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Normale Version: Bewertung struktureller Maßnahmen der Vergangenheit
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Meines Erachtens verengt sich die Diskussion zu Problemen der deutschen Leichtathletik bereits zu stark in Richtung Trainingskonzepte,  Trainerqualität etc.

Solche fachlichen Diskussionen sind zweifellos berechtigt und werden zu Recht geführt.

Ich meine aber im ersten Stadium einer Analyse sollte man einmal zusammentragen, welche einschneidenden Veränderungen hat man in unserer LA durch eigene strukturellen Maßnahmen in der Vergangenheit vorgenommen und was haben sie gebracht? Die schon oft thematisierte KiLA klammere ich an dieser Stelle einmal aus.

Um andere Rückschlüsse zu ziehen sollte man ruhig auch etwas in die tiefere Vergangenheit gehen. Es geht dabei nicht darum, hier zu einer Aussage, wie "früher war alles besser" zu kommen. Das war sicherlich nicht so und hilft nicht weiter. Die Frage muss aber erlaubt sein: "Hat nicht manche Veränderung eher dazu beigetragen, die Lage zu verschärfen?" Handelte es sich bei manchen Dingen nicht eher um eine "Verschlimmbesserung" als eine Maßnahme zur Verbesserung?

Ich steige einmal mit den Deutschen-Schülermeisterschaften ein, die in den Jahren 1971 bis 1979 auch in allen Einzeldisziplinen ausgetragen wurden. Der damaligen Klasse der Schüler/innen A gehörten die 13- und 14-jährigen an. Die Einführung war schon aus dem Grund nicht nachvollziehbar, da B-Jugendmeisterschaften erst 1988, also wesentlich später, für die dann 16- und 17-jährigen  eingeführt wurden.

Welchen Sinn hatte die Einführung der Schülermeisterschaften 1971 schon 17 Jahre bevor Meisterschaften für die dann bis zu 4 Jahre älteren Aktiven eingeführt wurden?

Bis einschließlich  1987 hatte man im DLV im Nachwuchsbereich eine Altersklassenstruktur mit Doppeljahrgängen (17/18 Jahre Jugend A, 15/16 Jahre Jugend B, 13/14 Jahre Schüler A, 11/12 Jahre Schüler etc.). Dieses System passte man 1988 an das internationale System an, indem man die Struktur an die internationale Klasseneinteilung um  ein Jahr  nach oben verschob. Diese Anpassung machte durchaus Sinn.

Eher fragwürdig war aber, dass ab der U 16 an abwärts in den Einzeldisziplinen Jahrgangsklassen eingeführt wurden. Diese Entscheidung muss man zumindest in der Rückschau wohl eher als Rückschritt als Fortschritt ansehen. Die Teilnehmerfelder in Wettbewerben wurden damit halbiert. Die Kinder/Jugendlichen trafen bei Wettkämpfen Jahr für Jahr immer nur auf die gleichen Gegner, was eine gewisse Eintönigkeit zur Folge hatte. Sieg und Niederlage wurden dadurch weitgehend zementiert. Die Guten (oft natürlich die Akzelerierten) gewannen immer, die anderen nie. Sieg und Niederlage, deren Erleben m. E. im Sport von essentieller Bedeutung ist, ging gewissermaßen verloren und damit auch ein Stück dessen, was die "Würze" im Sport auch ausmacht.

Der genannte Halbierungseffekt wurde noch dadurch gestärkt, dass die Zeit der geburtenstarken "Babyboomer"-Jahre vorbei war und sich die Zahl der Sportler/innen ohnehin verringerte. Dazu kam natürlich die zunehmende Konkurrenz anderer Sportarten, anderer Freizeitaktivitäten (oft mit einem allgemeinen Bewegungsrückgang verbunden) und die rückläufige Bedeutung der Leichtathletik im Schulsport.

Einige dieser Faktoren sind für die Leichtathletik kaum beeinflussbar, in einigen Punkten lohnt aber eine Prüfung, ob die Leichtathleten nicht manches  ihrer heutigen Probleme durch nicht notwendige, kontraproduktive Weichenstellungen selbst mit verursacht haben.

