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SPORTPSYCHOLOGIE - Druckversion

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SPORTPSYCHOLOGIE - Javeling - 02.04.2014


http://www.leichtathletik.de/index.php?NavID=1&SiteID=28&NewsID=46648

Das Thema ist zwar nicht neu, aber immer wieder interessant zu lesen, welche psychischen Funktionen auch im Leistungssport das Handeln und Verhalten bestimmen, um entsprechende (und erwünschte) Leistungen zu erreichen /abzurufen.


Heinz Engels, Mainz


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - MZPTLK - 03.04.2014

Besonders interessant und wichtig finde ich dabei das Thema Motivation,
genauer intrinsische M.
Was genau veranlasst AthletInnen, viele Jahre viele Opfer zu bringen bei keiner oder inadäquater finanzieller Belohnung?
Ich habe ganz grossen Respekt vor den Leistungen - auch derer, die nicht an der Spitze sind, aber einen ähnlichen Aufwand betreiben.
So ganz wird sich das Phänomen wohl nicht erforschen lassen, das muss wohl aus archaischem Urgrund kommen.


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - Pollux - 05.04.2014

Mach doch ne Zeitreise zum frühzeitlichen Jäger! Guck ihm zu, wenn er auf Mammutjagd geht und betrachte das - von Furcht erfüllte - Gesicht, wenn ihm das Viech auf den Fersen ist. Wirst dann wohl zu dem Schluss kommen, dass er die Inkaufnahme des Risikos als ein „Opfer“ versteht, das man halt zum Überlebenskampf bzw. zur Nahrungsbeschaffung bringen muss. Wenn sich seine Waffen etwas verfeinert haben und die Kollegen besser kooperieren, wirst du vielleicht eine zwischenzeitliche Veränderung seiner Gesichtszüge bemerken. Vielleicht wird der Kerl sogar anfangen zu grinsen, wenn es –immer noch risikoreich- zur Sache geht. 

Wenn du einen klugen Interpreten an der Seite hast, wirst du vielleicht auf den Trichter kommen, dass er beginnt, die Jagd um ihrer selbst willen zu schätzen. Also nicht bloß um der Resultate willen. Und wenn der Kerl zwar noch nicht artikulieren kann, dass er dem bitteren Ernst seiner Existenz etwas faszinierend Spannendes abgewinnen kann (Was bestimmte Interpreten als Indiz für die Präsenz des HOMO Ludens erachten würden), aber vielleicht anfängt, die Szenerie auf Felsen zumalen, dann fällt bestimmt noch ein Groschen: Der Kerl könnte sogar die Vorstellung eines gesteigerten Lebens entwickeln. Und wenn ihm die Kollegen abends am Lagerfeuer auf die Schulter klopfen - und das, obwohl man am Tag nichts Zählbares nach Hause brachte – wird dir ein weiteres Licht aufgehen. 

Am Ende kannst du den Kerl mit zu uns bringen und ihn zu einer guten Sportveranstaltung mitnehmen. Wenn es dort ebenfalls um das Faszinierende des Unwägbaren, des offenen Ausgangs geht, - ebenso wie um ein Spannungsmoment zwischen Fürchten und Hoffen- wirst du bei ihm vielleicht ein ähnliches Grinsen wie damals bemerken. Vielleicht sogar, dass der Kerl ähnlich aus dem Häuschen gerät wie bei seiner Horde. Und spätestens dann wirst du auch bemerken, dass euch beide etwas verbindet. Etwas zutiefst Menschliches und zugleich elementar Kulturelles.

PS: Es sei denn, du hast dem Maschkov als Chefinterpreten dabei. Aber der wird immerhin bemerken, dass unser Protagonist schon Energie sparen konnte....Fahne


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - MZPTLK - 07.04.2014

@ Pollux: Vorlage verwandelt, so etwa meinte ich das!

Es ist bekannt, dass im Sport, vor allem auch in der Leichtathletik, archaische, lebenswichtige Bewegungen über die Jahrtausende tradiert, deriviert und kultiviert worden sind.
Beim Speerwurf ist der Ursprung offensichtlich, bei anderen Sportdisziplinen ist ein  Urnutzen auf den ersten Blick kaum erkennbar oder nicht gegeben.

Und bei den Kampfsportarten hat vielfach eine Sublimierung und Ritualisierung stattgefunden, eine friedliche Form des Krieges mit anderen Mitteln und Regeln.

Die Gründe für dieses Tun, vor allem wenn es spielerisch oder als Spiel daherkommt, sind gut nachvollziehbar.

