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Die Erklärungen der zum Teil großen Leistungsunterschiede der deutschen und internationalen Athleten(innen) sind zum Teil irreführend.
Betrachten wir mal den 100m-Hürdenendlauf der Frauen. Weltrekordlerin Tobi Amusan zeigt erschreckende technische Anfängerfehler bei und nach der Hürdenüberquerung. Das Nachziehbein setzt nicht gerade vor dem Körper, sondern seitlich versetzt auf. Der Fuß ist außenrotiert, der falsche Kraftstoß wird mit Hüft- und gegenläufiger Schulterrotation kompensiert (= Geschwindigkeitsverlust!) usf. Von den technischen Defiziten für das Tempo mal abgesehen, resultieren auch eine ganze Reihe von Verletzungsrisiken aus diesen Fehlern. Fußgelenk, Kniegelenk, Hüfte und WS werden fehlbelastet. Und wie gesagt: Wir reden hier von der Weltrekordlerin! Diese Beispiele lassen sich problemlos bei anderen Weltklasseleuten mehren!
Auf der anderen Seite zeigen sie praktisch durch die Bank weg eine überragende Physis. Und da diese im Endeffekt das Ergebnis harter (mitunter auch wenig sinnvoller) Arbeit, vernünftiger Rundum-Betreuung und Regeneration sowie sozialer Absicherung (mit Abstrichen) ist, zeigen sich die Unterschiede zum deutschen Forderungs- und Förderungssystem ganz klar. Von wirklich guten und damit auch gut bezahlten Trainern mal ganz abgesehen. Eigentlich ist die Problemlösung recht einfach. Wenn man sie denn wirklich will.
Mit Verlaub, magst Du Deine These etwas schärfen? "Wir sollten einfach ballern bis der Arzt kommt" (und künftig besser dafür sorgen, dass er kommt) ist es vermutlich nicht?

