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Sprinttechnik - Zutritt nur für Wissbegierige! - Druckversion

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RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Halloo - 02.12.2015

(02.12.2015, 23:20)Gertrud schrieb: ....Ich hatte manchmal bei Fortbildungen das Gefüht, dass möglichst keine unbequemen Fragen gestellt werden sollten..... .....
....Mit Valerij Bauer z. B. kann man konträr diskutieren, was ich sehr schätze....

Gertrud
Zu 1) Nicht nur bei Fortbildungen...
Zu 2) ..was nicht überall gewünscht wird. Sad


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - dominikk85 - 03.12.2015

(02.12.2015, 16:50)icheinfachma schrieb:
(02.12.2015, 14:38)dominikk85 schrieb: Backside mechanics: -DAS NACHFOLGENDE IST MIT BACKSIDE MECHANICS NICHT GEMEINT Impuls kommt vor allem aus der Hüftstreckung. In der recovery soll der Fuß möglichst senkrecht - FALSCH- DAS IST NICHT MÖGLICH UND DIE TROPFENFÖRMIGE VERLAUFSKURVE DES FUSSES HABE ICH AN MEINEN BEITRAG MIT DER TECHNIKBESCHREIBUNG ANGEHÄNGT nach oben gezogen werden (gleichzeitige knie und hüftbeugung) anstatt erst nach hinten auszupendeln und dann nach vorne gezogen zu werden, so dass der fuß den höchsten punkt unter dem hintern hat. - RICHTIG

Frontside mechanics: knie hebt sich mit gebeugtem bein und sobald die rückführung des OS beginnt - FALSCH, beginnt sich das knie zu strecken, so dass das bein kurz vor dem aufsatz fast gestreckt ist und mit hoher geschwindigkeit richtung hinten/unten beschleunigt wird  -RICHTIG. fußaufsatz dann kurz vor dem KSP mit dem ballen und möglichst geringes beugen des knies in der amortisierung, -RICHTIG so dass der impuls wieder mehr aus der hüfte kommt (beginn neuer zyklus) -FALSCH - DAS KNIE BEUGT SICH ZWAR NICHT; ÜBERTRÄGT ABER DURCH SEINE STEIFHEIT DENNOCH GROSSE VERTIKALE UND IM HINTERSTÜTZ AUCH GEWISSE HORIZONTALE KRÄFTE; DIE ARBEIT DES HÜFTGELENKES WIRD VOR ALLEM IN DER VORDEREN SCHWUNGPHASE REALISIERT UND DIENT DAZU, BREMSKRÄFTE ZU VERRINGERN SOWIE IM HINTERSTÜTZ, UM HORIZONTALE KRÄFTE ZU ERZEUGEN - KNIE- UND HÜFTGELENK SIND BEIDE WICHTIG

habe ich das so richtig verstanden?


Nein. Die Begriffe sind falsch verstandn und die Telbewegungen auch nicht ganz richtig.

backside mechanics und frontside mechanics sind keine "sauberen" Begriffe, sondern umgangssprachliche Bezeichnungen aus dem amerikanischen Raum. Sie bedeuten:
-frontside mechanics: alle Bewegungen vor der senkrechten Linie durch den KSP
-backside mechanics: alle Bewegungen hinter der senkrechten Linie durch den KSP

Zweite Bedeutung:
-(to run with) frontside mechanics: guter Kniehub und ausgreifende, kraftvolle vordere Schwungphase, sowie aktiv greifender Fußaufsatz um viel Kraft auf den Boden zu übertragen, also eine vordere Schwungphase nach allen Regeln der Kunst
-(to have to much) backside mechanics: keine Verkürzen der residual phase (=Phase der Resthüftstreckung nach dem Verlassen des Bodens des Fußes), die in einem weiten nach hinten SChwingen und übertriebenen Anfersen hinter dem Körper resultiert, was daran hindert, das Knie schnell nach vorn zu bringen und dadurch einen guten Kniehub zu erreichen; außerdem ein übertriebenes nach hinten drücken, wie es in den Sprintbeschleunigungsabschnitt gehört, das aber in der vmax-Phase nur in einer anterioren Beckenkippung mit höherer Ischiobelastung und geringem Kniehub sowie hohem Ausschlagen der Ferse hinter dem Körper.

