Mir fällt auf, dass LIsa Mayer mittlerweile einen sehr schönen Laufstil zeigt, der mich stark an Florence Griffith-Joyner erinnert. Extrem viel Frontside-, wenig Backside-Mechanics. Das hat sie letzen / vorletzen Sommer so noch nicht gemacht. Anscheinend setzen sich die Biomechanik-Erkenntnisse der Vergangenheit endlich im DLV immer mehr durch
Zudem hatte sie mal in einem Interview erwähnt, dass ihr großes Sprintvorbild Allyson Felix ist, vor allem wegen der eleganten Technik. Sie scheint also auch selbst da gut Motivation für das Thema zu haben, was sehr gut ist für die Umsetzung. Sie will nicht über die Kraft, sondern über den Laufstil kommen.
Ob man daraus jetzt aber schließen kann, dass das generell im DLV ankommt, würde ich zumindest anzweifeln.
Welche Entwicklung ich aber sehr gut finde, ist dass sich mehr und mehr Athleten wieder selbst Gedanken über ihr Training machen. Sie schauen sich um, interessieren sich für Neues, Kreatives... die Entwicklung sollte auf jeden Fall vorangetrieben werden.
Naja idealerweise hat man beides - Technik und Schnellkraft. Das würde ich nicht mit einem "oder" verbinden.
Ich denke schon, dass man generell im DLV eine gute TEchnik durchsetzen wird. Ich habe bei der Jugend-DM 2015 nur vereinzelt sehr gute Sprinttechnik gesehen (Keshia Kwadwo, Lisa Mayer, Eleni Frommann z.B.). Jetzt bei der Hallen-DM, die ich im Livestream verfolgt habe, waren da anscheinend schon mehr gute TEchniker. Der Livestream hat allerdings auch nciht so viel erkennen lassen.
Der DLV hat aber mal einen Artikel veröffentlicht darüber, dass er seine Defizite in dem technischen Bereich erkannt hat und beheben will. Der Artikel ist reißerisch geschrieben und übertreibt an einigen Stellen, aber lest selbst:
http://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sp...88467.html
@Gertrud.
Mich würde mal deine Einschätzung in Bezug zu Lisa Mayer und ihrer Sprinttechnik interessieren. vor allem was Du bzgl. Sprinttechnik und Potenzial auf den 200m für eine Meinung hast!? Danke
Ich nehme mir mal ungefragt heraus, ein paar Dinge zu Lisa Mayers Sprinttechnik zu sagen, weil mich ihr Laufstil wirklich aufmerksam gemacht hat. Mich haben bisher nur Florence Griffith-Joyner und Carmelita Jeter hinsichtlich Technik fasziniert, beide sind exzellente Techniker. Lassen wir mal dahingestellt, was Doping bei den beiden anbetrifft.
-Körperhaltung ist ok, aber nicht so gut, wie z.B. Carmelita Jeter. Bei letzterer sind die Bewegungen wirklich sehr in Laufrichtung, die Hände bleiben neben dem Gewicht und nicht davor. Im Gegensatz zu manch anderer deutschen Sprinterin hat Mayer offenbar Kraft in den Armen, das ist gut.
-Mayer weißt im Gegensatz zu den anderen deutschen Sprinterinnen und vielen Sprinterinnen der Weltklasse einen Kniehub von mind. 80° auf. Ein höherer Kniehub führt zu diesem für FloJo so typischen stärkeren Auspendeln des Unterschenkels, ohne dabei ins Overstriding zu geraten. Das zeigt auch Mayer. Sie hat das aber erst am Ende des Laufes sehr gut gezeigt. Sie muss in dieser Technik vielleicht noch sicherer werden. Den starken Kniehub und das aus Kniehub und Lockerheit resultierende Auspendlen des US nennt man front side mechanics. Die sollen im Idealall stark ausgeprägt sein.
-Die Kniebeugung in der Stützphase ist gering. Sie hat außerdem kein sichtbares Beugestreckverhalten im Knie. Das entspricht dem aktuellen Wissensstand in der Sprintbiomechanik: Je größer der Kniewinkel, desto größer die kniestreckende Kraft. Das wird jeder bei einer Kniebeuge schonmal festgestellt haben. Das gilt eben auch im Sprint. Ein starkes Beuge-Streck-Verhalten, also das Nachgeben unter dem Landedruck und anschließende Strecken führt zu einem Absenken des KSP und anschließendem Wiederanheben. Der KSP nimmt dann einen längeren Weg während der Stützphase, als wenn er nur wenig abgesenkt wird. Das resultiert in längeren Stützzeiten und dadurch geringeren Schrittfrequenzen.
-Das Anfersen erfolgt nicht hinter dem Körper, sondern die Fersen werden schnell unter das Gesäß gezogen. Das ist einerseits ein Indiz dafür, dass Mayer nicht versucht, sich sehr stark vom Boden abzudrücken, was richtig ist. Außerdem weist es auf starke Hüftbeuger hin, die den OS schnell wieder nach vorn holen.
