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Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Druckversion

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RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Jo498 - 04.04.2018

(03.04.2018, 21:49)Küstenkrebs schrieb: Aber der übliche Sport-Journalist hat wenig Ahnung von LA und kann nicht gut einschätzen, was z.B. einzelne Leistungen im Hinblick auf ein mögliches WM-Abschneiden bedeuten. Für ihn kann eine Weltrangliste ein gute Hilfe sein. Die Weltjahresbestenliste wird glaube ich wenig bei Übertragungen erwähnt. Vielleicht regt eine Weltrangliste wie in anderen Sportarten eher zur Referenzierung an. Hier muss es eventuell entsprechendes Marketing geben. Ich fände es schön, wenn weniger über Zeiten, Weiten, Höhen und mehr über Platzierung im Wettkampf und Ranglisten gesprochen werden würde.
Also ich glaube, dass die Rangliste eher ein technisches Tool bleiben wird, wenn sie tatsächlich die Normen ersetzen wird. Die normale WBL wird ja nicht aufgehoben. (Tatsächlich setzt das Ranking für die scores eine entsprechende Einordnung der Leistung voraus und Prämienpunkte für WR gibt es obendrein.) Dass die Stars dazu gezwungen werden, oft bei hochklassigen Bewerben gegeneinander anzutreten, finde ich im Prinzip auch gut, ebenso die Fokussierung auf Siege statt auf Zeiten.
Zitat:Problematisch ist das System aber durchaus für Langstreckler und Mehrkämpfer, wenn das Ranking an sehr wenigen Ereignissen festgemacht wird.
Das war für die Normen aber bisher auch nicht anders; es kam typischerweise sogar nur auf ein EINZIGES Ereignis an, nicht auf wenige. Kurt Ring mosert seit Jahren rum, dass die Normen so hart sind, dass die meisten deutschen Mittel/Langstreckler nur der Erfüllung hinterherhecheln, obendrein im Inland keine ausreichend schnellen Rennen haben, in die DL nicht reinkommen und letztlich nur ganz wenige passende Veranstaltungen (wie Heusden) bleiben. So viele Chancen, die Norm über 5000 oder 10000 zu laufen hatte man bislang auch nicht (wenn man nicht eh schon etabliert war) und beim MK ist es eher noch härter bzw. gibt seit je nur ein bis zwei Chancen, eine Norm zu schaffen. Eigentlich müsste durch das Ranking die Einzelleistung klar weniger relevant werden und der Druck, eine bestimmte Zeit/Weite zu schaffen, etwas sinken. (Wie gesagt, es kann sich ja mal jemand hinsetzen und Molitor vs. andere deutsche Speerwerferinnen 2015/16 nach dem neuen Ranking durchrechnen, wer da für Rio qualifiziert gewesen wäre.) Ob das tatsächlich auch funktioniert, muss man sehen.
Zitat:Aktuell gibt es merkwürdige Effekte, z.B. Muir liegt über 5000m hinter der Britin Mc Colgan, obwohl sie natürlich besser ist.
Nö, McColgan hatte 2017 eine bessere 5000m-BL (14:48 v. 14:52) und war gut in der CL, Muir war nicht weit genug vorne bei der WM, um das auszugleichen. Es gibt aber in der Tat merkwürdige Effekte, die an den vielen Punkten für DL usw. liegen, selbst wenn man dort nur 4.-7. erreicht. Daher liegen Weightman, Bahta u.a. über 1500m vor Dibaba und Koko, obwohl sie schlechtere Zeiten gelaufen sind.
Zitat:Für die IAAF hat das Ranking den Vorteil, dass die Stars zu mehr Starts gegeneinander gezwungen werden und zwar bei Meetings, die für die IAAF wichtig sind. Dass es Außenseiter deshalb schwerer haben, sich durch Ausreißer bei kleinen Meetings zu qualifizieren, ist für die IAAF nicht wichtig.
Das sind m.E. einiger der Probleme und Ungerechtigkeiten. Es gibt viel zu viele Punkte für DL-Plazierungen. Da hat Robb mit seinem Lückenkemper-Beispiel völlig recht. Dass das Erreichen eines WM-Finales Punkte gibt, weil man dazu mehrere Runden harter Konkurrenz überstehen musste, ist ganz richtig. Dass ein 7./8. Platz in einem Sprint oder technischen Bewerb bei der DL, ohne Vorläufe/Quali so viele Punkte gibt, ist ein Witz. (Ab 1500 ist es wieder etwas anders, aber auch da fehlen die VL usw., daher ist es auch leichter als bei einer WM, wenn man einmal drin ist.) Das sind viel zu viele Punkte, aber das ist vermutlich genau so gewollt, um die DL aufzuwerten.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Drizzt - 04.04.2018

Kann mich mal bitte jemand kurz aufklären? Werden dann in Zukunft bei Großereignissen die ...ersten einer Disziplin unabhängig von ihrer Nationalität zugelassen,oder wird es weiterhin maximal 3 Starter pro Nation geben?