Aber wie ist es um die Motivation bei Athleten bestellt, die den Sport zwar als Amateure, aber professionell betreiben? 
Da kommt doch früher oder später der Punkt, wo sich jeder be- oder un-bewusst eine Kosten-/Nutzen-Rechnung aufmacht.
Die fällt, nüchtern betrachtet, oft negativ aus - und trotzdem wird weiter gemacht.

Wo kommt der - intrinsische - Antrieb her, verflixte Axt?


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - Hellmuth K l i m m e r - 07.04.2014

(07.04.2014, 18:31)MZPTLK schrieb: Es ist bekannt, dass im Sport, vor allem auch in der Leichtathletik, archaische, lebenswichtige Bewegungen über die Jahrtausende tradiert, deriviert und kultiviert worden sind.

Beim Speerwurf ist der Ursprung offensichtlich, bei anderen Sportdisziplinen ist ein Urnutzen auf den ersten Blick kaum erkennbar oder nicht gegeben.

Der eigentliche Sinn, mit dem Speer zu werfen, war sicher die Absicht, Tiere zur Nahrungsbeschaffung zu erbeuten. Das ist aber Gott sei Dank! nicht mehr nötig.
Aber die Erinnerung daran erinnerte mich an eine Episode bei der Ausländer-Trainerausbildung an der DHfK in Leipzig: 
Als der Unterricht in dieser "langen Wurfdisziplin" so richtig in Gang kam, meldete sich bei meinem Koll. Dr. Werner Fritzsch ein afrikanischer Student, und er meinte (behauptete!), dass das   W e i t werfen Unsinn sei und in seiner Heimat keiner macht. Es komme vielmehr darauf an   g e n a u   zu treffen!
Und er bewies uns gleich seine Fähigkeiten: Er nahm sich die gerade rumliegende Zeitung (ich glaub es war das "ND" Wink ), breitete sie aus (ca. 1.5 qm) und traf aus ca. 40 Meter Entfernung genau ins Zentrum.
(Trotzdem lernte er bei uns auch die Speerwurftechnik, und er konnte auch sehr   w e i t   werfen. Smile )
H. Klimmer / sen.


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - MZPTLK - 08.04.2014

Genau treffen? Da war doch was?
Speerwerfer müssen den Speer, Jäger das Wildschwein treffen.
Aber wenn der Jäger den Speer nicht trifft, freut sich das Wildschwein. Big Grin


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - Pollux - 08.04.2014

Das gefällt mir! Im Übrigen hat niemand je behauptet, dass der Sport genuin zweckrational definiert ist. Würde man das tun, hätte man seine Handlungsstruktur falsch verstanden. Aber die Jagd ist ursprünglich sehr wohl zweckrational definiert- und unterliegt einer Kosten-Nutzen-Erwägung. Trotzdem kann sich der Sinn der Handlung vom ursprünglichen Zweck ablösen - und die Handlung dadurch zum Spiel werden. Aber schon hier wäre die Frage verfehlt: Wie kannst du bloß die Handlung um ihrer selbst willen (das ist der vernünftige Sinn des Konstrukts „intrinsisch“) schätzen, wo es doch nur um Zählbares gehen kann? 

Noch problematischer ist die Frage im Sport. Denn der Sport ist ursprünglich eben nicht durch einen Nutzen definiert. (Bert Brecht: Sport um den Stuhlgang zu verbessern ist kein Sport) Trotzdem kann eine Nutzenerwägung hinzukommen: Der Wunsch etwa, mit ihm Kohle zu machen. Das wäre ein extern def. Nutzen. Oder, eine bestimmte Erfolgsbilanz zum Maßstab für das Gelingen zu machen. (Weshalb man enorm viel für dieses Ziel investiert) Zu fragen, wieso einerweitermacht, obwohl keine positive Bilanz mehr in Aussicht steht, ist zwar verständlich, bleibt aber trotzdem auch unangemessenen. Allein schon deshalb, weil der Nutzen/die Ziele im Sport eben nicht feststehend definiert sind. Will sagen: Der Athlet kann mit großer Intensität weiter Sport treiben, indem er etwa seine Zielsetzungen seinen jeweiligen Möglichkeiten anpasst. (Was Ausdruck eines sportlichen Realismus ist) Im Sinn folgender Rechtfertigung: Ich will halt sehen, was mit 35 Jahren noch möglich ist. Oder: Mich fasziniert weiterhin die Spannung von Wettbewerben. Wer hier weiter fragt, verlässt den Boden der Plausibilität: Warum suchen Menschen mit ihren Handlungen das Glück? Oder: Warum entwickeln Menschen bestimmte Vorstellungen davon, wie ihr Leben gelingt?

