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Sprinttechnik - Zutritt nur für Wissbegierige! - Druckversion

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RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 08.12.2015

(08.12.2015, 13:40)Solos schrieb:
(08.12.2015, 10:39)Gertrud schrieb: Wenn man die Weltklasseathleten vergleicht, dann rekrutieren sie die Leistung über Schrittfrequenz und Schrittlänge - Usan Bolt offensichtlich im Vergleich zu seinen Konkurrenten mehr über die Schrittlänge.

Gertrud
Ich habe zunehmend das Gefühl, dass von nicht ganz richtigen Annahmen bzw. ein nicht ganz richtigen Verständnis bzgl. des Zusammenhangs von Schrittlänge und Schrittfrequenz, sowie dem Einfluss dieser beiden Parameter auf die Sprintzeit ausgegangen wird.

Dazu möchte ich ein Zitat aus einer Untersuchung von Letzelter & Engel, die alle olympischen Sprintfinals der Männer und Frauen von 1972 bis 2008 mittels einer sogenannten "unechten Längsschnittanalyse" untersucht haben, in die Runde werfen:
Zitat:"(...) Im Zeitraum von 1972 bis 2008 sind die Sprinter (innen) in den olympischen Endläufen erwartungsgemäß schneller geworden,.........(...)"

"(...) Die Sprints wurden zunehmend schneller, weil die Schritte länger geworden sind. Das ist erkennbar an der großen Ähnlichkeit im Verlauf von Sprintgeschwindigkeit und Schrittlänge. Der Zusammenhang zwischen beiden Merkmalen ist ist sehr hoch, womit schon klar wird, dass die Schrittfrequenz nicht zur Leistungssteigerung beigetragen hat. Ihre Entwicklung verläuft ganz anders, nämlich tendenziell negativ. Das führt zu negativen Ähnlichkeits- und ebenso zu negativen Korrelationskoeffizienten, besonders ausgeprägt bei den Sprinterinnen. Das Plus in der Schrittlänge wird durch das Minus in der Schrittfrequenz etwas gemindert, aber es ist viel größer als der Rückgang der Frequenz...(..)"


Quelle:
Letzelter, S. & Engel, P. (2010). Entwicklung von Laufzeit, Schrittlänge und Schrittfrequenz im Sprint der Olympischen Spiele von 1972 bis 2008. In: Leichtathletik - Strukturen, Aufgaben, Qualifikationen:  10. Symposium der dvs-Kommission Leichtathletik vom 8.-9. Oktober in Mainz.

Leistungssteigerungen durch Zunahme der Schrittlänge sind demnach kein individuelles Phänomen, sondern allgemein zutreffend. Und das offenbar für Männer und Frauen.

Es ist richtig, dass das z. B. zwischen Gay und Powell auch so war, wobei Powell bei diesem Test Trainingsschuhe und keine Spikes getragen hat. Im Grunde sollte man aber nicht "Äpfel mit Birnen", sondern gleiche Typen von der Körpergröße her vergleichen. Insofern hinkt der Vergleich zwischen Gay und Powell. Man kann folglich nicht einen M. Greene mit U. Bolt hinsichtlich Schrittfrequenz und -länge vergleichen. Mich interessieren aber eben auch die Stiffnessverhältnisse und die Trainingszusammenhänge.

Gertrud


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - decathlonitis - 08.12.2015

(08.12.2015, 15:50)MZPTLK schrieb: Selbstverständlich geht es über die Schrittlänge, das zeigt nicht nur die Letzeltersche Untersuchung.
Selbiges habe ich in diversen Threads immer wieder betont,
aber man darf offenbar nicht davon ausgehen, dass Diskutanten und Diskuonkel vom Gleichen ausgehen.

Ja, das hatte ich auch so abgespeichert und ein bewusst verbesserter Armeinsatz! Thumb_up

Ich glaube auch nicht, dass man die Frequenz generell immer weiter verbessern kann. Die kleinen Trommler möglicherweise, aber Raumgewinn dadurch und eine verbesserte Zeit. Vielleicht ein Mutant?