Der Beobachtung stimme ich zu und finde das immer wieder gemein auf hochklassigen Wettkämpfen. Meine Leute finde ich immer ziemlich gut in der Koordination und die Topleute oft massiv fehlerlastig und wenn dann der Schuss fällt, sind die trotzdem schneller. =)
(30.08.2023, 17:16)Mkfan schrieb: [ -> ]Die Erklärungen der zum Teil großen Leistungsunterschiede der deutschen und internationalen Athleten(innen) sind zum Teil irreführend.
Betrachten wir mal den 100m-Hürdenendlauf der Frauen. Weltrekordlerin Tobi Amusan zeigt erschreckende technische Anfängerfehler bei und nach der Hürdenüberquerung. Das Nachziehbein setzt nicht gerade vor dem Körper, sondern seitlich versetzt auf. Der Fuß ist außenrotiert, der falsche Kraftstoß wird mit Hüft- und gegenläufiger Schulterrotation kompensiert (= Geschwindigkeitsverlust!) usf. Von den technischen Defiziten für das Tempo mal abgesehen, resultieren auch eine ganze Reihe von Verletzungsrisiken aus diesen Fehlern. Fußgelenk, Kniegelenk, Hüfte und WS werden fehlbelastet. Und wie gesagt: Wir reden hier von der Weltrekordlerin! Diese Beispiele lassen sich problemlos bei anderen Weltklasseleuten mehren!
Auf der anderen Seite zeigen sie praktisch durch die Bank weg eine überragende Physis. Und da diese im Endeffekt das Ergebnis harter (mitunter auch wenig sinnvoller) Arbeit, vernünftiger Rundum-Betreuung und Regeneration sowie sozialer Absicherung (mit Abstrichen) ist, zeigen sich die Unterschiede zum deutschen Forderungs- und Förderungssystem ganz klar. Von wirklich guten und damit auch gut bezahlten Trainern mal ganz abgesehen. Eigentlich ist die Problemlösung recht einfach. Wenn man sie denn wirklich will.
Der Beobachtung würde ich auch teilweise zustimmen. Gerade da du eine Disziplin ansprichst in der ich selbst als Trainer aktiv bin, kann ich bestätigen, dass mir das auch in verschiedenen Fällen bereits aufgefallen ist. Auch wenn man sagen muss, dass man das sicher nicht auf alle Disziplinen verallgemeinern kann. Noch nciht mal von den Frauen- zu den Männerhürden. Der Hürdensprint der Frauen ist aufgrund der niedrigen Hürdenhöhe ja schon sehr sehr schnelligkeitsdominiert. Da sind die technischen Anforderungen bei den Männern aus meiner Sicht schon ganz andere. Aber deine Beobachtung im allgemeinen teile ich und habe dich auch nicht so verstanden, dass du für "Ballern bis der Arzt kommt" plädierst, sondern den Stellenwert des Leistungsfaktors Physis noch mal voranstellst und im Kontext dazu was systemisch nötig wäre - nämlich ausreichend finanzielle Mittel und entsprechende Rundumbetreuung von Physiotherapie, Medizin etc.
Das gab es im übrigen auch in D. schon mal besser als heute. Zumal auch das was heute zur Verfügung steht aus meiner Sicht immer zu kurz gedacht ist. Physiotherapeutische Einrichtungen zur Prophylaxe können eigentlich immer erst dann genutzt werden/Förderungen in nennenswerter Weise gibt es immer erst dann, wenn ein bestimmtes Level (leider ohne sie) schon erreicht wurde. Dass das auch im Sinne der Gesunderhaltung nicht das Optimum ist, liegt auch auf der Hand.
Das ist in etwa so als würde ich einen Lehrer zum Verbessern der Lesefähigkeit immer erst dann zur Verfügung stellen, wenn der Schüler schon gut lesen kann.
Nein, ich meine natürlich nicht "ballern, bis der Arzt kommt". Es geht mir schon darum, die Belastungen sukzessive aus dem Jugendalter heraus deutlich zu steigern, um auch physisch wieder konkurrenzfähig werden zu können. Dies aber nur im Kontext prophylaktischer (!!) und begleitender Physioterapie- und Erholungsmaßnahmen (Schlaf, Ernährung), einer beständigen medizinischen und sozialen Begleitung (Ausbildung, Beruf, Schule, Studium). Praktisch alle Athletinnen und Athleten, die ich kenne (und das sind ziemlich viele...) sind nicht in ein solches Netz der "kurzen Wege" eingebunden. Das müssen keineswegs Bundesstützpunkte sein. Diese Gelder könnten auch für erfolgreiche "Nester" ausgegeben werden, die selbstorganisiert und erfolgreich arbeiten. Aber das alles hat Fau Schäfer ja schon oft umsonst angeregt. Schaut man sich nun die Kritiken ehemaliger Erfolgstrainer an (zum Beispiel Dieter Kollark), dann kommt es ziemlich genau auf diese Punkte raus. Fakt momentan aber bleibt: Die Konkurrenz ist vor allem auch physisch stärker!

Und ohne dem Berufsstand nahetreten zu wollen, sehe ich mittlerweile den Einsatz von Mentaltrainern nicht immer nur positiv. Ich habe mehrfach beobachtet, dass mitunter eine Art psychischer Notstand deshalb erzeugt wird, damit der Mentaltrainer zum Einsatz kommen kann. Dies ist natürlich nicht verallgemeinerbar. Generell sollte eine hohe Leistungsbereitschaft einfach da sein. Die alte Jägerweisheit gilt auch im Leistungssport: Man sollte den Hund nicht zum Jagen tragen müssen. (Letzteres ist bildlich gemeint. Es möge sich hier bitte niemand 1:1 mit einem Jagdhund gleichsetzen!)
Man muss bei Technik auch immer zwischen '"stil" und wirklich wichtigen technischen Elementen unterscheiden.

Klassisch hatte man ja ein Technik Leitbild und Abweichungen davon wurden als schlecht bewertet, aber heutzutage bewertet man Technik eher funktional und gewichtet die Faktoren nach ihrer Wichtigkeit.

Im US Sport gab es da auch viele Diskussionen von wegen style vs absolutes, sprich es gibt sachen die entscheidend für die Performance sind und andere die eher für die Ästhetik sind und wenn man zu viel an den nicht so wichtigen Dingen rumdoktort ist das nicht immer gut.