Den Rückgriff auf „Intrinsische Motivation“ halte ich für problematisch. Erstens durch die Tatsache, dass die Orientierungen des Akteurs nicht unabhängig von gesellschaftlichen Übereinkünften definierbar sind. (Auch wenn die Rechtfertigung des eigenen Handelns von den Üblichkeiten abweicht) Womit zweitens ein normativer Aspekt ins Spiel kommt. Es ist also nicht nur normal, sondern auch vernünftig, wenn die Frage nach dem „trotzdem Weitermachen“ im Licht bestimmter gesellsch. Erwartungen beantwortet wird. Etwa, dass es nicht besonders klug ist, alles für den Sport zu opfern und wichtige Erwägungen in Richtung Berufsausbildung außer Acht zu lassen. Aber das ist im Grunde keine Kosten-Nutzen-Erwägung. Denn ein Athlet, für den sein Sport eine Lebensform darstellt, hat immer das Warnschild vor Augen: sich nicht in einen Selbstwiderspruch zu begeben, wenn er den Sport auf die Frage nach den angemessenen Maßstäben für das Gelingen des Lebens bezieht. Sich in ein System selbstgeschaffener Zwänge zu begeben, ist nämlich der definitive Widersinn des (ernsten) Spiels. (Oder von Freiheit!)

Die Frage nach dem Antrieb verweist für mich auf die Frage zurück, wie man es im Rückgriff auf rechtfertigende Gründe schafft ein guter Spieler zu sein und zu bleiben. Wenn einer jetzt fragt: Was ist die instrinsische Motivation zu spielen - oder nach einem autonomen Selbst zu streben, nehm ich die Axt von MZPTLK und folge einem falschen Bedürfnis.... Big Grin


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - lor-olli - 08.04.2014

Die Frage die sich mir stellt ist die, was "Sportpsychologie" sein soll? Selbstverständlich untersucht sie das Verhalten im / beim Sportgeschehen und versucht z.B. Versagen entgegen zu wirken, bzw. Siegstrategien zu entwickeln. Der "Sport im Wort" ergibt sich also nur aus dem Aspekt der Ab- oder Eingrenzung des zu untersuchenden Feldes, der Mensch ist in seiner Psychologie eigentlich immer derselbe… Sport ist im Grunde genommen doch die Ritualisierung des Überlebenswillens des Homo Sapiens. Jagen, Laufen, Kämpfen (Töten oder Verteidigen) sind Urinstinkte denen sich ein Lebewesen nicht entziehen kann, völlige Regungslosigkeit hält man nur kurze Zeit aus (max. Stunden). Überleben ist mit Bewegung verbunden, insofern ist "Sport" eine Form dieser Bewegung.

Beim reinen Überleben gibt es keine Regeln, außer der des Selbsterhaltes, Sport dagegen ist der Leistungsvergleich, Vergleich braucht Normen zwecks Vergleichbarkeit. Selbstverständlich kann ich jeden Tag nur für mich ohne Messung stundenlang laufen - keine Zeiten, keine Entfernungen, aber ist das dann Sport? Seit wir "in Horden" leben (vermutlich schon immer), geht es um Dominanz, das Alpha-Tierchen bekommt "die meisten Weibchen" (dem Zeitgeist gehorchend, betone ich, dass es selbstverständlich auch Matriarchate gab - und gibt? Wink).

Das ungeregelte Dominanzstreben vermindert aber den Lustgewinn der Unterlegenen, der Gruppe, weil der "Überlebenswille" angeboren (intrinsisch...) ist, wird man versuchen "unfaire Mittel" zu seinem Vorteil zu nutzen, da ist ein Spiel schnell am Ende - sogar Tiere im Rudel akzeptieren Regeln. "Regeln für den Lustgewinn" verlegen den Konflikt aber nach innen, machen den Sport aber erst massentauglich. Wer sich die Massen in einem Fußballstadion betrachtet, erkennt die "Psychologie des Krieges", nur dass wir Stellvertreter eine Kunststoffkugel misshandeln lassen …

Wir Leichtathleten stehen natürlich über den Dingen (Big Grin), wir haben den "Kampf" derartig ritualisiert, dass wir den Gegner nicht einmal mehr mehr als Gegner brauchen, der Gegner sind wir selbst, die Stoppuhr, die Latte und das Maßband - allenfalls der Zuschauer braucht noch die Konkurrenz. Für die Teilnehmenden erhöhen sie aber im Siegesfall den Lustgewinn. Soweit zum Sport im Amateurstatus, da spielen meines Erachtens wirklich die intrinsischen Motivationen (Bewegung = Überleben, Anerkennung = Bestätigung des Erlernten) den Motor.

