Leichtathletikforum.com
W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Training im Spiegel der Sportwissenschaft (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=21)
+--- Thema: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? (/showthread.php?tid=1684)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - icheinfachma - 12.07.2016

Mit einem Ausdauerfanatismus würde ich es auch nciht ungedingt erklären... Es ist zum Beispiel mal gemessen worden, dass in 45min Sportunterricht nur 5min sind, in denen die Herzfrequenz der Kinder deutlich ansteigt, sprich, in der sie sich wirklich sportlich betätigen. Der Rest der Zeit wird mit Erklärungen des Lehrers, Anstehen und Unterrichtsunterbrechungen durch Störungen zugebracht oder beim Stationenarbeiten auch einfach nur mit Rumsitzen, wenn der Lehrer nicht hinschaut. Es ist weniger eine Ausdauerlastigkeit, sondern eine Untätigkeitslastigkeit, wenn man das so nennen kann.

Die Vereinsleichtathleten werden, wie ich glaube, vor allem durch ihr Vereinstraining körperlich geprägt und weniger durch den Schulsport - der ist einfach sehr ineffektiv angelegt.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - lor-olli - 12.07.2016

Schulsport ist an vielen Schulen, gerade der unteren Schulstufen zu einem "Theorieunterricht mit ein wenig Bewegung" geworden - vielen Kindern fehlen einfach schon die Grundvoraussetzungen die man entwickelt wenn man täglich eine Stunde intensiv "kickt", klettert, radelt oder hüpft. Bewegung macht den meisten Kindern Spaß, vor allem wenn sie dies frei oder kreativ tun können.

Ich erinnere mich, dass ein Sportlehrer an unserer Schule plötzlich 30 Paar Inliner organisiert hatte, als noch kaum jemand die Dinger kannte! Der Unterricht bestand praktisch überhaupt nicht aus Theorie sondern aus Losfahren > Hinfallen > Aufstehen >  Weiterfahren. Der Lernerfolg stellte sich trotzdem flott ein und Bremsübungen, Fallen etc. wurde EINMAL theoretisch gezeigt und dann praktiziert. Geholfen wurde nur in den Fällen wo sich überhaupt kein Erfolg einstellen wollte.
Viele hatten ordentlich Muskelkater von der ungewohnten Bewegung Wink


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - icheinfachma - 12.07.2016

Als Theorieunterricht würde ich das nun auch nicht bezeichnen. Im Lauf jedes Schulhalbjahres hatten wir Leichttlhletik, Turnen und Ballsport, wobei die Ballsportart zwischen Volleyball, Basketball und Handball wechselte. Fußball gab es nciht mit der Begründung, dass schon genug das im Verein spielen, Lehrer, die selbst aus dem Fußball kamen, hätte es genug gegeben. In der 5./6. KLasse waren v.a. kleine Spiele eingesetzt. Flexibel wurden auch alternative Ballspiele wie Hockey eingestreut.

Bei uns an der Schule wurde in den Ballsportarten, so wie man das auch im Verein machen würde, erst Technikübungen und dann Spiel gemacht. Erklärt wurden die Übungen jeweils vorher, das ist aber auch notwenig. Im Ballsport, so würde ich schätzen, waren wir am effektivsten, auch wenn die Technikübungen natürlich keinen konditionellen Effekt haben, z.B. wenn man oberes Zuspiel im Volleyball übt. DAs Spiel an sich hat einen Ausdauereffekt, fand aber nciht in jeder Stunde statt und dauerte oft nur 2x5min oder 1x5min, weil es mehr als 2 Mannschaften gab und das ganze als Turnier gestaltet war. Das ist dann schon nicht mehr sehr viel. Gerade Volleyball ist auch, wie es in der SChule gespielt wird, überhaupt nicht anstrengend.

In Leichtathletik bestand der Unterricht dagegen nie aus konditonellem Training (z.B. Ausdauer / Schnelligkeit / Sprungkraft), sondern stets aus Warmlaufen, Dehnen, ein bischen Lauf-ABC und dann wurden 100m auf Zeit gelaufen, wo man natürlich lange ansteht, bis die Klasse durch ist oder Kugelstoßen gemacht, wo 1 mal vorher geübt wurd, natürlich nur auf einer der beiden Anlagen und auch mit ewigem Anstehen bei einer Schulklasse und Weit-und Hochsprung wurden auch 1 mal geübt, und dann gab es 2 Tage, an denen Wertungsversuche gesprungen wurden. DAs Üben bestand kaum aus Vorübungen, sondern fast nur aus Versuchsdurchgängen. Da ist dann eine Stunde schnell rum, ohne, dass man wirklich etwas gemacht hat. Die Chance, sich durch Üben zu verbessern, bekam man da nciht. Der AUsdauerlauf wurde irgndwann im Schuljahr dann einfach gemacht, so nach dem Motto "Heute passt das WEtter, wir laufen 3000m.".