Ähnliche unlogische strukturelle Veränderungen kann man feststellen, wenn man die Veränderungen am System der Mehrkämpfe betrachtet. Die etwas Älteren in diesem Forum, werden sicherlich durchaus positiv daran zurückdenken, dass es für die meisten Vereine völlig unproblematisch war, im Schüler- und Jugendbereich Vier- oder Fünfkampf-Mannschaften mit 5 Teilnehmer/innen zu stellen. Beispiel in der männlichen Jugend: Die Fünfkampfdisziplinen 100 m, Weitsprung, Kugelstoßen, Hochsprung und 1000 m/später 400 m konnten auch weniger Mehrkampfbegabte recht problemlos schaffen und waren somit auch für ihre Mannschaften wichtig.

Bei Deutschen Jugendmeisterschaften wurde der zu diesem Zeitpunkt nach wie vor sehr beliebte Fünfkampf bei der männlichen Jugend ohne Not ab 1991 aus dem Meisterschaftsprogramm der A-Jugend (U 20) gestrichen. Für die B-Jugend gab es ihn nur noch bis 1993. Seitdem sind die Jugendlichen der U 20 und U 18 im Mehrkampf nur noch im Zehnkampf aktiv, d. h. das alle, die keine ausgesprochenen Mehrkampfspezialisten sind, ab dem Alter von 16 Jahren von Mehrkämpfen ausgeschlossen sind.

In den jüngeren Altersklassen (Beispiel U 16) gab es bis 1993 DM den Vierkampf inkl. Mannschaftswertung. Ab 1994 gab es nur noch den Achtkampf/später Neunkampf, der auch nur eine Sache der Mehrkampfspezialisten ist.

Im weiblichen Bereich gab es die gleichen bzw. ähnliche strukturelle Veränderungen.

Zur Kompensation gibt es seit 1988 das Konstrukt der Blockmehrkämpfe in 3 Disziplinblöcken, zu denen in allen 3 Fällen der Sprint, Hürdensprint und Weitsprung gehört.  Die Grundidee, die man sich dabei gedacht hat, war die, dass man der Schnelligkeit und dem Koordinationsvermögen, trainingsmethodisch eine überragende Transferbedeutung für andere Disziplinen beigemessen hat. Daran ist vom Grundsatz her nichts falsch.

Erreicht man aber mit diesem Ansatz in der Praxis denn wirklich das eigentliche Ziel?

Ist es nicht so, dass gerade der Hürdenlauf für viele Athletinnen und Athleteten eher ein Ausschlusskriterium für den Mehrkampf darstellen, weil viele ihre "Angst" vor der Hürdenüberquerung leider nie ganz verlieren oder allenfalls in einer Technik, die man bestenfalls als Hürdensprünge umschreiben kann, an die Sache herangehen.

Für solche Aktive ist der BM also eine wesentlich anspruchsvollere (und damit eher abschreckendere Variante) als der frühere Fünfkampf.

Wenn der Ansatz der BM stimmen würde, müssten wir doch besonders in den 3 Grunddisziplinen (Sprint, Hürdensprint, Weitsprung) ganz anders dastehen. Tatsache ist: Der Hürdensprint gehört männlich und weiblich seit vielen Jahren zu den größten Sorgendisziplinen der deutschen Leichtathletik. Viele Weitspringer/innen verfügen nicht einmal über einen stabilen Anlauf und produzieren fast mehr ungültige als gültige Sprünge. Das ist doch die wichtigste Basis für gute Ergebnisse in dieser Disziplin! Wenn nicht einmal das funktioniert, muss man doch die Sinnhaftigkeit der BM hinterfragen.

An dieser Stelle, muss auch die Frage gestellt werden: Ist das Beherrschen des Hürdenlaufs für spätere Mittel- und Langstreckenläufer oder Werfer später wirklich von essentieller Bedeutung für ihre Leistungsentwicklung?

Ich sehe die weitgehende Abschaffung des Fünfkampfes und die Einführung der Blockwettkämpfe in der Praxis bei Weitem nicht so positiv wie vermutlich viele Andere hier im Forum, die die theoretischen trainingsdidaktischen Vorteile isoliert in den Vordergrund stellen.