Der professionelle Sport erfolgt im Grunde aus ähnlichen Beweggründen, nur dass die Akteure hier die Stellvertreterkriege führen (keine Zuschauer = kein professioneller Sport), die Motivation des Athleten wird ausgenutzt (niemand dessen Fähigkeiten nicht reichen wird Profi, angefangen haben ALLE als Amateure) und um ein Belohnungssystem erweitert - funktioniert auch bei Hunden ...

Die Behauptung einer intrinsischen Motivation ist als initialer Zünder schon gerechtfertigt, selbsterhaltend wirkt sie nicht, da bedarf es komplexerer Strukturen und Zusammenhänge - solcher eben, die viele von uns jeden Tag an den Schreibtisch bringen! (Lustgewinn oder nicht...)


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - Hellmuth K l i m m e r - 08.04.2014

Wenn ich die wahrlich philosophischen Dispute insbesondere zwischen 
Pollux und lor-olli lese, überlege ich:
- sind die Beiden vielleicht "richtige" Philosophen, die uns hier im Forum
  selbstlos belehren, geradezu "befruchten" wollen?  u n d   
- wer von uns Lesern kann das wirklich verstehen, will das   h i e r  lesen, und wie wenige werden veranlasst, dazu weiter zu  recherchieren?

Beiden (aber auch andren Interessierten) kann ich aber eine weiterführende Lit.angabe machen:

Astrid KÄMPFE: "Homo Sportivus Oeconomicus"; Intrinsiche und extrinsiche Motivation im Verlauf von Spitzensportkarrieren. Sportverlag Strauß Köln 2009; 404 S., 28.28 €.

Und wenn es um die Frage geht, warum der Mensch   L e i s t u n g s sport treibt, verweise ich gern auf die wichtigsten Aussagen des US-Sportsoziologen John ROY der sinngemäß sagte:
Die treibende Kraft des Sportlers ist das Streben nach persönlichen Ruhm. Sportler, Wissenschaftler, Künstler, ... wollen Unsterblichkeit, Ehrgewinn, sie wollen Sport h e l d e n  sein.


A b e r   der Erste zu sein, ist heute nicht mehr ausreichend; viele Einmal(Olympia)sieger sind bald vergessen. Deshalb ist (für Sportler) oft besonders die symbolische Belohnung durch Anerkennung von Mitbewerbern bedeutend, z.B. das Lob, der anerkennende Schulterklaps, ... nach dem Sieg.


(Diese Empfindung stellte übrigens Armin Hary heraus: Dass Lauer, Germar, u.a. Mitbewerber ihn neidlos die Anerkennung zollten nach seinem O.sieg - das war für ihn bedeutend!- Vgl. "Läufer des Jahrhunderts" v. Knut TESKE, Vlg. Die Werkstatt, Göttingen 2007.)

Das ist wohl auch eine Erklärung für das Trainieren und die emsige Wettkampftätigkeit von uns Alten - denn materiellen Gewinn (extrinsiche Motive) gibt es (fast) nie.

H. Klimmer / sen.
 


RE: SPORTPSYCHOLOGIE - Pollux - 08.04.2014

Nö nö nö. Die Plauderecke darf natürlich nicht besetzt werden mit  Geschreibsel, das dem Hellmuth über die Hutschnur geht. Ist schon klar! Nur eine Bemerkung. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich hier zwei Mal auf die Beiträge von MZPTLK geantwortet habe. Weil ich (nicht nur) die für sehr interessant halte- und genauso gut weiß, dass ihn die Antwort keineswegs überfordert. Und belehren lässt sich der Mann sowieso nicht! Genauso wenig wie Lor-Olli. Was gut so ist! 

Aber du kommst aus der Belehrschiene natürlich nicht raus, mein Lieber. Hast mich ja schon zur Genüge darüber belehren wollen, was angemessene Beiträge sind. (Und tust es gleich weiter mit deiner Literaturempfehlung) Eine andere Motivation kann es daher gar nicht geben, gelle. Ich beweise dir das Gegenteil und sage hiermit Tschüss! Aber nicht, ohne Lor-Olli und MZPTLK sehr herzlich zu danken! (Vielleicht weiter mit PN!) Den Rest, der sich belästigt fühlte, bitte ich um Entschuldigung. Wird nicht wieder vorkommen!