Die Frage stellt sich wieder: wie erreiche ich bei hoher/höchster Frequenz eine größere Schrittlänge?
Über die Technik? Über verbesserte Kraftwerte und Koordination, Kondition, Lockerheit?
Alles zusammen!?
Huh
Die tiefere Kniebeuge zur gleichmäßigen Belastung der Agonisten und Antagonisten? (schützt vor Verletzungen der Ischios) als Zubringer?
Was noch? Ich will auf die Bahn, der Winter geht schnell vorbei.


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 08.12.2015

(08.12.2015, 19:51)decathlonitis schrieb:
Zitat:Die tiefere Kniebeuge zur gleichmäßigen Belastung der Agonisten und Antagonisten? (schützt vor Verletzungen der Ischios) als Zubringer?
Was noch? Ich will auf die Bahn, der Winter geht schnell vorbei.

Eine relativ hohe Frequenz hinzubekommen und dazu eine enorme Schrittlänge und das alles gesund: Das ist schon ein verdammt harter Auftrag für einen Toptrainer, der ein sehr spezielles Übungspotential erfordert.

Gertrud


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 08.12.2015

Sprinttechnik ist die optimale bewegungsmäßige Lösung für das Sprinten. Die Biomechanik des Sprintens beinhaltet dagegen nicht nur die Sprinttechnik, sondern auch, wie sich die Änderung von konditionellen Parametern auf den Ablauf des Sprints auswirkt. Wir müssen darum ganz klar unterscheiden, ob z.B. eine Änderung der Schrittlänge im Laufe der Zeit überhaupt etwas mit der Technik der Sprinter zu tun hat, oder von veränderten konditionellen Parametern (Doping?) abhängt, und ob es uns demnach in einer Technikdiskussion weiterbringt. Die benannte Entwicklung steht in keiner Weise mit den Erkenntnissen über Sprinttechnik in Konflikt.


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 28.08.2017

(08.12.2015, 19:51)decathlonitis schrieb: Die tiefere Kniebeuge zur gleichmäßigen Belastung der Agonisten und Antagonisten? (schützt vor Verletzungen der Ischios) als Zubringer?

Das Maximum der Hamstrings wird übrigens im EMG bei 10°-70° erreicht. Zudem sollte man sich Gedanken darüber machen, dass in der Leichtathletik der biceps femoris caput longum meistens Verletzungen in einem ganz speziellen Winkelbereich erleidet. Die Spezifik der leichtathletischen Arbeitsweise wird in keiner Form durch die tiefere Kniebeuge abgedeckt und hinsichtlich Agonisten und Antagonisten in den tieferen Gebieten erreicht. Folglich geht es hier nicht um "die" Hamstrings, sondern um eine sehr gezielte Differenzierung und Übungserreichbarkeit. Leichtathletik ist nun mal kein "tiefes Sackhüpfen".  Wink Die Betrachtung dieses Komplexes erfordert eine punktgenaue Herangehensweise im Ausschlussverfahren nach dem Motto: "Wissen ist Macht" oder in diesem Fall eine geeignete Verletzungsprophylaxe!!!

Gertrud


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 28.08.2017

Natürlich bringt die tiefe Kniebeuge irgendwie immer einen Beinkraftgewinn. Wir sollten uns aber vorrangig fragen, ob es die richtige und gezielte Kraft als Unterstützung der leichtathletischen Erfordernisse ist. Die zweite Frage ist sicherlich: "Will ich nur einen sehr gezielten Ausschnitt oder auch den Ausschnitt eingebettet in einer konzentierten Aktion trainieren?" Wie sieht es mit der Eingliederung der Geschwindigkeit aus? Ihr merkt, dass ich total im Ausschlussverfahren nachfrage. Mit anderen Worten auch: "Ich baue keine unnützen Strukturen auf!!!"

Gertrud



RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 28.08.2017

An der Stelle auch ein Hinweis an die Mitleser:

-Wenn man tiefe Kniebeugen trainiert, gewinnt man über den gesamten getätigten ROM, also z.B. Kniewinkel 0-130° Kraft.
-Wenn man viertel Kniebeugen trainiert, gwinnt man über den ROM von 0-45° Kraft.