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Jo498 - 04.04.2018

Davon war meines Wissens keine Rede. Das ist jedenfalls ganz unabhängig vom Ersetzen der Normen durch einen anderen Modus. Konsequent wäre m.E. aber wildcards abzuschaffen, jedenfalls wildcards für die Ex-Champions; die o.g. "Entwicklungshilfe-Wildcards" für Länder, die niemanden mit der Norm haben, sind eine andere Sache. Aber die Champions sollen sich ja gerade nicht auf den Lorbeeren ausruhen können, sondern DL machen. Wink

m.E. muss man mindestens mal eine Saison abwarten, weil die momentanen Rankings, nach einer WM (mit den entsprechenden Placement-Boni), teils mit Hallenergebnissen, aber auch schon "abgewerteten" Leistungen aus dem letzten Frühsommer, einfach untypisch sind. Ich glaube nach wie vor, dass sich die Unterschiede für die Praxis in Grenzen halten werden. Nehmen wir die deutschen Diskuswerferinnen:

Ranking: Müller 5, Harting 9, Vita 16, Rüh 17
WBL: Müller 7, Vita 12, Rüh 14, Harting 16

Die beiden älteren, etablierten Athletinnen profitieren vom Ranking ggü. den nackten Weiten, besonders aufgrund ihrer WM- und DL (u.ä.) Placements. Außer bei Harting ist der Unterschied aber gering und betrifft die Rangfolge nicht.
Abgesehen davon wäre das eh wieder eine Disziplin, in der (wie 2016 bei Molitor) das Problem meist nicht die internat. Normerfüllung (oder Rankingplatz) ist, sondern dass der DLV mehr als drei Starterinnen mit Norm hat. Wie dann intern entschieden wird, ist erstmal unabhängig vom IAAF-Ranking.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - krebsan - 04.04.2018

(04.04.2018, 08:15)Jo498 schrieb:
Zitat:Für die IAAF hat das Ranking den Vorteil, dass die Stars zu mehr Starts gegeneinander gezwungen werden und zwar bei Meetings, die für die IAAF wichtig sind. Dass es Außenseiter deshalb schwerer haben, sich durch Ausreißer bei kleinen Meetings zu qualifizieren, ist für die IAAF nicht wichtig.
Das sind m.E. einiger der Probleme und Ungerechtigkeiten. Es gibt viel zu viele Punkte für DL-Plazierungen. Da hat Robb mit seinem Lückenkemper-Beispiel völlig recht. Dass das Erreichen eines WM-Finales Punkte gibt, weil man dazu mehrere Runden harter Konkurrenz überstehen musste, ist ganz richtig. Dass ein 7./8. Platz in einem Sprint oder technischen Bewerb bei der DL, ohne Vorläufe/Quali so viele Punkte gibt, ist ein Witz. (Ab 1500 ist es wieder etwas anders, aber auch da fehlen die VL usw., daher ist es auch leichter als bei einer WM, wenn man einmal drin ist.) Das sind viel zu viele Punkte, aber das ist vermutlich genau so gewollt, um die DL aufzuwerten.
Wenn man das mal weiterdenkt, gäbe es durchaus Optionen, bezüglich DL einen guten Weg zu finden. Zum Beispiel indem man immer Felder von mindestens 12 Teilnehmern vorschreibt, von denen nur 8 Platzierungspunkte erhalten. Wobei zum Beispiel 5-7 Teilnehmer aufgrund ihrer Ranglistenposition ein Startrecht erhalten, und die anderen, wie unten schon mal angedacht, sich ihren Platz über ein Qualifikationsmeeting sichern könnten. Ein Platz wäre für die "Nationale Gruppe" vorgesehen, sofern sinnvoll. Oder schlicht über eine Wild Card des Veranstalters.
Im Sprint würde das heissen, dass es immer zumindest einen Halbfinal gäbe. Nicht falsch, finde ich.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Robb - 04.04.2018

