistungssport setzen und schauen, was dabei herausschaut. Und aber auch frühzeitig abbrechen, wenn es nicht klappt. Die Lehre, die vor 10 Jahren absolviert wurde, der frühere Studienabschluss ohne Berufspraxis helfen ja häufig dann auch nicht weiter. Weshalb also nicht mit 30 erst Vollgas das Studium absolvieren, und anschliessend bereit sein für den 100%igen Berufseinstieg?
(28.08.2014, 08:08)krebsan schrieb: [ -> ]Andererseits kann man nicht zwei Vollzeitjobs gleichzeitig machen. Warum also nicht mal auf den Leistungssport setzen und schauen, was dabei herausschaut. Und aber auch frühzeitig abbrechen, wenn es nicht klappt. Die Lehre, die vor 10 Jahren absolviert wurde, der frühere Studienabschluss ohne Berufspraxis helfen ja häufig dann auch nicht weiter. Weshalb also nicht mit 30 erst Vollgas das Studium absolvieren, und anschliessend bereit sein für den 100%igen Berufseinstieg?

Ganz einfach, weil später 10 Versicherungsjahre fehlen!!! Es sei denn, man will bis 80 arbeiten. Wink Das Argument, dass man später eh´ keine Rente mehr bekommt, halte ich für sehr blauäugig. Es ist in Ordnung, wenn man das Studium etwas streckt oder die Lehre unter günstigen Bedingungen absolviert. Wenn man das will, geht das auch. Natürlich müssen die äußeren Bedingungen stimmen, dass keine Zeit verplempert wird.

Wenn ich mir unsere frühere Garde mit Liesel Westermann oder Ingrid Mickler-Becker anschaue, die auch Weltniveau hatten und teilweise heute noch mithalten könnten, dann haben sie sich alle frühzeitig beruflich etabliert. Man muss eben vielleicht mal auf EM-Zwischenjahre verzichten und berufliche Prioritäten setzen.

Gertrud
(28.08.2014, 08:08)krebsan schrieb: [ -> ]Andererseits kann man nicht zwei Vollzeitjobs gleichzeitig machen. Warum also nicht mal auf den Leistungssport setzen und schauen, was dabei herausschaut. Und aber auch frühzeitig abbrechen, wenn es nicht klappt. Die Lehre, die vor 10 Jahren absolviert wurde, der frühere Studienabschluss ohne Berufspraxis helfen ja häufig dann auch nicht weiter. Weshalb also nicht mit 30 erst Vollgas das Studium absolvieren, und anschliessend bereit sein für den 100%igen Berufseinstieg?
Also ich weiß nicht...
Gottseidank bin ich nicht ansatzweise in so einer Situation, aber in Deutschland als Mittel- und Langstreckler in (momentan) bestenfalls der erweiterten Weltspitze voll auf das Pferd Leistungssport zu setzen?

Gesa Krause macht in Interviews nicht gerade einen unreflektierten Eindruck. Ich denke schon, dass so ein Vabanque-Spiel mit gehörigem Bauchgrummeln verbunden wäre. Wovon soll sie denn die nächsten Jahre leben? Speziell, wenn dann die Karriere vorbei ist mit um die 30 ein Studium beginnen ohne finanziell was auf der hohen Kante zu haben? Auweh...

Ich denke, dass das das große Problem in D ist. Wie ermöglicht man "Vollzeitleistungssport" ohne den Steuerzahler allzu stark in die Pflicht zu nehmen. Ich glaube nicht, dass ein Arne Gabius als Blaupause für jeden taugt...leider ist ein amerikanisches "Stipendiensystem" hierzulande auch nicht umsetzbar und ich denke auch nicht wünschenswert... 
(28.08.2014, 08:17)Sebastian schrieb: [ -> ]Gesa Krause macht in Interviews nicht gerade einen unreflektierten Eindruck. Ich denke schon, dass so ein Vabanque-Spiel mit gehörigem Bauchgrummeln verbunden wäre. Wovon soll sie denn die nächsten Jahre leben? Speziell, wenn dann die Karriere vorbei ist mit um die 30 ein Studium beginnen ohne finanziell was auf der hohen Kante zu haben? Auweh...

