Leichtathletikforum.com
Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Training im Spiegel der Sportwissenschaft (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=21)
+--- Thema: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? (/showthread.php?tid=2726)

Seiten: 1 2 3


Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - dominikk85 - 27.01.2018

Das thema ist ja im Moment ein hype, vor allem diese Rollen benutzt so gut wie jeder. Was haltet ihr davon?


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - MZPTLK - 28.01.2018

Ich dachte, das mit den faszinierenden Faszien.waere laengst wieder abgeebbt.
Naja, jedenfalls haben sie viel Kohle gemacht mit Kursen und Rollenverkauf.

Als wenn man Faszien erst vor 10 Jahren entdeckt haette
und die Sportler diese nur mit Aussenanwendungen geschmeidig(er) machen koennten.


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - lor-olli - 29.01.2018

Wie so oft…
sieht man die Wahrheit nicht gleich. Die Rollen sind in der physiotherapeutischen Eigenbehandlung (z.B. Wettkampf) durchaus sinnvoll, wenn man weiß was man da macht! Ich kann bestätigen, dass z.B. die kleine Rolle für die Prophylaxe, aber auch eine Behandlung von Achillessehnenproblemen durchaus Erfolge bringen kann (Auch wenn es vielleicht anders gedacht war…).

Im Langstreckenbereich kommt es manchmal zu Problemen mit der Oberschenkelmuskulatur (front und oder back), insbesondere bei einigen älteren Trainingsformen/aufbau und nicht ausgewogener Ernährung (und das ist gar nicht so selten wie man glaubt, Freß- und Hungeranfälle etc. vertragen sich nicht mit intensivstem Training).

Das einige glauben man kann mit diesen "Wunderplastik" generell Probleme lösen ist ein Problem unserer Zeit und dem durch eine geschickte Werbung verursachten Hype. Sie sind Hilfmittel wie Bandagen, Massagen, Eisbäder etc. und sollten entsprechend eingesetzt werden. Viele Ältere (50+) mögen sie gar nicht, aber gerade hier können sie eine Geschmeidigkeit gezielt unterstützen, bei gleichzeitig geringer Verletztungsgefahr (besonders bei Un- oder wenig Trainierten). Auch bei wiederkehrenden Muskelproblemen, kann die Ntuzung dieser Mittel sinnvoll sein, z.B. wenn nicht immer sofort Physios zu Hand sind.


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - MZPTLK - 29.01.2018

Im Grossen und Ganzen einverstanden.
Die Rollen werden allzuoft als Substitution verstanden,
was in den meisten Fällen nicht angebracht oder schädlich ist.

Man lässt sich was vormachen,
Geschmeidigkeit muss zuvörderst von innen kommen,
von Aktivität, angeregtem Stoffwechsel, guter Durchblutung, usw.
Das ist bei bewegungsvermeidenden Wohlstandkrüppeln natürlich nicht der Fall.
Da ist vieles 'verklebt', und dann sollen die Rollen es richten.


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - Diak - 29.01.2018

sehr schön gemachte ARTE-Reportage zum Thema - und dabei fast ohne Rollen. Die Methoden und Therapien mögen zum Teil übermäßig gehypet worden sein, dass es sich aber lohnen würde, hier tiefer einzusteigen, um zum Beispiel die Belastungssteuerung optimieren zu können, scheint doch ziemlich eindeutig, wenn man sich ein bisschen mit dem Thema befasst.

https://www.arte.tv/de/videos/070788-000-A/faszien-geheimnisvolle-welt-unter-der-haut/


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - Gertrud - 29.01.2018

(29.01.2018, 21:49)Diak schrieb: sehr schön gemachte ARTE-Reportage zum Thema - und dabei fast ohne Rollen. Die Methoden und Therapien mögen zum Teil übermäßig gehypet worden sein, dass es sich aber lohnen würde, hier tiefer einzusteigen, um zum Beispiel die Belastungssteuerung optimieren zu können, scheint doch ziemlich eindeutig, wenn man sich ein bisschen mit dem Thema befasst.

