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Reichskristallnacht oder Novemberpogrome? - MZPTLK - 13.11.2017
Clemens Prokop unterzeichnet Kooperationsabkommen mit Israel
Sehr löblich und llange überfällig,
aber im Artikel der DLV-Seite wird von 'exakt 37 Jahre nach der Reichskristallnacht' gesprochen.
Ich hänge mich nicht an der falschen Jahreszahl auf,
aber es muss darauf hingewiesen werden, dass dieser unsägliche, zynische Begriff von den Nazis geprägt wurde
und jahrzehntelang in Schulbüchern und Medien herungeisterte,
bis er trauriger- und idiotischerweise in den allgemeinen(?) Sprachgebrauch übergegangen ist
,wenn auch manchmal in Anführungszeichen. Einige haben dann doch noch was gemerkt.
Jedenfalls ist eine solche Formulierung indiskutabel, erst recht angesichts einer deutsch-israelischen Kooperation.
RE: Kooperation DLV mit Israel - icheinfachma - 13.11.2017
Also wir haben "Reichspogromnacht" gelernt (Abi 2014) und dass "Reichskristallnacht" von den Nazis verwendet wurde...
RE: Kooperation DLV mit Israel - Atanvarno - 13.11.2017
(13.11.2017, 22:04)icheinfachma schrieb: Also wir haben "Reichspogromnacht" gelernt (Abi 2014) und dass "Reichskristallnacht" von den Nazis verwendet wurde...
s. https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberpogrome_1938#Bezeichnungen
---edit
irgendwann la.de dann auch gemerkt und aus der Reichskristall- die Reichspogromnacht mit korrekter Jahreszahl gemacht (und wie immer kein Hinweise darauf, dass der Artikel aktualisiert wurde)
RE: Kooperation DLV mit Israel - Jo498 - 14.11.2017
Ich muss ehrlich sagen, dass ich nie verstehen konnte, warum dieser Begriff unbedingt geändert werden sollte. Die vage euphemistische Bezeichnung gehört m.E. dazu und wer darüber Bescheid weiß, sieht sie auch nicht als Verharmlosung. Wer nicht Bescheid weiß, kann mit "Pogromnacht" eh nicht viel anfangen. Als Teenager stutzt man erstmal bei dem komischen Ausdruck, kann sich aber leicht merken: "Kristallnacht" - Scherben - Nazis haben jüdische Geschäfte verwüstet. Pogrom war dagegen vor dieser Neuprägung ein seltener Fachbegriff, den viele vermutlich hätten nachschlagen müssen.)
Abgesehen davon sind "neutrale" Bezeichnungen seit Jahrhunderten für noch krassere Vorfälle üblich: Sizilianische Vesper, Bartholomäusnacht...
RE: Kooperation DLV mit Israel - MZPTLK - 14.11.2017
Kannst Du oder willst Du es nicht verstehen?
Auf Deine Einlassung zu antworten, verbietet das Niveau
RE: Kooperation DLV mit Israel - Jo498 - 14.11.2017
Ich verstehe es echt nicht. In den 1980ern wusste jeder, der überhaupt etwas mit dem Begriff verbinden konnte, dass "(Reichs)kristallnacht" nichts Harmloses war. Wer den Begriff nicht kannte, wusste es natürlich nicht. Das weiß er aber heute bei "Pogromnacht" oder "Novemberprogrom" auch nicht, wenn er es nicht nachschlägt. (Genauso wie bei Bartholomäusnacht.) Wenn der offizielle Begriff "Vergeltungsnacht" o.ä. (so wie bei "zurückgeschossen") gewesen wäre, würde ich das extreme Unbehagen mit dem alten Ausdruck verstehen, aber in diesem Falle verstehe ich wirklich nicht, wie man der bloßen Bezeichnung solches Gewicht geben kann, weil sie eben nicht verharmlosend ist.
So lächerlich ich den Streit um Begriffe finde, ist es hier nicht uninteressant, da die Debatte über die Bezeichnung übrigens keineswegs abgeschlossen und die Geschichte des Ausdrucks nicht so eindeutig. Es hilft aber wenig, wenn man schon das Sprechen über die unterschiedlichen Bezeichnungen untersagen muss bzw. Bosheit, Dummheit oder Revisionismus unterstellt. Das ist völlig überzogen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberpogrome_1938#Zeitgen.C3.B6ssische_Bezeichnungen
dort auch, dass Gedenkveranstaltungen schon lange regelmäßig begangen wurden, als noch der "böse" Ausdruck verwendet wurde, vgl. die gezeigte DDR-Briefmarke (obwohl dort eigentlich andere Bezeichnungen vorherrschten).
RE: Kooperation DLV mit Israel - MZPTLK - 14.11.2017
Neurolinguistik bekannt? Sprache prägt, manipuliert das Bewusstsein.
Soldaten sind nicht elend krepiert oder ermordet worden, sondern sind 'gefallen'.
Sie sind also gestolpert, hingefallen und nicht wieder aufgestanden,
offenbar weil es ihnen da unten wohl so gut gefallen hat
Oder. er ist aus dem Krieg nicht wieder zurückgekommen.
Offenbar hat es ihm in Sibirien so gut gefallen, dass er lieber dageblieben ist.