Meines Erachtens gibt es also "hausgemachte" Probleme in der Leichtathletik, die an anderer Stelle auch mit anderen Beispielen zu strukturelle Ansatzpunkten verdeutlicht wurden. Beispiele:  falsches Kadersystem mit Nadelöhr vom Jugend- in den Männer/Frauenbereich, finanzielle Unterstützung zum falschen Zeitpunkt, Qualifikationsmodus zu DM, weitgehende Wegrationalisierung/fehlende Anerkennung für Athleten, die nicht der absoluten Spitze angehören, und Einiges mehr.

Ein guter Weg Erkenntnisse zu gewinnen, wäre es m. E. nach wie vor, die Aktiven selbst zu hören. Wo sehen sie die Hauptprobleme der Leichtathletik? Was hat bei "Ehemaligen" zum Karriereende geführt?

edit mod: abgetrennt aus
Grundlagentraining verbessern
Athletix, ich finde viele Inhalte deines Posts durchaus diskussionswürdig. Allerdings verstehe ich nicht warum man deshalb NICHT über die Ausgestaltung des Grundlagentrainings und die Qualifikation der entsprechenden Trainer sprechen sollte.
Einen langen Post in einem Thread über Grundlagentraining warum man über etwas anderes als Grundlagentraining reden sollte halte ich für nicht zielführend.

Wir können alle ganz oft und auch in vielen Fällen zu Recht über Entscheidungen von Verbänden sprechen. Aber ich finde man macht es sich zu einfach nur zu sagen hier und da gab es Fehlentscheidungen (mache ich ja auch gerne) und dies und jenes müsste anderes. Aber letztlich entbindet das nicht davon auch zu überlegen was man selbst in den Vereinen besser machen kann.
Hallo Reichtathletik,

da hast Du aber nicht richtig gelesen oder etwas missverstanden.

Ich habe doch schon im 2. Satz meines Beitrages ausdrücklich gesagt, dass ich die fachlichen Diskussionen über Trainingskonzepte, Trainerqualität etc. zweifellos für berechtigt halte und diese zu Recht geführt werden.

Das schließt doch nicht aus, auch einmal andere Aspekte, mit mittelbaren Auswirkungen auf das Training zu beleuchten.

Ich habe nur herausarbeiten wollen, dass es vielleicht von Vorteil ist, erst einmal evtl. Fehler aus der Vergangenheit zu analysieren, die in der Leichtathletik generell in Deutschland falsch gelaufen sein könnten und die nicht von Dritten und/oder Finanzen abhängig sind. Diese können verbandsseitig am schnellsten korrigiert werden. Das schließt natürlich nicht aus, dass auch in den Vereinen Fehler gemacht werden und korrigiert werden sollten. Diese sind aber hier im Forum schlecht zu diskutieren, da diese in jedem Verein individuell andere sein können.
"Erstmal" ist etwas ironisch, wenn man bedenkt dass wir zu verbandspolitischen Themen hier im Forum bereits viele Seiten lang diskutiert haben. Genau deshalb hatte ich ja den Ansatz auch Mal über das GLT an der vielzitierten "Basis" zu reden (da könnte man ja zB auch überlegen welche Rolle hier Verbände spielen sollten zB in der Ausbildung oder mit Kaderangeboten wie in meinem Ausgangspost). Aber scheinbar scheint es wenig Bereitschaft zu geben hier zu sprechen und es reduziert sich überwiegend auf "wir sollten über den Verband reden" oder "die armen Trainer haben keine Zeit den RTP zu lesen"
ich finden den Ansatz von Athletix gut, aber da er so rein gar nichts mit dem von Reichtathletik gestarteten Thema zu  tun hat -> eigener Thread
endloses debattieren über theoretische Dinge bringen doch überhaupt nicht weiter.
Solches bla-bla wie von Astherix bringen von der Notwendigkeir ab konkrete Sachen ändern zu wollen.
Also nicht die ganze Leichtathletik erklären wollen, sondern zu einem Punkt einen konkreten Ansatz bringen, wenn man denn dazu in der lage ist.
(13.09.2023, 14:27)unruh schrieb: [ -> ]endloses debattieren über theoretische Dinge bringen doch überhaupt nicht weiter.
Solches bla-bla wie von Astherix bringen von der Notwendigkeir ab konkrete Sachen ändern zu wollen.
Also nicht die ganze Leichtathletik erklären wollen, sondern zu einem Punkt einen konkreten Ansatz bringen, wenn man denn dazu in der lage ist.