(03.04.2018, 21:49)Küstenkrebs schrieb: Für die IAAF hat das Ranking den Vorteil, dass die Stars zu mehr Starts gegeneinander gezwungen werden und zwar bei Meetings, die für die IAAF wichtig sind. Dass es Außenseiter deshalb schwerer haben, sich durch Ausreißer bei kleinen Meetings zu qualifizieren, ist für die IAAF nicht wichtig.
Das ist zwar eine der Behauptungen, mit denen die Rankings verkauft werden, sie ist aber falsch. Christian Coleman hat aktuell 1416 Punkte, Gatlin an zweiter Position 1399. Nimmt man die Target Number von London 2017 für die Quali, wäre man bis Position 56 qualifiziert, dafür braucht man 1173 Punkte, das ist aber nichtmal bereinigt. Was also sollte Coleman und Gatlin dazu zwingen, gegeneinander zu laufen? Die Topathleten bekommen die nötigen Punkte auch ohne Starts gegeneinander locker zusammen. Mal abgesehen davon, in welchen Disziplinen haben wir das Problem denn?
Ich empfinde es als Skandal, dass die IAAF zweitrangige Athleten durch die Rankings so benachteiligt. Die Aufgabe der IAAF sollte es sein, alle Athleten und alle Disziplinen gleichwertig zu vertreten und nicht den Sport so zu verändern, dass die IAAF möglichst viel Kohle rausquetschen kann.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Robb - 04.04.2018

Amüsante Info am Rande: Ich hab mit Mirko über die IAAF-Rankings gequatscht und er rechnet damit, dass die EAA bald eigene Rankings will, unabhängig von der IAAF. Dann wäre wirklich alles perfekt, zwei voneinander unabhängige, endlos komplizierte Methoden, um Ranglisten zu berechnen.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Robb - 04.04.2018

(03.04.2018, 15:47)longbottom schrieb: Also ich sehe hauptsächlich einen problematischen Fall, der irgendwie berücksichtigt werden sollte: Was ist denn, wenn ein lange verletzter Sportler gerade noch rechtzeitig zurückkommt, um vor Nominierungsschluss den einen oder anderen Wettkampf zu absolvieren, nur halt keine fünf Wettkämpfe mehr?
Nur einen? Was ist mit Junioren? Niklas Kaul hat kein Ranking, weil seine Junioren-Zehnkämpfe nicht gelten. Falls dieses Jahr eine WM wäre, müßte er davor zwei Zehnkämpfe bestreiten, um sich zu qualifizieren. Er könnte 8800 Punkte in Götzis machen, wäre egal, ohne einen zweiten Zehnkampf gibts kein Ranking und keine Quali.
Abele müßte auch zwei Zehnkämpfe bestreiten, bei einem so verletzungsanfälligen Athleten wäre es fast schon fahrlässig, ihn zu zwei Zehnkämpfen innerhalb von vier Wochen zu zwingen, denn außer Götzis-Ratingen gibts wohl keine weiteren Optionen. Schrader hätte bei seinem Comeback 2013 nach den 8427 Punkte in Ulm noch einen Zehnkampf bestreiten müssen, um sich für Moskau zu qualifizieren. Die 8670 und Silber hätte er wohl danach kaum hinbekommen.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - longbottom - 04.04.2018

Ganz so, wie du es sagst, ist es nicht. Es würde in deinem Beispiel auch reichen, wenn Kaul einen Zehnkampf und einen Hallen-Siebenkampf macht. Man hat diese Regeln ja nun auch bewusst in einem Jahr ohne WM und Olympia rausgebracht, dass die Sportler sich langfristig darauf einstellen können.

Bei dem von dir genannten Fall Abele geht es ja wieder um verletzte Sportler. Das ist dann in der Tat ein Problem.

Das Problem mit der Einrechnung der Junioren gibt es nur im Mehrkampf. In allen anderen Disziplinen kann man schlicht und einfach sagen: Wenn die Junioren zu einer WM im Seniorenbereich wollen, müssen sie halt genug Wettkämpfe mit der schwereren Kugel oder den höheren Hürden machen. 

Im Mehrkampf natürlich auch, nur wäre es da hart, wenn man zwei Zehnkämpfe macht, einer geht nicht in die Wertung wegen z.B. Salto Nullo im Stabhochsprung - und aus der Traum von Olympia.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - krebsan - 04.04.2018

Es ist meiner Meinung nach falsch, einen neuen Ansatz bereits in Bausch und Bogen zu verdammen, nur weil an der einen oder anderen Stellschraube sicherlich noch zu drehen sein wird. 
Ist ja nicht so, dass wir heute ein System hätten, das nicht auch Probleme bereitet. Die Limitenjagd bei den längeren Bahnläufen wurde ja bereits erwähnt. Und auch die Mehrkämpfer brauchen etwas (Wetter-)Glück, wenn sie ihre Chance nützen möchten. Das wäre anders, wenn die erreichten Ränge gewichtet werden.
Und ja, es ist zu hoffen, dass dann auch wirklich alle starten dürfen, die eine Limite erreicht haben (und zu den besten drei im Land gehören). Ich stelle mir da immer vor, dass ein Land seine Fussballnationalmannschaft nicht an die WM lässt, weil sie die Qualifikation nur auf dem zweiten (oder dritten) Gruppenrang absolviert haben...


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - mic.now - 04.04.2018

Interessant ist, dass im Moment Richard Ringer über 10000 m (mit bereinigtem Platz 23) offenbar für die WM qualifiziert wäre.