Genau diese Bedenken habe ich, dass irgendwann enorm viel Wehmut zurückbleibt. Man muss die Athletin mit diesen Gedanken konfrontieren.

Gertrud
Genauso kann es aber auch Wehmut auslösen, wenn man an die Sportkarriere zurückdenkt und sich überlegt, ob man vielleicht doch mit etwas mehr Einsatz, mehr Fokussierung noch etwas mehr erreicht hätte. Ich habe einmal eine junge Skiakrobatin begleitet, die immer in Olympiazyklen gedacht hat und schliesslich zwei Mal starten durfte. Natürlich hat sie ihre Karriere schliesslich frühzeitig beendet, weil mit dem Sport - selbst wenn sie Olympiasiegerin geworden wäre - das Leben nicht zu finanzieren war. Eine andere, Tennisspielerin, erhielt vom Vater die Frist, bis 20ig in die Top Ten der Welt vorzustossen, oder aber dann die Karriere abzubrechen (was dann auch geschah). Beide haben aber in wichtigen Jahren voll auf den Sport gesetzt (was nicht heisst, dass sie überhaupt keine Ausbildung nebenher gemacht haben), und wissen heute, dass sie alles versucht haben. Und beide sind im Job bestens angekommen.
Richtig ist aber natürlich, dass man mit der Ausbildung dann nicht bis 30 oder länger warten darf, wenn man mit dem Sport kein oder zu wenig Geld verdient.
(28.08.2014, 08:20)Gertrud schrieb: [ -> ]Genau diese Bedenken habe ich, dass irgendwann enorm viel Wehmut zurückbleibt. Man muss die Athletin mit diesen Gedanken konfrontieren.

Gertrud
Vielleicht muss man das. Sicher muss man sie aber auch mit anderen Gedanken konfrontieren. Z. B. damit, dass einige ihrer Konkurrentinnen ihre Zeit fast nur mit Training, Essen und Schlafen verbringen. Und dass die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass diese immer vor ihr sein werden, wenn Krause es nicht zumindest eine Zeitlang genauso macht.

Krause ist 22. Sie hat noch viel Zeit zum Studieren. Nebenbei in die Rentenversicherung wird sie aktuell mit der Bundeswehr mehr einzahlen können als während eines Studiums.

Mir ist jetzt wieder klarer geworden, warum die deutschen Läufer auf Mittel- und Langstrecke meist nicht mithalten können. Es gibt hier zu viele Bedenkenträger.

Wer ein so großes Sicherheitsbedürfnis hat, dass ihm eine Studiumabschluss mit über 30 oder ein paar Jahre ohne große Beiträge zur RV schrecken, hat im Leistungsspoirt in den meisten Fällen nichts verloren. Das ist eben kein Job wie jeder andere.

"Duale Karriere" ist nicht für jeden gut möglich, zumindest nicht gleichzeitig. Manche bekommen das gut hin, dass heisst nicht, dass es für andere nicht besser ist, sich eine Zeitlang nur auf den Sport zu konzentrieren.

Bin sehr zuversichtlich, dass eine Krause ihren Weg auch außerhalb und nach dem Sport machen wird.

Natürlich ist die Sportförderung an den Unis hier meist viel zu schlecht. Aber die aktuelle Sportlergeneration kann nicht warten, bis das besser wird.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre möglicherweise auch eine der besten Sport- und Kulturförderungsmöglichkeiten. Aber dem steht ja hierzulande u. a. ein mangelndes Verständnis von Arbeit und Wertschöpfung entgegen.

Man darf auch folgende Fragen stellen: Ist es ok, dass SportlerInnen für die Nationalmannschaft starten und sie sich dann bei etwas Pech in der Karriere in die Schlange bei ALG2 oder später Mindestaltersvorsorgung  stellen dürfen? Darf sich  eine Gesellschaft, die sich mit den Erfolgen diese SportlerInnen schmücken will,das in einem so reichen Land wie Deutschland leisten?

Und komm mir keiner mit den Finanzierungsargumenten. Wenn der Wille da ist, ist sowohl eine deutliche höhere Sportförderung als auch ein Grundeinkommen finanzierbar. Das Geld wird anderswo verschenkt, Bei Unternehmens-, Erbschafts- und Vermögenssteuer, ganz zu schweigen von den vielen Lücken im System.

Gruß

C
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