Gerätturnen lief immer so ab: Nach einer Erwärmung bauten alle Schüler die Geräte auf - Reck, Barren, Matten für Boden, Bock und später Kasten, in der 5./6. auch den Schwebebalken. In der ersten Stunden erklärte der Lehrer alle Übungen und demonstrierte sie, während die Klasse danebensaß und zuschaute. Dann und in den späteren Stunen wurde die Klasse in Gruppen aufgeteilt und man musste selbstständig an den Geräten im Rotationsprinzip üben. Aber in Wahrheit übte die Mehrheit nicht, wenn der Lerher nicht hinschaute, weil Turnen ein Hassfach für die meisten war und die, die übten, übten meistens nur die Elemente, die sie schon konnten, tw. weil sie ihre KOmfortzone nicht verlassen wollten, tw. aber auch, weil sie Angt vor dem Fallen bei noch nicht beherrschten Elementen hatten. Der Lehrer ging herum und war eben immer nur bei einem Schüler. Dann wurden in das Üben die LKs eingebaut, während die anderen weiter übten.

Von einem Theorieunterrricht kann daher kaum die Rede sein, es ist eher ein Problem zu großer Klassen und ineffizienter Unterrichtsgestaltung. Entweder ich habe eine kleine Gruppe und kann sie so trianieren lassen, oder ich habe eine große Klasse und muss dann eben nachdenken, wie man effektiver werden kann.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - muffman - 12.07.2016

Ein massives Problem ist doch der Status von Sporttunterricht an Schulen. Sportunterricht wird heutzutage eher als Mittel gesehen um Schüler zum selbstständigen Sporttreiben anzuregen und weniger als ein "echtes" Schulfach. Um als Schüler im Zeugnis eine 4 in Sport zu bekommen muss man sich schon sehr anstrengen. Eine weitverbreitete Auffassung ist leider, dass man den Schülern durch eine schlechte Note den Spaß am Sport nehmen würde. Ich sags mal knallhart: Wer nicht rechnen kann bzw. zu wenig lernt bekommt in Mathe auch keine 3 geschenkt, nur damit man den Spaß am Fach nicht verliert. Natürlich hat man im Sporttunterricht heutzutage mit anderen Problemen zu kämpfen, als vor 20 oder 30 Jahren, man denke nur mal an die vielen Übergewichtigen Kinder, was aber ein noch ganz anderes Problem ist.

Viele Sportehrer halten sich leider auch nicht richtig an die Lehrpläne. Irgendwann kommen die Schüler in den oberen Klassenstufen an und es fehlen wirklich grundlegende Fertigkeiten in den verschiedenen Sportarten. Deutlich sichtbar wird das an der Uni bei der Sporteingangsprüfung. Was dort gezeigt werden soll, sollte eigentlich alles in der Schule schon vermittelt worden sein. Leider können viele nichtmal eine Rolle Rückwärts vernünftig ausführen.

@icheinfachma:
Es ist bei den wenigen Sportstunden die zur Verfügung stehen leider auch nicht möglich Umfangreich zu üben. Andererseits lernt man auf eine Mathearbeit ja auch nicht nur in der Schule. Das führt natürlich aber zum nächsten Problem: Wo sollen die Schüler üben? Die Sportstätten sind meistens geblockt, selbstständiges Üben ist dann natürlich nicht möglich, was nochmal ein gravierendes Problem ist. Die Ausstattung der Schulen in Deutschland was Sportstätten angeht ist einfach schlecht.

Ein größerer Anteil an Sportunterricht an Schulen und besser ausgebildete Trainer in den Vereinen (nicht nur Leichtathletik) würden meiner Meinung nach viele Probleme (des Spitzensports) lösen. Auch andere Sportarten haben änhliche Probleme wie die Leichtathletik. Man muss sich nur einmal anschauen was im Fußball zum Teil gemacht wird, auch im Spitzensport. Auch dort sind viele ewig gestrige am Werk. Da kann man sich nur mit Grauen abwenden.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - icheinfachma - 12.07.2016

