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Normale Version: Marathon Rekord der Frauen knackbar?
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Was mich wundert ist, dass niemand mehr in die Nähe von Radcliffes Rekord kommt. Klar ist das eine Mörderzeit, aber wenn man sieht wie die Zeiten der Männer explodiert sind wundert es mich schon, dass niemand mehr in die nähe kommt.

Paula hatte natürlich schon starke unterdistanzleistungen (8:22, 14:39, 30:01) aber wenn eine wirkliche ausnahmeläuferin wie ayana, genzebe oder vor ein paar jahren tirunesh dibaba oder defar ernsthaft auf die Straße geht sollte sie doch zumindest in die nähe kommen, immerhin sind diese läufer auf der bahn noch stärker.

Klar spielen auch andere Faktoren (männliche tempomacher etc) eine rolle, aber im Moment kommt doch niemand nur an 2:18 ran.

woran liegt das? lohnt es sich für die top Frauen weniger auf die straße zu gehen? schreckt Paulas Rekord die top bahnläuferinnen ab? warum erleben wir bei den Frauen nicht die gleiche Talentabwanderung von Bahn zu straße, die wir gerade bei den Männern sehen?
(25.06.2015, 09:53)dominikk85 schrieb: [ -> ]woran liegt das? lohnt es sich für die top Frauen weniger auf die straße zu gehen? schreckt Paulas Rekord die top bahnläuferinnen ab? warum erleben wir bei den Frauen nicht die gleiche Talentabwanderung von Bahn zu straße, die wir gerade bei den Männern sehen?

Wir haben grundsätzlich nicht dieselbe Leistungsdichte bei afrikanischen Langstrecklerinnnen wie bei den männlichen Pendants. Liegt auch an mangelnder Gleichberechtigung von Mann und Frau in diesen Ländern. Da gibt es schon noch nicht wenige, die denken, Frauen sollten sich auf häusliche aufgaben konzentrieren und nicht auf das Laufen.

Und dann gibt es ja auch noch die reale Tatsache dass frauen nunmal die Kinder kriegen und das oft auch wollen und dann eine Zeitlang weg sind aus der Szene.

Im halbmarathon gab es ja eine sichtbare Entwicklung. Der Marathon wird da noch ein wenig nachziehen denke ich. Es ist nicht so gut steuerbar immer etwas weniger vorhersehbar als kürzere (Bahn-)Rennen ... es gibt denke ich einige Kandidatinnnen für eine 2h17, aber es hat eben bisher nie alles zusammen gepasst.
(25.06.2015, 09:53)dominikk85 schrieb: [ -> ]Was mich wundert ist, dass niemand mehr in die Nähe von Radcliffes Rekord kommt. Klar ist das eine Mörderzeit, aber wenn man sieht wie die Zeiten der Männer explodiert sind wundert es mich schon, dass niemand mehr in die nähe kommt.

Der Weltrekord der Männer ist heute 1,5 Minuten schneller als vor 12 Jahren. "Explodiert" ist etwas anderes. Was explodiert ist, ist die Leistungsdichte der männlichen Afrikaner (v. a. Kenianer und mit Abstrichen Äthiopier).

Radcliffe scheint eine absolute Ausnahme-Marathonläuferin gewesen zu sein, denn keine andere Frau weltweit kam da auch nur bis an 3 Minuten ran und nur ganz ganz wenige bis an 4 Minuten ran. Und das, obwohl in den vergangenen 5 Jahren auch bei den Frauen das Niveau und die Leistungsdichte deutlich gestiegen sind.

Florence Kiplagat läuft den Halbmarathon in 65 Minuten, kann dies aber nicht so recht auf den Marathon umsetzen.
Was Paula halt auch zugute kam ist, dass sie relativ auf längeren Distanzen immer stärker wurde.

andere haben auch die Grundschnelligkeit über 5 und 10K, aber der trend zu den 10K geht dann schon eher leicht nach unten. Bei Paula war es anders, sie war über 3 und 5K schon sehr stark, aber über 10K eben noch besser, was ein gutes zeichen ist.

T.dibaba ist z.b über 5K deutlich schneller als Paula und hat auch über 10 eine leicht bessere Bestzeit, aber eben mit weniger abstand als über 5K.

Leute die 14:30 laufen konnten gab es einige, aber viele von denen kommen halt eher von den kürzeren strecken, während paula eher "langsam" (oder ausdauernd) ist, aber eben doch die unterdistanzzeiten mitbrachte.

dennoch sollte es doch unter den vielen (es stimmt, dass die dichte geringer ist als bei den männern- aber insgesamt gibt es eben doch noch recht viele) Läuferinnen ein paar geben, die das Profil erfüllen (top5K zeit unter 14:45, aber mit Tendenz nach oben über 10K).
Bei Paula Radcliffe kommen neben dem Talent noch weitere Faktoren hinzu: Sie ist von enormer Härte und Leidensfähigkeit (Die Geburt ihres Kindes erschien ihr viel weniger hart als ein hartes Training… kann mich leider nicht mehr erinnern wo ich das gelesen habe) und einer ungewöhnlichen Belastbarkeit (wenige Verletzungen trotz enormer Umfänge und vor allem viel Training im oberen Grenzbereich). Andere Frauen die mit ihr zu trainieren versuchten stiegen wieder aus, nicht allein wegen des Trainingstempos, sondern vor allem wegen der Häufigkeit und Umfänge.