-Im Start zeigt Mayer folgendes Problem: Keine vollständige Ganzkörperstreckung und ein Overstriding, also ein Aufsetzen des Fußes vor dem KSP durch zu starkes Auspendln des US. Genau diesen Fehler weist übrigens auch Carmelita Jeter auf. Sie übertragen fälschlicherweise das Bewegungsmuster der vmax-Phase auf die drive phase.
-Lobenswert finde ich allgemein noch ihren sehr geraden Fußausatz in Laufrichtung bzw. die Beinführung ohne Außenrotation. Das weist auch nur ein kleiner Teil der Sprinter auf.
Ich sehe zwei Unterschiede zu vielen anderen Sprintern.
-Sie hat WESENTLICH mehr Kraft in den Hüftbeugern (trainiert diese demzufolge höchstwahrscheinlich sehr stark).
-Ihr wurde beigebracht, beim Sprint "aus der Hüfte" zu laufen, also sich darauf zu konzentrieren, den Oberschenkel nach unten zu beschleunigen und wieder anzuheben, dabei den Unterschenkel locker der Bewegung folgen zu lassen.
(05.03.2017, 22:53)icheinfachma schrieb: [ -> ]-Im Start zeigt Mayer folgendes Problem: Keine vollständige Ganzkörperstreckung und ein Overstriding, also ein Aufsetzen des Fußes vor dem KSP durch zu starkes Auspendln des US. Genau diesen Fehler weist übrigens auch Carmelita Jeter auf. Sie übertragen fälschlicherweise das Bewegungsmuster der vmax-Phase auf die drive phase.
Ja, aber ein Overstriding erkenne ich erst ab dem zweiten Schritt. Der erste Schritt kommt relativ kurz. (Gut, ob sie da schon den Unterschenkel etwas "fallen" lässt, weiß ich nicht). Danach zieht sie die Schritte relativ flach. An anderer Stelle hatte ich schon mal darauf hingewiesen (ist schon Jahre her), dass gerade bei den Männern der erste Schritt so gesetzt wird, dass der Unterschenkel in der Stützphase des ersten Schrittes praktisch statisch ist. Dagegen konnte man bei Verena Sailer (war übrigens wie Tajana Pinto Gast bei den DJHM in Sindelfingen) sehen, dass ihr Unterschenkel einen kleinen Winkelweg durchführt.
Carmelita Jeter: Ja, dazu gibt es ein schönes Video mit Ralph Mann mit einer Computeranalyse. Ich denke, darauf beziehst Du Dich oder täusche ich mich da?
FloJo: Ich denke, da gibt es schon Unterschiede. Bei Lisa Mayer fehlt meines Erachtens etwas das Rückpendeln des Unterschenkels. Aber gut, ich habe mir das nicht in Zeitlupe angeschaut.
Kniehub: Es gibt ein schönes Video mit Usian Bolt und Christoph Lemaitre in Zeitlupe, wo CL den Oberschenkel sogar bis zur Waagerechten hochbringt. FloJo hatte solch einen hohen Kniehub eher nicht. (wird auch glaube ich im Letzelter-Sprint-Buch beschrieben, habe ich gerade nicht zur Hand)
Kraft in Hüftstreckern hat sie, das sehe ich genauso. Wichtig sind die vertikalen und vermutlich sogar in höherem Maße die horizontalen Ground Reaction Forces (Bodenreaktionskräfte). Sind da nicht noch andere Muskeln beteiligt?
Schade, ich würde mich gerne mehr damit befassen, aber "leider" bekleide ich zwei Ehrenämter, da bleibt nicht so viel Zeit übrig.
(05.03.2017, 23:39)Knueppler schrieb: [ -> ]FloJo: Ich denke, da gibt es schon Unterschiede. Bei Lisa Mayer fehlt meines Erachtens etwas das Rückpendeln des Unterschenkels. Aber gut, ich habe mir das nicht in Zeitlupe angeschaut.
Nein, Mayer zeigt in der vmax-Phase kein Overstriding.
(05.03.2017, 23:39)Knueppler schrieb: [ -> ]Kniehub: Es gibt ein schönes Video mit Usian Bolt und Christoph Lemaitre in Zeitlupe, wo CL den Oberschenkel sogar bis zur Waagerechten hochbringt. FloJo hatte solch einen hohen Kniehub eher nicht. (wird auch glaube ich im Letzelter-Sprint-Buch beschrieben, habe ich gerade nicht zur Hand)
Soviel dazu... (Bilder). Sowohl FloJo als auch Jeter als auch Mayer haben einen deutlich höheren Kniehub als die meisten anderen Frauen. Ich schrieb ovon mind. 80°. Die Nahaufnahme von FloJo ist wenige Meter vor dem Ziel im 100m-Lauf, da kriegen die meisten Frauen die Beine noch auf 50-60°.
Wenn man
-Männer mit Frauen vergleicht und
-FloJo in der letzten Rennphase mit anderen bei 40m vergleicht,
dann hinkt der Vergleich.