Danke. Ich dachte immer backside mechanics = mittelstütz bis "anfersen" und frontside = kniehub bis fußaufsatz

senkrecht nach oben war vermutlich schlecht ausgedrückt, ich meinte eher den fuß möglichst direkt unter den hintern ziehen (im endeffekt fast "diagonal") also das "ausschwingen" nach hinten verkürzen. ist das korrekt?

Zum "vorderen teil": also beginnt sich das bein schon bei der kniepassage des fußes zu strecken? ist das ein aktiver oder passiver Prozess?

zum abdruckimpuls:
woher kommt er dann? nur durch reaktivkräfte? wann im fußkontakt wird die meiste kraft generiert und von welchen muskeln?


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - v.b. - 03.12.2015

Es ist sehr interessant, Evaluations Physiologie für die Lauftechnikanalyse einzuziehen.

Der Organismus ist ein selbstregulierendes selbstregelndes System.

Grundregulation des „System Mensch“ ist Prinzip der Ökonomie.

Beispiel: regelmäßige Belastung  verursacht regelmäßige Mikrotraumas.    Der Organismus muss viel Energie verbrauchen um die Mikrotraumas zu „reparieren“. Also, der Organismus verdickt die Muskelfaser (Hypertrophie) oder bauet neue (Hyperplasie), um in der Zukunft „Reparatur“ zu sparen.

Wie jeder Regelkreis hat  der Organismus „Sensoren“ – die Rezeptoren; Regler – ZNS, wo das Sollwert und das Istwert verglichen werden; Stellglied – auch ZNS, der Istwert korrigiert und in die Übereinstimmung mit dem Sollwert bringt.   (nicht nur die Erregung, auch die Hemmung!!! )            Dass jeder Muskel  eigener Sollwert  hat (Muskellänge, funktionelle Muskellänge, Dehnungsgeschwindigkeit, Kraft… ) bedarf keiner Erwähnung.

Zu frontside mechanics: im fordere Schrittfase, im Umkehrmoment des Fußes muss IMG 12000 Newton Kraft entwickeln (Link habe ich schon mal gepostet), exzentrisch (um Knie von Überstreckung zu schützen?).  Zum Vergleich: die stärkste Achillessehne reist bei 9000 N. Vordere Kreuzband kann bis 4500 N. aushalten. Damit werden „Sollwerte“ der IMG überschritten.

Es ist interessant, wie löst diese Aufgabe (Rotation des Unterschenkels um die Kniegelenkachse zu stoppen) selbstregulierendes selbstregelndes „System Mensch“.

Die Natur hat vorgesorgt: H/Q Ratio - Kraftverhältnis IMG zu Quadrizeps ist von die Winkelgeschwindigkeit  abhängig.

Wenn jemandem technische Mechanik interessiert:  wandinger.userweb.mwn.de/TMD/l3_2.pdf (Aufgabe1).


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 03.12.2015

(03.12.2015, 10:14)dominikk85 schrieb: senkrecht nach oben war vermutlich schlecht ausgedrückt, ich meinte eher den fuß möglichst direkt unter den hintern ziehen (im endeffekt fast "diagonal") also das "ausschwingen" nach hinten verkürzen. ist das korrekt?