Optische Klone zu erzeugen ohne zu beachten was wirklich passiert ist nicht immer zielführend, andererseits gibt es Dinge die absolut entscheidend sind. Hier muss ein Trainer halt auch wirklich wissen haben anstatt einfach das Technikleitbild von A-z abzuarbeiten, oft ist es auch wichtiger das was "under the hood" passiert (bodenkräfte etc) als die optische äußere Form.

Es gibt zum Beispiel auch einige Studien die sagen das "external cues" wie zum Beispiel lass den arm lang, hüfte nach vorne etc bei vielen athleten nicht wirklich effektiv sind und es zum Beispiel besser wäre drills zu machen die dich in die position zwinhen oder noch besser solche die den fehler verstärken (also zum beispiel wenn die hüfte nach vorne soll ein Gummiband verwenden das die hüfte nach hinten zieht so das man aktiv dagegenarbeiten muss).

Ich frage mich zum Beispiel ob die korrekturhinweise der wurftrainer wirklich etwas bringen, oder ob es nicht besser wäre ein Set an drills für bestimmte fehlerbilder zu haben so dass der Trainer zwischen den Versuchen nicht sagt "bring die hüfte mehr" sondern sagt mach mal 5-6 wiederholungen von drill 12.
Das macht ja einen guten Drill auch aus.
(31.08.2023, 12:31)Mkfan schrieb: [ -> ]Nein, ich meine natürlich nicht "ballern, bis der Arzt kommt". Es geht mir schon darum, die Belastungen sukzessive aus dem Jugendalter heraus deutlich zu steigern, um auch physisch wieder konkurrenzfähig werden zu können. Dies aber nur im Kontext prophylaktischer (!!) und begleitender Physioterapie- und Erholungsmaßnahmen (Schlaf, Ernährung), einer beständigen medizinischen und sozialen Begleitung (Ausbildung, Beruf, Schule, Studium). Praktisch alle Athletinnen und Athleten, die ich kenne (und das sind ziemlich viele...) sind nicht in ein solches Netz der "kurzen Wege" eingebunden. Das müssen keineswegs Bundesstützpunkte sein. Diese Gelder könnten auch für erfolgreiche "Nester" ausgegeben werden, die selbstorganisiert und erfolgreich arbeiten. Aber das alles hat Fau Schäfer ja schon oft umsonst angeregt. Schaut man sich nun die Kritiken ehemaliger Erfolgstrainer an (zum Beispiel Dieter Kollark), dann kommt es ziemlich genau auf diese Punkte raus. Fakt momentan aber bleibt: Die Konkurrenz ist vor allem auch physisch stärker!

Danke, jetzt hab ich es kapiert Smile Nun, bei uns gibt es ein solches Netz für alle Athlet:innen mit größerem Potential, mit Luft nach oben in der Sportmedizin. Wir trainieren auch durchaus viel und umfangreich und eigentlich alle meine Athletinnen würden mehr trainieren wollen, wenn ich sie ließe. Die physische Überlegenheit vieler anderer liegt meinen Beobachtungen nach stärker im Talent als in der Bereitschaft zu hartem Training begründet
Ballern bis der Arzt kommt können sich halt vor allem auch Länder mit sehr vielen talentierten Leuten leisten. In Afrika war das ja lange im laufen so (ich vermute mal dort ist es auch strukturierter geworden), es gab ja reports nach denen dort quasi jedes Training ein Rennen war.

Da gehen dann viele dran kaputt, aber die die durchkommen sind auf eine gewisse resilienz selektiert. Das us college System läuft ja auch ein wenig so, es macht extrem viele Sportler kaputt, aber ein paar kommen halt durch und werden sehr gutm

So was können wir uns aber nicht leisten weil wir nicht diesen Pool an Talenten haben die bock auf leichtathletik haben.
Eine überragende Physis kann natürlich auch Ergebnis unerlaubter medizinischer Unterstützung sein. Gerade bei Amusan gibt es ja durchaus Verdachtsmomente.

Ändert natürlich nichts daran, dass man auch mit erlaubten Mitteln weit kommen kann und viele bei der von mkfan richtig benannten legalen Unterstützung noch deutliche Reserven in dem Bereich hätten.
Julian Weber hat vom optischen Eindruck etwas an Muskelmasse zugelegt (1,90m, 96kg laut wiki). Wenn er den Speer optimal trifft, müssten über 90m für ihn möglich sein.