https://www.arte.tv/de/videos/070788-000-A/faszien-geheimnisvolle-welt-unter-der-haut/

Es ist doch nicht so, dass ich immer meckern will. Wir müssen, wenn wir einigermaßen gesund trainieren (lassen) wollen, an die Leichtathletik mit einem ganz anderen Wissen gehen. Ich betrachte die Leichtathletik als Kunst, die man sehr filigran anwenden sollte. Wir können uns nicht nur auf die Praxis beziehen. Wir müssen viele Wissenschaftsteile integrieren. Wer den Körper nicht annähernd kennt, sollte besser keinen Weltklasseathleten trainieren. Wer tensegrity nicht versteht, versteht die Zusammenhänge in unserem Körper nicht. Das Fasziengewebe ist kontraktil und stressempfindlich. Das sollten wir beachten. Wer die "Gesetze" und Zusammenhänge der Faszien einschließlich der Ligamente und Sehnen nicht versteht, dem fehlt das Verständnis für Bewegungskonstruktionen und endgradige Belastungen. 

Wenn ich alleine die Literatur, die so in gängigen LA-Fortbildungen empfohlen wird, mit meinem Fundus und Wissensdrang vergleiche, so liegen Welten dazwischen. Ich habe mich seit einiger Zeit aus der Phase der Kritik verabschiedet, weil man es nicht als Hilfe verstanden hat.   

Die meisten Verletzungen sind hausgemacht, weil man die Körpersignale nicht deuten kann oder falsch deutet. 

Gertrud


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - Gertrud - 30.01.2018

Wenn ich manchmal hier in die Übersicht schaue, dann sehe ich, dass vielfach die Beiträge mit Wissensinhalten aufgeschlagen werden. Unser "LA-Volk" ist wissbegierig!!! Man muss diese "Quellen" nur fordern und fördern. Es macht doch Spaß, bei Übungen einen großen Wissenshintergrund zu haben. Kinder fragen warum, warum? Die Fragen werden eingestellt, wenn man sie nicht bedient. Dann schrumpfen die Neurone bis auf ein Mindestmaß. Dann haben wir träge Schüler vor uns. Die Schüler meiner LA-AG fragen ständig. 

Als ich letztens bei den angehenden Diplomtrainern referiert habe, kam es zu vielen Diskussionen hinsichtlich der Verletzungsprophylaxe. Ich habe - so glaube ich - den Trainern begreiflich gemacht, dass Wissen nicht vom Himmel fällt. 

Die Veränderung z.B. der Körperstrukturen vieler Weltklasseathleten hat mit der Umwandlung und Verlagerung der Bedienung der Strukturen zu tun. Man nutzt das Rückschlagpotential, das im Bindegewebe liegt. Ich habe Körper mit ausgeprägter Quadricepsmuskulatur (die TKB-Generation) und schlanker Struktur im Sprint verglichen und auch im Verletzungspotential gegenübergestellt. Zudem habe ich die Möglichkeiten der Belastungen um die Gelenke herum genau inspiziert - z.B. Ellbogengelenk beim Speerwurf. Das habe ich schon zu Zeiten von Beate Peters sehr intensiv gemacht. 

Was ich immer wieder feststelle, ist die Tatsache, dass man nach OP das Übungsangebot nicht verändert. Wenn ich im Speerwurf lese, dass ein Athlet eine geraume Zeit nach der Ellbogen-OP wieder reißen kann, fasse ich mir an den Kopf. Der Valgusstress und somit die Belastung auf die Ligamente ist wieder hoch und fördert die Rissfreudigkeit. Solche Meldungen werden anscheinend hingenommen und keiner vom "DLV-Team" liest sie und kein BT ist in der Lage, das gravierend zu verändern???