Schau dir mal die Abb. 10a und b in meinem Post auf Seite 1 an: Abb. 10a zeigt die Verlaufskurve des Fußes bei "zuviel backside mechanics" (weites Auschlagen der Ferse und geringes Ausgreifen) und Abb. 10b die ungefähr optimale Variante mit viel "frontside mechanics" (geringes Ausschlagen der Ferse, starkes Ausgreifen). Im Prinzip hast du aber schon recht.
Zitat:Zum "vorderen teil": also beginnt sich das bein schon bei der kniepassage des fußes zu strecken? ist das ein aktiver oder passiver Prozess?
Schau dir mal die Zeitlupe an: https://www.youtube.com/watch?v=4fjC1Oim0UQ Der Kniewinkel öffnet sich schon sehr frühzeitig, noch während die Ferse unter dem Körper ist. Denn die Fliehkräfte (das habe ich schon 3x geschrieben Wink  ) drücken die Ferse nach außen, weg von ihrem Rotationszentrum Hüftgelenk und die SChwerkraft zieht den Unterschenkel nach unten. Wenn der Kniehub endet, kommt noch die Trägheit dazu - Unterschenkle pendelt weiter nach vorn und die EMG-Aktivierung der QUadriceps vor dem Fußaufsatz kann als eventuell unterstützend interpretiert werden, aber die EMG-Messungen sind ungenau (Innervationsbeginn variiert je nach Sprinter).
Zitat:zum abdruckimpuls:
woher kommt er dann? nur durch reaktivkräfte? wann im fußkontakt wird die meiste kraft generiert und von welchen muskeln?

Der Impuls ist das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit, die Masse des Körpers bekommt ihrer Geschwindigkeit natürlich als Resultat aller einwirkender Kräfte (Bodenwechselwirkungskräfte, Luftwiderstand, Schwerkraft). Und das Verhältnis ändert sich ja insbesondere am Start und in der Ermüdungsphase. Das habe ich auf Seite 1 im Text auführlich erklärt.

Die meisten vertikalen Kräfte werden im Vorderstütz übertragen, Seagrave schreibt von 70%. Im Hinterstütz sind es dann 30%. Die horizontalen Kräfte, die im Vorderstütz gegen die Laufrichtung wirken, sind um den Betrag der durch den Luftwiderstand erzeugten Kräfte kleiner als die horizontalen Kräfte in Laufrichtung, die im Hinterstütz auf den Boden übertragen werden. Hier eine Visualisierung: https://www.youtube.com/watch?v=Z8msUZVY4xA.

Zur Beteiligung der Muskeln: Es gibt nicht 1. den Muskel, der die Schrittlänge mach und 2. den Muskel, der die Schrittfrequenz macht. Das ist eine dumpfe Denkweise. Gesäßmuskulatur, ischiocrurale Muskulatur und M. adductor magnus wirken hüftstreckend, Mm. vast und ischiocrurale Muskulatur zusammen kniestreckend, Hüftbeuger hüftbeugend. Die Frage ist nicht, welche Funktion einzelne Muskeln für den Impuls haben, sondern welche Funktion Kniehub, HÜftstreckung, knee stiffness haben. Für die an der Muskelaktivität interessierten hier ein bisschen Lektüre im Anhang.


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 03.12.2015

Der hat nicht mehr reingepasst:


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - icheinfachma - 03.12.2015

(02.12.2015, 23:03)Halloo schrieb:
(02.12.2015, 22:19)icheinfachma schrieb: Im Fußball macht Technikschulung für Sprinten keinen Sinn, aber ein Ausbauen der instinktiven Bweegungsmuster. Doch in der Leichtathletik nützt uns dieses Muster nicht. Wir wollen nicht wenig sein, die Richtung ändern, sondern die maximale Geshcwindigkeit auf der Geraden erreichen.
 


Einspruch.
Warum sollen Fußballer nicht technisch richtig laufen, wenn sie auf diese Weise schneller sind? Bei einem Tempogegenstoß macht ein Deut schneller über 40-50m manchmal den Unterschied aus. Natürlich ist das noch Entscheidendere, schnell zu reagieren - egal in welche Richtung und aus welcher Stellung, und bei den  ersten Schritte schneller als der Gegner zu sein.
Frag mal gute Fußballtrainer.
Wendigkeit beim Sprinter kann auch nicht von Nachteil sein.


