Leichtathletikforum.com
ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik (/showthread.php?tid=1228)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23


ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Atanvarno - 30.07.2015

Hajo Seppelt legt nach. Am 1.8. strahlt die ARD den zweiten Teil seiner Untersuchungen zum Doping in der Leichtathletik aus. Seppelt schaut ob und was sich in Russland nach seinem ersten Bericht getan hat, weiterhin hat er sich in Kenia umgesehen.

Livestream (am 1.8. ab 17:05 Uhr): [Nur angemeldete Benutzer können diesen Inhalt sehen!]

Interview mit Seppelt.

Hier der Diskussionsthread zum ersten Teil:
ARD: Geheimsache Doping - Systematisches Doping in Russland


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - yamaro - 01.08.2015

Für diejenigen, die es verpasst haben, gibt es das Video hier in der ARD-Mediathek.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Atanvarno - 01.08.2015

Kurze Zusammenfassung der Kernpunkte

Russland
Seppelt wurden weitere verdeckt aufgenommene Tondokumente zugespielt, nach denen folgende Athleten Dopingmittel genommen haben:

Maria Savinova: Wachstumshormonone, Oxandrolon, EPO
Anastasiya Bazdyreva: Parabolan
Yekaterina Poistogowa:  Oxandrolon, Peptidhormone

Der in der ersten Dokumentation schwer belastete Trainer Vladimir Kazarin ist immer noch als Trainer aktiv

Nach Seppelt zugespielten Auszügen aus den Whereabout-Information machen russische Athleten auffällig häufig keine Whereabout-Angaben - ohne Konsequenz. In einem Telefonmitschnitt kündigt eine Rusada-Kontrolleurin die Kontrolle bei einer Athletin an.

Swetlana Schurowa, Mitglied im Aufsichtsrat der Rusada, hat in einem offiziellen Zeitungsinterview gesagt, dass Mitglieder des Nationalteams über Dopingkontrollen informiert werden. Weiterhin werden (nach guter alter Tradition Wink ) vor Meisterschaften Kontrollen durchgeführt, damit falls Doping nachgewiesen wird, die Athleten zu Hause behalten werden können.


Doping in Kenia
Seppelt besucht mit einem europäischen Amateurläufer einen kenianischen Doktor, der Epofit und Sustanon (ein Anabolikum) herausgibt und dem Läufer auch EPO spritzt. Der Doktor behauptet auch einen Olympiasieger zu behandeln.
Mehrere Ärzte spritzen kenianischen Marathonläufern der 2. + 3. Reihe vor laufender Kamera EPO. Auch diese behaupten Top-Kenianer zu behandeln, aber dafür gibt es keine Beweise

Rita Jeptoo gibt im Interview an, dass sie seit 2006 in Kenia nicht einen Bluttest hatte, nur Urintests

Korruption im kenianischen Verband
Der positive Test von Viola Chelangat Kimetto (1.12.2013), von der IAAF am 24.01.2014 an AK (Athletics Kenya) übermittelt, wurde nicht geahndet, Kimetto lief noch im Oktober 2014 einen Marathon erst danach erfolgte die Sperre durch die IAAF.
Zwei interviewte Athletenbetreuer geben an, dass nur junge, unbekannte Läufer in Kenia getestet werden, die Topleute können sich freikaufen. Bei positivem Test vertuscht AK die Ergebnisse gegen Beteiligung am Preisgeld.
Die Verbandsführung um Isiah Kiplagat scheint hochkorrupt, hat sich in den letzten Jahren mit mehreren 100000 Dollar von Verbandskonten bedient.

Blutwerte
Seppelt wurde eine Datenbank mit Blutwerten zugespielt. 12000 Bluttests von 5000 Athleten zurückreichend bis 2001.

Eine erste Untersuchung erfolgt mit Journalisten der Sunday Times: jeder 7. Athlet hat auffällige Werte, in manchen Nationen ist gut die Hälfte der Werte auffällig.

Danach schränkt Seppelt die Datenbank auf die Ausdauerdisziplinen ein und lässt die Werte von den australischen Experten Michael Ashenden und Robin Parisotto unabhängig voneinander nach den Kriterien begutachten, die auch in einem Dopinglabor angelegt würden

Ergebnis:
Die Ausdauerdisziplinen sind von Blutdoping durchsetzt, einige Werte sind grotesk/extrem. Die Experten sind sich einig, dass es die schlimmsten Werte sind, die sie je gesehen haben.