Gertrud


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - dominikk85 - 30.01.2018

Der Trend geht eh weg von den reinen erfahrungswerten aus der praxis hin zu wissenschaftlichen fakten, nicht nur im sport, sondern in allen Bereichen (zb auch der Medizin, die bis vor 50 jahren auch eher Erfahrungs als evidenzbasiert war)


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - aj_runner - 30.01.2018

(30.01.2018, 10:00)dominikk85 schrieb: Der Trend geht eh weg von den reinen erfahrungswerten aus der praxis hin zu wissenschaftlichen fakten, nicht nur im sport, sondern in allen Bereichen (zb auch der Medizin, die bis vor 50 jahren auch eher Erfahrungs als evidenzbasiert war)
Das sehe ich gerade umgekehrt. Weil in der (Schul-) Medizin nur die wissenschaftlichen Fakten zählen, ist das Thema Faszien sehr lange keine Aufmerksamkeit zugeteilt worden. Erst vor 10 bis 15 Jahren hat sich das langsam verändert, der wissenschaftliche Nachweis ist heute erst in Grundzügen möglich, was z.B. Ostheopaden schon lange wissen.

Nur mit ganzheitlichem Wissen schaffe ich Symptom und Ursache auseinander zu halten. Ein Orthopäde hat mir vor 20 Jahren wegen Schmerzen z.B. Spritzen ins ISG gegeben (blöd nur, dass er einmal den Nerv traf und ich anschliießend die Treppe der U-Bahn nicht mehr hochgehen konnte). Wenn das die Lösung ist, hätte ich gerne das Problem zurück.


RE: Fascien- hype oder wichtiger Baustein? - lor-olli - 31.01.2018

Naja, ich denke man sollte hier schon auseinanderhalten…
Die wissenschaftliche Seite der Medizin, des Sports liefert uns einige neue Erkenntnisse, bestätigt alte oder negiert sie - das ist schon immer das Grundprinzip.
Ärztliche Behandlungsfehler (gerade Spritzen sind diesbezüglich beliebt) stellen aber nicht die Norm oder eine Behandlung generell in Frage, eher die Fähigkeiten des Arztes. Manche sind zwar fachliche Koryphäen, ihre Fingerfertigkeiten aber eher unterklassig, das können Physios oft deutlich besser. 

Die Verhaltensmuster lebendigen Gewebes im Detail zu erkennen ist in der Praxis manchmal schwierig, auch wenn die Theorie bekannt ist, der menschliche Körper ist keine Maschine aus der Serienfertigung. Man braucht sich nur anzuschauen wie unterschiedlich Behandlungserfolge bei identischer Behandlung ausfallen.

Der Bewegungsmangel vieler, oder die oft sehr einseitigen Bewegungsmuster vieler Spitzensportler sind für einen Körper prinzipiell nicht gesund, oft auch nicht für die Faszien gerade im intensiv bewegten Muskelbereich. Speziell bei nicht intensiv durchblutetem Gewebe (Sehnen, Bänder, Faszien) machen sich Ernährungsfehler oft erst nach einiger Zeit bemerkbar, der direkte Zusammenhang ist oft gar nicht mehr nachvollziehbar, dennoch hilft häufig eine Ernährungsumstellung. Eine ganzheitliche Betrachtung erfordert aber auch einen kritischen, geübten Gesamtüberblick > das fängt mit der Datenerfassung an.

Massagen etwa empfanden wir schon immer als Wohltat, eine medizinische Erklärung für Heilerfolge ließ sich aber nicht herstellen. Erst jetzt, wo wir in der Lage sind in Zellprozesse im lebenden Gewebe kleine  Einblicke zu erhaschen, zeigt sich, wie Massagen Selbstheilungsprozesse des Gewebes initiieren können - es ist also keine reine Suggestion. (Würde sonst wahrscheinlich  auch kaum bei Tieren funktionieren…) Ob ein guter Physio, Masseur oder der Sportler mit einer Rolle (wenn er dann weiß wie) eine "Behandlung" vornimmt sollte nicht die wichtigste Frage sein. Leider sieht man aber auch einigen "Unfug" der mit solchen Selbstbehandlungen angestellt wird (bis hin zu provozierten Muskelverletzungen) und die Dinger können nur eine (erlaubte) unterstützende Maßnahme sein.