Man könnte im Bodenturnen z.B. im Block üben: Die Schüler üben nicht allein an einer Station, sondern müssen sich an einer Seite der Mattenfläche in mehreren Reihen anstellen und dann über die Mattenfläche 4 Rollen nacheinander ausführen, einer nach dem anderen, sich hinten wieder anstellen usw. Dann kann man locker in 2min 20 Rollen machen, soviel wie sont in der ganzen Sportstunde nicht passieren. Auf die Weise haben wir sowohl in der Schule als auch im Studium z.B. die Falltechniken im Judo geübt. Man kann auch einen Zickzack-Parcour machen, wo sich die Klasse an der Ecke der Mattenfläche anstellt und dann hintereinander weg Rollen machen muss, von einer Längsseite der Fläche zur anderen, im Zickzack über die Ganze Fläche. Da hat man dann schon eine viel größere Wdh.-Zahl, die man aber braucht, um die Elemente einzuschleifen. Das kann man dann auch mit Kopfstand / Handstand mit Partnerhilfe machen. Wir haben einmal im Studium auch einen Parcour gemacht, der Reck, Barren, Boden und Bock einschloss. Da musste man von einem Gerät zum nächsten traben, dort ein Abfolge an Elemente turnen und weiter zum nächsten Gerät traben. Es war anstrengend (bei Schülern kann man ja Gehen und längere Gehwege zwischen den Geräten nehmen), man hat unglaublich viel Elemente in sehr kurzer Zeit geturnt. Anstehen kann man hier vermeiden, indem man längere Wege, zwei Recks / zwei Barren aufbaut. In der Schule kann man die Klasse auch zweiteilen, die eine Häflte machte eine andere Übung (z.B. Rumpfkräftigung), während die erste Gruppe den Turnparcour absolviert. Es ist ja auch viel zu wenig Konditionstraining mit im Spiel - aus 3 Wochenstunden Sport in der Schule kann man schon ein gutes Ausdauer- und Stabilisationstraining herausholen.

Man muss sich halt auch immer fragen, wozu man den Sportunterricht macht. Im Lehrplan stehen sehr viele Ziele, die der Unterricht erfüllen soll, die er aber durch die Vielzahl der Ziele nicht erfüllen kann. Man muss sich meiner Vermutung nach auf wenige Ziele konzentrieren und die dann konsequent umsetzen. Man kann z.B. die Zielsetzung Erhöhung der Fitness und damit Gesundheitsförderung (kommt auch finanziell dem Gesundheitssystem zugute) formulieren und dann das Ausdauer-, Athletetik und Koordinationstraining in den Vordergrund stellen. Was bringt es dem Schüler schon, Zuspieltechniken und Turnelemente zu beherrschen? Fit im konditionellen Sinne werden die Schüler von der aktuellen Konzeption jedenfalls nciht, Haltungsfehler/ Muskelschwächen durch Bewegungsmangel, Dysbalancen durch langes Sitzen und massive Ausdauerdefizite sind an der Tagesordnung, und das schon im Grundschulbereich. Ich bin z.B. ÜL in einer Leichtathletik-TG und war überrascht, dass es Sek-I-Schüler gibt, die keinen Handstand mit Hilfestellung können, weil sie in den Armen eingeknickt sind, weil die Kraft so schlecht ist oder das viele dabei sind, denen beim moderaten Laufen schlecht wird.


RE: W a n n wird man schnell, wann ausdauernd? - diwa - 17.07.2016

(12.07.2016, 16:26)muffman schrieb: Viele Sportehrer halten sich leider auch nicht richtig an die Lehrpläne. Irgendwann kommen die Schüler in den oberen Klassenstufen an und es fehlen wirklich grundlegende Fertigkeiten in den verschiedenen Sportarten. Deutlich sichtbar wird das an der Uni bei der Sporteingangsprüfung. Was dort gezeigt werden soll, sollte eigentlich alles in der Schule schon vermittelt worden sein. Leider können viele nichtmal eine Rolle Rückwärts vernünftig ausführen.
Wir hatten Ende der 70er/Anfang der 80er in der Mittelstufe 2 Stunden Sport in der Woche.
Der Unterricht sah so aus, dass wir in der einen Woche Handball gespielt haben und in der nächsten Woche Basketball.
Der Fokus lag dabei wirklich auf "spielen". Regeln oder grundlegenden Fähigkeiten wurde keine gelehrt.
Im Vorteil waren natürlich diejenigen, die den entsprechenden Sport im Verein betrieben bzw. die entsprechend talentiert waren.

Einmal im Jahr haben wir auf dem Schulsportplatz (100m Tartan-Bahn mit Weitsprunggrube am einen Ende sowie Kugelstoßring) einen Vierkampf (100m, Weit, Kugel, Schlagball) gemacht.
Auch hier natürlich ohne vorheriges Techniktraining oder Erklärungen.
Das Ergebnis dieses "Wettkampfs" wurde dann als Basis für die Bundesjugendspiel-Urkunden genutzt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Eine irgendwie geartete Heranführung an irgendeine Sportart fand nicht statt...

Und wenn ich mir anschaue (besser anhöre), was meine Kinder im Moment auf dem Gymnasium im Sportunterricht mitbekommen, so hat sich da nicht wirklich was geändert...

Ciao

dirk