Hallo Unruh (oder sollte ich sagen Gera II?),

vielen Dank für Deinen wertvollen Diskussionsbeitrag!

Bevor Du die Tastatur Deines PCs das nächste Mal mit inhaltsleeren Worten und Rechtschreibfehlern quälst, solltest Du Dich wenigstens in der Disziplin des Lesens von Beiträgen üben. Vielleicht gelingt es Dir dann wenigstens ansatzweise zu erkennen, was der Inhalt von Beiträgen ist und dass er sehr wohl ganz konkrete Korrekturansätze enthält. Andere Posts lassen darauf schließen, dass es für diese Forumsteilnehmer nicht so schwierig war ...

Muss aber nicht sein. Wenn Du es nicht erfassen kannst, dann wäre es nur besser überhaupt nichts zu schreiben. Dann würde die Diskussionskultur dieses Forums nicht so leiden.
(12.09.2023, 17:50)Athletix schrieb: [ -> ]Eher fragwürdig war aber, dass ab der U 16 an abwärts in den Einzeldisziplinen Jahrgangsklassen eingeführt wurden. Diese Entscheidung muss man zumindest in der Rückschau wohl eher als Rückschritt als Fortschritt ansehen. Die Teilnehmerfelder in Wettbewerben wurden damit halbiert. Die Kinder/Jugendlichen trafen bei Wettkämpfen Jahr für Jahr immer nur auf die gleichen Gegner, was eine gewisse Eintönigkeit zur Folge hatte. Sieg und Niederlage wurden dadurch weitgehend zementiert. Die Guten (oft natürlich die Akzelerierten) gewannen immer, die anderen nie. Sieg und Niederlage, deren Erleben m. E. im Sport von essentieller Bedeutung ist, ging gewissermaßen verloren und damit auch ein Stück dessen, was die "Würze" im Sport auch ausmacht.

Ist es nicht eher so, dass in den Doppeljahrgängen nur die Akzelierten im jüngeren Jahrang überhaupt eine Chance gegen den älteren Jahrgang haben? Gerade für die jüngeren Kinder ist das doch viel demotivierender, wenn sie ein Jahr lang überhaupt keine Siegchance haben?
(14.09.2023, 07:52)Atanvarno schrieb: [ -> ]
(12.09.2023, 17:50)Athletix schrieb: [ -> ]Eher fragwürdig war aber, dass ab der U 16 an abwärts in den Einzeldisziplinen Jahrgangsklassen eingeführt wurden. Diese Entscheidung muss man zumindest in der Rückschau wohl eher als Rückschritt als Fortschritt ansehen. Die Teilnehmerfelder in Wettbewerben wurden damit halbiert. Die Kinder/Jugendlichen trafen bei Wettkämpfen Jahr für Jahr immer nur auf die gleichen Gegner, was eine gewisse Eintönigkeit zur Folge hatte. Sieg und Niederlage wurden dadurch weitgehend zementiert. Die Guten (oft natürlich die Akzelerierten) gewannen immer, die anderen nie. Sieg und Niederlage, deren Erleben m. E. im Sport von essentieller Bedeutung ist, ging gewissermaßen verloren und damit auch ein Stück dessen, was die "Würze" im Sport auch ausmacht.

Ist es nicht eher so, dass in den Doppeljahrgängen nur die Akzelierten im jüngeren Jahrang überhaupt eine Chance gegen den älteren Jahrgang haben? Gerade für die jüngeren Kinder ist das doch viel demotivierender, wenn sie ein Jahr lang überhaupt keine Siegchance haben?

Ich erinnere mich tatsächlich auch noch daran, dass man in den unteren Altersklassen als Einzeljahrgang durchaus genug mit den gleichaltrigen zu tun hatte und es ab der U18 dann hieß: Sich dran gewöhnen, dass man nur jedes zweite Jahr ganz nach vorne kommen kann, wobei sich das in der U20 schon sehr ausgeglichen hatte, in der U18 aber noch nicht. Darunter sind die Unterschiede von Jahr zu Jahr durch Wachstum etc. noch so groß, dass es in meinen Augen sinnvoller ist, auf Jahrgänge zu setzen, wobei man natürlich immer das Problem hat, dass Leute aus januar gegen Leute mit Geburtstag Dezember antreten.
Athletix , # 7

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