Die Technik des greifenden Laufens bringt nur Verbesserungen im Bereich von Sekundenbruchteilen, erfordert aber Übung. Eine Technik, wie sie z.B. die Deutschen lange liefen (z.B. in den 90ern, siehe Anhang - Marc Blume) ist aucch bei den Fußballern im Profibereich gegeben. Heute laufen die Deutschen mit besserer Technik nur eine Zehntelsekunde schneller. Starten können auch Fußballer ganz gut, natürlich mit ungünstigerer, aber für die Sicht nötiger aufrechterer Körperhaltung und nach vorn gerichtetem Blick statt Blick zum Boden. Schau dir mal auf Youtube Videos an von Fußballern. Wenn sie wirklich mal geradeaus sprinten, sieht es nicht allzu grottig aus. Natürlich werden solche Sachen wie ein extrem außenrotierter Fußaufsatz durch Außenrotation der ganzen Hüfte oder seitliche Armbewegungen nicht korrigiert, aber das liegt wohl daran, dass der Fußball aufgrund seiner Masse nachwachsender Sportler ein anderes Verhältnis zur Verletzungs- und Überlastungsprävention als die Leichtathletik hat. Außerdem ist es durch die ständigen Richtungswechel auch gut, wenn Fußballer ihre Arme intutitiv bewegen und nicht so geradlinig in Bahnen gelenkt wie im leichtathletischen Sprint. Wir müssen uns aber dessen bewusst sein, dass die Sprinttechnik nur geringe Verbesserungen bringt und es sich für Fußballer einfach nicht lohnt, zweimal die Woche leichtathletische Sprinttechnik zu trainieren, wenn sie dann mal in einem von 3 Spielen einen einzigen 50m-Sprint machen müssen.


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - dominikk85 - 03.12.2015

Im Fußball kommt ja auch dazu, dass fast alle Sprints im 10-30m Bereich stattfinden, also wie die startphase im Sprint wo ja auch spitzenläufer noch eher " stoßend laufen". Es kommt also eher auf beschleunigen als auf Max Speed an.

danke für die Links, echt interessant.

noch eine Frage: werden bereits im vorderstütz positive horizontale Impulse erzielt, oder nur vertikale und horizontal bremsende?


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 03.12.2015

Man muss natürlich bei Studien genau hinsehen, wer in diesen Studien geprüft wird. Man kann Ergebnisse von Sprintern auf niedrigem Niveau teilweise nicht auf die "Idealsprintform" im Topbereich übertragen. Die Studien von Tidow und Wiemann sind sicherlich bei deutschen Sprintern gemacht worden. Da stellt sich die Frage der Relevanz, wenn ein anderes internationales Sprintverständnis hinsichtlich technischer Konsequenz vorherrscht. Wenn unsere Sprinter geringere Winkel als die Weltspitze im Mittelstütz haben, können wir diese Muskelaktivitätsanteile nicht als das Non plus Ultra nehmen. Außerdem fehlt bei den deutschen Studien der Anteil des Iliopsoas, wobei es recht schwierig zu sein scheint, ihn EMG-mäßig in der Tiefe dingfest zu machen. Die Japaner haben das wohl bei Asafa Powell durchgeführt. Mit der Verbesserung der Sprintbewegung ergibt sich auch ein anderes Muskelaktvitätsmuster. Bei der sehr speziellen Hüftbewegung eines Usain Bolt ergeben sich noch ganz andere Profile und Ansätze der Geschwindigkeitsrekrutierung. Es gibt aus meiner Sicht muskelphysiologisch noch Reserven, die wissenschaftlich erst noch erschlossen werden müssen. Mit Bestimmtheit spielen viele individuelle Eigenarten eine nicht zu unterschätzende Rolle. 

Gertrud


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - dominikk85 - 03.12.2015

Ist die Aktivität des iliopsoas nicht relativ klar ( kontrahiert in der kniehubphase)? Oder hat der I. Neben dem nach vorne beschleunigen des OS noch eine weitere Funktion? Das dieser Muskel hauptverantwortlich für den kniehub ist, ist doch jedem bekannt, oder?


RE: S p r i n t t e c h n. - Zutritt nur für Wissbegierige! - Gertrud - 03.12.2015

Trotzdem sollte man ihn doch deklarieren. Er war aber in der Dominanz wie bei Asafa Powell nicht bekannt. Das kann bei Usain Bolt anteilmäßig natürlich anders aussehen?!

Gertrud