Michael Ashenden schrieb:Looking at these result, I have absolutely no doubt that the endurance disciplines at World Championships and Olympics were filled with blood doping. I feel sorry for the clean athletes, because it was simply impossible to have any chance against some of the blood values which I have seen in this database.

Die extrem gefährlichen Blutwerte legen die Vermutung nahe, dass hier EPO ohne medizinische Begleitung genommen wird, die Athleten riskieren tödliche Konsequenzen.

Erstaunlich ist die Verbreitung. In der betrachteten Periode von 2001 bis 2012 wurde jede dritte Medaille in den Ausdauerdisziplinen von verdächtigen Athleten gewonnen, jede sechste von Athleten bei denen sich die Experten sicher sind, dass Blutdoping im Spiel war.

Im Vergleich mit dem Radsport ist die Zahl der auffälligen Blutwerte seit 2008 (2009 wurde der Blutpass eingeführt) stark angestiegen. Dennoch weist die IAAF jede Kritik zurück.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Pippen - 01.08.2015

Überraschungen bleiben aus. Es gibt keinen LA-Insider, der nicht weiß, dass seit den 60igern 50% der Medaillen via Doping gewonnen wurden. Überall und immer, wo man viel Geld oder viel Ruhm für (relativ) wenig Aufwand verdienen kann, kann ohn Ansehen der Tatsachen bereits gesagt werden, dass großflächig gemauschelt und betrogen wird - interessant ist eigentlich nur noch, ob "nur" großflächig oder sogar flächendeckend und ob es einzelne Ausreißer gibt, die sauber sind (Bolt?). Hajo erzählt daher nichts Neues. Trotzdem interessant, wie naiv manche Topathleten dopen (wenn wir mal unterstellen, dass Hajo selbst "sauber" ist und kein TV-Doping (Cash gg. gefakte Interviews usw.) betreibt.

Dass Russen und Kenianer dopen war eh klar, dort geht es um Existenzen. In Äthiopien oder den USA ist das wohl nicht anders. Schade, dass die Medien daraus nicht wenigstens die Minimalkonsequenz ziehen, mal bildlich gesprochen, gerade die kleinen - aber wohl sauberen - Lichter mehr zu beachten als die grellhellen Xenonröhren. Aber so sind wir Menschen: Wir lassen uns zu sehr vom äußeren Schein blenden, selbst wenn wir es besser wissen.

Daher interessieren mich von je her gerade die 10. bis letzten Plätze bei Titelkämpfen, die leider bei Übertragungen nicht nur untergehen, sondern deren Anstrengungen oft auch nur höhnisch belächelt werden (Thiele ist hier ein mahnendes Beispiel).


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Natus_Vincere - 01.08.2015

Ja, "schockieren" tun diese Erkenntnisse wohl wahrlich niemanden mehr so wirklich. 

Es ist eher diese ganze mitschwingende Kuriosität, die mich erstaunlicherweise die Augenbrauen hochziehen lässt. Seppelt bekommt mittlerweile von hier und da Material zugespielt, dass es ja fast nicht mehr feierlich ist. Wenn das alles soweit authentisch ist, ist es ein vernichtendes Urteil für sämtliche beteiligte Institutionen. Andererseits wissen ja nun mittlerweile auch die ein oder anderen, dass Seppelt recherchiert, das kann natürlich auch zu dem ein oder anderen führen. Aber jetzt wird es zu sehr verschwörungstheoretisch Big Grin

Aber wenn er schon eine so umfassende Datenbank hat, dann wäre doch einmal interessant zu wissen gewesen: was ist mit Athleten abseits der Ausdauerstrecken? Abseits von Russland und Kenia? Bekannte, hochdekorierte Sportler? Deutsche Athleten? (natürlich wäre es auch komisch gekommen, hätte er salopp kommentiert: "Natürlich waren darunter keine Deutschen", aber ihr wisst hoffentlich, was ich meine)

Epo an allen Ecken in diversen Ländern ist ja das eine, Korruption und Unterschlagung das andere.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - runny - 01.08.2015

(01.08.2015, 18:24)Natus_Vincere schrieb: Aber wenn er schon eine so umfassende Datenbank hat, dann wäre doch einmal interessant zu wissen gewesen: was ist mit Athleten abseits der Ausdauerstrecken? Abseits von Russland und Kenia? Bekannte, hochdekorierte Sportler? Deutsche Athleten? 

