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Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Druckversion

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RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Atanvarno - 03.04.2018

(03.04.2018, 13:05)Robb schrieb: Dem Durchschnittsfan wird aber bei Übertragungen von deutschen Meisterschaften erklärt werden, dass die 11,01s von Gina zwar nett, aber wertlos sind, weil diese Klassezeit nicht für die Quali berücksichtigt wird. Und falls die ÖR dann zur Erklärung des Quali-Modus die fünf besten Leistungen nach Ranking einblendeen, wird er sich wundern, wieso da eine 11,39 drinsteht, wenn eine 11,01 zu schlecht war.

Der Fan muss auch jetzt verstehen, dass eine 10,90 mit 2,01m/s Rückenwind wertlos ist oder ein 105m-Flug mit Aufwind weniger Punkte bringt als einer mit Abwind.
Wenn die Fernsehsender geschickt sind, könnten sie sogar Spannungsbögen aufbauen, bspw. Gina muss jetzt hier im Halbfinale 10,99 laufen, wenn sie ihre Weltranglistenposition verbessern möchte. Dafür muss der Fan gar nicht wissen, dass im Weltranglistenscore eine 11,37 von einem höherwertigen Meeting steht.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Astra - 03.04.2018

Ganz sicher werden die Wild Cards für die übergewichtigen Insulaner mit 13,0 auf 100 m nicht abgeschafft.
Ich denke, die IAAF hat hauptsächlich ein Interesse daran, dass sie ihre Meetings mit den Stars voll bekommt.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Robb - 03.04.2018

(03.04.2018, 13:26)Atanvarno schrieb: Der Fan muss auch jetzt verstehen, dass eine 10,90 mit 2,01m/s Rückenwind wertlos ist oder ein 105m-Flug mit Aufwind weniger Punkte bringt als einer mit Abwind.
Wenn die Fernsehsender geschickt sind, könnten sie sogar Spannungsbögen aufbauen, bspw. Gina muss jetzt hier im Halbfinale 10,99 laufen, wenn sie ihre Weltranglistenposition verbessern möchte. Dafür muss der Fan gar nicht wissen, dass im Weltranglistenscore eine 11,37 von einem höherwertigen Meeting steht.
Du bist lustig, wer soll den Spannungsbogen aufbauen? Norbert König, der der Meinung ist, 2.9m/s Rückenwind wäre das zulässige Limit? Nachdem man den Gelegenheitsfans jahrelang klargemacht hat, dass zuviel Rückenwind schlecht ist, ist er plötzlich "semilegal". Eine 10,90 bei 2,01 ist kein deutscher Rekord, kann aber die Quali für eine WM bedeuten. Super, einfach, logisch.
Deine ganzen Beispiele beruhen auf einem grundsätzlichen Fehler, es geht bei dir um Sportarten mit direktem Wettkampf der Besten gegeneinander. Der Rückenwind von Wellinger in Oberstdorf hat für die weiteren Wettkämpfe keinerlei Bedeutung, das komplette Ergebnis wird eingeblendet und damit ist der Wettbewerb abgeschlossen. Und der Weltcup (das höchste Ranking) wird bei diesen Sportarten sehr einfach berechnet. Jeder bekommt nach Platzierung eine bestimmte Punktzahl, egal wo sie springen oder fahren, egal wieviel Rücken- oder Gegenwind.
Nach einem 100m Lauf bei deutschen Meisterschaften weiß niemand, ob das Resultat für die Quali zum Saisonhöhepunkt überhaupt relevant ist, es gibt keine deutschen Meister mehr, die mit Norm sicher qualifiziert sind. NIEMAND kann sich bei deutschen Meisterschaften qualifizieren, niemand kann sagen, was eine Zeit wert ist, ob sie überhaupt einen Wert hat und der aktuelle Wert ist nichtmal stabil. Ein Harting könnte nach den DM nicht auf die EM verzichten, um sich auf die OS vorzubereiten, weil ihn jemand aus den Rankings werfen könnte.
Es gibt kein gerechtes Ranking für Leichtathletik, das ist die Quadratur des Kreises. Die IAAF behauptet, dass ein Sieg über 400m bei deutschen Meisterschaften genausoviel wert ist, wie bei den US-Meisterschaften. Jemand hier, der das glaubt?


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Jo498 - 03.04.2018

Für mich stehen weniger grundsätzliche Fragen im Vordergrund als pragmatische: Welche Athleten werden evtl. unfair behandelt, haben also durch das Ranking-System schlechtere Chancen bei WM/OS zu starten. Wenn man davon ausgeht, dass eine Plazierung in den bereinigten top30-40 des Rankings an die Stelle einer Norm tritt, welcher DLV-Athlet hat schlechtere Chancen, sich zu qualifizieren?
Wie oben schon kurz angesprochen, kann es etwas aufwendiger werden, sich zu qualifizieren bzw. muss man sich evtl. eher für eine Strecke entscheiden. Das betrifft aber eh nur relativ wenige Athleten, die überhaupt ernsthaft für mehr als eine Disziplin in Frage kommen und ist oft (wie letztes Jahr bei Salman-Rath, Klosterhalfen oder Klein) eher ein "Luxusproblem.
Bei kursorischer Durchsicht der Rankings ist mir unter den Deutschen kein offensichtlicher Fall ins Auge gesprungen. Ich vermute, dass es in der Praxis gar kein so großer Unterschied ggü. dem alten System sein wird, weil sich Fragwürdigkeiten wie die, dass 11,01 im DM-LV nur 1198 gäbe, 11,39 in der DL aber über 1200 wg. placement score meistens "herausmitteln".