-Bei dem TKB-Training fallen die Kraftgewinne im Bereich der 120-130° Beugung am stärksten aus, da dort während der Übungsausführung die Hauptbelastung ist. Die Kraftgewinne im Bereich der kleinen Kniewinkel sind geringer.
-Bei dem VKB-Training sind in diesem kleinen ROM zwischen 0 und 45° die Kraftgewinne höher, als in dem selben ROM durch ein TKB-Training. Das liegt daran, dass man durch das höhere Trainingsgewicht in diesem Winkelbereich eine höhere Belastung applizieren kann.

Diese Winkelspezifizität ist einerseits neuronal bedingt (das ZNS lernt, in dem im Training beanspruchten Bereich mehr motor. Einheiten zu rekrutieren) und anatomisch (in untersch. Winkeln werden untersch. Muskelregionen untersch. stark beansprucht).

Sicherlich wirft die Viertel-KB Probleme auf, z.B. das hohe Gewicht, dass von der Rumpfmuskulatur i.d.R. nicht bewältigt werden kann. Es ergeben sich aber Alternativen wie einbeinges Training in der Beinpresse im Viertelkniebeugen-Bereich.

Am wichtigsten ist aber, dass man dieses Prinzip des gelenkwinkelabhängigen Kraftgewinns nicht nur auf die Kniebeuge, sondern auch auf andere Muskelgruppen übertragen kann:

-Der ROM bezüglich der ischiocuralen Muskeln im Sprint und Sprung ist von der Kniehubposition bis in den Hinterstütz.
--> Das entspricht z.B. nicht den Muskellängen, die beim Beincurl liegend ohne Knick oder der Glute Ham Raise beansprucht werden, wohl aber dem beim rumänischen Kreuheben oder dem Beincurl sitzend / liegend mit Knick, aber auch dem Standumsetzen aus dem Hang. Es gibt auch die Möglichkeit, die Hüftstreckung auf versch. Weise am Kabelzug zu simulieren, dann v.a. als Schnellkrafttraining.

-Hüftbeuger am Kabelzug in Rückenlage entspricht dem ROM beim Sprintstar, wo aus HÜftstreckung (0°) und einigermaßen gestrecktem Knie die Bewegung beginnt. Der vmax-Phase entspricht es aber nicht, da hier eine Überstreckung der HÜfte die Ausgangsposition ist und durch die Kniebeugung zusätzlich der M. rectus femoris ein größere AUsgangslänge hat. Insofern müsst man die Übung auch stehend ausführen, wobei der Kabelzug von hinten kommt und in der Ausgangsposition die Hüfte leicht überstreckt und das Knie gebeugt ist.
(Vorsicht: Die exzentrische Bewegung muss kontrolliert erfolgen und durch Musklen, nicht durch Bänder des HÜftgelenks abgebremst werden, um das Hüftgelenk nicht zu schädigen.)


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 28.08.2017

Man muss sich über die negativen Seiten von Übungen im Klaren sein; nur so kommt man zu vernünftigen Lösungen. Wenn man als Trainer sehr gut sein will, muss man manchmal allgemeine Tendenzen überspringen.  Wink Nur dann entwickelt man ein Gespür für neue Strömungen hinsichtlich des Übungsgutes. Das betrifft vor allem die Arbeit mit Sprintern, die in die Jahre gekommen sind. Der "Teufel" sitzt im Detail, wenn man richtig ansteuern möchte.

Gertrud


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - dominikk85 - 28.08.2017

Was halten Sie eigentlich von den sogenannten glute Ham raises als training für die beuger?
https://youtu.be/70TLeRfK75o

Oder lieber so Übungen wo man das gestreckte Bein nach hinten am kabelzug durchzieht?


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 28.08.2017

Zur Info: Frau Schäfer hat diese Übung schon mehrfach abgelehnt hier im Forum. Die Begründung dafür steht in meinem letzten Beitrag...