Ist der Rekord knackbar? Ja, Du musst nur
- eine Frau finden die nicht zu klein ist (Schritteffizienz, keine Riesin, aber bei weniger als 1,60m ist die Schrittlänge ein Problem für DAS Tempo. Schrittfrequenz bleibt Größenunabhängig annähernd gleich die Schrittlänge beim Tempo somit ebenfalls, irgendwann müsste man also die Frequenz erhöhen - schwierig!),
- eine Frau die extrem belastbar ist (zeigt sich beim Umstand, dass die Marathonzeit von R. relatv viel schneller ist als die 10k Zeit, das geht meist nur übers Training) 
- eine Athetin die nicht nur belastbar sondern auch leidensfähig ist, denn diese Belastung muss die Athletin auch psychisch vertragen (habe im anderen thread zu den verschiedenen Übertrainingsvarianten zitiert)

Die psychische Komponente ist absolut nicht zu unterschätzen, es gibt wenige Ahtleten die sich bis in die 40er hinein  (Mikitenko) und über 20 lang schinden können, nicht zu wenige sind aber nach 5-6 Jahren im obersten Spitzenbereich "verbrannt" - der Körper könnte vielleicht noch, der Kopf nicht mehr. Einem Dauersieger (Haile G.) fällt das natürlich etwas leichter, aber Leistungsport hinterlässt immer Spuren.

Radcliffe ist ja auch nicht nur einmal schnell gewesen, sie hat insgesamt 5 Marathons unter 2:19 Std geschafft, davon 3 unter 2:18 Std. und den Weltrekord auf 2:15,25 gedrückt - das hat schon Ähnlichkeit mit dem Dreisprung von Jonathan Edwards (wobei ihm die Konkurrenz näher kam und der "neue Kubaner" definitv das Potenzial hat). Irgendwann fallen sie alle, naja, oder wir streichen einige Wurfdiziplinenrekorde… Teufel 
Guter Beitrag.

Ich bin allerdings auch der Meinung, dass der Effekt der Genetik beim Langstreckenlauf unterschätzt wird. die langläufige Meinung ist ja Speed ist angeboren und ausdauer durch Training erworben.

Wenn man allerdings sieht, dass der aktuelle Weltrekordler der Männer erst mit Mitte 20 angefangen hat leistungsmäßig zu trainieren muss man das schon ein wenig hinterfragen.

Das Training ist die Grundlage, aber verschiedene Typen sprechen unterschiedlich auf Ausdauertraining an und auch bei der Entwicklung von herz Kreislauf gibt es genetische grenzen.

Manche sind auch einfach eher für die Mittelstrecken gemacht, nicht jeder der die unterdistanzleistungen bringt hat das potential.

optimal ist halt jemand, der von der Veranlagung eher ausdauernd ist, aber dennoch die Schnelligkeit hat, was nicht häufig ist.
Radcliffes Physiotherapeut hat gesagt, er hat noch nie vorher jemand in der Praxis gehabt mit so hoher Schmerztoleranz.


(25.06.2015, 12:34)lor-olli schrieb: [ -> ]Ist der Rekord knackbar? Ja, Du musst nur
- eine Frau finden die nicht zu klein ist (Schritteffizienz, keine Riesin, aber bei weniger als 1,60m ist die Schrittlänge ein Problem für DAS Tempo. Schrittfrequenz bleibt Größenunabhängig annähernd gleich die Schrittlänge beim Tempo somit ebenfalls, irgendwann müsste man also die Frequenz erhöhen - schwierig!),
- eine Frau die extrem belastbar ist (zeigt sich beim Umstand, dass die Marathonzeit von R. relatv viel schneller ist als die 10k Zeit, das geht meist nur übers Training) 
- eine Athetin die nicht nur belastbar sondern auch leidensfähig ist, denn diese Belastung muss die Athletin auch psychisch vertragen (habe im anderen thread zu den verschiedenen Übertrainingsvarianten zitiert)

Die psychische Komponente ist absolut nicht zu unterschätzen
Was noch dazu kommt: Diese Frau muss über längere Zeit Interesse an dem Projekt haben. Es gibt für Profis mit diesen Qualitäten häufig Möglichkeiten, mit Zeiten weit über 2h18 und Rennen auf anderen Distanzen viel Geld zu verdienen.

Wenn eine aber das Project "bestmögliche Marathonzeit" ernsthaft verfolgen will, muss dem über Jahre alles andere untergeordnet werden, denn es gibt nur wenige sehr schnelle Strecken und oft sind die Bedingungen nicht optimal. Also müssen mehrere Versuche einkalkuliert werden. Das wollen oder können viele Läuferinnnen nicht.

Soweit ich weiß, sind Leute wie Florence Kiplagat oder Mary Keitany schon wirklich interessiert an Paulas 2h17 (die 2h15 steht nicht im Fokus denke ich) und haben da auch ernsthaft drauf hingearbeitet.

Bei den 10000m Zeiten muss man berücksichtigen, dass ähnlich wie bei den Männern selten schnelle Rennen stattfinden. Die HM-Zeiten sind oft aussagekräftiger als die 10000m Zeiten, weil es da häufiger schnelle renenn auf flachen Strecken gibt.