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - krebsan - 03.04.2018

Es gibt zwei Fragen: 1) Ist der Systemwechsel grundsätzlich sinnvoll? Ich sehe da einige Vorteile. 2) Stimmen die Massstäbe? Hier gibt es sicherlich noch zu tun...
Aber ja, wenn jemand an einem DL-Meeting mit einer Top-Leistung aufs Podest steigt, bin ich nicht dagegen, dass er sich damit für Meisterschaften qualifizieren kann, auch wenn er vielleicht zu viel Wind hat.
Aber natürlich ist das von Disziplin zu Disziplin anders.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Atanvarno - 03.04.2018

(03.04.2018, 14:03)Robb schrieb: Es gibt kein gerechtes Ranking für Leichtathletik, das ist die Quadratur des Kreises. Die IAAF behauptet, dass ein Sieg über 400m bei deutschen Meisterschaften genausoviel wert ist, wie bei den US-Meisterschaften. Jemand hier, der das glaubt?

Obwohl der Deutsche Meister über 400m einen genauso hohen Placing-Score bekommt wie der US-Meister, finde ich in den Top 100 keinen deutschen Läufer. Scheint also nicht zu katastrophalen Verzerrungen zu führen.
Dass die US-Meisterschaften in unseren Augen so viel mehr wert sind, liegt ja vor allem daran, dass die Result-Scores höher sind, bei einer 46,50 als Siegerzeit machen die 100 Punkte Placing-Score den Bock auch nicht fett.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Jo498 - 03.04.2018

(03.04.2018, 14:03)Robb schrieb: Nach einem 100m Lauf bei deutschen Meisterschaften weiß niemand, ob das Resultat für die Quali zum Saisonhöhepunkt überhaupt relevant ist, es gibt keine deutschen Meister mehr, die mit Norm sicher qualifiziert sind. NIEMAND kann sich bei deutschen Meisterschaften qualifizieren, niemand kann sagen, was eine Zeit wert ist, ob sie überhaupt einen Wert hat und der aktuelle Wert ist nichtmal stabil. Ein Harting könnte nach den DM nicht auf die EM verzichten, um sich auf die OS vorzubereiten, weil ihn jemand aus den Rankings werfen könnte.
Der Sinn der DM ist nicht, wertvolle Resultate zu erzielen, sondern deutsche Meister zu ermitteln. Außerdem kriegt man 100 placement Punkte für einen DM-Titel, die DM werden also nur vgl. mit DL abgewertet, nicht verglichen mit kleineren regionalen Meetings.
Und man kann sich genauso viel oder wenig bei DM qualifizieren wie bei irgendeinem anderen Meeting. Durch die Rankingberechnung werden ALLE Einzelleistungen anders bewertet als zuvor. Bisher konnte jemand 10mal klar unter der Norm werfen und einmal "einen raushauen" (und Wind wird ja beim Werfen noch nicht gemessen) und war qualifiziert.

Könnte man sich nicht auch Situationen denken, in denen die neue Methode erheblich gerechter ist, weil nun eben der qualifiziert ist, der 5mal knapp unter der alten Norm geworfen hat? Das sind bisher alles nur theoretische Szenarien, man müsste einen kritischen Fall der Vergangenheit (wie Molitor 2016) einfach mal mit den neuen Rankings durchrechnen, ob sich was anderes ergibt und was man insgesamt fairer findet. Meine Vermutung ist, dass solche Grenzfälle ähnlich selten sein werden wie bisher und ähnlich kontrovers, weil es im Falle Molitor eben auch Argumente für beide Seiten gab.
(EDIT: Ich vermute, es wäre bei Molitor vs. Obergföll mit dem Rankingsystem genau dasselbe rausgekommen wie es tatsächlich gewesen ist, weil Molitors gute Weiten zu alt waren und Obergföll in der lfd. Saison klar besser, auch mit dem zweit/drittbesten Wurf.)

Dass ein Harting nicht auf die EM verzichten könnte, könnte man auch als Aufwertung der EM werten bzw. darüber nachdenken, ob man die EM im Olympiajahr vielleicht doch wieder lassen sollte.
Außerdem halte ich solch ein Szenario für eher unwahrscheinlich. Es muss ja irgendwelche Deadlines geben, so dass nicht Rankingänderungen in letzter Sekunde relevant werden. Und wenn, dann beträfe es ziemlich sicher nicht Hartings, sondern solche, die auch jetzt gerade so die Norm schaffen (oder eben nicht).