...oder Fußballer?

Er spricht das ja selbst kurz an in der Dokumentation...Dass er eben bisher nur in Kenia und Russland genauere Nachforschungen betrieben hat.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Atanvarno - 01.08.2015

(01.08.2015, 18:24)Natus_Vincere schrieb: Aber wenn er schon eine so umfassende Datenbank hat, dann wäre doch einmal interessant zu wissen gewesen: was ist mit Athleten abseits der Ausdauerstrecken? Abseits von Russland und Kenia?

Die auffälligen Blutwerte in den Ausdauerdisziplinen betrafen nicht nur Athleten aus Russland und Kenia, sondern waren durchgängig.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Natus_Vincere - 01.08.2015

(01.08.2015, 18:56)runny schrieb:
(01.08.2015, 18:24)Natus_Vincere schrieb: Aber wenn er schon eine so umfassende Datenbank hat, dann wäre doch einmal interessant zu wissen gewesen: was ist mit Athleten abseits der Ausdauerstrecken? Abseits von Russland und Kenia? Bekannte, hochdekorierte Sportler? Deutsche Athleten? 

...oder Fußballer?

Er spricht das ja selbst kurz an in der Dokumentation...Dass er eben bisher nur in Kenia und Russland genauere Nachforschungen betrieben hat.

War die Liste nicht nur von der IAAF oder habe ich das wiederum falsch verstanden? Blush


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Atanvarno - 02.08.2015

Die Sunday Times gibt in ihrer Analyse noch ein paar zusätzliche Details zu den Inhalten der Datenbank (zitiert nach BBC, da der ST-Artikel hinter einer Paywall ist)

- ein(e) britische(r ) Top-Athlet(in) ist unter den sieben Briten mit verdächtigen Werten
- Ennis-Hill hat bei einer Meisterschaft gegen eine Athletin mit verdächtigen Blutwerten verloren
- Russland ist das "Epizentrum des Blutdoping". 80% der russischen Medaillen wurden von verdächtigen Athleten gewonnen
- 18 kenianische Medaillen wurden von verdächtigen Athleten gewonnen*
- Mo Farah und Usain Bolt hatten keine auffälligen Werte
- Bluttransfusionen und EPO micro dosing sind die Mittel der Wahl


*Ich frage mich, warum in dem Artikel bei den Russen die Prozentzahl angegeben wird, bei den Kenianern aber nicht. Weil es sich dann nicht mehr ganz so schlimm anhört? Kenianer haben nämlich im betrachteten Zeitraum 104 Medaillen gewonnen, d.h. der Prozentsatz liegt "nur" bei 17%.


RE: ARD: Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik - Astra - 02.08.2015

Glaubt ihr, es wird sich irgendwas ändern - egal ob Bubka oder Coe gewinnen wird?
Ich habe da keinerlei Hoffnung. Da wird einfach zu viel Geld verdient.
Dazu kommt, dass einige Staaten einfach zu tief mit drin hängen - und das gilt nicht nur für Russland und Kenia.
Bei Russland bin ich sicher, dass sich nichts ändern wird. Und Kenia? Da steht einfach für die Läufer zu viel auf dem Spiel, da ist das erwischt werden einkalkuliert.
Jamaika, Äthiopien sind für mich genauso suspekt. Und wieviele Athleten aus der Ukraine sind eigentlich gesperrt?
Die USA hat Gatlin, Gay u.a., Frankreich? Die nordafrikanischen Mittelstreckler, die für die reichen Scheichs laufen? Großbritannien, Polen? Griechenland hat so seine Vergangenheit.
Dazu kommen Athleten aus "Schwellen-Ländern", die plötzlich extreme Leistungen bringen - und genauso schnell wieder verschwinden.

PS: Ich würde Deutschland nicht ausnehmen, aber da gibt es z.Zt. kaum überragende Athleten. Und bei Storl und Schwanitz hoffe ich einfach, dass sie clean sind.