Generäle wurden auch nicht rausgeschmissen,
sondern aus Gesundheitsgründen in den Urlaub oder Ruhestand geschickt.
Liest man sich Goebbels Tagebücher durch, kann man an vielen Stellen studieren,
wie unliebsame Fakten weggelassen, geleugnet, verdreht, gemildert, beschönigt
oder der Gegenseite in die Schuhe geschoben werden.
Zum Beispiel hat die Wehrmacht keine Schlacht verloren,
sondern sie hat die Front aus strategischen Gründen clever begradigt, also 'freiwillig' geräumt.
Die Juden wurden auch nicht Völker-gemordet, sondern der Endlösung zugeführt.
Endlösung = 'Lösung eines Problems, als Er-Lösung'.
Derlei Sprachregelungen dienen der Verschleierung von Tatsachen gegenüber Anderen
und der eigenen Gewissenserleichterung.
Wes Geistes Kind die Nazis waren, kann man auch an Folgendem ablesen:
'Der Führer sieht in Kant einen mehr Staats- und Fürsten-gebundenen Philosophen,
in Schopenhauer eine Art von Nihilisten, den er aber sehr schätzt,
und in Nietzsche(Protofaschist/MZPTLK) den Philosophen, der unserer ganzen Gedanken- und Gefühlswelt am allernächsten steht.
Was er vorbereitet hat, müsste Rosenberg(Autor des Machwerks Der Mythos des 20. Jahrhunderts/MZPTLK) vollenden.'
(Goebbels Tagebücher 23.1.1943)
So sind auch anlässlich des von Goebbels initiierten Pogroms nicht nur ein paar Scheiben/'Kristall' zu Bruch gegangen,
es war keine spontane (Re-)Aktion der entrüsteten Volksmassen,
sondern es kam zu Mord, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Raub, Diebstahl, Vandalismus,
Enteignung und Vertreibung grösseren Ausmasses.
Wie man da bedenkenlos von Kristallnacht sprechen kann,
als wäre es sowas wie ein Polterabend oder Feuerwerk gewesen,
übersteigt meine beschränkte Intelligenz.
RE: Kooperation DLV mit Israel - Robb - 14.11.2017
"Kristallnacht" ist kein eigenständiger Begriff, es gibt also auch nichts, was man damit beschönigen oder falsch verstehen könnte.
RE: Kooperation DLV mit Israel - Jo498 - 14.11.2017
Wir sagen übrigens immer noch "gefallen", oder? (nur nicht mehr auf dem Felde der Ehre, sondern bei der Verteidigung "westlicher Werte")
Vielleicht wäre diese Formulierung oder auch "freigesetzt", "eingespart", "steueroptimiert", "Sicherheitsbündnis" u.v.a. ein wichtigerer und würdigerer Gegner als "Kristallnacht", bei dem schon immer klar war, dass es um etwas Schlechtes ging. Assoziiert jemand wirklich mit "Kristallnacht" "angemessene Bestrafung für die Ermordung eines Diplomaten" und nicht "schändliche Zerstörung, Verschleppung, Massakrierung" usw.?
Wer sagt denn, dass "Kristallnacht" gedankenlos verwendet wird/wurde? Der Ausdruck ist im Englischen anscheinend immer noch der übliche.
BAP hatte 1982 ein Lied "Kristallnaach", mehrere englischsprachige Künstler haben ihn in Werken verwendet.
Es heißt doch nicht "Vom-Rath-Vergeltungsnacht". In diesem Falle würde ich die Aufregung vollkommen verstehen.
Aber das ist eine fruchtlose Diskussion und natürlich ist es jetzt, wo sich soviele darüber echauffieren, sicher sinnvoller, eine andere Bezeichnung wie "Novemberpogrom" etc. zu verwenden (ich muss dann, im Ggs. zu "Kristallnacht" zwar ein paar Sekunden nachdenken, was eigentlich überhaupt gemeint ist, aber das ist natürlich zumutbar).
Aber es glaubt hoffentlich niemand, dass bei LA.de ein Revisionist tätig war, sondern vermutlich jemand, dem der alte Ausdruck geläufiger gewesen ist (auch die falsche Zahl spricht ja eher für Flüchtigkeit).
RE: Kooperation DLV mit Israel - MZPTLK - 14.11.2017
(14.11.2017, 15:12)Jo498 schrieb: Aber es glaubt hoffentlich niemand, dass bei LA.de ein Revisionist tätig war, sondern vermutlich jemand, dem der alte Ausdruck geläufiger gewesen ist (auch die falsche Zahl spricht ja eher für Flüchtigkeit).
Künstler dürfen Vieles, auch Schwachsinniges produzieren.
Nicht wenige Engländer sind übrigens - unter dem Deckmantel historischen/'wissensachaftlichen' Interesses -
Fans deutscher Uniformen und Dienstgrade.
Besonders die Generäle, auch SS-Obere haben es ihnen angetan mit ihren schicken Uniformen und dem Lametta.
In der Bundeswehr hatte man viele Jahre Probleme mit den Offizieren des militärischen Widerstandes.
Ebenso hielten sich blutrünstige Marschliedtexte sehr sehr lange(Blutrot...).
Es ist also dringend geboten, diese Barbarei mit Worten zu bekämpfen.
Bei LA. de war es sicherlich Nachlässigkeit.