Ich will das Ranking auch nicht unbedingt verteidigen, aber ich sehe einfach nicht, dass sich plötzlich dadurch alles ändert und zig Athleten, die vorher sicher qualifiziert gewesen wären, um Nominierungen bangen müssen.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - longbottom - 03.04.2018

Also ich sehe hauptsächlich einen problematischen Fall, der irgendwie berücksichtigt werden sollte: Was ist denn, wenn ein lange verletzter Sportler gerade noch rechtzeitig zurückkommt, um vor Nominierungsschluss den einen oder anderen Wettkampf zu absolvieren, nur halt keine fünf Wettkämpfe mehr?

Um einfach mal "rumzuspinnen": (Es ist ja theoretisch möglich)

Lavillenie kommt nach anderthalbjähriger Verletzungspause zurück, springt vier Wettkämpfe. Ergebnisse: 5,60 Meter, 5,80 Meter, 5,80 Meter, 5,85 Meter. Dann ist Nominierungsschluss. Wäre er dann nicht bei der WM oder Olympia dabei?

Im Tennis gibt es ein "Protected ranking", dass den Sportlern ermöglicht, bei größeren Turnieren mitmachen zu können. Bei der Berechnung der Startnummer im alpinen Skisport gibt es ebenfalls einen Bonus für verletzte Athleten.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - Küstenkrebs - 03.04.2018

Zeiten, Weiten, Höhen zu vergleichen ist direkt und hat deshalb zwar einen Vorteil gegen einen indirekten Score - ist direkt verständlich etc. Aber die direkte Leistung kann eben auch einen völlig falschen Eindruck hinterlassen, weil sie bedingt durch gute Bedingungen oder gute pace maker sind. Glücklich die Läuferin, die ihre besten Leistungen auch ohne pacing schafft.

Aber der übliche Sport-Journalist hat wenig Ahnung von LA und kann nicht gut einschätzen, was z.B. einzelne Leistungen im Hinblick auf ein mögliches WM-Abschneiden bedeuten. Für ihn kann eine Weltrangliste ein gute Hilfe sein. Die Weltjahresbestenliste wird glaube ich wenig bei Übertragungen erwähnt. Vielleicht regt eine Weltrangliste wie in anderen Sportarten eher zur Referenzierung an. Hier muss es eventuell entsprechendes Marketing geben. Ich fände es schön, wenn weniger über Zeiten, Weiten, Höhen und mehr über Platzierung im Wettkampf und Ranglisten gesprochen werden würde. Vielleicht gibt es durch das Ranking auch mehr Taktik-Rennen bei Meetings. Aktuell hat man auf Laufstrecken sehr stark unterschiedliche Sportarten mit sehr verschiedenen Anforderungen an die Läufer: Einmal ist schnelles Tempo gefragt und dann bei der Meisterschaft Taktik und Spurtvermögen.

Eine Ayana kann nur deshalb weiter machen wie bisher, weil sie bereits im alten System bei WMs teilnehmen konnte. Problematisch ist das System aber durchaus für Langstreckler und Mehrkämpfer, wenn das Ranking an sehr wenigen Ereignissen festgemacht wird.

Aktuell gibt es merkwürdige Effekte, z.B. Muir liegt über 5000m hinter der Britin Mc Colgan, obwohl sie natürlich besser ist.

Und Julian Reus ist auf Rang 29 über 100m! So schlecht sind deutsche Sprinter also offenbar nicht.

Und kann es sein, dass das System noch buggy ist? Genzebe Dibaba ist über 1500m hinter Koko Klosterhalfen. Letztes Jahr hatte sie einen starken Durchhänger. Aber warum ist bei ihr Platz 1 vor Koko vom Madrid-Hallen-Meeting nicht mit in der Wertung, bei Koko aber schon?

Für die IAAF hat das Ranking den Vorteil, dass die Stars zu mehr Starts gegeneinander gezwungen werden und zwar bei Meetings, die für die IAAF wichtig sind. Dass es Außenseiter deshalb schwerer haben, sich durch Ausreißer bei kleinen Meetings zu qualifizieren, ist für die IAAF nicht wichtig. Andererseits muss sie ihre Stars schützen, z.B. davor dass sie durch Außzeiten aus dem Ranking fliegen.

Für Deutschland mag das Ranking den Vorteil haben, dass die nationalen Norminierungskriterien hoffentlich stark eingeschränkt werden würden. Mir ist klar, dass auch bei einer einfachen Rangliste noch immer nationale Regelungen möglich sind, sie aber hoffentlich politisch schwieriger durchzusetzen sind.


RE: Die IAAF will Normen abschaffen und durch Ranglisten ersetzen. - gera - 04.04.2018

die jetzige Regelung finde ich da besser.
Gerechter wird die neue Regelung nicht dadurch,dass sie umfangreicher ist.
Im Gegenteil, die Möglichkeit der bewussten Einflußnahme wird größer.